Protocol of the Session on January 22, 2015

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(Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Kollege Rose und ich sind damals sehr dezidiert darauf eingegangen, dass die Rüstungspolitik in der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes liegt. Ich selbst rief auch dazu auf, dass wir uns in diesem Haus doch auf die spezifischen Interessen der Hansestadt konzentrieren sollten, anstatt die föderale Gewaltenteilung aufzukündigen. Weder an der Sach- noch an der Rechtslage hat sich etwas geändert, und dennoch beantragt die DIE LINKE, dass sie hier und heute noch einmal ein bisschen Bundespolitik spielen darf. Langsam frage ich mich wirklich, ob Ihnen die Landespolitik eigentlich zu langweilig geworden ist, liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Sie haben nicht begriffen, was sie in Hamburg ma- chen!)

Mittlerweile setzen Sie dem Ganzen auch noch die Krone auf. Mit Ihrem neueren Antrag zum Verbot von Rüstungsexporten über den Hamburger Hafen wollen Sie in diesem Rathaus den Verfassungsbruch beschließen. Bereits im Wirtschaftsausschuss erklärten die Senatsvertreter, dass die Sperrung des Hafens für Atomtransporte verfassungsrechtlich unzulässig wäre; ich zitiere den Ausschussbericht. Es sei nicht seriös, Gesetzgebungskompetenzen zu nutzen, um zielgerichtet das Verfassungsgefüge auszuhebeln.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Ich denke, das kann so nicht richtig sein!)

Das kann so stehenbleiben, dem habe ich auch nichts hinzuzufügen. Sie, Frau Schneider, haben eben gemahnt, die Verfassung ernst zu nehmen, dann machen Sie das doch bitte auch hier.

Ein abschließendes Wort will ich aber auch noch an die GRÜNEN richten. Es waren vor allem auch Sie, die vor einem Jahr sehr engagiert in die Debatte gegangen sind. Nicht zuletzt deshalb wurden die beiden Anträge überhaupt erst an den Ausschuss überwiesen. Doch da war, Kollege Rose er

(Wolfgang Rose)

wähnte es bereits, von Ihnen leider nichts zu sehen. Bei der Ausschussberatung war kein einziges Mitglied Ihrer Fraktion anwesend. Die öffentliche Bühne in diesem Plenum wussten Sie für Ihre Imagepflege zu nutzen, aber danach verließ Sie offensichtlich Ihr Engagement. Das ist auch nicht wirklich seriös, und vom Stil wollen wir gar nicht sprechen.

Mit dem geänderten Petitum im Ausschussbericht kann die CDU-Fraktion leben. Aber ich werde nicht müde zu betonen: Die Rüstungspolitik liegt nicht im Aufgabenbereich dieses Landesparlaments.

(Beifall bei der CDU)

Den vorliegenden Antrag der LINKEN wird meine Fraktion selbstverständlich ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt nun Frau Fegebank von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bevor ich inhaltlich einsteige – es ist wohl von allen Fraktionen angesprochen worden, dass wir bei der entsprechenden Ausschusssitzung nicht da gewesen sind –, möchte ich mich vor den wenigen jetzt anwesenden Abgeordneten dafür ausdrücklich entschuldigen. Ich glaube, gerade die kleineren Fraktionen kennen die Probleme, die sich manchmal bei Ausschusskollisionen oder anderen Terminen ergeben. Man muss ganz ehrlich sagen, dass wir hier tatsächlich gepennt haben, das will ich so dem Hause mitteilen.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Wir sind bei dieser Ausschusssitzung nicht da gewesen, was aber nicht bedeutet, dass uns das Thema nicht wichtig ist. Wir haben uns nicht nur vor einem Jahr sehr engagiert verhalten, sondern uns auch jenseits dieses Hauses und der Ausschüsse in unterschiedlichen Veranstaltungsformaten immer wieder damit auseinandergesetzt, auch mit der Schwierigkeit, die Sie gerade noch einmal angesprochen haben, Herr Stemmann, dass es natürlich um etwas geht, das auf Bundesebene bewegt werden muss. Ich glaube jedoch sehr klar, dass wir hier als Tor zur Welt, auch als Dreh- und Angelpunkt – Herr Rose hat es im vergangenen Jahr erwähnt und auch heute wieder – und großer Waffenumschlagsort einfach eine Verantwortung tragen, eine Verantwortung, uns damit auseinanderzusetzen, was mit Waffen aus Deutschland passiert, auch mit Waffen aus anderen Staaten, die über die Drehscheibe Hamburg in aller Herren Länder exportiert werden, und zwar nicht nur an Bündnispartner, sondern auch in Krisen- und Konfliktgebiete, in autoritäre Staaten, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden und die Sicher

