Protocol of the Session on August 29, 2007

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Es ist nichts Statisches und man muss es nicht als Monstranz vor sich her tragen. Es ist auch kein Fetisch. Wenn das so wäre, dürfte es Volksentscheide gar nicht geben, denn diese wurden vor ungefähr zehn Jahren in dieser Stadt eingeführt, im Übrigen mit Ihrer Zustimmung.

Nein, auch das jagt uns keine Angst ein und schon gar nicht Ihr Gejammer, dass 35 Prozent aller Wahlberechtigten demnächst in Hamburg eine Verfassungsänderung durchführen dürfen. Sie, Herr Kollege Voet van Vormizeele, haben selbst erwähnt, dass es in Bayern 25 Pro

zent sind. Ich kann mich nicht erinnern, dass Bayern in den letzten Jahren deswegen unregierbar geworden ist. Ich kann mich nicht erinnern, dass es irgendwelche Minderheiten gegeben hat, die die Bayerische Verfassung in den Grundfesten erschüttert hat.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Die haben ja auch Hürden, die Sie nicht wagen, umzusetzen!)

Wo ist also die Staatskrise, die Sie an die Wand fahren? Es gibt keine. Aber ich habe das Gefühl - und hier hat Frau Duden völlig recht -, Sie machen eine Angstkampagne, weil Sie vor dem Volk Angst haben. Das ist doch die Wahrheit, über die wir hier eigentlich reden sollten. Das wissen auch die Menschen in der Stadt.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Interessante ist, dass Sie wieder einmal die Stimmung völlig falsch einschätzen. Die Menschen haben doch keine Angst vor Volksentscheiden, sondern sie haben inzwischen Angst vor Ihnen, dass die Volksentscheide hier nicht geachtet werden und dass die ganze Prozedur von Ihnen so erschwert wird, dass es zu Volksentscheiden gar nicht mehr kommt.

Gott sei Dank hat das Volk das jetzt mit dem Volksbegehren gestoppt. Aber ich weiß nicht, woher Sie die Annahme haben, dass die Menschen in dieser Stadt Angst vor diesem Volksentscheid hätten und dass danach die Staatskrise ausgerufen werden würde. Mag sein, dass Sie sich das in Ihren Funktionärsklüngeln an fünf Fingern abgezählt haben. Aber das hat nichts mit der Stimmung in dieser Stadt zu tun.

Abschließend möchte ich zu diesen drei Punkten sagen die Gründe anführen, warum wir keine Angst vor dieser Angstkampagne haben, die Sie hier auf alle Wahlberechtigten loslassen wollen, wohlgemerkt ohne Absender. Daher sind wir in dieser Frage beruhigt.

Nicht beruhigt sind wir, ob diese Kampagne in der Frage des politischen Umgangs in dieser Stadt ihre Wirkung haben wird. Wenn eine Regierungsfraktion mit absoluter Mehrheit auf die Idee kommt, derart in einem Volksentscheidverfahren und in einer Debatte zu agieren, dann fragt man sich natürlich, wozu Sie noch alles fähig sind, um Ihre absolute Mehrheit zu retten.

(Olaf Ohlsen CDU: Reden Sie doch nicht so einen Blödsinn!)

Haben Sie sich einmal überlegt, wie Sie diese 35 Prozent der Hamburgerinnen und Hamburger als Extremisten gleichsetzen? Das sind 420.000 Wählerinnen und Wähler, die Sie in eine Minderheitenecke packen. Das sind mehr Wählerinnen und Wähler, die Sie für die absolute Mehrheit erhalten haben und den unterstellen Sie nun, dass sie verrückte Sachen mit der Hamburger Verfassung machen. Merken Sie eigentlich, wie absurd Ihre Argumentation und wie schräg Ihr Bild über die Hamburgerinnen und Hamburger ist? Ich habe das Gefühl, Sie merken nicht mehr sehr viel.

(Beifall bei der GAL)

Die CDU bricht Volksentscheide und hat dann auf einmal Angst um die Verfassung. Wir haben das Gefühl, dass sich die CDU wie der Fuchs im Hühnerstall verhält, nach dem Motto: Haltet den Dieb. Ich habe einiges kaputtgemacht, aber wen schert das.

Ein Punkt noch zum Schluss: Herr Voet van Vormizeele hat gejammert.

(Bernd Reinert CDU: Er hat nicht gejammert! - Frank-Thorsten Schira CDU: Sie jammern!)

Durch diese neue Regelung für die Verbindlichkeit wäre das Parlament nicht mehr handlungsfähig. Wir halten das Parlament gerade durch diese Regelung handlungsfähig, weil das Parlament jederzeit einen Volksentscheid ändern kann. Wenn es sich um rein technische Fehler handelt, Herr Voet van Vormizeele, wird es keine 30.000 Unterschriften in dieser Stadt geben, die man auch erst einmal sammeln muss und die Sie im Übrigen noch nie gesammelt haben.

