Sozial- und innenpolitische Themen sind nicht Ihre Sache, Herr Bürgermeister. Sie wollen Leuchttürme bauen, Denkmäler des Hamburger Aufbruchs, Symbole der wachsenden Metropole. Einmal abgesehen davon, dass Sie fälschlich immer so tun, als sei die von Bürgermeister Henning Voscherau vorausgedachte und vorausgeplante HafenCity Ihre ureigenste Idee, werfen diese Leuchttürme, über deren Sinn und Nutzen ich im Einzelnen nicht streiten will, ihr Licht vor allem auf die besonders helle Seite unserer Stadt. Sie haben dagegen die Schattenseite der Stadt ausgeblendet, Herr von Beust. Um Ihre Leuchttürme finanzieren zu können, haben Sie sogar bei denen abkassiert, die ohnehin kaum etwas haben. Ich nenne nur die Abschaffung der Lernmittelfreiheit, höhere Kita-Gebühren, höhere Büchereigebühren, größere Klassen, Schließung von wichtigen Einrichtungen der sozialen und psychosozialen Versorgung in den Stadtteilen. Diese Liste lässt sich endlos fortsetzen. Jede einzelne Maßnahme ist eine besondere, sozialpolitische Ungerechtigkeit.
Mit Ihrem Versprechen aus der Regierungserklärung, Herr Bürgermeister, die Schwachen nicht im Stich zu lassen, haben all diese Maßnahmen nichts zu tun.
"Denn die einen sind im Dunkeln und die andern sind im Licht und man siehet die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht."
Bert Brechts Moritat von Mackie Messer passt ganz gut als Beschreibung der Hamburger Situation. Es gibt da Leuchttürme, gewiss. Hamburg ist eine herausragend schöne Stadt, liebenswert und lebenswert, und zwar haben Generationen von sozialdemokratischen Bürgermeistern daran gearbeitet.
Sie aber haben mit Macht die dunkle Seite Ihrer wachsenden Stadt aus Ihrem politischen Handeln ausgeblendet. Sie haben die Schwachen im Stich gelassen.
Und in diesen Tagen kommt der Bürgermeister als Robin Hood der Stadt daher. Nach Jahren der Untätigkeit und der Vernachlässigung entdeckt er die dringenden Sozialprobleme in den Stadtteilen. Endlich, das wurde auch Zeit. Aber beim genauen Hinsehen schrumpft Ihr großartiges Millionenprogramm auf wenige Jahre, wenige Stadtteile und wenige Milliönchen zusammen.
Von wegen Robin Hood – der hat es den Reichen genommen und den Armen gegeben und dagegen hat dieser Senat ausgerechnet denen das Geld aus der Tasche gezogen, die er jetzt beschenken will.
Ganz unfreiwillig hat ein Journalist in diesen Tagen in einem sonst nicht weiter lesenwerten Hofbericht auf das Motiv des Herrn von Beust hingewiesen. Zitat:
"Mit der Präsentation des Millionen-Euro-Programms erklärte der Bürgermeister den neuen SPD-Slogan der "Menschlichen Metropole" kurzerhand zum Kern seiner Politik."
Zweitens: Zwei Wochen nach Vorstellung Ihres Stadtteilprogramms haben Sie die Kosten der Notunterkünfte für Obdachlose um mehr als 12 Prozent angehoben. Ausgerechnet bei den Obdachlosen, ausgerechnet vor Beginn der kalten Jahreszeit. Diese Anhebungen beweisen, dass Ihre angebliche Hinwendung zum Sozialen nicht gewollt, nicht verinnerlicht ist. Diese Politik ist schlecht und schlechthin eine verpackte Wahltaktik.
"Es ist mir ein wichtiges Anliegen, dass eine Stadt, der es gut geht, menschlich und sozial nicht auseinanderdriftet."