heitslage dramatisch und verheerend ist. Wir müssen sogar vermuten – Frau Schneider hat es angedeutet –, dass dem islamischen Terror dort auch Waffen zugeliefert und dann mit diesen Waffen brutale Morde begangen werden. Deshalb ist es natürlich auch Aufgabe dieses Hauses, sich damit auseinanderzusetzen und zu schauen, ob es rechtliche Spielräume gibt, ob es Möglichkeiten gibt, auch von Hamburg aus etwas zu tun. Deshalb finde ich es richtig, dass aus dem Ausschuss heraus diese Debatte noch einmal angemeldet wurde.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Herr Rose hat eben auch noch einmal die Ausschussempfehlung dargestellt – ich zitiere –:

"Die Hamburgische Bürgerschaft unterstützt das politische Ziel der Bundesregierung, […] die Exporte von Rüstungsgütern soweit als möglich zu reduzieren, und vor allem eine Ausfuhr […] in Krisen- und Konfliktgebiete grundsätzlich zu vermeiden."

Das ist erst einmal ein Appell, eine Aufforderung, die wir unterstützen können. Wenn ich mir dann aber die Zahlen anschaue, Herr Rose – und ich weiß nicht, ob wir auf unterschiedliches Material oder unterschiedliche Drucksachen zurückgreifen –, dann erscheint mir die Forderung doch sehr wohlfeil, weil die Realität ganz anders aussieht. Diese Ausschussempfehlung suggeriert doch, dass wirklich ein Fortschritt passiert sei. Tatsächlich ist es aber so, dass die Große Koalition genau so weitermacht wie bisher, sei es, dass es bestehende Genehmigungen aus der schwarz-gelben Regierungszeit sind, oder dass man hier und da noch einmal einen anderen Bündnisschluss getragen oder vereinbart hat. Ich sehe keine drastische Reduzierung, wie Sie es dargestellt haben. Laut mir vorliegenden Zahlen sind die Ausfuhrgenehmigungen in Drittländer unter Sigmar Gabriel – dass es im Wirtschaftsministerium liegt und nicht beim Auswärtigen Amt war auch ein Punkt, den wir kritisiert haben – von 50 Prozent auf 63,5 Prozent gestiegen. Das steht in meinen Augen in einem deutlichen Widerspruch zu dem, was wir gern unterstützen würden, was sich aber in der praktischen Realität und im Handeln der Bundesregierung in keiner Weise abbildet.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Ich vermisse einige Punkte – aber wir waren nicht anwesend und konnten uns deshalb im Ausschuss nicht in die Debatte einklinken –, und ich hätte mich sehr gefreut, wenn man diese Punkte, die auch die Bundesebene betreffen und aus dem Begründungszusammenhang heraus sicherlich ein gutes Zeichen gewesen wären, über eine Bundesratsinitiative eingebracht hätte. Das betrifft nämlich die Frage nach einem Kontrollgremium, die Frage nach dem Endverbleib deutscher Waffen, die ge

(Hjalmar Stemmann)

klärt werden muss, die Frage des Verbots der Lizenzabgabe für Kriegswaffen an Drittstaaten und auch die Frage, wie man eigentlich mit Dual-Use und Überwachungstechnologien umgeht. Das sind lauter Fragen, die in dem verabredeten Beschluss in keiner Weise mehr auftauchen. Wir finden das schade und möchten das gern wieder aufrufen.

