Kersten Artus

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Last Statements

Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Lassen Sie mich zu Beginn noch einmal klarstellen, dass wir heute nicht die Rekommunalisierung der Asklepios-Kliniken beantragen,
Wir beantragen nicht unser Wahlplakat, Herr Dr. Dressel.
sondern die Offenlegung der Verträge. Wir beschließen über das Petitum.
Herr Dr. Schäfer, ich gebe Ihnen recht, der Rückkauf würde nicht so funktionieren wie bei den Netzen. Das ist uns klar.
Er kann und würde anders funktionieren, das ist auch klar. Wir wollen den Weg beschreiten, gemeinsam eine solche Lösung zu finden; hätten wir die Lösung parat – wir haben uns natürlich schlau gemacht –,
würden wir sie präsentieren. Als erster Schritt müssen die Verträge offengelegt werden.
Nein. Vielleicht melden Sie sich gleich noch einmal, Herr Schmidt, dann
können Sie auf meine gesamten Argumente eingehen.
Frau Stöver, dass Sie den Verkauf des LBK noch einmal in dieser Form rechtfertigen, ist schon ein starkes Stück, das muss ich Ihnen wirklich sagen.
Ihr Vergleich zum Universitätsklinikum Kiel hinkt auch fachpolitisch, weil es bei der Hygiene um ein strukturelles Problem im deutschen Gesundheitswesen geht und nicht um die Frage, wer der Träger ist und wer nicht.
Zu Ihnen möchte ich auch einen Satz sagen, Herr Dr. Scheuerl. Sie stellen sich hier hin und behaupten, keine Patientin, kein Patient sei zu Schaden gekommen. Das können Sie so nicht behaupten, das muss ich zurückweisen. Ich frage mich, wie Sie diese Behauptung aufstellen können, wenn es zu Unterdosierungen gekommen ist. Das heißt nichts anderes, als dass Menschen Schmerzlinderung verweigert und möglicherweise ihre Lebenszeit verkürzt wurde. Sich hinzustellen und zu sagen, sie seien nicht zu Schaden gekommen, ist wirklich infam.
Darüber hinaus muss man eben auch die Prüfergebnisse noch abwarten.
Ich würde es im Zweifel, das sage ich für meine ganze Fraktion, mit Che Guevara halten:
"Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche."
Die Rekommunalisierung der Asklepios-Kliniken allein reicht der LINKEN natürlich nicht aus –
hier wurde einiges vorgetragen zum Gesundheitswesen und zur guten Behandlung von Patientinnen und Patienten –, sie wäre aber ein wichtiger Baustein hin zu einer gesundheitlichen Versorgung, die wieder den Menschen in den Mittelpunkt stellt und nicht die Interessen von Investoren.
Die Probleme im Gesundheitswesen sind vielfältig. Vor allem die Personalsituation ist fatal. Ich zitiere Hilke Stein von ver.di, die sagt:
"Die Leistungen in den Kliniken sind gestiegen, die Personalzahlen nicht. Der Druck auf
das Personal steigt, die Qualität der Versorgung sinkt. Personal kostet – Personalmangel kostet Leben."
Die Personalsituation entstand nicht im luftleeren Raum. Sie hat konkrete Ursachen. Ein Aspekt ist der Zwang eines privaten Unternehmens, eine gute Rendite zu erwirtschaften. Asklepios rühmt sich seiner hohen Renditen; Inhaber Bernard große Broermann beziffert sie zwischen 3 und 4 Prozent. DIE LINKE aber sagt: Auf Kosten der Gesundheit dürfen keine Gewinne gemacht werden. Wenn ein Unternehmer das Wachstum seines Geschäfts auf Kosten der Belegschaft betreibt, dann taugt er nicht für eine verantwortungsvolle, humanistische Daseinsvorsorge.
Die Berichte in den Medien in der letzten Zeit, vor allem die Recherchen des NDR, aber auch die Aufdeckungen der "Hamburger Morgenpost" über die fehlerhafte Bestrahlung in der Asklepios Klinik St. Georg, haben Vertrauen erschüttert. Jeder Mensch braucht aber das Vertrauen, gut behandelt zu werden, wenn er in ein Krankenhaus muss. Schuld daran, dass dieses Vertrauen erschüttert wurde, sind nicht die Berichte, verehrte Abgeordnete, sondern die Ursachen, die ans Tageslicht kommen. Die Erschütterung entsteht, weil Mängel, Fehler und Probleme geheim gehalten wurden und geheim gehalten werden, weil Beschäftigte und Betriebsräte sich eingeschüchtert fühlen, wenn sie über die Bedingungen an ihren Arbeitsplätzen reden wollen.
