Protocol of the Session on May 19, 2011

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sie unter schlechteren Bedingungen arbeiten, sondern genau das Gegenteil ist der Fall. Diese Menschen haben besonders schlechte Bedingungen.

So überraschte uns die Information aus den letzten Tagen nicht, dass die Zahl der Aufstocker – das sind diejenigen, die zum Teil voll arbeiten, aber zusätzliche Unterstützung durch Hartz IV brauchen – in dieser Stadt wieder kräftig angestiegen ist. Insofern bedarf es der besonderen Aufmerksamkeit auch dieses Hauses und der Politik für diesen unteren Bereich der Löhne und der Beschäftigung. Hier muss man sich besonders einsetzen und dazu spezielle Überlegungen anstellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit wir diese Verantwortung auch als Stadt wahrnehmen, haben wir den Antrag gestellt, der im Wesentlichen aus drei Teilen besteht.

Der erste wichtige Teil ist, dass wir eine Sache einfordern, die wir in Hamburg nicht einführen können, die wir als LINKE aber immer als sehr wichtig gefordert haben, und das ist der Mindestlohn. Der DGB fordert 8,50 Euro. Das ist auch das Mindeste, das man haben muss. Sie alle können sich ausrechnen, dass Sie große Schwierigkeiten hätten, damit auszukommen, aber es ist besser als nichts. Wir fühlten uns in letzter Zeit in diesem Bereich als LINKE etwas wohler als früher. Anfangs fingen wir mit dem Thema ziemlich allein an, jetzt gibt es mittlerweile eine kräftige Unterstützung von der SPD und der GAL. Ich habe mich sehr gefreut darüber, was ich in den letzten Tagen gelesen habe, Herr Wersich, dass es mittlerweile auch innerhalb der CDU eine kräftige Unterstützung bei dieser Forderung gibt. Ich halte das für einen gesellschaftlichen Fortschritt und freue mich, dass wir bei dieser Debatte einen Schritt weitergekommen sind.

(Wolfgang Rose SPD: Aber nicht in Ham- burg bei der CDU!)

Wir werden einmal abwarten, was Sie uns gleich dazu erzählen. Ich freue mich schon darauf, denn es ist natürlich ein wichtiger Punkt, den wir debattieren müssen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir Informationen über diese Situation haben wollen. Es muss vornehmste Aufgabe dieser Bürgerschaft und selbstverständlich des Senats sein, dass sie sich um diese Frage kümmern. Sie müssen sich Informationen darüber verschaffen, wie die Situation in diesem Segment ist, was die neuen Zuwanderer in Hamburg in diesem Bereich bewirken und was es für die Löhne bedeutet. Es gibt Untersuchungen, die sagen, dass die Löhne in diesem Bereich um 0,4 Prozent insgesamt abgesenkt werden könnten. Auch diese Äußerung finde ich zu pauschal, weil sie sich auf alles bezieht und nicht auf diese speziellen Sektoren. Also ist es sehr wichtig, darüber gut informiert zu werden.

Als dritten Punkt fordern wir analog zu den Beratungen für die Unternehmen aus Europa, die momentan bei der Handelskammer informiert werden, entsprechende Institutionen in Hamburg, an die die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieser Länder sich wenden können und damit eine Beschwerdemöglichkeit haben. Die haben sie gegenwärtig in Hamburg nicht.

Ich freue mich, dass die SPD das in ihrem Antrag schon beim letzten Mal gefordert hat und jetzt wohl auch wieder. Er ist mir ein bisschen zu vage, aber es ist besser als nichts. Wenn wir diese Beschwerdemöglichkeit nicht geben und damit den Menschen nicht die Möglichkeit, irgendwo in ihrer eigenen Sprache nachfragen zu können, wenn sie schlecht behandelt wurden, dann haben wir unsere Aufgabe als soziale Stadt nicht erfüllt. Ich wäre also froh, wenn wir diesen Antrag in der Form hier durchbekommen. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Abaci.

Verehrte Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zum Thema reden und das auch nicht so lange. Seit 2004 sind die mittel- und osteuropäischen Staaten Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn der EU beigetreten. Seit dem 1. Mai gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus diesen Staaten die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit. Sie dürfen also in jedem Mitgliedsland der EU leben und arbeiten.

