Protocol of the Session on May 8, 2002

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(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Als weitere Wortmeldung habe ich Herrn Böwer.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Aber nicht um Kopf und Kragen reden!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Koop, Sie fragen, was eine moderne Frau dazu führt, so etwas zu tun, wo wir doch alles haben, Pille, Verhütung und Beratungsstellen. Es geht bei dieser Frage nicht darum, ob man modern ist. Es geht um ganz andere Befindlichkeiten. Wenn Sie einmal die Geschichte Revue passieren lassen, die vor der Eröffnung der ersten Babyklappe in Hamburg stattgefunden hat, und den Anlass betrachten, warum ein Träger ein Angebot gemacht hat – dabei möchte ich zwischen der Frage Babyklappe ja oder nein und der Trägerfrage sehr trennen –, dann ist dies einer der Punkte.

Die zweite Frage, die immer damit verbunden war, auch bei der Frage von anonymen Geburten, ist, dass der Mensch in irgendeinem Alter wissen möchte, woher er kommt. Das ist aber die zweite Frage. Auch in der Diskussion mit Laschinski, der katholischen Kirche, wird gesagt, dass das die zweite Frage ist. In erster Linie geht es darum, in der verzweifelten sozialen Situation Menschenleben zu retten, denn es geht bei dieser Frage nicht um Extremfälle, sondern um Kinder und darum, ihnen eine Chance zu geben, irgendwann überhaupt die Frage nach den Wurzeln stellen zu können.

Da vorhin geäußert wurde, dass hinter den vier Petita grundsätzliche Unterschiede bestehen, bei denen es nicht um Prüfung, sondern um Beratung geht, gehört die Sache spätestens aus diesem Grund in den Ausschuss, um dann wieder hierher zurückzukommen,

(Petra Brinkmann SPD: So ist es!)

sonst bräuchten wir keine Ausschüsse, sondern nur ein Prüfungsamt. – Danke.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer einer Überweisung der Drucksache 17/727 federführend an den Sozialausschuss und mitberatend an den Gesundheitsausschuss sowie den Innenausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Die Überweisung ist mit Mehrheit abgelehnt.

Dann lasse ich über den Antrag aus der Drucksache 17/727 in der Sache abstimmen. Die GAL-Fraktion hat eine ziffernweise Abstimmung beantragt. Wer möchte Ziffer 1 annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist bei einigen Enthaltungen mit Mehrheit beschlossen. Wer stimmt Ziffer 2 zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Die Ziffer 2 ist mit Mehrheit beschlossen. Wer schließt sich Ziffer 3 an? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Ziffer 3 ist auch mit Mehrheit beschlossen. Wer nimmt Ziffer 4 an? –

(Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

Gegenprobe. – Enthaltungen? – Es gibt eine Enthaltung, ansonsten ist die Ziffer 4 mit Mehrheit beschlossen.

Dann rufe ich den Tagesordnungspunkt 32 auf, Drucksache 17/749, Antrag der GAL-Fraktion, Hamburgisches Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze.

[Antrag der Fraktion der GAL: Hamburgisches Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze – Drucksache 17/749 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 17/793 ein Antrag der SPD-Fraktion vor.

[Antrag der Fraktion der SPD: Eckpunkte für ein Hamburgisches Landesbehindertengleichstellungsgesetz – Drucksache 17/793 –]

Die SPD-Fraktion möchte beide Drucksachen federführend an den Sozialausschuss und mitberatend an den Rechtsausschuss, den Bau- und Verkehrsausschuss und den Wirtschaftsausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Danke schön, Frau Dr. Freudenberg, Sie haben es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. So steht es seit 1994 in Artikel 3 des Grundgesetzes. Trotzdem hat es seitdem für behinderte Menschen im Alltag kaum spürbare Verbesserungen gegeben. Noch immer werden behinderte Menschen an den Rand unserer Gesellschaft gedrängt.

Am 1. Mai 2002, vor einer Woche, ist nun das Bundesgleichstellungsgesetz in Kraft getreten und das Gesetz will dieses ändern, will diesem guten Grundgesetzgrundsatz endlich Schwung geben, damit es nicht bei einer hehren Deklaration bleibt. Mit diesem Gesetz ist ein sehr wichtiges Vorhaben der rotgrünen Bundesregierung umgesetzt worden und es ist erfreulich, dass dieses Gesetz auch von der CDU und der FDP unterstützt wurde.