30.000 Unterschriften für eine technische Änderung sind absurd. Und Sie erzählen den Menschen, dass dadurch das Parlament blockiert wird. Dass drei Monate ein Gesetz angehalten wird, was kurz zuvor ein Volksentscheid bricht, ist nicht das Ende der Demokratie und des Parlamentarismus. Wir haben doch gerade das Nichtraucherschutz-Gesetz verabschiedet und das tritt erst ein halbes Jahr später in Kraft. Ich habe nirgendwo gehört, dass dadurch die Demokratie in Gefahr ist. Was Sie hier aufbauen, ist ein Popanz. Das wird zu einer Debatte in dieser Stadt führen. Es ist nur sehr traurig, dass Sie mit einer solchen Art in die Debatte hineingehen. Das haben wir so bisher nicht erlebt und hierfür schäme ich mich. - Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Herr Dr. Jäger hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Müller, dass Sie uns hier Demagogie vorwerfen, finde ich angesichts Ihrer Rede ein starkes Stück.

(Beifall bei der CDU - Barbara Ahrons CDU: Ja, das muss ich auch sagen!)

Und das gilt nicht nur vor dem Hintergrund dieser Rede, die Sie soeben gehalten haben, Herr Müller.

An sich wollte ich in meinem Beitrag an späterer Stelle inhaltlich auf Ihren Zusatzantrag eingehen. Aber nach meinem Kenntnisstand ist es auch jetzt noch so, dass die Post von sich aus von diesem Plan Abstand genommen hat. Vor diesem Hintergrund, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, stellt Ihre Presseerklärung zu diesem Thema eine bodenlose Unverschämtheit dar.

(Beifall bei der CDU)

Ihre unakzeptable Wortwahl will ich hierbei gar nicht kommentieren. Herr Müller, Herr Dressel, diese Unverfrorenheit und diese Entgleisungen richten sich selbst.

(Katja Husen GAL: Können Sie mal zitieren?)

- Nein, die Sachen sind derart geschmacklos, Frau Husen, dass ich sie hier nicht wiederholen möchte, und zwar ganz bewusst nicht.

(Beifall bei der CDU - Unmutsäußerungen von der SPD und der GAL - Glocke)

Herr Dr. Jäger, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller zu?

(Farid Müller GAL: Das ist feige! - Glocke)

Ich rufe Sie zur Ordnung, Herr Müller.

Inhaltlich hat Herr Voet van Vormizeele zu den vorliegenden Änderungen und den Gründen, warum wir sie ablehnen, alles gesagt. Ich möchte aber noch einige Bemerkungen zu Ihrem Informationstext ausführen, meine Damen und Herren von der SPD und der GAL.

Frau Duden hat uns hier wegen des Begriffes "Drahtzieher" Polemik vorgeworfen. Wenn ich mir aber Ihren Text anschaue, dann tauchen dort Begriffe auf, wie "verscherbelt", "hundsmiserabel", "Demontage". Spricht das für Ihre Glaubwürdigkeit?

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der GAL)

Ja, das hören Sie nicht gern, aber das ist so. Zudem arbeiten Sie mit Halbwahrheiten. So führen Sie richtigerweise an, dass das Hamburgische Verfassungsgericht die Wahlrechtsänderungen der CDU in einem Punkt für verfassungswidrig erklärt hat. Sie erwähnen aber natürlich nicht, dass dasselbe Gericht im gleichen Urteil auch Teile des vom Volk beschlossenen Wahlrechts für verfassungswidrig erklärt hat.

(Beifall bei der CDU - Bernd Reinert CDU: Rich- tig!)

Der Verstoß des Volksgesetzes wurde vom Verfassungsgericht sogar als gravierender bezeichnet, als der Verstoß der CDU. Das passt Ihnen natürlich nicht in den Kram.

(Jens Kerstan GAL: Wo steht das denn?)

Aber vor diesem Hintergrund müssen Sie sich schon fragen lassen, ob es tatsächlich klug war, diese Passage Ihres Textes mit dem Satz enden zu lassen, ich zitiere:

"Auch hier wusste es das Volk besser."

(Beifall bei der CDU)

Als frech finde ich auch die Behauptung, dass erst die CDU das Wahlrecht so kompliziert wie nie mache.

(Jens Kerstan GAL: Doch! Stimmt!)

Das geht nun vollständig an den Tatsachen vorbei. Die Kompliziertheit des Wahlrechts folgt allein aus dem Entwurf der Volksinitiative. Sie erwähnen doch sogar in Ihrer Stellungnahme, dass es vergleichbare Regelungen in vielen Bundesländern auf kommunaler Ebene gebe. Die Bürgerschaftswahl ist jedoch eine Landtagswahl und diese Bedeutung haben wir ihr mit der Einführung der Listenstimme auch wieder zurückgegeben.

(Beifall bei der CDU)

Ein letzter Satz zu dem Zeitpunkt. Frau Duden, Sie haben hier die Kosten erwähnt. Aber das ist aus meiner Sicht keine Frage der Kosten. Die Änderungen, die mit diesem Volksentscheid durchgeführt werden sollen, sind so gravierend, dass sie das Grundgefüge zwischen parlamenta