Wir begrüßen die Arbeitnehmerfreizügigkeit, weil wir gerade in Deutschland nicht nur aus demografischen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen auf die Zuwanderung, insbesondere auf die qualifizierte Zuwanderung, angewiesen sind.

(Beifall bei der SPD)

Seit Mai gilt die volle Dienstleistungsfreiheit auch bei den Dienstleistungen. Das heißt, Unternehmen aus einem der Beitrittsländer können einfacher als bisher ihre Dienstleistungen auch in Deutschland anbieten. Sie können zum Beispiel Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach Deutschland entsenden, das ermöglicht grenzüberschreitende Leiharbeit. Leider gilt das deutsche Arbeitsrecht in der Regel nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich auch in Deutschland niederlassen. Wenn ein ausländischer Dienstleister Beschäftigte zur Arbeit nach Deutschland schickt, gelten für sie das Arbeitsrecht und die Tarifverträge ihres Heimatlandes.

Bei der Zeitarbeit ist der SPD in den Verhandlungen mit der Bundesregierung der Durchbruch gelungen. Hier gilt seit Neuestem ein Mindestlohn.

(Beifall bei der SPD)

Er soll verhindern, dass die Arbeitnehmerüberlassung durch Niedriglöhne zum Sparmodell der Industrie und Wirtschaft wird. Der Mindestlohn soll es osteuropäischen Personaldienstleistern unmöglich machen, den Zeitarbeitsmarkt mit miserabel bezahlten Arbeitskräften zu erobern.

Sehr geehrte Damen und Herren! Für uns gilt es grundsätzlich: Wir wollen verhindern, dass zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Lohndumping betrieben wird. Deshalb brauchen wir in Deutschland, jedoch nicht nur in einzelnen Branchen, einen gesetzlichen Mindestlohn.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das ist schon lange die Position der SPD. Hamburg hat deshalb so schnell wie möglich nach dem Regierungswechsel gemeinsam mit Rheinland-Pfalz einen Entschließungsantrag in den Bundesrat eingebracht. Dieser Entschließungsantrag wird wahrscheinlich am 25. Mai zur Abstimmung anstehen. Wir fordern darin unter anderem die Bundesregierung auf, für die flächendeckende Einführung eines Mindestlohns zu sorgen, das Arbeitnehmerentsendegesetz auf alle Branchen auszuweiten und dem Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit an gleichem Ort umfassende Geltung zu verschaffen.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hat schon in der letzten Legislaturperiode die Schaffung von Beratungsangeboten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Nicht-EU-Ländern gelobt. Solche Beratungsangebote muss es aber auch für EU-Inländer und entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geben. Auch diese müssen in Hamburg die Möglichkeit haben, sich über ihre Rechte zu informieren. Der Senat möchte deshalb prüfen, inwieweit ein solches Beratungsangebot in Hamburg eingerichtet werden sollte und wie es finanziert werden kann.

In diesen zwei Punkten gehen wir mit Ihnen im Prinzip konform, liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN. Beim dritten Punkt Ihres Antrags sind wir nicht ganz Ihrer Meinung. Sie möchten eine wissenschaftliche Studie, aber uns würde ein Senatsbericht nach einem Jahr ausreichen. Dieser Bericht soll uns über die Auswirkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit auf dem Hamburger Arbeitsmarkt informieren. Wir möchten wissen, wie sich die Arbeitnehmerfreizügigkeit auf den Niedriglohnsektor auswirkt und ob Mindeststandards von Arbeitnehmerrechten eingehalten werden. Insgesamt betrachtet liegen wir also nicht so weit auseinander. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

(Norbert Hackbusch)

Das Wort bekommt Herr Haufler.

Frau Präsidentin, meine verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hackbusch, ich finde es ganz richtig und konsequent, dass gerade die Links-Partei einen Antrag einbringt zum Thema Arbeitnehmer aus den neuen EU-Ländern, denn vor nicht allzu langer Zeit waren die Länder, die wir heute die neuen EU-Länder nennen, die Länder des Warschauer Pakts. Die Links-Partei war sozusagen für diese Länder auch politisch mit verantwortlich.