Herr von Beust, Sie haben es offensichtlich nicht gemerkt. Da driftet schon lange etwas auseinander, und
haben wir gar nichts dagegen, tun Sie es, aber dann bitte auch bei folgendem Punkt: In Hamburg – ich hatte das bereits erwähnt – haben 5000 Menschen keinen Arbeitsplatz. Können Sie sich vorstellen, welche Verzweiflung da bei 5000 Jugendlichen wächst?
Haben Sie eine Ahnung von der Wut, die da wachsen könnte? Wut auf die prinzipiell reiche Gesellschaft, die sich weigert, Lebenschancen gerecht zu verteilen? Nur 16 Prozent der Hamburger Betriebe, die ausbilden können, bilden aus. Die Handelskammer lobt sich dennoch selbst, es sei ihr gelungen, die Zahl der Ausbildungsplätze in diesem Jahr um 6 Prozent zu erhöhen. Ich will das auch loben. 6 Prozent sind gut, aber was sind 6 Prozent angesichts 5000 junger Menschen, denen die Zukunft vorenthalten wird?
Ich habe vorgeschlagen – und ich erneuere heute diesen Vorschlag –, die Handelskammer möge freiwillig und in eigener Zuständigkeit bei ihren Mitgliedern eine Umlage, einen Beitrag erheben. Damit könnten die Betriebe entlastet werden, die ausbilden.
Die Lasten der beruflichen Ausbildung sind ungleich verteilt unter Hamburgs Kaufleuten. Mein Vorschlag könnte da zu mehr Gerechtigkeit und Solidarität beitragen, Frau Ahrons, und vor allen Dingen zu mehr Ausbildungsplätzen.
Herr von Beust, Sie finden mich und die Hamburger Sozialdemokratie an Ihrer Seite, wenn Sie einen anderen Weg fänden und auch gehen würden, um hier voranzukommen. Mir geht es um die Zukunft der Jugendlichen. Wenn Sie hier erfolgreich wären, Herr Bürgermeister, müssten Sie auf meinen Beifall nicht warten.
Ich finde es wirklich bemerkenswert, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie Sie sich hier auf dem Rücken der Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz haben, über diese lächerlich machen. Das ist unerhört.
Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren von der CDU! Ein Thema hat das politische Hamburg in den vergangenen Jahren aufgeregt wie kein zweites: Ihr Umgang
mit dem Recht der Bürger auf direkte politische Teilhabe. Ich habe lange darüber nachgedacht, welche richtige Vokabel man dazu finden könnte. Wie kann Ihr arroganter Verrat an guten hanseatischen und demokratischen Traditionen angemessen beschrieben werden? Soll man es unverschämt nennen, wenn Sie gegen jede gute Übung Ihre absolute Mehrheit missbrauchen
und rücksichtslos am Wahlrecht herumfummeln? Oder ist es reine Machtbesessenheit? Da lese ich nun wirklich eine famose Stellungnahme von Ihnen, Herr Bürgermeister, bei "SPIEGEL ONLINE". Sie erklären da, das per Volksabstimmung beschlossene Wahlrecht sei zu kompliziert gewesen und hätte deshalb eingesammelt werden müssen. Von wegen zu kompliziert. Wäre die Kompliziertheit von Gesetzen ein Grund für ihre Abschaffung? Ich glaube, wir hätten kaum noch Gesetze.
Versuchen Sie einmal, unkompliziert Ihre Steuererklärung abzugeben oder ganz unkompliziert eine Fahrkarte aus dem Automaten des HVV herauszuholen. Da scheitert so mancher. Hören wir deshalb auf, Steuern zu zahlen oder fahren wir alle schwarz? Der Gesetzgeber verlangt vom Bürger Gesetzestreue – zu Recht. Nun verlangen die Bürger zweimal von Ihnen, Herr Bürgermeister, Gesetzestreue. Und was sagen Sie ihnen? – Das ist zu kompliziert, ihr kommt damit nicht klar, liebe Hamburgerinnen und Hamburger. Also das vergessen Sie mal, Herr Bürgermeister. Die Kompliziertheit ist für Sie ein ganz billiger Vorwand. In Wirklichkeit wollen Sie die Mitsprache der Bürger nicht.