Protocol of the Session on September 26, 2007

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Wir haben heute eine Lohnentwicklung, die immer größere Teile der Bevölkerung vom sogenannten Fahrstuhleffekt abkoppelt. Wir haben eine Lohnentwicklung, bei der

die höheren Einkommen immer stärkere Lohnzuwächse haben und die geringeren Einkommen vollständig davon abgekoppelt sind.

(Vizepräsidentin Dr. Verena Lappe übernimmt den Vorsitz.)

Wenn dieser Mechanismus nicht mehr funktioniert, dann brauchen wir genau das, was auch Ihre Vorläufer Ehrhard, Müller-Armack und Eucken eingefordert haben, einen ordnungspolitischen Rahmen, der so nachjustiert werden muss, dass wir heute einen Mindestlohn setzen. Das ist eigentlich genau Ihr bisher vertretener Anspruch.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Was ich nicht mehr hören kann, ist die falsche, unanständige, ewig wiederholte Plattitüde zu sagen, Mindestlöhne gefährden Arbeitsplätze.

Was machen Sie denn damit? Sie schüren doch letztendlich nur die Angst derjenigen, die ohnehin schon in prekären Arbeitsverhältnissen arbeiten müssen und am stärksten betroffen sind. Sie nutzen die Situation aus, um zusätzliche Angst zu schüren. Das finde ich richtig unfair an der Situation.

(Beifall bei der GAL und der SPD - Erhard Pumm SPD: Auf jeden Fall ist das nicht christlich!)

Es wird von allen Seiten auch immer wieder bestätigt, dass es falsch ist zu behaupten, Mindestlöhne würden Arbeitsplätze vernichten. Ich fasse kurz die Analyse des Sachverständigenrates zusammen, der gesagt hat, dass gerade Mindestlöhne keine negativen Beschäftigungsauswirkungen haben würden. Das haben wir in anderen Ländern, zum Beispiel auch in den USA, in Irland und in Großbritannien in der Summe festgestellt, auch wenn Sie immer wieder sagen, das seien andere Arbeitsverhältnisse, aber in der Summe wird deutlich, dass dadurch keine negativen Auswirkungen folgen.

Das andere ist - und das haben wir heute in der Presse nachlesen können -, dass wir inzwischen in Hamburg wahrscheinlich 80.000 Arbeitsverhältnisse haben, die den Anspruch auf aufstockende Leistungen hätten. 80.000 Arbeitsverhältnisse für aufstockende Leistungen, ich glaube, das sind ungefähr 10 Prozent aller Beschäftigten, die davon inzwischen betroffen sind. Haben Sie sich eigentlich schon einmal überlegt, welchen Anteil an den Lohnkosten der Staat, der Steuerzahler inzwischen übernehmen muss, wenn sich diese Tendenz weiter fortsetzt? Herr Uldall, ich erwarte, dass sich die CDU einmal ganz klar dazu äußert. Entweder wollen Sie das und sagen den Menschen, dass Sie es richtig finden, dass sie so wenig verdienen und dass Sie das mit staatlichen Leistungen entsprechend auffüllen wollen oder Sie geben den Menschen eine andere Antwort und diese Antwort kann letztendlich nur Mindestlohn heißen, wenn Sie weiterhin darauf spekulieren, dass Sie sagen, dass wir Allgemeinverbindlichkeitserklärungen und eine Erleichterung des Entsendegesetzes brauchen.

(Zuruf von der CDU)

- Ja, das haben wir das erste Mal auch eingefordert, aber es war doch die CDU auf Bundesebene, die genau diese andere Möglichkeit gleichermaßen blockiert. Verhalten Sie sich so, dass es wirklich eine Antwort für die Menschen ist, die heute von diesen Dumpinglöhnen leben. Herr Uldall, es wird sicherlich nicht ausreichen, dass Sie sagen, wir senken den Beitrag zur Arbeitslosen

versicherung um 0,5 Prozent ab, denn damit werden wir keinen einzigen Arbeitsplatz mehr schaffen, denn diese Summe ist viel zu gering, um überhaupt irgendeinen Effekt auf einen Arbeitsplatz zu haben.

Natürlich sind wir grundsätzlich dagegen, dass die Lohnnebenkosten gesenkt werden und dass wir zum Beispiel eine stärkere Besteuerung der Rohstoffe und da gerechte Preise haben. Darüber können wir uns gerne unterhalten. Sagen Sie den 80.000 Leuten, die heute in Hamburg davon betroffen sind, wir senken die Lohnnebenkosten um 0,5 Prozent und das wird dann zu gerechteren Löhnen führen. Das wäre nun wirklich die allerbanalste Antwort, aber, Herr Uldall, ich erwarte natürlich mehr von Ihnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Herr Senator Uldall hat das Wort.

(Michael Neumann SPD: Ich kann, ich will, ich werde!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist nicht das erste Mal, dass wir über dieses Thema debattieren, aber ich möchte festhalten, dass die bisherigen Beiträge der Oppositionsredner keine neuen Argumente vorgelegt haben.

(Jan Peter Riecken SPD: Handeln Sie endlich!)

Insofern muss man auf einen Punkt ernsthaft eingehen, und zwar hat Herr Grund eine Reihe von Punkten angesprochen, aber ein gewichtiges Argument, das gegen den Mindestlohn spricht, hat er nicht angesprochen - Frau Köncke hat das mit einem Nebensatz abgetan - und das ist der Verlust von Arbeitsplätzen durch die Schaffung von Mindestlöhnen.

