Der vorliegende Antrag ist dabei ein bemerkenswertes Sammelsurium von Buzzwords; von Cyber Physical Systems bis Smart Factory ist da die Rede. Aber, liebe Kollegen von der CDU-Fraktion, ich glaube, das allein, das Wording, ist noch kein ausreichender Nachweis für Kompetenz in der Sache.
Industrie 4.0 ist ein Projekt, das alle großen Herausforderungen der Zeit integriert, die Wettbewerbsfähigkeit des Hochlohnlandes Deutschland, die Schaffung von Ressourcen und Energieeffizienz, den demografischen Wandel sowie Fragen der urbanen Produktion. Doch so zu tun, als würde die Industrie dabei auf die Politik warten, ist absurd und ein Irrglaube,
Herr Kollege Stemmann, im Juni 2013 hat unter anderem Ihr Parteifreund Marcus Weinberg gemeinsam mit seiner Fraktion und der FDP-Fraktion einen umfassenden Antrag zum Thema Industrie 4.0 in den Deutschen Bundestag eingebracht. Er ist auch beschlossen worden, und vielleicht hätten Sie sich in Ihrer Antragsvorlage doch etwas mehr an diesem Antrag der Bundestagsfraktion orientieren sollen.
Meine Damen und Herren! Unser Ziel als Politik muss es sein, notwendige Rahmenbedingungen zu schaffen. Das fängt an bei den rechtlichen Rahmenbedingungen, vor allen Dingen zum Thema Datenschutz, es geht über Maßnahmen zur IT-Sicherheit bis zu Fragen des Breitbandausbaus. Politik kann helfen, den Fachkräftebedarf zu decken durch Unterstützung von Aus- und Weiterbildung oder durch Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland. Fachkräfte sind nämlich notwendig und werden notwendig sein, um Industrie 4.0 erfolgreich zu gestalten. Politik muss die Investitionen in Forschung und Entwicklung garantieren und Unternehmen dabei unterstützen, selbst zu forschen und im Zuge des Technologietransfers den Kontakt zu den Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu suchen. Und genau das hat die letzte Bundesregierung auf den Weg gebracht.
Aus diesem Grund sollten wir eine Ist-Analyse für Hamburg vornehmen und gemeinsam mit den Vertretern der Industrie den tatsächlichen Handlungsbedarf für Hamburg erörtern. Der Antrag bietet uns daher Gelegenheit, das Thema im Ausschuss, vielleicht im Rahmen einer Expertenanhörung, zu diskutieren. Ich würde es gut finden, wenn sich die SPD einen Ruck gäbe und einer Überweisung zustimmen würde. Auch würde mich in diesem Zusammenhang die Vorstellung des Senats zu diesem Thema interessieren, denn wenn Sie sich den Masterplan Industrie aus dem Februar dieses Jahres anschauen, dann werden Sie feststellen, dass Sie dort leider zu dem Thema Industrie 4.0 kein Wort finden. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Meine Fraktion findet es richtig, dass sich auch die Bürgerschaft und ihre Abgeordneten sowie der Senat endlich mit dem Thema, das seit einigen Jahren mit dem Begriff Industrie 4.0 umschrieben wird, befassen.
Bislang wird in Hamburg nämlich ziemlich wenig darüber debattiert und erschütternd wenig übrigens bei der Handelskammer. Herr Balcke, Sie machen es sich auch im Namen der SPD-Fraktion zu einfach, so zu tun, als wäre das bereits alles auf dem Weg und als könne man mit dem Begriff Innovation oder einer Strategie, die sich Innovationshauptstadt nennt, dem Thema aus dem Weg gehen. In der Tat umfasst es nämlich schon noch ein bisschen mehr. Ich gebe dem Kollegen Dr. Kluth ausdrücklich recht, die Industrie hat sich nämlich längst auf den Weg gemacht, die Politik hängt dem jedoch hinterher, zumindest auf der Landesebene. Deswegen wäre es wirklich erforderlich, einmal darüber zu diskutieren. Ich glaube, für viele Abgeordnete ist es das erste Mal, dass sie diesen Begriff gehört haben.
Inwieweit die Betriebe und ihre Managements auch der Entwicklung hinterherhinken – die gibt es nämlich zuhauf –, sollte wirklich analysiert werden. Ich sehe die Verantwortung vor allem bei den Kammern. Wir sollten uns aber noch in dieser Legislaturperiode damit beschäftigen.
Wenn über Industrie 4.0 gesprochen wird, dann ist das Zusammenspiel von drei Komponenten gemeint. Erstens: das intelligente Produkt, Einzelteile, die selbstständig mit der Produktionsanlage kommunizieren und die aktiv in den Produktionsprozess eingreifen. Zweitens: die vernetzte Maschine, die mit anderen Maschinen, Produkten und auch Menschen kommunizieren kann. Und drittens: die Beschäftigten. Sie sind ausgestattet mit Assistenzsystemen, entweder mit Datenbrillen wie Google Glass oder Geräten wie Touchpads, also Tablets oder auch Smartphones, die ihnen ständig Informationen geben und teilweise auch mit Anleitungen bei der Arbeit helfen.
Nach Dampfmaschine, elektrischem Fließband und der Einführung der Computer dreht es sich also bei dieser vierten industriellen Revolution, womit der Begriff Industrie 4.0 umschrieben wird, darum, dass die körperliche und dingliche Welt mit der virtuellen Welt der Daten des Internets verschmilzt. In Zukunft sollen die intelligenten Fabriken in Echtzeit auf Veränderungen im Marktumfeld oder der Wertschöpfungskette reagieren können. Und letztlich soll eine Produktion von Einzelstücken möglich werden, die ebenso schnell und auch kostengünstig vom Band laufen wie die Massenware. Das sind die Hoffnungen. Ob sie sich erfüllen, weiß man natürlich heute noch nicht.
