Wer stimmt einer Überweisung der Drs. 18/6725 an den Rechtsausschuss zu? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das war aus meiner Sicht die Mehrheit bei dem ersten Votum. Damit ist die Überweisung an den Rechtsausschuss erfolgt.
Frau Präsidentin, dieser Eindruck wird von uns nicht geteilt. Wir bitten um Wiederholung der Abstimmung.
Aus meiner Sicht besteht kein Grund dafür. Wenn Sie den Ältestenrat einberufen wollen, ist das Ihre Entscheidung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 65 auf, die Drs. 18/6777, Antrag der GAL-Fraktion: Formel Vielfalt - Mehr Migrantinnen und Migranten in Bildungsberufe.
[Antrag der Fraktion der GAL: Formel Vielfalt – Mehr Migrantinnen und Migranten in Bildungsberufe - Drs. 18/6777 -]
Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion federführend an den Sozialausschuss und mitberatend an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss überweisen.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, es ist einige Zeit her, dass wir hier gemeinsam über Integrationspolitik debattiert haben. Aber ich kann Ihnen versichern, dass es umso mehr auf Initiative der Opposition immer wieder Gegenstand zahlreicher Diskussionen und Debatten war. Das kann ich zumindest für den Sozialausschuss sagen.
Meine Damen und Herren! In den letzten zwei Jahren ist viel Bewegung in die Integrationsdebatte gekommen. Es hat viele Gipfel gegeben: den Islam-Gipfel, den Integrationsgipfel und wie Sie sicherlich alle wissen, liegt inzwischen ein dickes Papier vor, das den Namen "Nationaler
Integrationsplan" trägt. Ich kann nur sagen, dass Papier natürlich geduldig ist und es abzuwarten sein wird, welche konkreten Maßnahmen daraus auch für Hamburg abgeleitet werden. Ich möchte auch zu bedenken geben, auch wenn es manche nicht gerne hören, dass parallel zum "Nationalen Integrationsplan" auch ein Prozess gelaufen ist, dessen Folge Verschärfung von Gesetzen war. Diese sind erst kürzlich in Kraft getreten. Das hat nicht gerade dazu beigetragen, dass viel Vertrauen geschaffen wurde, auch gegenüber den Organisationen, die an diesem Prozess des "Nationalen Integrationsplans" mitgewirkt haben. Aber das nur am Rande.
Es ist aber erfreulich, meine Damen und Herren, dass sich in den letzten Jahren durch die Diskussionen und Debatten der Blick auf Migrantinnen und Migranten gewandelt hat oder sich zu wandeln beginnt. So liegt das Augenmerk nicht mehr nur auf den scheinbaren Defiziten, sondern es wird vielfach begonnen, auch die Potenziale und Kompetenzen von Migrantinnen und Migranten zu erkennen und teilweise auch zu nutzen. Als Beispiel dafür möchte ich Ihnen hier in Hamburg einen Faktor nennen. In Hamburg gibt es inzwischen mehr als 12.000 Migrantenbetriebe. Die gab es übrigens schon, bevor es das Welcome Center gegeben hat. Das sind Menschen, die schon sehr viel länger hier leben. Diese Betriebe schaffen natürlich auch Arbeit für Deutsche, meine Damen und Herren.
Es gibt Menschen, wie Fatih Akin, der mit seiner Arbeit für diese Stadt sicherlich mehr erreicht hat als vielleicht manch ein Senator oder eine Senatorin in einer ganzen Amtsperiode.
Ich finde es persönlich sehr erfreulich, dass endlich Migrantinnen aus der ihnen lange zugeschriebenen Opferrolle herauskommen und ein ganzheitliches Bild von ihnen gezeichnet wird. Aber das ist, meine Damen und Herren, sicherlich nicht der Verdienst des CDU-Senats, sondern wir als Opposition mussten hier den Senat treiben. Das ist auch auf Bundesebene passiert, meine Damen und Herren. Ich möchte Ihnen für Hamburg noch einmal zwei Beispiele nennen. Im August 2006 hat bekanntermaßen der Integrationskongress stattgefunden, aus dem jetzt das Integrationskonzept für Hamburg hervorgegangen ist. Meine Fraktion hat bereits zwei Jahre zuvor im Juni 2004 einen Antrag eingebracht, aus dem ich kurz zitieren möchte.