(Doris Mandel SPD: Das stimmt doch nicht!)

Da kann ich nur sagen, dass wir eine möglichst hohe Beschäftigung bei uns in Deutschland haben wollen und das ist der Grund, weshalb wir Mindestlöhne ablehnen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Dieses Argument gegen die Mindestlöhne als arbeitsplatzgefährdende Institution ist sehr ernst zu nehmen und darf nicht einfach vom Tisch gewischt werden.

(Uwe Grund SPD: Das ist unwahr!)

Ich kenne keinen namhaften Wirtschaftswissenschaftler, der nicht auf diese Gefahr hinweist, meine Damen und Herren.

(Gesine Dräger SPD: Was? Das kann nicht wahr sein!)

Schon eine logische Beschäftigung mit dem Thema zeigt doch, dass ein Arbeitnehmer, der nicht dauerhaft das erwirtschaftet, was durch einen gesetzlichen Zwang an ihn zu zahlen ist, auch seinen Arbeitsplatz verlieren wird. Kein Unternehmer wird auf Dauer einen Arbeitnehmer beschäftigen wollen, dem er mehr bezahlen muss als dieser Arbeitnehmer in seinem Unternehmen erwirtschaftet, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Von dem Kollegen Lemke wurde schon richtig darauf hingewiesen, dass es auf die richtige Höhe des Mindest

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lohnes ankommt und da haben wir ganz unterschiedliche Vorschläge. Wir haben eben festgestellt, dass der Mindestlohn arbeitsplatzgefährdend ist, wenn er zu hoch ist und wenn der Mindestlohn zu niedrig ist, dann nützt der Mindestlohn nichts.

(Dr. Willfried Maier GAL: Also muss er richtig sein! - Gerhard Lein SPD: Wenn es der Richtige ist, dann nützt er!)

Deswegen vertraue ich hier auf die bisherigen Kräfte beim Aushandeln. Das sind die Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften gewesen, Herr Grund. Sie sind doch selber ein führender Vertreter der Deutschen Gewerkschaftsbewegung und deswegen müssten Sie so viel Zutrauen haben, dass Sie das hinbekommen, was Sie in den vergangenen Jahrzehnten hinbekommen haben.

(Uwe Grund SPD: Eben, deshalb verstehe ich davon auch mehr als Sie!)

Meine Damen und Herren! Es wurde dann ein Vergleich mit anderen Ländern angesprochen. Ich will auf einen Punkt hinweisen, der bestätigt, dass diese Gefahr, die ich eben beschrieben habe, nämlich der Gefährdung von Arbeitsplätzen, sehr schnell Realität werden kann. Bitte schauen Sie sich in Frankreich die schlecht ausgebildeten Jugendlichen an. Die haben eine Arbeitslosenquote, die so extrem hoch ist wie wir sie uns in Deutschland beim besten Willen nicht wünschen können.

Keine Lösung des Problems Aufstocker, Frau Köncke, ist mit einem Mindestlohn verbunden. Die SPD hat in ihrem Antrag 7,50 Euro als Mindestlohn gefordert. Oskar Lafontaine hat 8 Euro als Mindestlohn gefordert.

(Petra Brinkmann SPD: Das interessiert doch gar nicht! Wer ist das denn!)

- Nun hören Sie sich einmal den Satz zu Ende an. Wenn Sie das Problem Aufstocker - wir haben in Hamburg nicht 80.000, sondern 30.000 Aufstocker -, das für mich auch ein sehr ernstes Problem ist, lösen wollen, dann müssen Sie einen Mindestlohn von etwa 9 Euro einführen. Da muss sich also auch die SPD noch deutlich nach oben bewegen, nämlich um 20 Prozent.

(Michael Neumann SPD: Na gut, wenn Sie für 9 Euro sind, dann sind wir einverstanden!)

Sie hat natürlich wichtige Gründe, weswegen sie das nicht macht. Aber zu sagen, das Problem Aufstocker würde durch eine entsprechende Annahme des SPDVorschlages gelöst werden, ist falsch.

Dann möchte ich noch auf den Punkt hinweisen, den Herr Lemke als sehr gewichtiges Argument genannt hat. Sie beschrieben es als Ihren Albtraum, Herr Lemke. Natürlich wird es so sein, dass der Mindestlohn nicht mehr aufgrund der Leistungsfähigkeit von Arbeitnehmern oder aufgrund der Verhältnisse am Arbeitsmarkt festgesetzt wird, sondern er wird zu einem Politikum werden. Vor jeder Wahl werden wir es erleben, dass der Mindestlohn nach oben gesetzt werden wird, meine Damen und Herren, und dieses ist das Schlechteste, was wir uns für den Arbeitsmarkt insgesamt wünschen können.

Meine Damen und Herren, in wenigen Wochen hat die SPD in Hamburg ihren Parteitag. Ich wünsche einen guten Verlauf dieses Parteitags. Aber die Debatte, die wir heute Abend geführt haben, ist eine Debatte gewesen, die sich gar nicht gegen den Senat, sondern gegen den

verantwortlichen Minister Müntefering in Berlin gerichtet hat.

(Bernd Reinert CDU: Sehr richtig!)