Protocol of the Session on December 13, 2007

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(Beifall bei der CDU)

Viele der inhaltlichen Veränderungen sind erfolgt oder sie befinden sich in der Umsetzung. Wir haben verlässlichen Unterricht und frühe Förderung. Wir haben eine Unterrichtsentwicklung hin zur individuellen Förderung mit deutlich reduziertem Wiederholen. Frau Goetsch, ich möchte an der Stelle noch einmal ganz deutlich sagen: Nicht wir wollen morgen den Hebel zu einer neuen Form des Unterrichtens umdrehen. Ich glaube, diese Aussage, die Sie eben getätigt haben, ist einfach unfair unseren Lehrerinnen und Lehrern gegenüber.

(Michael Neumann SPD: Sie wissen noch nicht einmal, wie viele Lehrer Sie haben! Wie viele sind es denn?)

Sie wissen, glaube ich, genauso gut wie ich, dass wir in den Klassen, insbesondere in der Grundschule, heute schon neue Unterrichtsformen vorfinden. Wir finden sie auch an vielen Gesamtschulen, Haupt- und Realschulen und auch an einigen Gymnasien. Von daher wollen wir nicht morgen den Hebel umsetzen, sondern die Lehrerinnen und Lehrer haben sich schon länger auf den Weg gemacht, individuell zu unterrichten. Wir haben die rhythmisierte Lernzeit an Ganztagsschulen mit Ausweitung nach Bedarf. Wir haben die Nutzung außerschulischer Lernorte, in Wirtschaft, Kultur und Hochschule

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verstärkt. Wir haben die Selbstverantwortung im schulischen Alltag mit transparenter Ergebnissicherung. Also warum sprechen wir heute über neue Strukturen? Nicht nur, weil PISA gezeigt hat, dass zu viele parallele Systeme nicht den erhofften Bildungserfolg mit sich bringen, sondern wir reden deshalb insbesondere über neue Strukturen, weil die Eltern in Hamburg durch die Auswahl vorhandener Schulformen schon lange eine klare Sprache sprechen.

Nur zwei Zahlen: 1995 - das ist noch gar nicht solange her, aber doch immerhin schon mehr als zehn Jahre - haben sich die Eltern zu rund 26 Prozent an den Haupt- und Realschulen zu Klasse 5 entschieden. 32 Prozent für Gesamtschulen, 42 Prozent für die Gymnasien. In 2007 wollen nur noch rund 16 Prozent an die Haupt- und Realschulen, rund 34 Prozent auf die Gesamtschulen, aber rund 50 Prozent auf die Gymnasien.

Meine Damen und Herren! Diese Zahlen zeigen eines: Es ist nicht damit getan, einfach keine Hauptschulklassen mehr einzurichten. Das würde nicht gehen bei diesem Setting wie die Eltern sich verhalten. Deshalb zwingt es uns zum grundsätzlichen Handeln. Wir müssen sonst - und genau das ist die Gefahr - in den nächsten Jahren durch staatliche Steuerung die Kinder auf die vorhandenen Schulstandorte verteilen.

(Christa Goetsch GAL: Oh, das ist ja interessant!)

Das wollen wir eben nicht und deshalb müssen wir handeln.

(Beifall bei der CDU)

Schauen Sie sich das Ergebnis der Enquete-Kommission an. 13 von 15 Stimmen für das Zwei-Säulen-Modell sind, denke ich, eindeutig. Die breite Unterstützung, die seitdem von Wissenschaftlern wie Politikern verschiedenster Parteien erfolgt ist, wie wir auch kürzlich in "Der Zeit" gelesen haben, gibt ein Weiteres dazu. Aber ich möchte an der Stelle auch ein Zitat aus dieser Verlautbarung aufgreifen. Dort steht nämlich auch:

"Eine nur mechanische Zusammenlegung von Hauptschulen, Realschulen und Gesamtschulen ist wenig effektiv."

Meine Damen und Herren, das ist genau die Richtung, die wir gehen müssen. Lassen Sie mich an der Stelle noch ein Wort zur sozialen Gerechtigkeit sagen. Manch soziale Ungleichheit schlägt sich in der Schulstruktur nieder - das ist richtig. Das heißt aber im Umkehrschluss überhaupt nicht, dass mit einer Struktur alleine, auch nicht mit einer Gemeinschaftsschule oder Einheitsschule soziale Ungleichheiten beseitigt oder gar die Bildungserfolge automatisch größer werden. Genau das haben wir in der letzten Woche durch PISA 2006 sehen können. Länder mit dem Einheitsschulsystem wie Frankreich und Schweden sind drastisch abgesackt. Genau deshalb müssen wir alle gemeinsam eine Entscheidung für Hamburg, ein Land in Deutschland treffen.