Wir werden über die jüngsten Vorkommnisse in der Asklepios Klinik St. Georg, das Verhalten der Behörde und der Ärztekammer sicherlich noch intensiv reden, das verspreche ich Ihnen. Sie kommen uns nicht mit abwiegelnden Aussagen davon, wie ich sie in der Presseerklärung der SPD-Fraktion gelesen habe, es sei alles gut aufgeklärt. Es ist nämlich nichts gut aufgeklärt.
Dem Antrag der GRÜNEN, der die Vorlage des Prüfberichts fordert, stimmen wir natürlich zu.
Es gäbe einiges zu verändern im Gesundheitssystem. Die Rückführung der Kliniken in die öffentliche Hand bedeutet zunächst mehr Transparenz und mehr demokratische Kontrolle durch das Landesparlament. Es wäre fatal, wenn sich die Bürgerschaft dieser Rechte weiterhin beschneidet. Frau Senatorin Prüfer-Storcks, bei allem Respekt und aller Wertschätzung, ich finde das Krankenhausgesetz, das die Bürgerschaft verabschiedet hat, längst nicht ausreichend. Da wäre mehr drin gewesen, so hätte zum Beispiel die Personalbemessung als Teil der Qualitätsmaßstäbe festgelegt werden können. Das haben Sie ausgeschlossen. Die SPDFraktion hat sich dem angeschlossen. Zum Ende der Wahlperiode sagen Sie nun, dass Sie auf As
klepios einwirken wollen, dass die Öffentlichkeitsarbeit und der Kontakt zu den Abgeordneten besser werden müsse. Diese Einsicht kommt reichlich spät.
Der Antrag der SPD beinhaltet lediglich Absichtserklärungen. Die sind reichlich prosaisch und kommen, mit Verlaub, vier Jahre zu spät. Was haben Sie in den vergangenen vier Jahren eigentlich im Aufsichtsrat gemacht? Sofern Sie nicht einmal einer Berichtspflicht zu Ihrem Petitum zustimmen, die wir zusätzlich eingefordert haben, können wir dieser Prosa auch nicht zustimmen.
DIE LINKE wird nicht aufgeben, für ein wirklich besseres Gesundheitswesen zu kämpfen. Zu der Frage, ob der Verkauf unumkehrbar ist, möchte ich Ihnen Folgendes mitgeben: Wir glauben das nicht. Es sind möglicherweise Zwischenschritte erforderlich,
wie zum Beispiel eine Erhöhung der Anteile oder eine Veränderung des Kartellrechts. Aber so, wie der Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte ist,
ist die Privatisierung der Krankenhäuser nicht die letzte Strophe, die im Gesundheitswesen gesungen wird.
Herr Präsident, sehr geehrte Herren und Damen! Jede vierte Frau erfährt in ihrem Leben körperliche Gewalt – 49 weibliche Abgeordnete hat die Hamburgische Bürgerschaft. Häusliche Gewalt kommt in allen Schichten vor, in allen Milieus. Menschen jeden Berufes sind betroffen, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, Menschen jeder geschlechtlichen Identität. Dass Frauen mit Abstand die Hauptopfer häuslicher Gewalt sind, liegt an den herrschenden Machtverhältnissen und den Rollenstereotypen. Frauenhäuser sind Notunterkünfte, und man darf das nicht so missverstehen, dass dort nur Betten stehen. Eine Notunterkunft, die auch wirksamen Schutz bieten muss, muss mehr vorhalten, denn bis sich eine Frau entscheidet, dieser Spirale zu entkommen, vergehen eben oft viele Jahre. Ihre Gewalterfahrung reicht womöglich bis in ihre eigene Kindheit zurück. Es kommen Menschen ins Frauenhaus, die einen ersten Schritt gewagt haben, sich zu befreien. Damit ist die Befreiung aber noch lange nicht vollzogen, und deswegen ist es gut, dass in dem Antrag auch von Schutz- und Entwicklungsräumen die Rede ist.