Die Bundesländer sind nun aufgefordert, Landesgleichstellungsgesetze zu erlassen, damit die Sache auch auf Landesebene vorankommt. Damit es auch in Hamburg schnell und kräftig vorangeht, hat die GAL einen Gesetzentwurf erarbeitet, der Ihnen jetzt vorliegt.

In unserer Gesellschaft wird Behinderung überwiegend als Funktionsbeeinträchtigung begriffen, aufgrund derer behinderte Menschen nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Mit Rehabilitationsmaßnahmen wird versucht, diese Funktionsbeeinträchtigungen abzumildern und die Teilhabechancen dadurch zu verbessern, dass die behinderten Leistungsempfänger möglichst weitgehend der gesellschaftlichen Norm angepasst werden. Wo dies nicht gelingt, bei ihrem dennoch nicht Überwindenkönnen, wird dies als individuelles Defizit begriffen.

Das Gleichstellungsgesetz hat nun eine andere Perspektive. Um Missverständnissen vorzubeugen: Es ist eine zusätzliche Perspektive, denn wir wollen den Wert der Rehabilitation keineswegs infrage stellen. Das Gleichstellungsgesetz hat nun Maßnahmen, Verhältnisse und Verhaltensweisen von Staat und Gesellschaft im Blick, die für Menschen mit Funktionsbeeinträchtigungen Barrieren darstellen und die ihre Lebensmöglichkeiten einschränken. Diese gesellschaftliche Perspektive ist uns Grünen besonders wichtig und deshalb wird sie im vorliegenden Gesetzentwurf auch deutlicher gemacht als im Bundesgesetz.

Eine Beschränkung der Teilhabe behinderter Menschen ist nicht einfach naturgegeben, sondern die Beschränkung besteht aufgrund gesellschaftlicher Orientierung an einer Norm, der nun einmal viele Menschen nicht entsprechen. Wie behinderte Menschen oft sagen, sind sie nicht per se behindert, sondern sie werden auch behindert. Aus dieser Doppelwirkung ergibt sich die Forderung nach Barrierefreiheit.

Was heißt nun Barrierefreiheit? Barrierefreiheit bedeutet Anpassung der gestalteten Lebensbereiche an die Bedürfnisse behinderter Menschen. Hierzu muss unter anderem auch die Hamburgische Bauordnung geändert werden. Mit dem Gleichstellungsgesetz verpflichten sich die Träger öffentlicher Gewalt zur Beseitigung verschiedener Barrieren, die Behinderten, vor allem Rollstuhlfahrern, aber auch Blinden, Gehörlosen und geistig behinderten Menschen das Leben schwer machen. Barrierefreiheit umfasst somit mehr als nur bauliche Anlagen, sondern auch Anlagen anderer Art, zum Beispiel Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und auch Kommunikationseinrichtungen.

Mit dem Bundesgleichstellungsgesetz wurde endlich die deutsche Gebärdensprache als eigenständige Sprache anerkannt. Gehörlose Menschen haben damit das Recht und den Anspruch auf Verwendung der deutschen Gebärdensprache oder lautsprachbegleitender Gebärden bei der Kommunikation mit Trägern öffentlicher Gewalt. Das heißt, die Behörden haben die Pflicht, für Gebärdendolmetscherinnen zu sorgen, wenn gehörlose Menschen etwas von ihnen wollen.

Blinde und sehbehinderte Menschen haben einen Anspruch darauf, Bescheide, behördliche Informationen und so weiter in Großschrift oder in Braille-Schrift zu erhalten. Es ist uns auch wichtig, dass die Behörden aufgefordert werden, auch die Belange lernbehinderter Menschen zu berücksichtigen, indem sie versuchen, sich ihnen gegenüber verständlich auszudrücken, soweit das geht.

Barrierefreiheit ist nötig, damit behinderte Menschen selbst bestimmen können, wo und wie sie am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Behindertenpolitik aus dieser Perspektive ist Bürgerrechtspolitik. Mit dem Gleichstellungsgesetz soll endlich klar gemacht werden, dass es um die Bürgerrechte behinderter Menschen geht und darum, auch den alten Grundsatz umzusetzen und anzuerkennen, dass es normal ist, verschieden zu sein.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

