Frau Präsidentin, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben im November im Gesundheitsausschuss über ein Thema gesprochen, das nicht nur für Hamburg eine besondere Relevanz hat, sondern tatsächlich bundesweit. Da geht es um die Weiterführung des Modellversuchs zur Heroinvergabe. Im November war damals schon klar, dass es vor allem vonseiten der CDU – dort von Frau Eichhorn – auf Bundesebene massiven Widerstand dagegen geben würde, die positiven Ergebnisse des Modellversuchs zur Kenntnis zu nehmen und sich dafür einzusetzen, die Heroinvergabe zur Regelversorgung zu machen.
Damals hatte die GAL einen Antrag gestellt, in dem der Senat aufgefordert wurde, sich dafür einzusetzen, dass es eine Bundesratsinitiative gibt, da absehbar war, dass der Bundestag nicht handeln würde. Es sollte zu dem Ergebnis kommen, dass Diamorphin – das ist reines Heroin – an Schwerstabhängige, bei denen alle anderen Therapien nicht angeschlagen haben, unter ärztlicher Kontrolle abgegeben wird, wie das im Modellversuch auch geschehen ist. Es zeugt von der ideologischen Verbohrtheit der Hamburger CDU, dass sie sich nicht dazu durchringen konnte, den Senat im November schon dazu aufzufordern, was der Senat vor eineinhalb Wochen in einer Pressemitteilung als großen Schritt nach vorne verkauft hat, sich nämlich genau für diese Bundesratsinitiative einzusetzen.
Sie haben das Petitum der GAL, in dem die Bundesratsinitiative geändert wird, dahin gehend verändert – das können Sie im Ausschussbericht nachlesen, Herr Böttger –, dass Sie dieses Petitum zur Seite gewischt haben. Das Petitum gab es dann nicht mehr, also gab es auch keine Aufforderung mehr an den Senat. Stattdessen haben Sie damals den Status quo abgefeiert, dass es eine Einigung gegeben hat, das Modellprojekt bis Ende Juni dieses Jahres laufen zu lassen. Sie haben damit genau den drogenpolitischen Schritt, der im November nötig gewesen wäre, rückwärts gemacht und wieder Angst vor der eigenen Courage gehabt. Zum gleichen Zeitpunkt hat Petra Roth, CDU-Bürgermeisterin von Frankfurt am Main – wiedergewählt mit sicherlich auch grünen Stimmen –, offen gesagt, sie möchte es auf jeden Fall, dass es in dem Bereich zur Übernahme in die Regelversorgung kommt. Den Mut haben Sie nicht gehabt, weil Sie sich genauso provinziell und kleingeistig angestellt haben, wie Sie in der Drogenpolitik sind, und nicht so fortschrittlich, wie Sie als Großstadtpartei immer vorgeben zu sein.
Nun hat der Senat deutlich gemacht, dass er sich für eine Bundesratsinitiative einsetzt. Das begrüßen wir. Das ist spät, aber es kann überhaupt nicht zu spät dafür sein, weil es immer Menschen geben wird, die schwerstabhängig von Heroin sind und für dieses Programm in Frage kommen. Jetzt stellt sich allerdings auch noch eine fachliche Frage, zu der ich hier noch etwas sagen möchte: Wie lange bekommen Menschen Diamorphin auf Versichertenkosten? Da finde ich die Unterscheidung in "gute Kranke" und "böse Kranke", also "Suchtkranke", die an ihrer Erkrankung selber schuld sind und daher nicht die medizinisch beste Versorgung verdient haben, menschenverachtend.