"Der Senat wird ersucht, als ersten Schritt (…) eine Initiative zu starten und zu einer Integrationskonferenz einzuladen. Das Ziel ist die Erarbeitung eines Hamburger Leitbildes zur Integration."
Sie, meine Damen und Herren von der CDU, haben damals den Antrag abgelehnt, aber zwei Jahre später haben Sie anscheinend erkannt, wie brillant der ist und haben ihn dann aus eigener Initiative, als die Ideen vorlagen, umgesetzt.
Ein zweites Beispiel. Wir haben den Senat im März 2006 mit einer Großen Anfrage gefragt, wie hoch der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst ist. Wir wollten wissen, ob es ein Konzept gibt, um den Anteil von Migrantinnen und Migranten in der Verwaltung zu erhöhen. Die Antwort des Senats war relativ klar. Er hat überhaupt kein Problembewusstsein und Diversity Management war eher ein Fremdwort für den Senat. So
Auch unser Antrag zur interkulturellen Öffnung wurde dann wieder von Ihnen, meine Damen und Herren, abgelehnt. Keine zehn Monate später war es dann aber in allen Hamburger Zeitungen zu lesen, dass der Senat eine Initiative beschlossen hat und mit einer gezielten Kampagne Menschen mit Migrationshintergrund in der Verwaltung ausbilden und auch einstellen wird. Er war sogar mutig und hat unseren Zielwert übernommen und einen Zielwert von 20 Prozent in den nächsten fünf Jahren formuliert. Ich kann nur sagen: Ebenfalls 1 : 1 unser Antrag.
An dieser Stelle ließen sich, glaube ich, noch viele andere Beispiele nennen, gute Initiativen und Anträge der Kolleginnen und Kollegen der SPD - Stichwort Sprachcamps -, aber darauf will ich an dieser Stelle verzichten, denn ich denke, dass es klar geworden ist, was ich sagen möchte. Aber so macht Oppositionsarbeit Spaß, ist doch all die Mühe und Arbeit nicht umsonst.
Meine Damen und Herren! Die Schritte, die wir für die Migrantinnen und Migranten machen, sind wichtig und richtig für Hamburg und gut für alle Menschen. Deswegen ist es wichtig, dass wir jetzt nicht auf halbem Wege stehenbleiben, sondern den eingeschlagenen Weg gemeinsam und konsequent weitergehen. Es ist wichtig, dass über diesen Bereich nicht nur geredet wird und Papiere formuliert werden, sondern dass die Ergebnisse sichtbar und vor allem messbar werden und sich für die Menschen in dieser Stadt, für die Migrantinnen und Migranten, spürbar etwas verändert, und zwar in allen Kernbereichen der Integration.
Ich möchte Ihnen ein paar Beispiele für die derzeitige Situation geben, die wir in Hamburg haben. Übrigens sind alle Zahlen, die ich Ihnen jetzt nennen werde, wenige Zahlen, erschrecken Sie nicht gleich, im Anhang des Integrationskonzeptes zu finden.