DIE LINKE möchte, dass es mehr dieser Entwicklungsräume gibt, denn Opfer häuslicher Gewalt benötigen diese Räume. Es ist ein Akt von Chancengerechtigkeit, diese Räume in ausreichender Anzahl zur Verfügung zu stellen, und es ist auch eine kleine Wiedergutmachung für die schlimmsten Auswirkungen patriarchaler Verhältnisse. DIE LINKE stimmt selbstverständlich zu, dass für die Sanierung des 2. Frauenhauses 4,7 Millionen Euro bereitgestellt werden. Es ist dringend erforderlich, da schließe ich mich meinen Vorrednerinnen und
meinem Vorredner ausdrücklich an, dass dieses Haus endlich vernünftig ausgestattet wird und die Immobilie werterhaltend saniert wird.
Hamburg hat zu wenige dieser Schutz- und Entwicklungsräume. Es gibt in den fünf Häusern 194 Plätze, und das 2. Frauenhaus stellt davon 43 Plätze zur Verfügung. Frauenhäuser können ihre Funktion als Zufluchtsstätten aber nur dann wahrnehmen, wenn sie regelmäßig genügend freie Plätze haben, um von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder jederzeit schnell aufnehmen zu können. Die Kollegin von Berg hat es erwähnt, eine Belegungs- und Auslastungsquote von 70 Prozent sollte daher im Schnitt nicht überschritten werden, aber das 2. Frauenhaus ist, wie alle anderen auch, regelhaft bis zu 100 Prozent belegt. Wir bräuchten in Hamburg also mindestens noch 50 weitere Plätze, und wir finden, der Senat hat hier eine Aufgabe in der nächsten Wahlperiode.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Drogen können für Kinder gefährlich sein. Täglich sterben drei Kinder und Jugendliche durch Unfälle, Gewalt und Suizid. Drogensucht ist eine Krankheit. Strafen helfen nicht, Verbote auch nicht. Sie verhindern weder Drogenkonsum noch lindern sie die Folgen von Missbrauch. Das Petitum des vorliegenden Antrags hat das alles nicht zum Thema. Weder geht es um Drogenabgabe an Kinder und Jugendliche noch geht es um die Aufhebung des Betäubungsmittelgesetzes und die Legalisierung von Rauschmitteln, deren Besitz und Vertrieb verboten ist. Es geht darum, ein Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene ins Leben zu rufen.
So wie in früheren Jahren erst die Erfahrungen mit Konsumräumen Erkenntnisse brachten, kann dieses Projekt Aufschlüsse darüber geben, ob es dazu beiträgt, den illegalen Handel einzudämmen, ob es gelingt, die gesundheitliche Situation von bereits geschädigten Süchtigen zu verbessern, oder ob der Jugendschutz und die öffentliche Sicherheit davon profitieren.
Die Drogenkonsumräume haben die Erfahrungen gebracht, dass sie eine Überlebenshilfe für Abhängige sind und eine Entlastung der Nachbarschaft mit sich bringen. Deswegen findet das Petitum des Antrags unsere Unterstützung. Es ist in jeder Hinsicht richtig.
Es nimmt meiner Meinung nach auch alle Bedenkenträgerinnen und Bedenkenträger mit und zeigt die konkrete Handlungsmöglichkeit, neue Erfahrungen zu sammeln ohne geltende Gesetze infrage zu stellen. Selbst die sehr konsequent gegen jede Legalisierung sprechende SPD-Gesundheitssenatorin könnte das mittragen. Ich finde es zudem sehr sympathisch, wie sich die Kollegin Kammeyer in der Legalisierungsdiskussion geäußert und diese damit auch neu angeschoben hat. Das war ein seltener Lichtblick in der SPD-Fraktion, dass sich eine Sozialdemokratin glaubwürdig gegen den Mainstream in der Hamburger SPD gestellt hat.
Ich nehme Ihnen ab, dass das kein reines Wahlkampfmanöver gewesen ist. Sie sind noch nah genug an den Jugendlichen dran, um zu verstehen, warum die Jugend weit überwiegend die bisherige Drogenpolitik als heuchlerisch und falsch empfindet. Wenig glaubwürdig, auch das wurde leider wieder heute bewiesen, sind die Äußerungen des gesundheitspolitischen Sprechers der SPD-Fraktion Martin Schäfer, wenn er fortlaufend laut darüber nachdenkt, wie man die Polizei durch eine Lockerung des Strafvollzugs entlasten könnte. Für die Innenbehörde ist es nämlich überhaupt kein Problem, dass Strafverfolgung Arbeitsaufwand mit sich bringt. Die Polizei möchte da nicht entlastet werden, Kollege Schäfer,
weder bei der Strafverfolgung von Drogenabhängigen noch bei Sexarbeiterinnen in St. Georg. Das steht nachzulesen als Zitat im "Hamburger Abendblatt", das kann ich Ihnen gern zeigen. Herr Kollege Ritter, ich dachte, Sie wollten nichts mehr sagen. Sie haben sich doch vorhin schon verabschiedet.
