Protocol of the Session on June 21, 2000

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Dieser Senator – hören Sie zu, dann werden Sie es verstehen –

(Antje Möller GAL: Das habe ich befürchtet!)

könnte durch den Einsatz von intelligenten Verkehrslenkungssystemen dafür sorgen, daß der Verkehr in Hamburg flüssiger wird

(Bernd Reinert CDU: Er hat aber etwas gegen In- telligenz! – Antje Möller GAL: Schneller!)

und damit vielerorts gar kein Grund besteht, schneller als erlaubt zu fahren, weil man auch mit der erlaubten Geschwindigkeit in einer angemessenen Zeit sein Ziel erreicht.Das will er aber natürlich nicht, weil er dann viele Autofahrer nicht mit seinem unattraktiven und zu teuren ÖPNV-Angebot beglücken kann.

Wie ist die Situation heute? Der Autofahrer fährt vielerorts zu schnell, um noch eine Ampelphase zu erreichen, oder er fährt zu schnell, weil er sich auf einer Haupt- oder Ausfallstraße befindet, auf der nur 50 Stundenkilometer erlaubt sind und eigentlich nichts dagegen spricht, hier auch schneller zu fahren.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Übertretungen von Gesetzen müssen überall geahndet werden, aber schaffen Sie doch bitte erst einmal die Voraussetzungen dafür, daß Autofahrer nicht noch extra verleitet werden, zu schnell zu fahren. Stimmen Sie mit Hilfe von Computertechnologie – und auch davon haben Sie bestimmt schon etwas gehört – die Ampelphasen etwas besser ab, so daß man je nach Verkehrsdichte nicht an fast jeder Ampel steht. Das macht übrigens auch aus ökologischen Gründen Sinn. Arbeiten Sie auf einzelnen Haupt- und Ausfallstraßen mit Richtgeschwindigkeitsanlagen, die bei einer bestimmten Geschwindigkeit eine grüne Welle ermöglichen.

Ich weiß, daß gleich Herr Lange von der SPD spricht, und ich weiß auch, daß er ein begeisterter Autofahrer ist.Er wird bestimmt schon einmal mit dem Auto von Hamburg nach Berlin und dort ins Zentrum gefahren sein. Dort fährt man nämlich über die Heerstraße – so heißt sie, glaube ich –, auf der man wunderbar feststellen kann, wie so etwas funktioniert, daß, wenn man sich an die angezeigte Geschwindigkeit hält, man eine grüne Welle hat und recht zügig in die Stadt kommt. Dort kommt gar keiner auf die Idee, schneller zu fahren, weil man weiß, daß man bei der angegebenen Geschwindigkeit, ohne geblitzt zu werden, zum Ziel kommt.

Wir fordern heute mit besonderem Nachdruck, daß auf unseren vereinzelten Haupt- und Ausfallstraßen wieder Tempo 60 eingeführt wird. Ein von Ihnen damals in Auftrag gegebenes Gutachten vom Verband der Schadensversicherer hat bewiesen, daß die Auswirkungen der von Ihnen damals eingeführten Maßnahme die ursprünglich erhofften Sicherheitsgewinne nicht brachten. Ich kann Ihnen das gern anhand von Unterlagen des Verbandes der Schadensversicherer vom August 1995 darstellen. Um die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Verkehrssicherheit zu überprüfen, wurde die Unfallerhebung der Beratungsstelle für Schadensverhütung der Hamburger Polizei für alle untersuchten Straßen zur Verfügung gestellt. Das Ergebnis, die Zusammenfassung und Bewertung: Unter Berücksichtigung des tatsächlichen Schwereverlaufs des Unfallgeschehens kann insgesamt nicht von einem Sicherheitsvorteil auf den 61 Untersuchungsstrecken gegenüber den übrigen Straßen in Hamburg gesprochen werden.

Diese Maßnahme, flankiert mit einer umfassenden integrativen Öffentlichkeitsarbeit, würde aus unserer Sicht dazu beitragen, daß bei vielen Autofahrern sogar Verständnis für Überwachungsmaßnahmen geschaffen würde, was

(Klaus-Peter Hesse CDU)

auch zwangsweise dazu führen würde, daß die Autofahrer freiwillig langsam fahren.

Lassen Sie mich zum Schluß noch etwas zu der Arbeit des Pressesprechers in der Innenbehörde sagen, weil mir so etwas, was sich dort abgespielt hat, im Laufe meiner zweieinhalb Jahre noch nicht passiert ist. Herr Holstein war bei unserer Pressekonferenz zu diesem Thema anwesend. Das war begrüßenswert, und ich finde es auch gut, daß er gekommen ist, weil man denken mußte, er höre es sich an und seitens der Innenbehörde käme dann eine fundierte sachgerechte Antwort auf die Forderungen der CDU.

