Protocol of the Session on June 4, 2014

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Diese gesetzliche Regelung ist de facto ein Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf familiäres Zusammenleben in Deutschland und in das Recht der freien Partnerinnenwahl. Das wollen wir nicht länger hinnehmen.

Es ist sicher wichtig, wenn Menschen die Sprache des Landes beherrschen, in dem sie leben. Es ist aber eine offene Diskriminierung, dieses als Vor

aussetzung für die Einreise in einem Gesetz zu verankern. Für die nachziehenden Ehegatten ist der Spracherwerb in ihrem Herkunftsland kaum möglich, weil beispielsweise in ländlichen Regionen die Schulungsmöglichkeiten fehlen. Nicht überall gibt es Goethe-Institute und damit die Möglichkeit, Sprachkurse mit hier anerkanntem Abschluss zu machen. Für viele, insbesondere für Frauen, ist es kaum möglich, in eine nahe gelegene Stadt zu fahren und sich während dieses Kurses dort aufzuhalten. Das Ganze ist meistens zu teuer und zu aufwendig. Zudem sind alle Zuwandernden nach dem Paragrafen 44 a Aufenthaltsgesetz ohnehin verpflichtet, an einem Integrationskurs in Deutschland teilzunehmen. Diese Integrationskurse sind ein wichtiges Mittel, um alle Zuwandernden sprachlich und sozial darauf vorzubereiten, gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben zu können. Der allgemeine Integrationskurs umfasst 660 Unterrichtseinheiten, und die Grundlage bildet der Sprachkurs mit 600 Stunden.

Darüber hinaus besteht für Zuwandernde die Möglichkeit, an berufsbezogenen Sprachkursen teilzunehmen, damit sie ihren beruflichen Erfordernissen besser nachkommen und schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Und das ist der richtige Weg.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen, dass alle Menschen gleich behandelt werden, ganz gleich, wo sie herkommen oder welches Bildungsniveau sie haben. Die Sprache lernt man oder frau am besten vor Ort, wo sie gesprochen, tagtäglich angewendet und praktiziert wird. Und der Spracherwerb in Deutschland ist leichter, schneller, günstiger und weniger belastend für alle Betroffenen.

Diese Regelung ist längst ein Fall für die Justiz. Es gibt zahlreiche Gerichtsurteile zugunsten nachzugswilliger Ehegatten. So belegt die aktuelle Stellungnahme des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs vom 30. April 2014, dass die Pflicht zum Nachweis von Deutschkenntnissen bei Ehegattennachzug aus Drittstaaten gegen das EURecht verstößt. Die in 2007 eingeführte Regelung sei weder mit der Stillhalteklausel des Assoziierungsabkommens mit der Türkei noch mit der Richtlinie über die Familienzusammenführung vereinbar.

In 2011 gab es eine Sachverständigenanhörung im Innenausschuss des Bundestags. Dort wurde vorgelegt, dass es um mehrere Tausend Fälle pro Jahr gehe, in denen das Recht, eine Ehe gemeinsam zu führen, aufgrund dieser bestehenden Regelung nicht verwirklicht werden kann. Auf ausdrückliche Nachfrage konnte auch keiner der Experten bestätigen, dass diese Regelung überhaupt geeignet ist, Zwangsverheiratungen zu bekämpfen. Diese Stellungnahme und zahlreiche Justizfäl

le bestärken unsere Position, dass diese Regelung abgeschafft werden muss.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Wir halten das Spracherfordernis für den Ehegattennachzug für menschenunwürdig und für eine unzulässige Einschränkung der Familienrechte, die nach dem Grundgesetz geschützt sind. Daher fordern wir mit unserem Antrag den Senat auf, auf Bundesebene aktiv zu werden, um diese Regelung im Aufenthaltsgesetz abzuschaffen und die entsprechenden Paragrafen zu ändern.

Wenn wir eine Willkommenskultur in Hamburg und in Deutschland schaffen wollen, dann müssen wir endlich anfangen, solche stigmatisierenden und menschenunwürdigen Gesetze zu ändern. Eine Gesellschaft kann nur dann funktionieren, wenn alle Teilnehmenden gleichberechtigt agieren können. Von daher freuen wir uns über die Debatte im Ausschuss, und wir freuen uns darüber, dass die SPD unseren Antrag an den Innenausschuss überweisen möchte. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN – Christiane Schneider DIE LINKE: Wir auch!)