(Beifall bei der CDU und bei Finn-Ole Ritter FDP – Heike Sudmann DIE LINKE: Der Klassenfeind!)

Insofern ist die Frage berechtigt, welche Gründe überhaupt dazu führen, dass so viele Menschen aus diesen Ländern nicht bei sich zu Hause, sondern bei uns in Deutschland arbeiten wollen. Ist es vielleicht die Wirtschaft, die in diesen Ländern durch Jahrzehnte von Planwirtschaft auf einen Stand gebracht worden ist, der den Menschen nicht mehr die Möglichkeit bietet, zu Hause eine gute Arbeit zu finden, sodass sie gezwungen sind, in dieses System zu kommen und hier Arbeit zu suchen, genau in das System, das Sie immer bekämpft haben?

(Beifall bei der CDU)

Aber dies nur als Vorbemerkung.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Sie sind Anti-Europäer!)

Lassen Sie mich dazu kommen.

Nicht nur diese Arbeitnehmer profitieren von den guten Arbeitsbedingungen in Deutschland, sondern gerade wir in Hamburg profitieren sehr stark von diesen Arbeitnehmern.

(Beifall bei der CDU)

Wir als Handelsstadt haben uns schon immer nach außen geöffnet und haben schon immer die Möglichkeiten und Zeichen der Zeit erkannt. Schon jetzt leben 28 800 Bürger aus den neuen EU-Ländern in Hamburg, davon allein drei Viertel aus Polen. Sie sind hier gut integriert, sie haben gute Arbeit, sie sind Teil der Nachbarschaften und viele von ihnen sind in der Politik schon zumindest auf kommunaler Ebene aktiv.

(Beifall bei der CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Die sind in der CDU aktiv!)

Es wird nun erwartet, dass pro Jahr rund 100 000 Menschen aus den neuen EU-Ländern nach Deutschland kommen, um hier zu arbeiten. Wenn wir das auf Hamburg hochrechnen, dann sind es vielleicht 3000 Menschen pro Jahr zusätzlich zu den fast 30 000, die hier schon leben. Hier

muss man sich natürlich die Frage stellen, ob das jetzt die große Einwanderungswelle ist, die die Notwendigkeit schafft für ein umfassendes staatliches Beratungsangebot, welches nur die Grundlagen schafft für die Arbeit dieser Menschen. Ich denke nicht, sondern ich denke, dass dieses staatliche Sozialberatungsangebot, das Sie fordern, im Grunde ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für die einheimischen Arbeitskräfte ist.

(Beifall bei der CDU)

Aber im Wesentlichen erwarten wir von diesem Vorschlag keine Wirkungen auf die Arbeitschancen dieser Menschen, denn bereits jetzt haben wir das Hamburg Welcome Center, das auch verantwortlich ist für die Beratung von neu ankommenden Arbeitnehmern und Unternehmern. Und bereits jetzt haben wir in Fällen von Schwierigkeiten in der Auseinandersetzung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern die Öffentliche Rechtsauskunft, die jedem Hamburger offensteht.

Es wundert mich, warum Sie nicht erwähnt haben, dass wir bereits jetzt Gewerkschaften haben. Deren originäre Aufgabe ist es doch, Arbeitnehmer zu beraten, wenn es Probleme mit dem Arbeitgeber gibt. Deren Aufgabe ist es doch zu werben, damit die Menschen freiwillig in die Gewerkschaften eintreten, dort ihren Beitrag bezahlen und dann auch entsprechend in Rechtsangelegenheiten beraten werden. Seit wann müssen diese Aufgaben vom Staat übernommen werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb sagen wir ganz klar, dass es im Grunde keines längeren Prüfantrags an den Senat bedarf mit einem Bericht, der uns diese Dinge in einem Jahr genauso sagen wird. Im Grunde könnte man den Antrag auch ablehnen, aber wir befassen uns gern gemeinsam mit diesem wichtigen Thema im Sozialausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat nun Frau Demirel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Haufler, nach Ihrer Rede ist mir noch klarer geworden, warum wir in Hamburg so wenig Zuwanderer oder Arbeitsmigranten haben. Bei dieser Willkommenskultur ist es auch kein Wunder, dass wir wirklich keine Menschen nach Hamburg locken.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der LINKEN)