Was dabei herauskam, war allerdings schlichtweg gelogen und bewußt falsch dargestellt. Wir haben nicht gefordert, daß nur...

(Glocke)

Herr Abgeordneter, bitte halten Sie sich an die parlamentarischen Ausdrucksweisen!

Ich weiß nicht, was an dieser parlamentarischen Ausdrucksweise nicht in Ordnung war. Er hat nicht die Wahrheit gesagt, und das bewußt.

Wir haben nicht gefordert, daß nur an sensiblen Bereichen wie Schulen und Kindergärten Kontrollen durchgeführt werden. Der Schluß, daß wir deshalb für rechtsfreie Räume für Autofahrer sind, so wie er es dargestellt hat, ist deshalb auch billigste Parteipolitik. Herr Holstein hat zudem Widersprüchliches ausgemacht, indem er festgestellt hat, daß die CDU Blitzanlagen an Unfallschwerpunkten aufstellen will, während andere Anlagen nicht abgebaut werden sollen. Den Widerspruch habe ich nicht so richtig verstanden, den sieht anscheinend auch nur er, da es für die CDU natürlich selbstverständlich ist, daß keine Steuergelder doppelt ausgegeben werden sollen, um Anlagen wieder abzubauen. Das wäre wirklich unsinnig. Herr Holstein hat sich wahrscheinlich noch nicht einmal unseren Antrag angesehen, sonst hätte er so etwas in der Innenbehörde bestimmt nicht kundtun können.

Herr Senator Wrocklage, überlegen Sie sich, ob Sie an dieser Stelle den richtigen Mann sitzen haben. Er hat in dieser Sache ganz klar Unfähigkeit und Parteilichkeit bewiesen. Ich kann nur empfehlen:Schmeißen Sie diesen Mann raus! Der Steuerzahler sollte für das Gehalt von Herrn Holstein nicht aufkommen, vielleicht die SPD, denn die hat davon profitiert, und für sie hat er das kundgetan.

(Antje Möller GAL: Zu welchem Thema reden Sie jetzt eigentlich?)

Meine Damen und Herren, gestern habe ich erfahren, daß Sie unseren Antrag im zuständigen Ausschuß nicht einmal vertieft behandeln wollen, obwohl wir uns in unseren Forderungen konkret auf Gutachten und Ausarbeitungen von Verkehrswissenschaftlern sowie Richtlinien anderer Bundesländer beziehen. Für diese Arroganz und Ignoranz, mit der Sie heute den Antrag ablehnen werden, verspreche ich Ihnen, erhalten Sie im nächsten Jahr bei der Bürgerschaftswahl die Quittung, auch für Ihr schikanöses Verhalten gegenüber Autofahrern in Hamburg. Die SPD hat sich heute endgültig von einer Partei verabschiedet, die für einen Autofahrer wählbar ist.

(Beifall bei der CDU und Lachen bei der SPD)

Das Wort hat Herr Dr. Lange.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Hesse als Anwalt der entrechteten Autofahrer Hamburgs.

(Wolfgang Franz SPD: Robin Hood!)

Die Tatsache ist, daß überhöhte Geschwindigkeit in Hamburg Unfallursache Nummer eins ist, in anderen Bundesländern Nummer zwei, sie steht aber immer ganz vorne an und leider mit steigender Tendenz; Sie haben die Zahlen schon genannt, Herr Hesse, in 1999 2694 Verletzte und 17 Tote. Ich finde, wir gehen über diese Zahlen zu leicht hinweg.

(Beifall bei der SPD, der GAL und bei REGEN- BOGEN – für eine neue Linke)

Sie leugnen die Tatsache nicht, da haben Sie recht. Ich habe mir Ihre Presseerklärung auch durchgelesen, aber der Eindruck, den Sie erwecken, ist, daß diese Überwachungsanlagen in erster Linie zum Abzocken verwandt werden, unter fiskalischen Erwägungen, wie es in Ihren Ausführungen heißt. Ich halte das für Unsinn. Wenn zu schnell gefahren wird, muß kontrolliert werden, und dann müssen auch Sanktionen greifen.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Aber da, wo es sinnvoll ist!)