Zum Antrag der LINKEN. Es gibt einige Punkte, denen wir zustimmen werden und von denen wir denken, dass sie eine Bekräftigung des alten Antrags darstellen, angereichert durch einige Forderungen, die wir auch in unserem Ursprungsantrag hatten. Dem ersten Punkt der vollständig friedlichen Nutzung können wir nicht zustimmen, weil es einmal um die Frage Dual-Use geht und zum anderen darum, dass Deutschland nicht nur Mitglied der Europäischen Union ist, sondern auch der NATO. Es gibt Bündnisverpflichtungen, und natürlich gibt es auch Waffenlieferungen, die an Bündnispartner gehen, und hier stärkt das Bündnis eher das Vertrauen untereinander. Wir sagen nicht, dass wir uns wieder in alte Nationalismen zurückwerfen müssen, sondern wir wollen und müssen diesen Bündnisverpflichtungen nachkommen, und das schließt für uns Ihre Forderung aus, eine vollständig friedliche Nutzung des Hamburger Hafens auf den Weg zu bringen. Wir stimmen dieser Forderung nicht zu, aber bei anderen Punkten sind wir dabei. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Dr. Kluth von der FDP-Fraktion.

Es ist zutreffend, was der Kollege Rose vorhin gesagt hat, Deutschland ist weltweit der drittgrößte Exporteur von Rüstungsgütern und weltweit der sechstgrößte Exporteur von Kriegswaffen. Ich denke, das ist nichts, worauf wir stolz sein sollten, und es ist auch nichts, womit wir uns rühmen könnten. Daher wird die FDP-Fraktion dem Petitum, das wir im Wirtschaftsausschuss beschlossen haben und das die Bundesregierung bei Rüstungsexporten zu einer restriktiven Politik auffordern wird, ausdrücklich zustimmen.

Wenn mit deutschen Waffen Menschen getötet, bewaffnete Konflikte geführt oder Menschenrechte und Demokratie durch autoritäre Regime verletzt werden, dann sind die Exportchancen der deutschen Industrie – und ich will das ausdrücklich sagen – kein triftiger, kein ausreichender Grund für Ausfuhrgenehmigungen.

(Beifall bei der FDP, den GRÜNEN und der LINKEN)

Warum ist das so? Weil die sogenannte Endverbleibkontrolle nach Paragraf 12 Kriegswaffenkontrollgesetz, oder wie sie sich auch in den politi

schen Grundsätzen für den Export von Kriegswaffen und Rüstungsgütern wiederfindet, in der Realität meist nicht einmal das Papier wert ist, auf dem sie geschrieben steht. Konkret: In Nigeria tötet gegenwärtig Boko Haram mit Waffen, die von korrupten Teilen der nigerianischen Armee erworben worden sind, also genau mit solchen Waffen, die überwiegend amerikanische, russische, aber eben auch europäische Unternehmen an die nigerianische Armee geliefert haben.

Dass das so ist, können Sie dem Rüstungsexportbericht 2013 entnehmen, den Wirtschaftsminister Gabriel im Juni 2014 veröffentlicht hat. In diesem Bericht nämlich weist das Wirtschaftsministerium selbst darauf hin, dass in den internen, aber auch in den grenzüberschreitenden Konflikten die weitaus meisten Opfer durch den Einsatz von Kleinwaffen und leichten Waffen, also zum Beispiel Handfeuerwaffen oder kleinen Kanonen, verursacht werden. Diese würden, so der Rüstungsexportbericht von Minister Gabriel, am häufigsten von den ursprünglichen Empfängerländern weiterverkauft werden.