In Hamburg leben nach Schätzungen des Behindertenbeauftragten, Herbert Bienk, 170 000 bis 200 000 behinderte Menschen; offizielle Zahlen gibt es nicht. Das heißt, das sind gut 10 Prozent der Bevölkerung. Barrierefreiheit kommt aber nicht nur ihnen zugute, sondern auch alten Menschen, die beispielsweise unter einer altersüblichen Gehbehinderung oder Sehschwäche leiden. Der neueste Altenbericht der Bundesregierung macht deutlich, dass Barrierefreiheit im privaten und öffentlichen Raum sehr dringend vorangetrieben werden muss, denn die demographische Entwicklung ist nun einmal so, dass die Gesellschaft immer älter wird und wir alle ein Interesse daran haben, dass die Stadt barrierefrei wird und wir dadurch möglichst lange selbständig bleiben können.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ein weiterer wichtiger Punkt des Gleichstellungsgesetzes ist das Benachteiligungsverbot für die Träger öffentlicher

(Präsidentin Dr. Dorothee Stapelfeldt)

Gewalt. Im Gesetz wird betont, dass in Bereichen bestehender Benachteiligungen behinderter Menschen besondere Maßnahmen zur Beseitigung dieser Benachteiligungen zulässig sind. Das bedeutet, Ungleichbehandlungen zugunsten behinderter Menschen sind zulässig, insbesondere auch, um die Benachteiligungen behinderter Frauen aufzuheben.

Die rechtliche Position behinderter Menschen soll über das Gleichstellungsgesetz durch verschiedene Ansätze verbessert werden. Einmal durch die Beweislastumkehr, durch Akteneinsicht und durch ein Verbandsklagerecht. Die Möglichkeit der Verbandsklage verleiht den anerkannten Verbänden behinderter Menschen das Recht, im Klageweg die tatsächliche Umsetzung von Vorschriften dieses Gesetzes durchzusetzen. Wir denken, dass so ein Verbandsklagerecht ein gutes Instrument ist, um dafür zu sorgen, dass dieses Gleichstellungsgesetz kein Papiertiger bleibt. Wir hoffen aber, dass die Gleichstellung behinderter Menschen nicht in erster Linie durch erfolgreiches Klagen vor Gericht erreicht werden wird, sondern dadurch, dass alle Beteiligten die Gleichstellung behinderter Menschen zu ihrer Sache machen und sie ganz oben auf die Agenda kommt und die Position behinderter Menschen bei allen Entscheidungen ganz selbstverständlich mitbedacht wird.

So müsste es laufen, aber – machen wir uns nichts vor – ganz einfach wird es nicht werden.

In dem Zusammenhang muss der Plan des Senates kritisiert werden, den Senatsbeauftragten für die Belange behinderter Menschen zu streichen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Die Position soll nun durch einen Senatskoordinator ersetzt werden, aber, soweit wir wissen, soll der Stab, die Zuarbeit auch gestrichen werden und die braucht er dringend. Bitte lassen Sie das, denn wir brauchen den Senatsbeauftragten gerade jetzt so dringend wie noch nie. Wenn wir ihn nicht hätten, dann müssten wir ihn jetzt dringend einführen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Die Gleichstellung behinderter Menschen kann nur erreicht werden, wenn ihre Interessensvertretung gestärkt und legitimiert wird. Hierzu sieht unser Gesetzentwurf die Einrichtung eines Landesbehindertenbeirates vor. Wichtig ist uns, dass in diesem Gremium nur die Vertreter der behinderten Menschen stimmberechtigt sind. Für die Zusammensetzung des Landesbehindertenbeirates und seine Zuständigkeiten sollten aber gemeinsam mit den behinderten Menschen selbst Überlegungen angestellt und die Regelungen erarbeitet werden. Das wollen wir jetzt nicht vorgeben.

Meine Damen und Herren! Wir denken, dass wir mit unserem Entwurf für ein Hamburgisches Gleichstellungsgesetz für behinderte Menschen und zur Änderung anderer Gesetze die Grundlage dafür geschaffen haben, dass das Bundesgleichstellungsgesetz bald eine gute Ergänzung für den Hamburger Geltungsbereich haben wird. Wir wünschen uns eine lebhafte und sehr gründliche Befassung in den Ausschüssen. Wir sollten in den Ausschüssen unbedingt Expertenanhörungen durchführen, denn auch das Bundesgleichstellungsgesetz wurde unter ganz aktiver Beteiligung behinderter Menschen erarbeitet und genießt auch eine große Akzeptanz unter den Betroffenen. Ich denke, auch in Hamburg sollten wir unbedingt das große

Wissen behinderter Menschen und in den Ausschussberatungen ihren Fachverstand nutzen, um sie als Experten in eigener Sache auch zu beteiligen. – Danke schön.

(Beifall bei der GAL und der SPD)