Die CDU hat sich mit ihrem Zusatzantrag dermaßen ins Aus gesetzt, dass es sich kaum lohnt, darüber ein Wort zu verlieren.
Ihre unbewiesenen Aussagen, Allgemeinplätze und Forderungen widersprechen allen Erkenntnissen, allein den Erkenntnissen von 122 Strafrechtsprofessorinnen und -professoren, die die Drogenprohibition als gescheitert, sozial schädlich und unökonomisch bewerten.
Frau Stöver, haben Sie schon einmal gekifft?
Ich erwarte eigentlich keine Antwort von Ihnen, auch keine wahre,
aber ich möchte Ihnen sagen, dass ich meinen Kindern von meinen Erfahrungen mit Cannabis erzählt habe
und dass ich für beide eine viel genutzte Ansprechpartnerin gewesen bin, als sie mit legalen und illegalisierten Drogen in Kontakt kamen. Ich bin fest davon überzeugt und weiß auch, dass das ein sehr guter Schutz war, sie vor missbräuchlichem Konsum zu bewahren.
Es bleibt die Frage offen, was mit dem Vorstoß der GRÜNEN wird, wenn es nächsten Monat eine rotgrüne Koalition geben sollte. Sollte – ich bewege mich hier im Konjunktiv. Inwiefern ist das Modellprojekt, das die GRÜNEN vorschlagen, etwa Verhandlungsmasse? Ich möchte heute gern noch eine Äußerung dazu hören, dass es auf jeden Fall Bestandteil eines möglichen Koalitionsvertrags wird.
Frau Präsidentin, liebe Kollegen und Kolleginnen der Bürgerschaft! Auf dem Abstimmungszettel der SPD-Fraktion für diese Bürgerschaftssitzung steht an dieser Stelle die Vorgabe Antrag ablehnen. Das ist erstaunlich. Es
ist auch sehr irritierend, Herr Kienscherf, weil wir uns in den verschiedenen Sitzungen des Sozialausschusses überfraktionell einig gewesen sind, dass diese Kontaktverbotsverordnung umgehend abgeschafft werden muss, da sie genau das Gegenteil dessen bewirkt, was sie bewirken sollte. Die Frauen in ihrem Elend auf dem Straßenstrich werden, ich kann es nicht anders interpretieren, im Wahlkampf geopfert, um auf St. Georg Ruhe zu haben und eine Handvoll Stimmen zu bekommen. Ich habe nicht herausgefunden, und es ist auch nie gesagt worden, warum sonst die SPD so eine Kehrtwende macht. Sie haben es mir bis heute nicht erklärt, warum Sie diese elende Kontaktverbotsverordnung nicht beenden.
Worum geht es? Diese Verordnung ist damals ins Leben gerufen worden, um endlich auch einmal gegen die Freier vorzugehen. Die sollte es treffen, die sollten dafür bestraft werden, dass sie Sexarbeit akquirieren. Wir waren damals schon dagegen, das sage ich gleich dazu. Es ist genau das Gegenteil eingetreten. Wenn Sie sich die Statistiken ansehen, dann wird deutlich, wer die Bußgelder zahlen musste. Es sind überwiegend die Sexarbeiterinnen. Sie mussten auch überwiegend die hohen Gelder zahlen, 400 bis 800 Euro, und fast 30-mal ist Erzwingungshaft gegen sie verhängt worden. Auf die Nachfrage, ob denn auch Erzwingungshaft gegen Freier angeordnet wurde, hat der Senat mitgeteilt, das sei aus Verhältnismäßigkeitsgründen nicht zulässig. Diese Unverhältnismäßigkeit, diese Ungleichbehandlung, diese völlig falsche Intention der Kontaktverbotsverordnung ist, wie gesagt, im Sozialausschuss einmütig kritisiert worden. Deswegen war es auch richtig zu sagen, wir schaffen sie ab, und deswegen sollte ein interfraktioneller Antrag diese Kontaktverbotsverordnung noch in dieser Wahlperiode beenden.
Sozialpolitisch ist die Kontaktverbotsverordnung ein Desaster, frauenpolitisch ist sie es auch. Innenpolitisch ist sie vermutlich ein großer Erfolg; das müsste noch einmal dargelegt werden. Die CDU hat angekündigt, sie werde sich enthalten. Ich kann nur konstatieren: Die Sexarbeiterinnen werden nach wie vor weiterhin kriminalisiert. Sie werden weiterhin ins Elend getrieben. Jedes Bußgeld, das gegen sie verhängt wird, muss doch irgendwie refinanziert werden, und nun können Sie dreimal raten, in welcher Form das geschieht.