(Beifall bei der CDU)

Die Einführung des Zwei-Säulen-Modells, angestrebt zum August 2009, bereiten wir gemäß Ihrem Bürgerschaftsbeschluss vor. Auf der Basis der im Mai 2007 bewilligten Mittel in Höhe von 3 Millionen Euro, die Sie zur Umsetzung der Reformen zur Verfügung gestellt haben, haben wir im Mai angefangen, Frau Ernst, eine vorbereitende AG einzusetzen und im September dann den Planungs

stab aus Juristen, Schulaufsicht und Lehrkräften zur Koordination und Steuerung der Planungsaufgaben für zunächst zwei Jahre eingesetzt. Ziel dieser Planungsarbeit ist genau diese schrittweise, prozesshafte Umsetzung Ihrer Empfehlungen in der Enquete-Kommission. Dabei gilt es, bis Ende Februar eine Realisierungsplanung vorzulegen, denn Sie haben insgesamt fast annähernd 200 Empfehlungen beschlossen. Es gilt hierbei insbesondere, schwerpunktmäßig die Profile der Schulformen - Stadtteilschule und Gymnasium - deutlich zu beschreiben.

Zurzeit arbeitet dieser Planungsstab unter Einbeziehung interner und externer Fachleute hinsichtlich der Schulstruktur schwerpunktmäßig an folgenden Themen: Es geht zunächst um inhaltliche Kernelemente der Stadtteilschule wie zum Beispiel Personalausstattung, Verknüpfung mit beruflichen Schulen, aber auch die Definition außerschulischer Lernorte. Es geht um die sorgfältige Analyse und Prognose der Schülerströme in den vergangenen Jahren, um die Auflistung der aktuellen Raumbestände, unter dem Gesichtspunkt, eine Schule für das Lernen und Leben mit Stadtteilanbindung zu schaffen, und um Rahmenvorgaben zur Vernetzung von Schule und Stadtteil und außerschulischen Lernorten. Es geht konkret um die Vorbereitung der regionalen Konferenzen im März/April zur Standortplanung und es geht natürlich auch um das Finanzierungskonzept und die Vorbereitung der Schulgesetzänderungen.

Weil die Enquete-Kommission dem Senat solche umfangreichen Empfehlungen vorgelegt hat, ist es unerlässlich, für den Umsetzungsprozess zusätzlich Transparenz und Offenheit zu schaffen. Wir können diese Transparenz nur mit Hilfe einer entsprechenden Öffentlichkeitsarbeit erreichen und dadurch gegen Verunsicherung wirken.

Was haben wir gemacht und was werden wir weiterhin tun? Es gibt seit Anfang des Jahres 2007 verschiedene öffentliche Veranstaltungen, es gibt regelmäßige Gespräche mit den Vorständen der Lehrerkammer, der Schülerkammer und der Elternkammer. Es gibt regelmäßige Gespräche zwischen Schulaufsicht, Schulen und auch mit mir. Es gibt PowerPoint-Präsentationen, die Vorsitzende der Kammern, aber auch Schulleitungen und Schulaufsicht sowie Elternvertretungen für die Diskussionen in der Schule und im Stadtteil verwenden können. Es gibt zum Beispiel unsere Broschüre "Den richtigen Weg wählen" für Eltern aller Viertklässler, um sich über die Schulen zu informieren. Auch dort haben wir umfangreiche Informationen zum Zwei-Säulen-Modell zur Verfügung gestellt. Wir werden zusätzlich zu dem, was bisher darin steht, eine Internetplattform zur Information und zur Kommunikation aufbauen. So schaffen wir Transparenz.

(Beifall bei der CDU)

Im März 2008, wenn alle Daten vorliegen, beginnen die regionalen Bildungskonferenzen. Diese werden von der Schulaufsicht begleitet und selbstverständlich werden die Schulen in dieser Phase intensiv von uns unterstützt. Die Gespräche laufen jetzt schon. Die Schulen haben begonnen, sich selbst weiterzuentwickeln und zu definieren, welches Profil sie anbieten wollen. Schon jetzt sprechen die Schulleitungen in den Regionen miteinander und überlegen, wie sie sich in den Regionen aufstellen könnten.

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Im Sommer 2008 wäre in der Bürgerschaft eine Entscheidung über die konkrete Bildung der Stadtteilschulen möglich.

Die Umsetzung der Enquete-Empfehlung und die Bildungspolitik des Senats zielen auch in Zukunft auf die Selbstverantwortung der Schulen, auf neue Unterrichtskonzepte, auf messbare, transparente, bessere Ergebnisse und eine verlässliche und sozial gerechte Schulstruktur. Wir wollen durch gerechte Bildungschancen soziale Benachteiligungen abbauen und zugleich leistungsstarke und lernschwächere Schülerinnen und Schüler gezielt und individuell fordern und fördern.