Herr Simsek von der SPD-Fraktion hat jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Regelung des Ehegattennachzugs von Ausländern zu Deutschen und von Ausländern zu legal in Deutschland lebenden Ausländern ist ein sehr emotionales Thema. Kaum eine andere Regelung greift so tief in das Privatleben von zwei sich liebenden Menschen ein. Artikel 6 des Grundgesetzes fordert, dass Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz des Staates stehen. Aber die bestehenden Regelungen zum Ehegattennachzug sind so, dass man, um es etwas vorsichtig zu formulieren, zumindest den Eindruck bekommt, dass es nicht gleich behandelt wird.

Ehepartner beispielsweise aus Japan, Israel und den USA dürfen zu ihren in Deutschland lebenden Ehepartnern ziehen, ohne Deutschkenntnisse zu haben oder sie nachweisen zu müssen. Ehepartner aus den meist sogenannten Entwicklungsländern, aus den islamischen Ländern oder aus der Türkei müssen recht gute Deutschkenntnisse nachweisen, bevor sie ein Visum zum Zuzug zu ihrem in Deutschland lebenden Ehepartner bekommen. Zur Verteidigung dieser ungleichen Regelungen wurde angeführt, dass es darum gehe, Zwangsehen zu verhindern. Das ist ein wichtiges und ernst zu nehmendes Ziel. Ob aber die bestehenden Regelungen zum Ehegattennachzug dafür ein geeignetes Mittel sind, kann und soll man durchaus kritisch diskutieren.

Meine Damen und Herren! Um möglichen Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich deutlich sagen, dass für eine gelungene Integration der möglichst frühe Erwerb von guten deutschen Sprachkenntnissen unerlässlich ist.

(Beifall bei der SPD)

Das gilt auch für nachziehende Ehegatten. Seit im Jahr 2007 die verschärften Regelungen zum Ehegattennachzug beschlossen worden sind, sind sie nicht nur politisch, sondern auch juristisch sehr kontrovers diskutiert worden. Deutsche Gerichte haben diese Regelung bisher nicht grundsätzlich verworfen. Das Bundesverwaltungsgericht hat aber deutliche Hinweise gegeben, dass fehlende Deutschkenntnisse nicht generell dazu führen dürfen, den Ehegattennachzug auf Dauer zu verhindern. Im September letzten Jahres hat es ausgeführt, dass eine Nachzugsverzögerung von einem Jahr die Grenze der Zumutbarkeit markiert. Und es hat darauf hingewiesen, dass es auch die Möglichkeit und die Verpflichtung zum Besuch von Deutschkursen in Deutschland gäbe.

Das Verwaltungsgericht Berlin geht einen besonderen Weg. Es verhandelt über die Klage einer Türkin, deren Antrag auf Erteilung eines Visums zum Nachzug zu ihrem in Deutschland lebenden Ehemann abgelehnt wurde. Das Verwaltungsgericht hat dazu dem Europäischen Gerichtshof zwei Fragen zur geltenden deutschen Rechtslage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die seit 2007 bestehenden deutschen Regelungen erstens mit der Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei vereinbar seien und ob sie zweitens mit den EURegelungen zur Familienzusammenführung vereinbar seien.

Ende April dieses Jahres hat der Generalanwalt Paolo Mengozzi dem Europäischen Gerichtshof seine Schlussanträge vorgelegt. Die ersten beiden Sätze dazu vom Gerichtshof der Europäischen Union, Pressemitteilung Nummer 63/14, lauten, dass es gegen das Unionsrecht verstoße, dass in Deutschland Drittstaaten-Angehörigen ein Visum zum Zweck des Ehegattennachzugs nur erteilt werde, wenn die Grundkenntnisse der deutschen Sprache nachgewiesen werden könnten. Das 2007 eingeführte Spracherfordernis sei weder mit der Stillhalteklausel des Assoziierungsabkommens mit der Türkei noch mit der Richtlinie über die Familienzusammenführung vereinbar. Der Generalanwalt hält die deutsche Regelung gegenüber den türkischen Staatsangehörigen für rechtswidrig, weil sie gegen Abkommen zwischen der EU und der Türkei verstoße.

Meine Damen und Herren! Es ist immer eine große Versuchung, sich parteipolitisch zu profilieren und zu sagen, man wolle die stärksten und schnellsten Veränderungen. Das wird der Sache und den Interessen der Betroffenen, um die es hier geht, aber nicht gerecht. Die Entscheidung des Europäischen

(Phyliss Demirel)

Gerichtshofs dürfte nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen. Es wäre unverantwortlich, diese Entscheidung nicht in die Beratungen über mögliche Novellierungen der deutschen Gesetze und Verordnungen zum Ehegattennachzug einfließen zu lassen. Deswegen wollen wir jetzt keine Schnellschüsse, sondern fundierte Beratungen der Sach- und Rechtslage.