Herr Präsident, sehr geehrte Herren und Damen! Zunächst möchte ich meiner Kollegin Schneider danken, dass sie mir wichtige Minuten des Justizthemas abgetreten hat, damit ich noch ein paar Gedanken zur Gleichstellungspolitik äußern kann.
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Einen Moment, bitte. Meine Damen und Herren! Frau Artus hat das Wort und sonst niemand. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Oft genug wird mit Ausgrenzung gegenüber Anderslebenden und dem anderen Geschlecht Politik gemacht und auch Macht ausgeübt. Gleichstellung kann nur verwirklicht werden, wenn sie sich in allen politischen Bereichen des Regierungshandelns wiederfindet, weil sie dann Grundgedanke und Leitbild einer Regierung ist.
Der SPD-Senat hat hierzu Strategiepapiere erstellt und erste, wirklich erste Maßnahmen ergriffen, um die Gleichstellung der Geschlechter, von Homosexuellen, von Behinderten, Menschen mit Migrationshintergrund oder auch Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft, besser zu verwirklichen als bisher. Tatsächlich sind es aber letztlich nicht Gesetze, die die Gleichstellung verwirklichen, sie sind nur Mittel und ein Indiz, dass bei der politischen Repräsentanz der Wille der Bevölkerung angekommen ist und er nun endlich auch manifestiert wird. Tatsächlich ist die Verwirklichung der Gleichstellung immer Ergebnis von gesellschaftlichem Protest, etwa der Frauenbewegung, der antirassistischen Bewegung oder der Schwulen- und Lesbenbewegung, zu der wir heute eher Querbewegung sagen, weil es mehr als nur Homo- und Heterolebensweisen gibt.
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Entschuldigen Sie, wenn ich Sie noch einmal unterbreche. Meine Damen und Herren! Frau Artus hat das Wort, und ich bitte Sie, wenn Sie sich unterhalten wollen, hinauszugehen. Das gilt auch maßgeblich für die Damen und Herren, die dort am Rande stehen. Nur Frau Artus spricht. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
– Danke schön, Herr Präsident.
Wir sagen dazu heute eher Querbewegung, weil es mehr als nur Homo- und Heterolebensweisen gibt und auch mehr als das männliche und weibliche Geschlecht. Gleichstellung umzusetzen kostet Geld, und ich bin der Auffassung, dass hier noch zu wenig Geld ausgegeben wird.
Das Problem ist, dass viele in der SPD glauben, es sei leicht, Gleichstellungspolitik umzusetzen, weil man doch als SPD regiert und weil alle Sozialdemokratinnen sozusagen an einem Strang ziehen würden.
Dem ist nicht so, das wissen Sie, ich höre auch schon Zustimmung aus dem Plenum.
Zum anderen geraten andere Politikfelder aber auch in materielle und ideelle Konkurrenz zur Gleichstellungspolitik. Anstatt sich also zu verschränken und den berühmten Gleichstellungsquerschnittsblick zu entwickeln, finden Über- und Unterordnungsverhältnisse statt. Und so muss man in einigen Strategiepapieren des Senats gleichstellungspolitische Belange bis heute mit der Lupe suchen. Ich habe das oft genug thematisiert und kritisiert, da vermisse ich ein bisschen Selbstkritik.
Es kommt aber nicht nur darauf an, dass Gleichstellung jetzt in allen Papieren steht, da gebe ich Frau von Berg recht, auch wenn das natürlich ein Fortschritt ist. Es kommt darauf an, sie lebendig zu verwirklichen. Und ich habe meine Zweifel, dass das geschieht, eben weil nicht genug Geld eingesetzt wird. Unsere Kritik am Gleichstellungsgesetz haben wir erst vor Kurzem dargelegt. Frau von Berg erinnerte schon daran, dass die Quote unter anderem auch nur deswegen bei den Aufsichtsräten eingehalten werden konnte, weil sich allein Frau Professor Kisseler und Frau Blankau 15 Aufsichtsratsmandate teilen.
Die Doppel- und Dreifachbelastung realisiert sich auch bei der Verwirklichung der Quote. Dem müssen wir einfach nur Rechnung tragen und benennen, welche Probleme damit verbunden sind.