Thema Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosigkeit von Migrantinnen und Migranten beträgt in Hamburg 24 Prozent. Die Arbeitslosigkeit bei jugendlichen Migrantinnen beträgt sogar 28 Prozent. Demgegenüber ist ihre Ausbildungsbeteiligung ziemlich niedrig und dümpelt gerade mal zwischen 6,5 bis 7 Prozent. Wir wissen, dass der Anteil der Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne Abschluss überproportional hoch ist in dieser Gruppe und erschreckenderweise sogar weiter steigt. Wir stellen fest, dass die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in den Arbeitsmarkt bisher nicht so gut gelingt wie bei den Menschen ohne Migrationshintergrund, also bei den Deutschen, und zwar unabhängig vom Bildungsstand. Das ergab eine im Juli dieses Jahres veröffentlichte OECD-Studie. Demnach ist zum Beispiel auch die Arbeitslosenquote bei Akademikerinnen und Akademikern mit Migrationshintergrund mit 12,5 Prozent dreimal so hoch wie bei gleich Qualifizierten - und ich betone gleich Qualifizierten - ohne Migrationshintergrund. Hier ist die Quote 4,4 Prozent.
Sie sehen, meine Damen und Herren, dass die Ursache für die höhere Arbeitslosigkeit bei Menschen mit Migrationshintergrund nicht immer ihre scheinbar fehlende Qualifikation ist, sondern dass wir es hier auch mit Benachteiligung und Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt zu tun haben. Wenn wir dann auf die Beschäftigungsseite schauen und hier insbesondere auf die Bildungsberufe, setzt sich dieser Trend wie ein roter Faden fort. Auch hier möchte ich Ihnen zwei Zahlen aus dem Integrationskonzept präsentieren. Gerade einmal 5,4 Prozent Erziehungskräfte mit ausländischer Staatsangehörigkeit sind in den Hamburger Kindertageseinrichtungen beschäftigt. Bei den Lehrkräften sind es gerade mal 1 Prozent Lehrerinnen und Lehrer, die an unseren allgemeinbildenden Schulen unterrichten und das, meine Damen und Herren, bei einer rapide wachsenden Zahl von Jugendlichen und Kindern mit Migrationshintergrund. Genau hier setzt unser heutiger Antrag an. Wir möchten mit unserem Antrag erreichen, dass der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in allen Bildungsberufen erhöht wird. Wir möchten, dass mehr Menschen, selbst mit Migrationshintergrund, mit diesen Kindern arbeiten und vor allem möchten wir diesen Kindern Vorbilder schaffen, Vorbilder, die ihnen vorleben und für sie erfahrbar machen, dass auch sie es schaffen können, auch wenn es schwierig ist, dass es sich lohnt, es weiterhin zu versuchen.
Vor allem kann es nicht sein, dass die Kinder, egal, ob mit Migrationshintergrund oder deutsche Kinder, Migranten nur als Putzpersonal von den Fluren der Kitas und der Schulen kennen. Das Motto muss sein: Raus aus den Fluren und rein in die Klassen.
Und, meine Damen und Herren, das bietet noch eine weitere Chance. Erziehungskräfte, Lehrerinnen mit Migrationshintergrund können auch Brücken bauen zu den Elternhäusern.
Wir stehen heute genau vor der Herausforderung, dass es uns nicht gelingt, die Eltern zu erreichen, zu begleiten und zu informieren. Deshalb fordern wir mit unserem heutigen Antrag, dass der Senat, ähnlich wie er es bereits im Bereich der interkulturellen Öffnung des öffentlichen Dienstes umsetzt oder versucht umzusetzen, in diesem Bereich ebenfalls einen Zielwert von 20 Prozent in den nächsten fünf Jahren formuliert und darauf hinarbeitet.
Wir möchten, dass der Senat insbesondere Jugendliche mit Migrationshintergrund gezielt mit einer Kampagne über Bildungsberufe informiert. Aber auch die Anerkennungsverfahren, meine Damen und Herren, von Qualifikationen, die bereits in den Herkunftsländern erworben worden sind, müssen vereinfacht und verändert werden. Es kann nicht sein, dass Pädagogen und Pädagoginnen, die langjährige Berufserfahrungen haben, als Taxifahrer oder Kellner tätig werden müssen, weil ihre Berufserfahrungen und Qualifikationen nicht anerkannt werden. Ich finde es besonders zynisch, wenn man bedenkt, dass ihre Führerscheine anerkannt werden, aber ihre Diplome nicht. Ich meine, das muss sich ändern.