Deshalb beantragen wir die Überweisung des Antrags an den Innenausschuss, der seine Beratungen nach Vorliegen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs aufnehmen sollte. – Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Herr Haufler von der CDU-Fraktion hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegin Demirel, ich finde es sehr schade, dass sich hier immer wieder die gleichen Argumente wiederholen, die schon seit Jahren in dieser Debatte gebracht werden. Sie haben teilweise wörtlich aus einem Antrag der GRÜNEN von 2010 zitiert. Ich kann Ihnen einfach nur sagen, dadurch, dass Sie die falschen Dinge immer wieder aufsagen, werden diese Dinge nicht richtiger.

Ich finde es auch schade, dass wir die deutsche Sprache wieder zum Streitpunkt bei der Integrationspolitik machen.

(Kazim Abaci SPD: Stimmt nicht!)

Früher wurden tatsächlich solche theoretischen Debatten darüber geführt, ob man nicht auch ohne deutsche Sprachkenntnisse in unserem Land leben könne. Aber die Praxis hat gezeigt, dass es nicht funktioniert. Deshalb haben wir eine ganze Reihe von Maßnahmen eingeführt, die genau das zum Ziel haben, dass alle Menschen in diesem Land die Möglichkeit erhalten sollen, sich miteinander zu verständigen,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Reden Sie doch mal zur Sache!)

damit es ein Zusammenleben gibt und kein Nebeneinanderleben.

(Beifall bei der CDU – Kazim Abaci SPD: Worum geht es hier, Herr Haufler?)

Es ist wirklich beachtlich, was in den letzten Jahren auch parteiübergreifend gemacht worden ist. Wir haben verpflichtende Sprachtests vor der Einschulung, wir haben verpflichtende Integrationskurse für Zuwanderer, wir haben Sprachtests für ausländische Studenten, wir haben verpflichtende Einbürgerungstests, und wir können sicher sagen, dass wir mit diesen Maßnahmen Erfolg haben.

(Kazim Abaci SPD: Das ist nicht das The- ma!)

Diese Maßnahmen waren aber auch notwendig. Zu häufig haben Menschen keine Chance gehabt, ihr Potenzial in unserem Land vollständig zu nutzen, weil ihnen die Sprachkenntnisse fehlten für Bildung, für qualifizierte Arbeit, für Aufstieg, für Erfolg, aber auch für Dinge wie Freizeit, Kultur, gute Nachbarschaft und Freundschaft. Und schlimmer noch trifft es die Kinder, die häufig mit ihren Eltern gar kein Deutsch sprechen können, obwohl Deutsch schon ihre erste Sprache geworden ist.

(Kazim Abaci SPD: Es geht aber nicht um die Kinder, es geht um die Ehegatten!)

Deshalb müssen wir uns als Integrationspolitiker, Herr Abaci, zuerst einmal entscheiden, ob wir mehr Integration wollen oder weniger.

(Kazim Abaci SPD: Was ist der Antrag?)

Sie versuchen die ganze Zeit, das Thema, um das es geht, hinter langen Zitaten zu verstecken. Ich habe irgendwie Paragraf 36/40 gehört und irgendwelche Gerichtsurteile. Das ist eine politische Debatte, und wir müssen politisch entscheiden, wie wir Integration in diesem Land erreichen. Die Richter sind dazu da, das später zu überprüfen und nicht, uns Vorschriften zu machen. Darüber können wir später noch im Einzelnen reden, dafür haben Sie sich doch schon durch die Ausschussüberweisung entschieden.

Ich kann Ihnen nur sagen, worum es hier geht, für jeden klar verständlich und ohne Ihnen tausend Paragrafen vorzutragen: Es geht hier nicht um ein ausführliches Studium deutscher Grammatik, es geht hier nicht um Fremdwörter, es geht hier nicht um unregelmäßige Verben, sondern wir sprechen über Grundlagen, die wirklich jeder Mensch benötigt, der dauerhaft in diesem Land leben möchte.

Haben Sie sich angeschaut, wie so ein Test aussieht?

(Glocke)

Herr Haufler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Simsek?

Herr Haufler, darf ich Sie einmal fragen, in welcher Sprache Sie sich mit Ihrer Partnerin unterhalten?

Das ist eine sehr private Frage. Aber als ich mit einem russlanddeutschen, hübschen Mädchen zusammen war, habe ich mich mit ihr auf Deutsch unterhalten.

(Ali Simsek)

Okay, also Sie lieben Ihre Partnerin. Darf Ihre Partnerin nicht hier sein, wenn sie sich mit Ihnen nicht auf Deutsch unterhalten kann? Wenn Sie eine Freundin aus Russland haben, die kein Deutsch kann, darf sie dann nicht nach Deutschland reisen, auch wenn Sie sich lieben?