Genau deswegen haben wir das Landesbüro für Geschlechterdemokratie gefordert, um die wirkliche Realisierung voranzutreiben. Die SPD lehnte das ab, zum einen, weil es nicht ihr Baby ist und weil sie die Hauptabteilung Wahrheit bleiben möchte, und zum anderen, weil sie nicht bereit ist, angemessen in die Gleichstellung zu investieren. Warum sonst tut man sich beispielsweise so schwer mit den Kennzahlen im Haushaltsplan-Entwurf und führt das Gender Budgeting nur so zögerlich ein?
1 Million Euro wären eine gute Anfangsinvestition für eine schnellere Gleichstellung. Sie würden das Geld wirklich später wieder hereinholen, weil gelebte Ungleichheit die Gesellschaft sehr viel mehr Geld kostet.
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch ein paar Bemerkungen zu dem Antrag der GRÜNEN machen. Sie haben einen Antrag vorgelegt, in dem Sie einen Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie fordern. DIE LINKE steht dem grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. Ein Aktionsplan aber speziell gegen Homo- und Transphobie ist aus unserer Sicht nicht zielführend. Wir benötigen vielmehr eine Analyse- und Handlungsanleitung, die darlegt, wie die Geschlechter durch strukturell bedingten Sexismus Nachteile erleiden.
Berlin ist dort, Hamburg ist hier, man kann sich doch durchaus trauen, unterschiedliche Ansätze zu finden, das hält die Politik auch lebendig. Das heißt für uns Prävention und Beseitigung von Mehrfach-Diskriminierung, insbesondere unter Berücksichtigung der sexuellen Orientierung, Geschlechteridentität, Migration und weiterer Merkmale nach dem AGG. Dies wollten wir unter anderem mit unserem Vorschlag für ein Landesbüro verwirklichen. In der nächsten Bürgerschaftssitzung bekommen Sie unseren Vorschlag wieder auf die Tagesordnung, das verspreche ich Ihnen.
Ich hoffe und erwarte, dass die Gleichstellungspolitik in der neuen Wahlperiode deutlicher als bisher Maßstab des Regierungshandelns wird. Der Senat hat in den letzten vier Jahren leider versäumt, die gesellschaftliche Debatte dazu anzufachen und voranzutreiben. Er hat sie über die Behördenlenkungspolitik betrieben und läuft daher leider Gefahr, sich bequem zurückzulehnen.
Ich bin gespannt auf die Fortschreibung des gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms. Es wäre gut gewesen, wenn wir es heute schon hätten, aber ich denke, wir bekommen es in Kürze.
Man kann sich nicht zurücklehnen und sagen, toll, seht her, was wir alles geschafft haben. Ich hoffe, dass die Opposition den Senat da künftig antreibt, auf Versäumnisse hinweist und mehr Tempo wie auch Investitionen einfordert.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Die Gesundheitssenatorin hat einen Konsolidierungshaushalt im Zeichen der Schuldenbremse vorgelegt; so hat sie ihn in der ersten Beratung zum Haushalt angekündigt. Zum Teil geht es ihr wie dem Sozialsenator: Einen großen Teil des Etats machen gesetzliche Leistungen aus. Da wird der politische Handlungsrahmen immer kleiner, wenn man sich selbst diktiert hat, keine Schulden mehr machen zu wollen.
Die Hilfen zur Pflege steigen auf 203 Millionen Euro in 2015 und auf 208 Millionen in 2016 an. Der Maßregelvollzug kostet von Jahr zu Jahr mehr Geld, und auch die Eingliederungshilfen für Suchtkranke steigen, wenn auch diese beiden Posten weniger umfangreich sind. Die Verbraucherzentrale muss sich mit 850 000 Euro begnügen und der Hamburger Tierschutzverein wird 2 Millionen Euro bekommen. Das ist vor allem für die Verbraucherzentrale viel zu wenig, wenn man sich die gesellschaftlichen Leistungen anschaut, die von diesen beiden Einrichtungen erbracht werden.
Am Gesundheitsetat wird besonders deutlich, wohin der Kurs der SPD führt. Die vielen Einrichtungen, die Zuwendungen empfangen, bekommen ihre Tariferhöhungen nicht ausgeglichen. Das ist nichts anderes als Tarifflucht, verehrte SPD-Fraktion, und ich finde es beschämend, dass ausgerechnet die SPD diesen Kurs beibehält.
