(Norbert Frühauf Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Das steht doch gar nicht im Gesetzentwurf! – Gegenruf von Dr. Michael Freytag CDU: Das ist aber die Folge davon!)
Eines wird sehr vordergründig in der Auseinandersetzung geführt. Das Kopftuch wird immer so gerne mit dem Kreuz gleichgesetzt. Ich glaube, dass hier ein wirklich eklatanter Gedankenfehler gemacht wird, denn unser Kreuz und unsere christliche Symbolik hat eine ganz andere Entwicklung genommen als das Kopftuch, das heißt, genau entgegengesetzt.
Das Kreuz mag in vergangenen Jahrhunderten ein politisches Symbol gewesen sein und mancher, der sich ihm nicht untergeordnet hat, ist davon erschlagen worden; das wissen wir. Der Papst hat sich dafür zu Recht bei vielen Völkern entschuldigt.
Ich bin über 30 Jahre im Hamburger Schuldienst. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich habe noch in keinem Klassenzimmer ein deutliches christliches Symbol gefunden. Es hängt kein Kreuz an der Wand, es ist keine Soutane, kein Nonnengewand oder dergleichen zu finden. Hier
besteht überhaupt keine Notwendigkeit, tätig zu werden. Ich möchte Ihnen aber eines ganz deutlich sagen: Herr Frühauf, der Adventskranz ist kein heidnisches Symbol. Ich möchte nicht auf die Adventszeit verzichten. Das ist für mich gerade als Grundschullehrerin ein wichtiger Baustein in der Gemütserziehung.
Das Kreuz und auch das Osterfest haben schon eine Prophanisierung erfahren. Bei wem hängt nicht alles ein Kreuz um den Hals? Aus welchem Grunde geht jede Popdiva damit spazieren? Das ist keine Indoktrination. Wenn ich mein kleines, silbernes Kreuz um den Hals trage, dann ist das auch keine Provokation für die Schüler.
Diese Prophanisierung steht aber der Entwicklung des Kopftuches entgegen. Es mag ursprünglich ein folkloristisches oder vielleicht auch ein religiös-traditionelles Kleidungsstück gewesen sein. Wir finden dies noch bei vielen Trachten, vor allem in ländlichen Gegenden. Aber es ist ein Politikum geworden. Diese Deutung als Politikum stammt nicht aus unserem Kulturkreis, es stammt aus der Mitte der muslimischen Gesellschaft. Das müssen Sie sich doch einmal vor Augen halten.
Wer freiwillig oder gezwungen ein Kopftuch trägt, der bekennt sich neben der Religion auch zu der islamischen Rechtsordnung. Das ist eine politische Rechtsordnung, die nicht von der Religion getrennt werden kann.
(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und bei Burkhardt Müller-Sönksen FDP)
Sie beinhaltet keine Religionsfreiheit und sie ist auch gegen eine Gleichrangigkeit der Frau in der Gemeinschaft. Sie sollten sich wirklich einmal intensiv mit dem Koran beschäftigen und die vierte Sure lesen, in der ganz klar und deutlich steht, welche nachrangige Ordnung die Frau im Islam hat. Das ist auch nicht durch einen freiheitlichen Umgang miteinander auszugleichen. Man darf in diesem Zusammenhang nicht Toleranz mit Ignoranz verwechseln.
Alle muslimischen Mitbürger, die mit uns leben und die sich in unsere geltende Ordnung eingefügt haben, haben ein Recht, ihre Integrationswünsche zu unterstützen. Daher kann man nicht einfach darüber hinweggehen und gleichgültig sagen: Das ist mir doch völlig wurscht, was im privaten Bereich passiert.
Je weiter das Bekenntnis durch das Tragen des Kopftuchs zum islamischen Glauben in die Öffentlichkeit hineingetragen wird – es gibt eine Zunahme –, desto eher sind wir zu einer Regelung gezwungen. Es ist nicht hinnehmbar, und das sage ich ganz akzentuiert, dass sich auf dem Boden unserer freiheitlichen Verfassungsordnung die Freiheit genommen wird, Unfreiheit in Religionen zu verbreiten und auch zu proklamieren sowie zu praktizieren. Das ist nicht hinnehmbar.
Muslimische Frauen und Mädchen haben auch das Recht, im schulischen Raum eine Unterstützung der freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu erfahren. Da werfe ich nur die Stichworte hinein: Klassenreisen, Sportunterricht, Feste und dergleichen. Eine Lehrerin mit Kopftuch wirkt dieser Freiheit entgegen.