Ich finde es zynisch, dass der Senat sich für eine zeitlich begrenzte Diamorphinvergabe einsetzt. Man muss sich vorstellen, wie das praktisch ablaufen wird. Die Menschen werden Diamorphin in staatlich kontrollierter Abgabe erhalten, wie das im Modellprojekt gelaufen ist. Dann werden sie das Diamorphin nach einem bestimmten Zeitraum nicht mehr erhalten, sondern man wird versuchen, sie in irgendeine andere Therapieform, die früher schon bei ihnen gescheitert ist, zu überführen. Das wird vielleicht bei einem Teil der Leute klappen. Der Grund, warum es nicht bei allen klappt, ist, dass sie süchtig sind. Die Definition von Sucht ist, dass es nicht klappt, sich in einem bestimmten Zeitraum von Sucht zu befreien. Die Definition ihrer Krankheit ist, dass es nicht funktioniert, Menschen auf Druck von dieser Krankheit zu befreien. Um zu beweisen, dass sie die Krankheit haben, von der jeder weiß, dass sie sie haben, weil sie die Voraussetzung für die Heroinvergabe ist, müssen sie beweisen, dass sie in der Lage sind, rückfällig zu werden.
Es ist absurd und dumm, Menschen immer wieder dazu zu bringen, sich in einen solchen Kreislauf zu begeben, nur damit sie beweisen, dass sie schwerstabhängig genug sind, um Diamorphin vom Staat zu erhalten. Ich bitte Sie, sich an der Stelle noch einmal Folgendes zu überlegen: Wollen Sie schwerstabhängigen, chronisch kranken Menschen, die, egal welche Fehler sie vielleicht in ihrem Leben gemacht haben – auch in Bezug auf Drogen –, diese Art von Karriere wirklich zumuten? Wollen Sie die Diamorphinabgabe unbefristet laufen lassen, um diesen Menschen selber die Chance zu geben, den Zeitpunkt zu
bestimmen, an dem sie weit genug stabilisiert sind, um sich auch aus dem immer noch vorhandenen Kreislauf, ständig beim Arzt vorstellig werden zu müssen, zu befreien?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Husen, ich wollte meine Rede eigentlich damit beginnen, dass in diesem Hause erfreulicherweise Einigkeit herrscht, dass einer diamorphingestützten Behandlung Schwerstabhängiger in Deutschland der Weg in die Regelversorgung freigemacht werden sollte. Sie haben es trotzdem nicht lassen können, diesbezüglich Salz in die Suppe zu streuen.
Wenn Sie behaupten, dieser Senat und die CDU-Fraktion würden drogenpolitisch Schritte rückwärts machen, dann kann ich wirklich nur lachen. Wir hatten vorhin das Thema Rauchfreiheit. Sie haben ein dreiviertel Jahr gebraucht, um auf das Thema zu kommen. Von der SPD-Fraktion möchte ich in diesem Zusammenhang gar nicht erst reden.
Wenn Sie zu Recht sagen, Frau Husen, dass Schwerstabhängige via diamorphingestützter Behandlung den Weg heraus aus der Sucht finden sollen, dann ist das richtig. Aber, wie so oft bei Ihnen, haben Sie nur halb gedacht. Wenn Sie sagen, es sei für Sie ausreichend, diesen Personenkreis auf einer gewissen Haltequote zu belassen, dann heißt das, Sucht zu verwalten, aber nicht, Sucht abzubauen. Ich habe ein anderes Verständnis davon. Wenn Sie selbst dann noch im Fernsehinterview davon reden, jeder hätte ein Recht auf Sucht, dann frage ich mich, ob Sie sich in dieser Frage nicht rückwärts bewegen.
Hamburg wirbt zu Recht aus den genannten Gründen für eine entsprechende Bundesratsinitiative. Diese Fortführung bedarf der Unterstützung anderer Bundesländern. Dessen sind wir uns bewusst, wir leben nicht auf einer Insel.
Wenn Sie weiterhin sagen, Sie seien der Meinung, die GAL und die SPD würden erst jetzt erkennen, dass die CDU-Fraktion und auch der Senat auf dem richtigen Wege seien, dann muss ich aus dem entsprechenden Ausschussbericht vom 2. November 2006 zitieren. Dort heißt es:
"Die GAL-Abgeordneten begrüßten es außerordentlich, dass in Hamburg – wie es der Presse zu entnehmen war – die Vergabe von Heroin für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Modellprojekts vorerst fortgesetzt würde."