Es ist durchaus als ein Zeichen anzusehen, dass GRÜNE, CDU und LINKE zusammen einen Antrag zur AIDS-Hilfe gestellt haben. Lieber Martin Schäfer, Ihre Rede war streckenweise witzig, sie war aber im Grunde wirklich purer Klamauk.
Sie stellen sich hin und tun so, als wüssten Sie nicht, was gemeint ist. In der ersten Haushaltsberatung haben wir Sie darauf hingewiesen, dass die AIDS-Hilfe Kündigungen aussprechen muss, wenn die Finanzierung so beibehalten wird, wie es im Haushaltsplan-Entwurf vorgesehen ist. Sie haben das mit Nichtwissen kommentiert, genauso wie die Senatorin, und anscheinend haben Sie sich bis heute nicht die Mühe gemacht, bei den Kolleginnen und Kollegen der AIDS-Hilfe nachzufragen.
Das finde ich wirklich peinlich.
DIE LINKE möchte mehr Investitionen in die Gesundheit und in den Verbraucherschutz, und sie möchte mehr Einblick in Entscheidungsspielräume in der gesundheitlichen Versorgung. Wir möchten, dass die gesetzlichen Leistungen langfristig nicht mehr steigen, sondern sinken, damit Politik wieder Handlungsspielräume bekommt, aber sie werden erst sinken, wenn die Pflege für die betroffenen Menschen bezahlbar wird, auch wenn sie kein großes Einkommen haben. Der Antrag der SPD zu neuen Wohn- und Pflegeformen ist daher aus unserer Sicht auch nicht ehrlich, weil er die Probleme in der Pflege und von pflegebedürftigen Menschen nicht benennt. Stattdessen soll ein Programm für Wohn- und Pflegeformen aufgelegt werden, von
dem Sie der Bürgerschaft noch nicht einmal grob umrissene Vorstellungen vermitteln. Dafür sollen Umschichtungen von 1,5 Millionen Euro erfolgen. So ein Antrag müsste gründlich diskutiert werden. Sie würden uns so einen Antrag um die Ohren hauen. Das tun wir jetzt auch, einen Freifahrtschein bekommen Sie von uns dafür nämlich nicht.
Die CDU-Anträge finden wir teilweise unterstützenswert. Der Stärkung der Suchtberatung stimmen wir zu, auch der Sicherung und dem Ausbau im Bereich Lebensmittelrecht; da haben Sie sich wirklich sehr engagiert, und das wissen wir auch zu würdigen. Aber Ihr Vorschlag bezüglich der Seniorengenossenschaften findet bei uns keine Zustimmung, das habe ich Ihnen auch schon im August des letzten Jahres gesagt. Seniorenpolitik erschöpft sich nicht in Klienteldenken, sondern man sollte sie einbetten in allgemeine Sozial- und Stadtentwicklungspolitik, und hier im Konkreten in den sozialen Wohnungsbau. Und dann wollen Sie einen Koordinator oder eine Koordinatorin für das Wohnen im Alter installieren und damit quasi eine Parallelstruktur schaffen.
Melden Sie sich doch, Herr Ritter.
DIE LINKE möchte hingegen bestehende Strukturen in den Bezirken stärken und ausbauen. Sie aber wollen einen Posten schaffen, dessen Aufgabenvolumen ich mir wirklich nur ganz ungefähr vorstellen kann und das faktisch nicht zu bewältigen ist.
DIE LINKE fordert auch im Rahmen des neuen Doppelhaushalts für den Aufgabenbereich der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz eine vollständige Übernahme der Tarifsteigerungen, des Weiteren eine Stärkung der Beratungszentren für Seniorinnen und Senioren, des Verbraucherschutzes, eine bessere finanzielle Ausstattung der Selbsthilfegruppen und der Suchtselbsthilfe sowie eine Stärkung des´ öffentlichen Gesundheitsdienstes; danke, dass Sie die konkreten Zahlen noch einmal genannt haben, Herr Dr. Schäfer. Außerdem wollen wir, dass Hamburg ein Zeichen setzt und sich bei der reproduktiven Gesundheit besser engagiert.
Die von den Vereinten Nationen einberufene Internationale Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung in Kairo begründete 1994 das Recht auf reproduktive Gesundheit, das aber immer noch nicht verwirklicht ist, auch nicht in diesem Land. Daher wollen wir 1,5 Millionen Euro für kostenlose Verhütungsmittel; ich will das noch einmal erläutern, weil es vielen nicht so transparent ist. Für Gesundheitspflege – dazu gehört es nämlich – werden im Hartz-IV-Regelsatz lediglich 16,80 Euro
monatlich berücksichtigt. Allein die Pille kostet 13 Euro im Monat. Sichere Verhütung darf aber nicht am Geldbeutel scheitern. Andere Städte wie Berlin, Flensburg, Lübeck oder Dortmund haben mit diesem Programm beste Erfahrungen gemacht.