Ich glaube, Frau Kiausch hat das Minderheitenvotum im Verfassungsgericht eingebracht. Da steht ganz deutlich drin: Wer sich diesem Staat als Diener oder Dienerin anbietet, hat eine besondere Nähebeziehung, die eine Einschränkung der verbürgten Freiheitsrechte einschließen kann. Ich bin keine Juristin, aber daraus folgere ich: Wer sich der Unfreiheit der Religion verschreibt, kann nicht für sich den Artikel 4 der Freiheit der Religion in Anspruch nehmen. Das ist für mich ein Widerspruch.
Wem diese persönliche religiöse Freiheit wichtiger ist, der gehört nicht in den Staatsdienst. So einfach ist das.
Für Referendarinnen oder Ausbildende in anderen Bereichen, wo der Staat ein Monopol in der Ausbildung hat, da ist ganz klar, dass Ausnahmeregelungen gelten müssen, aber für den Staatsdienst bitte nicht. Wir sind aufgerufen und haben den Auftrag, im Dialog – das hat Frau Kiausch auch sehr schön dargestellt – mit den muslimischen und christlichen Verbänden, mit Politik, Gesellschaft und Juristik eine Regelung zu finden, in der dann auch ein friedfertiges und anerkennendes sowie gleichwertiges Miteinander möglich ist. Da haben wir noch einen langen Weg vor uns.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Frühauf, ich hätte Ihnen bis zu einem bestimmten Punkt ganz gut folgen können, weil es natürlich das gute Recht ist, aus einem ganz laizistischen Weltbild heraus in sich konsequent jegliche Symbole von Religion in der Schule herauszulassen.
(Norbert Frühauf Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Es geht nicht um Jegliches, es geht um Klei- dung!)
Als Sie dann aber anfingen, das Kopftuch mit der Drogenproblematik gleichzusetzen, wurde doch sehr deutlich, dass das wieder in die Richtung geht zu schüren, was auch Frau Koop gerade sagte: Es ist ein so sensibles Thema, mit dem man so nicht umgehen kann. Da sind Sie sich selbst nicht gefolgt. Insofern können wir dem natürlich nicht zustimmen.
Ich bin Frau Kiausch sehr dankbar, weil sie die Thematik und natürlich auch eine gewisse Zerrissenheit wirklich so differenziert dargestellt hat, die wir auch als Grüne in einer intensiven Diskussion geführt haben oder natürlich
jeder persönlich durch die eigene Erfahrung anders erlebt hat. Sie haben ja so sehr schön richtig gesagt, dass wir vielleicht auch ein bisschen bescheidener sein sollten, weil alles noch gar nicht so lange her ist, was hier nicht nur an Sitten und Gebräuchen, sondern auch an Verboten war.
Ich selbst bin auch in eine katholische Schule gegangen, wo man nicht mit einer Hose hingehen durfte. Man musste eine Schürze oder einen Rock darüber tragen. Wir haben hier wirklich ein sensibles Thema zu bearbeiten. Es ist ein sensibles Thema, weil es so schnell, Frau Koop, – und leider haben Sie sich nicht ganz daran gehalten – diesen Xenos, diese Angst vor dem Fremden schürt, wenn Sie zum Beispiel so davon sprechen: „Das kommt aus der Mitte des Islams.“ Wir sollten das hier nicht als Bedrohung hinstellen per se. Wir brauchen hier keine populistischen Antworten, sondern wirklich eine Auseinandersetzung, nicht über die Muslime hinweg, sondern mit ihnen. Wir müssen erst den Dialog führen und nicht zuerst die Gesetze machen, ohne mit ihnen den Dialog geführt zu haben. Das ist unseres Erachtens die richtige Reihenfolge.
Ich habe vor zwei oder drei Wochen in der Katholischen Akademie eine interessante Diskussion mit Islamwissenschaftlern, Juristen, Muslimen laizistischer Herkunft und denjenigen, die ihr Kopftuch aus religiösen Gründen tragen, geführt.
Da fand ich sehr spannend, dass dort natürlich auch gesagt wurde, dass es sich nicht mit einem schnellen Ja oder Nein beantworten lässt. In der aktuellen Debatte werden zum einen dem Kopftuch religiöse Hintergründe und Dimensionen zugeschrieben und zum anderen natürlich auch politische. Das will überhaupt keiner klein reden. Aber wenn es als politisches Zeichen der Intoleranz gesehen wird, muss das Kreuz genauso als solches gesehen werden.