"Die SPD-Abgeordneten begrüßten, dass hier ein pragmatischer Weg für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Modellversuches beschritten würde, sodass für diese kein abrupter Bruch bestehe."
Deutlicher kann man es nicht sagen. Ich bringe trotzdem deswegen noch einmal den ursprünglich geplanten Ansatz: Ich bin weiterhin der Meinung, es herrscht in diesem Hause Einigkeit im Hinblick auf die diamorphingestützte Behandlung. Wir sollten es auch nicht in kleinkariertem Parteiengezänk zerreden. Wir stimmen für diesen Ausschussbericht und Sie sollten sich dem anschließen. – Danke schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Es stimmt, Herr Böttger, wir haben festgestellt, dass wir den pragmatischen Weg unterstützen, den der Senat eingeschlagen hat, um diejenigen, die in der Behandlung waren, über den 31. Dezember letzten Jahres hinaus weiterbehandeln zu können. Wir finden aber, dass dieser pragmatische Weg konsequent weiterverfolgt werden muss für diejenigen, die noch nicht in dem Programm drin waren, die aber hineinkommen müssten.
Darum geht es und wir befinden uns wieder in einer ganz merkwürdigen Diskussion mit den Mitgliedern unserer beiden Parteien auf Bundesebene, die nicht aus Metropolen, nicht aus Städten kommen, sondern aus ländlichen Gebieten, die das Problem nicht kennen und die von daher einen ganz anderen Zugang zu diesem Problem haben und ideologisch verhaftet an etwas festhalten, was erkennbar und erkanntermaßen durch diese Studie falsch ist.
Daher muss es jetzt darum gehen, dass das so weitergeführt wird, wie es das Ergebnis dieser Studie nahelegt. Wir unterstützen alles, was geschieht, sofern es mit Nachdruck geschieht. Das bedeutet, dass die Bundesratsinitiative richtig ist.
Zu der zweiten Frage, die ideologisch immer noch ein bisschen verbrämt ist: Wie lange soll jemand in diesem Programm bleiben dürfen? Natürlich so lange, bis er gesund ist. Auch das ist ganz einfach. Genauso wenig man jemandem, der irgendeine andere Krankheit hat, sagen kann, diese Krankheit ist üblicherweise nach vier Wochen beendet, also hört die Behandlung nach vier Wochen auf, genauso wenig kann man hier mit der Behandlung aufhören, bevor der Mensch gesund ist.
So einfach ist das und so einfach sollte man es auch halten. Man sollte nicht wieder irgendwelche Schranken einbauen, die nichts anderes als Verunsicherung und dergleichen mehr bewirken, was die Leute wieder in die Sucht zurücktreibt.
Dahinter steht immer noch ein bisschen der Gedanke, dass Zwang helfen könne. Wir hatten heute das Thema Rauchen. Kein Mensch käme auf einen so komischen Gedanken wie den zwangsweisen Entzug aller Raucher. Der funktioniert nicht und der funktioniert auch dort nicht. Deswegen sollte man solche Geschichten einfach weglassen.
Darum finde ich es richtig, dass die Bundesratsinitiative ergriffen worden ist und wir sie mit Nachdruck begleiten. Von daher sollten wir dieses ideologische Geplänkel ganz sein lassen und diese merkwürdigen Beschränkungen und Einschränkungen, Herr Böttger, die von Ihnen in den Bericht des Gesundheitsausschusses hereingebracht worden sind, auch nicht fortführen. Wir sollten bei dem bleiben, was wir eigentlich wollen: Die Umsetzung des Ergebnisses dieser Arzneimittelstudie.
Wer möchte der Empfehlung des Ausschusses folgen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit so beschlossen.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 31. Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 18/5554: Sicherung und langfristiger Erhalt des Nordteils der Riedsiedlung im Stadtteil Hamburg-Horn durch Aufstellung einer Milieuschutzsatzung.