Es ist dem Senat nicht gelungen, das durchzuführen, obwohl es viele verbale Äußerungen dieser Art gab. Auch in den Jahren danach ist es nicht gelungen. Es gab Haushalts- und Finanzpläne, in denen der Neubau nicht mehr enthalten war. Erst in den letzten Jahren ist es wieder vorangekommen. Hier muß ich wieder einen Namen nennen, weil sich diese Frau sehr viele Verdienste dafür erworben hat, daß es damals schon und jetzt endlich zustande gekommen ist, nämlich die Justizsenatorin Frau Dr. Peschel-Gutzeit, der wir sehr viele Fortschritte in diesem Punkt zu verdanken haben.
Jetzt sind wir endlich so weit, daß man sagen kann, daß es wahrscheinlich nicht mehr rückgängig zu machen ist, es sei denn, es gibt wirklich eine Katastrophe bei der Wahl und die CDU folgt Herrn Schill und nicht Frau Vahlefeld.
Unter den Argumenten der CDU, die immer vorgebracht wurden, gab es auch eins, das man ernst nehmen konnte. Das habe ich in der Tat zum ersten Mal von Herrn Kelber gehört, der uns in der damaligen Senatskommission deutlich gemacht hat, daß es auch seiner Meinung nach völlig
falsch war, daß man dort 1948 ein Gefängnis eingerichtet hat. Er sagte, daß man das aber nach so vielen Jahren nicht mehr rückgängig machen könne und es so lassen müsse. Das sagte er mutig, ehrlich und offen im Angesicht der Vertreter der ehemaligen KZ-Häftlinge.
Das Argument ist trotzdem falsch, denn wir haben in den letzten Jahren erlebt, daß die Geschichte der Nazi-Zeit noch lange nicht zu Ende ist. Sie haben alle in diesem Hause sehr energisch dafür plädiert, daß das, was die neue Bundesregierung 1998 begonnen hat, auch stattfindet, nämlich die Entschädigung für die ehemaligen Zwangsarbeiter.
Auch das war 50 Jahre lang tot und ist erst durch die rotgrüne Bundesregierung in Gang gesetzt worden. Dann war auch die CDU, die vorher in der Regierung in Bonn war und nichts getan hat, dafür.
Es ist ebenso klar, daß wir noch immer nicht am Ende der Aufhebung aller nationalsozialistischen Unrechtsurteile sind. Darüber ist auch in diesem Haus mehrfach gesprochen worden. Das heißt, die Geschichte hat uns immer wieder eingeholt, und deshalb ist es auch notwendig, daß das Gefängnis dort verschwindet und daß diese Gedenkstätte ordentlich eingerichtet wird.
Man muß sich allerdings in dieser Situation hinsichtlich des Geschichtsbewußtseins dieses Landes auch der Debatte stellen. Es ist in letzter Zeit erneut sehr heftig unter klugen Leuten debattiert worden, ob unser Geschichtsbewußtsein nicht ein bißchen dadurch eingeengt ist, daß in Deutschland in den letzten Jahrzehnten immer nur über das Dritte Reich gesprochen wird und die Geschichte davor nicht mehr in den Köpfen der Menschen ist. Ich denke, das ist ein ernsthaftes und wichtiges Argument.
Dennoch müssen wir an dieser Stelle sagen, daß wir gar nicht anders können, als dafür zu sorgen, daß die Monumente und die äußeren sichtbaren Kennzeichen der Geschichte des Dritten Reichs so sichtbar bleiben, daß auch die zukünftigen Generationen sie sehen. Ich stimme Herrn Kopitzsch auch sehr darin zu, daß wir es nicht tun, weil wir erziehen wollen, sondern nur damit die Menschen es sehen und damit jede neue Generation sich ihr eigenes Bild der Vergangenheit machen kann.
Es bleibt natürlich bestehen, daß in Deutschland etwas passiert ist, was ein Schrecken für die gesamte Menschheit ist. Es ist aber nicht nur ein Schrecken für die Menschen an sich, sondern der Schrecken ist auch der, daß ein Staat und eine ganze Gesellschaft das gern mitgemacht haben, was hier passiert ist. Damit dieses nicht vergessen wird und auch die äußeren sichtbaren Zeichen dieser Sache für zukünftige Generationen sichtbar bleiben, deshalb muß das so geschehen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Leider habe ich nur noch eine Minute Redezeit und insofern nicht die Gelegenheit, in eine größere Debatte einzusteigen, auch wenn
ich das gerne wollte. Deswegen möchte ich für uns nur sagen, daß wir erleichtert sind, daß die JVA verlegt wird und auch die Revisions-Hundestaffel bald verschwindet. Mich persönlich freut es ganz besonders, daß wir das Konzept heute noch zur Abstimmung bringen, weil sich in diesem auch ein Anliegen von REGENBOGEN wiederfindet, das dort nach den Expertinnengesprächen hineingeflossen ist, nämlich die Öffnung der alten Schmiede im Süd-West-Flügel der ehemaligen Walther-Werke zur Dokumentation von KZ-Zwangsarbeit. Damit wird sicherlich ein wesentlicher Bereich des KZ Neuengamme nun deutlicher akzentuiert, nämlich die Verzahnung von KZ-System mit Kriegswirtschaft und Rüstungsindustrie, die Verzahnung von NSSystemen und Gesellschaft, und darüber bin ich froh.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Staatsrat Behlmer und ich kommen vom Job. Das sieht dann manchmal so aus, vor allem an Tagen, wo wir, wie heute noch vor einer halben Stunde, bei einer Gala von BAT ein Geschenk von 700 000 DM für die Kunsthalle entgegennehmen durften.