Doch ist Industrie 4.0 eben keine Science Fiction aus dem Labor. Es gibt bereits viele Projekte zwischen Wissenschaft und Großkonzernen; einige wurden auch schon benannt. Einiges davon hat schon Einzug in die Fabrikhallen gehalten. Bislang ist aber die Rolle des Menschen in der Industrie 4.0 völlig ungeklärt. Das zeigen auch die offi
ziellen Forschungsberichte, die in dieser Kernfrage unklar und widersprüchlich sind. Einerseits heißt es, der Mensch werde als kreativer Planer, Steuerer oder Entscheider das Maß aller Dinge bleiben. Dann ist davon die Rede, dass Anforderungen und Anlernzeiten an die Beschäftigten sich so weit reduzieren, dass man einfach Leute von der Straße holen und an beliebige Arbeitsplätze setzen kann. Was heißt das also?
Industrie 4.0 birgt also einerseits große Chancen, aber es ist eben auch eine weitere Spaltung der Belegschaften und ihrer Interessen denkbar. Sie stellt Anforderungen an die Tarifpolitik und an die Verpflichtung, die die Unternehmen durch das Grundgesetz, Artikel 14, auferlegt bekommen haben: Eigentum verpflichtet.
Die kapitalistische Produktionsweise hat uns gelehrt, dass für den schnellen Profit doch oft auf eine ganzheitliche Betrachtung des Arbeitsmarktes verzichtet wird.
Es werden Ressourcen von potenziellen Arbeitskräften vergeudet wie Langzeitarbeitslose und Jugendarbeitslosigkeit und durch den noch wirklich sehr hohen Verzicht auf Frauen in der Industrie. Es werden schnelle Ausbildungskonzepte gestrickt, die nur auf den unmittelbaren Bedarf einer Branche ausgerichtet sind und die die allgemeine Bildung außen vor lassen. Und es werden psychische Belastungen von neuen Arbeitsorganisationsformen immer erst im Nachhinein in den Fokus genommen. Die Industriegewerkschaften IG Metall und IG BCE haben sich übrigens bereits eingehend mit dem Thema beschäftigt und problematisieren Industrie 4.0 aus meiner Sicht bereits sehr qualifiziert. Mit ihnen sollten wir uns wirklich dringend unterhalten.
Wir stimmen daher für eine Überweisung des Antrags an den Wirtschaftsausschuss und würden auch eine Überweisung an den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration zur Mitberatung befürworten, denn es geht hier vor allen Dingen um das Thema Arbeit. Das haben aus meiner Sicht alle Vorredner bislang leider ausgeklammert.
Zustimmen können wir dem CDU-Antrag leider nicht, da er das Thema viel zu dürftig aufgreift und meiner Meinung nach auch viel zu kritisch auf die Projekte der Bundesregierung abzielt.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Balcke, es ist schon mehrfach erwähnt worden, dass es die Rede von gestern war, die Sie soeben gehalten haben, mit ein paar Einsprengseln zum heutigen Thema. Aber Sie haben den Antrag gar nicht vernünftig gelesen, denn wir haben an keiner Stelle eine finanzielle Förderung gefordert.
In Hamburg, wie heute per Pressemitteilung vom Statistikamt Nord bekannt gemacht wurde, ist die Zahl der Insolvenzen erheblich gestiegen. Sie ist auf dem höchsten Stand seit 2003, damals war eine Insolvenz mehr gemeldet. Es gibt zum ersten Mal seit Langem wieder über 1000 Insolvenzanträge, 29 Prozent mehr als im Vorjahr. Es sollte uns zu denken geben, dass in der Hamburger Wirtschaft entgegen Ihrer Behauptung, Herr Balcke, eben nicht alles in Ordnung ist. Woher Sie das nehmen mit der Innovationshauptstadt, hätte ich gestern gern debattiert, aber das werden wir dann im Wirtschaftsausschuss nachholen können.
Wir sollten Ihre Ablehnung noch einmal unter dem Aspekt betrachten, dass durch die Insolvenzen, die jetzt angemeldet worden sind, 4,8 Milliarden Euro an Forderungen offen sind, und dass 20 000 Beschäftigte, so viele wie noch nie — der bisherige Höchststand lag bei 13 000 Beschäftigten — betroffen sind. Und da verweigern Sie die Beschäftigung mit einem Zukunftsthema. Das finde ich bedenklich, und ich bedanke mich bei den übrigen Oppositionsfraktionen, dass sie der Überweisung zustimmen. Ich hoffe, dass die SPD sich einen Ruck gibt und dem auch zustimmt. – Vielen Dank.
Wer die Drucksache 20/12435 an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien überweisen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das Überweisungsbegehren abgelehnt.
Wer diesen annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit abgelehnt.
Punkt 97, Drucksache 20/12361, Antrag der SPDFraktion: Hamburger Feuerkasse ist ein Gewinn für die Stadt.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Hamburg hat so manche Besonderheit zu bieten. Das älteste politische Festmahl der Welt, die meisten Brücken aller Städte Europas, die drittmeisten Konsulate weltweit, die meisten Bäume in Deutschland
Ins Leben gerufen wurde sie übrigens von Brauereien, denn leider kann man mit Bier zwar bekanntlich den Durst löschen, aber nicht das Feuer. Welche immense Bedeutung eine solche Versicherung hat, zeigte sich vor allem nach dem großen Brand von 1842. Auch so dauerte es Jahrzehnte, Hamburg wieder aufzubauen, aber ohne die Absicherung durch die Feuerkasse wäre es noch weitaus schwieriger geworden.