Sie sagen, die Anlagen stehen oft falsch und es werden keine objektiven Kriterien angewandt, um die stationären Einrichtungen aufzustellen. Es gibt Grundsätze, das habe ich in der letzten Debatte zum selben Thema auch schon gesagt, denn es ist nicht das erste Mal, daß wir darüber reden. Zu diesen gehören die Unfallschwerpunktsituation, technische und bauliche Möglichkeiten, denn überall kann man so etwas nicht machen, die Verkehrsbelastung, das Geschwindigkeitsniveau, die Anzahl der festgestellten Ordnungswidrigkeiten und das jeweilige Gefahrenpotential derjenigen, die die Geschwindigkeit überschreiten. Die Frage muß lauten: Was fordern Sie eigentlich? Gibt es objektive und nachvollziehbare Meßkriterien? Diese Diskussion haben wir seit Jahren in der Stadt beim Aufstellen von Fußgängerampeln. Es kann doch nicht richtig sein, die Gleichung aufzustellen, ein Toter und zwei Verletzte gleich ein neuer Starenkasten. Das werden Sie wahrscheinlich auch nicht wollen.

Meine Frage lautet: Kann es überhaupt objektive Kriterien geben, oder sollte man nicht die Erfahrungen und auch den Ermessensspielraum der Polizei, die tagtäglich mit diesem Problem zu tun hat, zum Zuge kommen lassen und selbst entscheiden, wo solche Anlagen sinnvoll sind oder nicht und wo sie gegebenenfalls auch wieder entfernt oder gar nicht eingeschaltet werden müssen.Sie bemängeln gleichzeitig, daß viele Anlagen gar nicht immer eingeschaltet sind; Sie sagen einerseits, sie stünden falsch und müßten andererseits häufiger eingeschaltet werden.

Messungen sollen, wie Sie zu Recht sagen, von einer umfassenden Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden. Das ist richtig, wird auch seit Jahrzehnten gemacht.

(Uwe Grund SPD: Intensiv!)

Die meisten nehmen es nicht wahr, denn warum soll man etwas wahrnehmen, von dem man sich nicht betroffen fühlt. Welcher Autofahrer fühlt sich schon betroffen, wenn er als Raser bezeichnet wird. Im Bereich der Autobahnen finden

(Klaus-Peter Hesse CDU)

Sie so etwas an jeder zweiten Brücke.Wer nimmt das Motto „Reisen statt rasen“ noch wahr? Es betrifft aber sehr viele, und die es am wenigsten wahrnehmen, am meisten.

(Heino Vahldieck CDU: Die fahren zu schnell, des- halb können sie es nicht lesen! – Dr.Martin Schmidt GAL: Genau!)

Die Erfahrung lehrt, je drastischer die Sanktionen sind, um so größer ist die Gesetzestreue. Ich will Vergleiche nicht in die Schieflage bringen, aber es gibt Länder, in denen kaum gerast wird. Warum? In den neuen Bundesländern wird heute wie verrückt gerast, ich fühle mich dort richtig unwohl. Aber vor zehn Jahren wurde dort nicht gerast. Die DDR hatte derart drastische Sanktionen, daß sich kein Mensch traute, zu schnell zu fahren, auch Westdeutsche nicht, wenn sie durch die DDR fuhren. Gerast wird, seit die Sanktionen so vermindert wurden.

(Beifall bei der SPD)

Damit will ich nicht etwa die DDR hochloben, dieses Regime wollen wir nicht, aber es zeigt doch, je liberaler ein Staat ist und je weniger Sanktionen greifen, um so eher ist man geneigt, Gesetzesübertretungen für sich selbst zu akzeptieren.

(Vizepräsident Berndt Röder übernimmt den Vor- sitz.)

Solange in Hamburg so häufig zu schnell gefahren wird wie heute, muß gemessen, geahndet, aber auch informiert und geschult werden; jedenfalls nicht weniger.

Ihre Forderung, auf mehreren Ausfallstraßen 60 Stundenkilometer statt 50 zuzulassen, muß man im Einzelfall prüfen. Es kann sein, daß es hier oder da sinnvoll ist. Ich weiß, daß in der Vergangenheit auf vielen Straßen Tempo 60 zurückgenommen worden ist, weil sie Unfallschwerpunkte gewesen sind. Es muß also im Einzelfall geprüft werden.

Lassen Sie mich eins sagen: Generell gilt, daß wir im Straßenverkehr mehr Gelassenheit, Ruhe und Rücksicht brauchen. Wir brauchen generell aber nicht mehr Geschwindigkeit in Hamburg. – Vielen Dank.