Aber ich hätte mich auch gerne feierlich angezogen, um Ihnen allen für die gute Zusammenarbeit in dieser Legislaturperiode zu danken.
Meine Damen und Herren! Nicht erst im Jahr 2003, sondern bereits in diesem Jahr beginnen wir mit den ersten Schritten zum Ausbau der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Bis 2006 wird dort ein zentraler europäischer Ort der Erinnerung entstehen, aber auch ein Begegnungszentrum, wo gerade Jugendliche die Auseinandersetzung mit Geschichte unmittelbar und anders erfahren sollen: Eine Gedenkstätte, aber auch und gerade ein Ausstellungszentrum, Begegnungszentrum, Studienzentrum. Ich freue mich, daß wir mit Hilfe des Bundes die erforderlichen 13 Millionen Euro für den Ausbau bereitstellen können und daß wir in dieser letzten Sitzung der Legislaturperiode das große Vorhaben noch auf den Weg bringen.
Meine Damen und Herren! Ein Gefängnis auf dem Gelände eines ehemaligen KZ anzusiedeln, war ein Fehler, der nur aus der Situation der Nachkriegszeit heraus erklärbar wird. Deshalb hat die Amicale Internationale KZ Neuengamme immer wieder darauf gedrängt, diesen Zustand zu beenden. Wir können heute froh sein, daß die Verlagerung der JVA greifbar nahe ist, daß wir der Gedenkstätte endlich die angemessene Würde geben können. Wenn daher heute noch – auch wenn es aus seiner Biographie heraus ganz harmlos klingen mag – ein einzelner, und ich sage absichtlich einzelner, fordert, das Gefängnis an diesem Ort zu erhalten, dann gesellt er sich, ob er will oder nicht, zu jenen braungefärbten alten und neuen Schlußstrichziehern, die die Vergangenheit am liebsten ungeschehen machen würden.
Statt einsperren auf diesem Gelände wollen wir aufklären und bilden. Mit seinen Dimensionen wird Neuengamme eine der größten Gedenkstätten in der Bundesrepublik und zu einem Ort von überregionaler Bedeutung. Wer sich fragt, ob soviel öffentlicher Raum nicht sinnvoller genutzt
werden könnte als durch eine KZ-Gedenkstätte, dem antworte ich: „Nein, für diesen Raum gibt es keine alternative Nutzung.“
Wenn man begreifen will, wie groß das KZ Neuengamme war, muß man sich einmal zu Fuß auf den Weg machen und das Gelände erkunden. Erst wenn der Körper, wenn man wirklich sinnlich, die Entfernungen erfahren kann, bekommt man eine Ahnung von der Größe Neuengammes. Das ist auch der Grund, aus dem wir die authentischen Stätten der Erinnerung benötigen und keine Ersatzmahnmale.
Mehr als jedes Wort, mehr als jede Dokumentation, mehr als jede abstrakte Zahl sind es die persönliche Anschauung, die direkte, unmittelbare Begegnung, die erfahrbar machen, was geschehen ist. Herr Dr. Garbe, Leiter der Gedenkstätte, der heute auch anwesend ist, kann darüber Bewegendes und Erschütterndes berichten.
Weil die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus nicht nur retrospektiv sein darf, sondern immer gegenwartsbezogen und zukunftsorientiert, wollen wir die Gedenkstätte um den Bereich des Begegnungszentrums erweitern. Dort sollen internationale Diskussionen und Begegnungen stattfinden, Diskussionen zu Fragen der Menschenrechte, zur Frage nationaler Vorurteile, ethnischer Konflikte und zum Zusammenleben in Europa, um Themenbeispiele zu nennen.
1953 wurde auf dem Gelände die erste Gedenksäule aufgestellt. 1965 kam das Mahnmal hinzu, 1981 das Dokumentenhaus, 1984 wurden die Gebäude des KZ unter Denkmalschutz gestellt, 1994 wurde die Gleistrasse rekonstruiert, und 1995 eröffneten wir das Haus des Gedenkens und die Dauerausstellung in den Walther-Werken.
Bei all diesen Schritten hat uns die Amicale begleitet und beraten. Für ihre Beharrlichkeit und ihre Mitarbeit auch bei der anstehenden Neukonzeptionierung von Neuengamme möchte ich der Amicale deshalb im Namen der Stadt sehr herzlich danken.
Heute wollen wir eine weitere wichtige Etappe in der Geschichte der Gedenkstätte in Angriff nehmen. Weil die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit für uns alle von entscheidender Bedeutung ist, wenn wir Gegenwart verstehen und Zukunft gestalten wollen, wünsche ich mir für dieses Projekt eine parteienübergreifende Unterstützung. – Vielen Dank.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer möchte dem dargestellten Konzept zustimmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Die Bürgerschaft hat diesen Beschluß einstimmig gefaßt.