Hamburgs Position in Bezug auf die Europakompetenzen der Landesregierungen und Landesparlamente in der Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung – Drs 18/791 (Neufassung) – 569 A
Förderung der Verknüpfung von Ganztags- schulen und Kinder- und Jugendarbeit in Sportvereinen und -verbänden in Hamburg – Drs 18/859 – 573 A
Die Sitzung ist eröffnet. Ich beginne mit den Geburtstagsglückwünschen. Diese gehen an unsere Kollegin Frau Dr. Andrea Hilgers.
Im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich Ihnen herzlich zum Geburtstag und wünsche Ihnen für das neue Lebensjahr viel Glück und alles Gute.
Abweichend von der Empfehlung des Ältestenrats haben die Fraktionen vereinbart, dass die Tagesordnung um zwei Punkte ergänzt werden soll. Es handelt sich um die Drucksachen 18/886 und 18/918, die Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Wissenschaft und Gesundheit und den Dringlichen Senatsantrag mit dem Vorschlag des Senats zur Wahl des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten. Die Drucksachen wurden als Tagesordnungspunkte 3 a und 18 a nachträglich in die Tagesordnung aufgenommen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich einmal mit McKinsey oder der Handwerkskammer schulpolitisch in einem Boot sitze. Alle haben die gleiche Forderung nach einer längeren gemeinsamen Schulzeit für alle Kinder; das will inzwischen auch der Bundeselternrat. Der baden-württembergische Handwerkstag nennt das neunjährige Grundschule, wir nennen das "9 macht klug" für eine neue Hamburger Schule. Da höre ich Sie natürlich schon rufen, das bedeute doch Gleichmacherei, Einheitsschule, das Niveau werde sinken. Aber wer das sagt, hat noch nicht begriffen, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Wir wollen die Ungleichmacherei, wir wollen, dass die Ungleichen gemeinsam in eine Schule gehen. Dort gibt es dann aber nicht den gleichen Unterricht für alle, sondern für jedes Kind einen individuellen Förderplan. Viele von Ihnen können sich sicherlich nicht vorstellen, dass so etwas tatsächlich möglich ist. Schauen Sie in die Nachbarländer, wo Ungleichheit, Individualität und Flexibilität die Schüler voranbringen; sie bringen Leistungen und Freude. PISA-Chef Schleicher hat deutlich gesagt, dass prägende Momente in Gesellschaft und Wirtschaft Flexibilität und Individualität sind, aber anscheinend soll die Schule nicht individuell fördern und fordern. Noch ein Wort zur Ungleichheit. Heute werden die Eltern vor der Bürgerschaft dafür demonstrieren, dass ihre ungleichen
Kinder in eine gemeinsame Schule gehen. Diese Eltern können gut erzählen, wie gut das ihren Kindern tut.
Meine Damen und Herren! Seit Jahrzehnten wird das Denken vom statischen Begabungsbegriff dominiert. Die einen sind halt dumm, die anderen gescheiter und Schule muss da nur entsprechend in die Töpfchen sortieren. Ganz konsequent betreiben Sie hier eine Politik mit dem Markenzeichen sortieren: die einen in die Hochbegabtenklassen, die anderen in sonderpädagogische stationäre Behandlung. Das ist Gleichmacherei.
Alle sollen möglichst gleich sein, gleich stark, gleichsprachig, gleich alt. Doch Sie wissen, dass die Wirklichkeit ganz anders aussieht. Die Schulforscher von PISA bis LAU und KESS haben uns gesagt, dass ständig falsch sortiert wird, dass nicht die Begabung entscheidend dafür ist, ob ein Schüler im Gymnasium oder der Hauptschule landet, sondern der soziale Status. Die Chance, in Hamburg zum Beispiel ins Gymnasium zu kommen, ist viermal höher, wenn man aus der entsprechenden Familie kommt. PISA sagt, das sind die oberen Dienstklassen und entsprechend schlechter ist es bei den niederen Dienstklassen, also den weniger betuchten Eltern. Und so haben wir in den Hauptschulen und Gymnasien sehr unterschiedliche Kinder, aber es findet dort ein Unterricht statt, als würden alle gleich sein. Sie ziehen daraus die Konsequenz, noch besser sortieren zu müssen. Wir sagen, das bringt nichts, es hat 40 Jahre lang nicht funktioniert und sehr vielen Kindern die Bildungschancen geraubt.
Wir haben auch im internationalen Vergleich überhaupt keinen Erfolg. Selbst die Bayern sind Mittelmaß, die sortieren noch stärker, schaffen aber nur 20 Prozent Abiturienten, und das sind die allerwenigsten in Deutschland. Daran ändert auch der hilflose Ruf nach Durchlässigkeit nichts. Das System ist so angelegt, nach unten zu sortieren und nicht nach oben und damit wollen wir endlich Schluss machen.
Das Grundprinzip muss sich ändern. Es darf nicht mehr nur darum gehen, die ganze Kraft hineinzustecken, um ein Kind richtig einzusortieren und wenn es Probleme gibt, nach unten weiterzureichen, sondern es muss darum gehen, jedes Kind optimal nach den besonderen Fähigkeiten zu fordern und zu fördern. Dann erst bekommen wir leistungsstarke Schulen, in denen sich starke Persönlichkeiten entwickeln können, die Lust an Leistung haben, und wir bekommen weniger Abbrecher und mehr Abiturienten. Das ist uns im dreigliedrigen System nicht gelungen. Deshalb brauchen wir eine grundlegende Reform, davon sind nicht nur wir überzeugt.
Dieser lange Atem wird sich für die Stadt lohnen. Wir haben vor zehn Jahren eine ganztägige Schule mit Konzept als lebendiger Lernort im Stadtteil gefordert. Vor acht Jahren haben wir die autonome Schule als Schule der Zukunft gefordert. Damals wurden wir belächelt, heute fordern Sie das, meine Damen und Herren von der CDU, und Sie werden wahrscheinlich auch auf Dauer nicht darum herumkommen, sich von dem Unsinn des Fetischs Dreigliedrigkeit zu verabschieden. Wir werden den langen Atem haben für "9 macht klug". – Danke.