Aber wenn das so ist und wenn Wirtschaftsminister Gabriel das auch als zutreffend erkannt hat, wie kann es dann eigentlich angehen, dass das Volumen der Ausfuhrgenehmigungen an Drittländer – also solche Staaten, die nicht Mitglied der EU oder der NATO sind – im ersten Halbjahr 2014 mit 1,4 Milliarden Euro nahezu genauso hoch und also konstant ist, wie das Ausfuhrvolumen im ersten Halbjahr 2013. Wohlgemerkt, alles lupenreine Genehmigungen der jetzigen Regierung, keine nachlaufenden Genehmigungen der schwarz-gelben Regierung. Mit anderen Worten, deutsche Rüstungsunternehmen haben im ersten Halbjahr 2014 unter Wirtschaftsminister Gabriel beinahe ebenso gute Waffengeschäfte gerade mit den umstrittenen Drittländern gemacht wie unter der Vorgängerregierung. Das ist alles nachzulesen in dem Mitte Oktober veröffentlichten Zwischenbericht, dem ersten Zwischenbericht der Bundesregierung, also zeitlich exakt einen Monat, bevor uns die SPD-Fraktion im Wirtschaftsausschuss einen Änderungsantrag mit salbungsvollen Worten über die angeblich so restriktive Rüstungspolitik ihres Wirtschaftsministers präsentiert hat.

Meine Damen und Herren! Das ist entweder dumm oder dreist, auf jeden Fall aber scheinheilig.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN)

In diesem Zusammenhang will ich noch etwas anderes sagen. Zu den Empfängerländern der unter dieser Bundesregierung genehmigten Rüstungsexporte gehören Ägypten, Algerien, Indonesien, Katar, Nigeria, Pakistan und Saudi-Arabien. Das sind Länder, die in Krisenregionen liegen oder in denen die Wahrung der Menschenrechte nicht gewährleistet ist. Ich zitiere einmal Paragraf 6 Kriegswaf

(Katharina Fegebank)

fenkontrollgesetz: Exporte dürfen nicht genehmigt werden, wenn

"die Gefahr besteht, dass die Waffen bei einer friedensstörenden Handlung […] verwendet werden."

Sturmgewehre nach Saudi-Arabien, Maschinenpistolen nach Indonesien – wie Sie das mit Paragraf 6 Kriegswaffenkontrollgesetz in Übereinstimmung bringen wollen, bleibt in der Tat das Geheimnis dieser Bundesregierung.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und bei Dr. Eva Gümbel GRÜNE)

Das ist keine restriktive Rüstungspolitik, das ist das Legen von Lunten an offene Pulverfässer.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN)

Rüstungsexporte, insbesondere von Kriegswaffen, sind kein Mittel der Wirtschaftspolitik, das hat Herr Kollege Rose gesagt, das sagt auch Wirtschaftsminister Gabriel, und ich stimme ihm da ausdrücklich zu. Ich mache mir angesichts der Innovationsfähigkeit unserer Industrie und dem geringen Umfang der Rüstungsgüter am Gesamtexportvolumen – wir reden von etwa 0,8 Prozent – auch keine Sorgen, dass das beschäftigungspolitisch nicht zu verkraften sei. Es reicht aber eben nicht aus, nur davon zu reden, sondern die Bundesregierung muss danach handeln.

(Beifall bei der FDP und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Die Anträge der GRÜNEN und der LINKEN werden wir ablehnen, weil sie die ausschließliche Zuständigkeit des Bundes verkennen, wie sie sich aus Artikel 26 Grundgesetz ergibt; darauf hat der Kollege Stemmann zu Recht hingewiesen. Bei dem Antrag der LINKEN haben wir darüber hinaus auch verfassungsrechtliche Bedenken, wie sie im Wirtschaftsausschuss erörtert worden sind. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)