(Beifall bei der CDU)

Das ist aus meiner Sicht der richtige Weg, den Schüler, Eltern und Lehrer zu Recht von uns einfordern. Wir haben keine Zeit zu verlieren, in Hamburg eine Änderung der Schulstruktur vorzunehmen, aber wir müssen den Prozess sorgfältig gestalten. Die Eltern haben uns in den letzten Jahren ein klares Signal gegeben. Die Schulen brauchen eine sofortige konkrete Perspektive für die Gestaltung ihrer Arbeit mit den ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schülern. Weil wir in den Zielen übereinstimmen - wenn Sie ehrlich sind, Frau Goetsch, Herr Buss und Frau Ernst, werden Sie auch meiner Meinung sein -, appelliere ich heute noch einmal an Sie: Handeln Sie zum Wohle der Hamburger Schülerinnen und Schüler verantwortungsvoll und parteiübergreifend, beleben Sie Ihren guten Willen aus der Zeit der gemeinsamen Beratung in der Enquete-Kommission und stimmen Sie entsprechend dem klaren Ergebnis Ihrer Kommission. - Ich bedanke mich recht herzlich.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Bevor ich Herrn Buss das Wort erteile, möchte ich kurz die Gelegenheit zu einer Begrüßung ergreifen. Als Gäste der heutigen Sitzung der Bürgerschaft begrüße ich im Namen des ganzen Hauses sehr herzlich die Delegation aus Marokko, geleitet durch den Generalsekretär des marokkanischen Finanzministeriums, Monsieur Abdeltif Loundy, und den Botschafter des Königreichs Marokko, seine Exzellenz Rachad Bouhlal. Herzlich willkommen in Hamburg.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun hat Herr Buss das Wort.

(Michael Neumann SPD: Jetzt aber auf Franzö- sisch!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben bereits viel über Krokodilstränen gehört. Gerade hat eine Senatorin geredet, aber da hat der Erste Bürgermeister gar nicht mehr zugehört. Das ist bezeichnend für den Stellenwert dieser Senatorin.

(Bernd Reinert CDU: Er geht lieber bei Ihnen raus! - Beifall und Heiterkeit bei der CDU) - Das kann ich nachvollziehen, aber nicht, dass man seiner eigenen Senatorin nicht zuhört. Ihr Beitrag, Herr Heinemann - "Ich und die Senatorin" -, war entlarvend. (Beifall bei der SPD)

Herr Heinemann, eines wissen wir Sozialdemokraten ganz genau, auch bei Ihnen ist das Zwei-Säulen-System noch lange nicht "durch".

(Zurufe von der CDU)

Sie können so viel beschließen, wie Sie wollen. Herr Heinemann, wir haben erlebt, wie es ist. Erstens gab es entsprechende Umfrageergebnisse - Sie tun nichts dafür, dass es besser wird - und zweitens haben wir Informationen darüber

(Zurufe von der CDU: Hey, hey!) - ist bei euch schon Karneval, oder wie? -, (Bernd Reinert CDU: Nee, bei Ihnen!)

dass das Zwei-Säulen-System bei den CDUAbgeordneten und insbesondere bei Ihrer Basis noch gar nicht richtig angekommen ist. Sie kennen genauso gut wie wir die Vertreterinnen und Vertreter der Schülerunion. Sie haben klar gesagt, dass sie weiterhin das dreigliedrige Schulsystem haben wollen. So sieht es aus.

Bevor ich mich weiter mit Krokodilstränen beschäftige, will ich deutlich machen, dass die Kampagne der CDU - das hat meine Kollegin Ernst schon gesagt - scheinheilig ist.

(Beifall bei der SPD)

In Wirklichkeit unternehmen Sie nichts gegen die Ungerechtigkeit in der Bildung. Es ist Ihnen egal, ob jedes Jahr 12, 11 oder 13 Prozent der Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen müssen. Das treibt Sie nicht um, aber Sie treiben stattdessen bei der jetzt anstehenden Anmelderunde die Eltern in Scharen in die Hände des Gymnasiums.

(Karen Koop CDU: Oh, das ist gefährlich!)

Das hat auch Frau Koop zu hören bekommen. Es ist die einzige Schulform, auf die man sich zurzeit aufgrund Ihrer Schulpolitik einigermaßen verlassen kann, und weil Sie nichts dagegen tun, um das böse Wort von den "Mercedes-Schulen" auf der einen Seite und den "Fiat-Schulen" auf der anderen Seite aus der Welt zu schaffen. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Willfried Maier GAL)

Wahr ist, Sie stellen das Gymnasium unter Artenschutz, aber wahr ist auch, dass die CDU das Gymnasium tatsächlich verändern will, Herr Böttger. Sie will es nur nicht laut sagen.