An der Gesundheit zu sparen, ist nicht richtig, aber jede dritte frei werdende Stelle in der Gesundheitsbehörde soll nach Auskunft der Senatorin PrüferStorcks nicht mehr wiederbesetzt werden. Das wird sich fatal auswirken; vermutlich werden sich dann sogar bald die Prophezeiungen der FDP erfüllen, dass die Gesundheitsbehörde sich selbst abschafft. Sie werden das meiner Meinung nach aber überhaupt nicht einhalten können, was Sie sich da vorgenommen haben.
Solange Sie sich vom Diktat der Schuldenbremse scheuchen lassen, werden Sie keine Politik entwickeln, die die Gesundheit wirklich sozial definiert, sondern eher die Gesundheit als Ware definiert; das wäre schade. Drehen Sie Ihren Kurs bei, machen Sie es vernünftig, Sie können es.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Hamburg befindet sich schon seit Langem in einer wirtschaftlichen Umbruchsituation und steht dabei im Verhältnis zu anderen Kommunen und Ländern noch ganz gut da, weil Hamburg eine wachsende Metropole ist. Das wird unter anderem gekennzeichnet durch den Zuzug junger Arbeitskräfte. Als Industriestandort verliert die Stadt allerdings zunehmend an Bedeutung. So sinkt der Anteil der Wertschöpfung aus industrieller Produktion laufend, die Dienstleistungsbranchen hingegen wachsen. Hamburg steht im Großen und Ganzen also ganz gut da, davon profitiert auch der SPD-Senat, genauso wie früher die CDU-Senate davon profitierten. Und wir als gewählte Repräsentantinnen und Repräsentanten des Volkes haben die Aufgabe, Unternehmen, die die Wirtschaftspolitik doch prägen, einen klar definierten Rahmen vorzugeben.
So ist das Leitbild unseres Wirtschaftssystems immer noch die soziale Marktwirtschaft. Sie galt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als dritte Form neben rein liberaler Marktwirtschaft und staatlicher Wirtschaftslenkung. Dem Konzept soziale Marktwirtschaft wurde von der SPD lange der demokratische Sozialismus entgegengesetzt. Olaf Scholz hatte 2003 vorgeschlagen, den Begriff ganz aus dem Parteiprogramm der SPD zu streichen, weil er eine Illusion sei.
Damit hat er sich nicht durchgesetzt, faktisch allerdings schon. Den demokratischen Sozialismus fordert stattdessen DIE LINKE, und das ist auch gut und richtig so.
Er beinhaltet unter anderem ein egalitäres Gerechtigkeitskonzept, bejaht den demokratischen Rechtsstaat und begrenzt Privateigentum in sozial verträglicher Form bis hin zu dessen Überwindung, zum Beispiel in der Daseinsvorsorge und für die Banken. Bürgermeister Olaf Scholz wird von der Handelskammer für seinen wirtschaftsfreundlichen Kurs anhaltend gelobt, und die CDU rudert mühsam hinterher, kann diesem Kurs aber nicht im Geringsten etwas entgegensetzen.
Bei der FDP ist es ebenso. Sie propagiert unermüdlich das veraltete, überholte und menschenfeindliche Konzept des Marktradikalismus. Davon hat sich die Gesellschaft aber verabschiedet, und deswegen fliegen Sie auch überall aus den Parlamenten, auch wenn sich Frau Suding noch so provokant als "Unser Mann für Hamburg" präsentiert. In Hamburg sagt man Butter bei die Fische, und davon haben Sie von der FDP rein gar nichts zu bieten.
Die Folgen können Sie an jeder Wahlumfrage für Ihre Partei ablesen.
Spätestens seit den Hartz-Gesetzen ist das gefühlt vorhandene Gleichgewicht des späten Kapitalismus beendet worden. Der kleine Wohlstand, der viele Menschen immer zufriedengestellt hat, weil er ihnen ein einigermaßen würdiges Leben im Alter sicherte, schwindet dahin. Früher hat man sich als Rentnerin oder Rentner auf seine Urlaube oder Langzeitaufenthalte auf Mallorca gefreut, auf ein beschauliches Leben im Kleingarten oder auf ein Zusammenleben mit den Enkeln. Heute nimmt immer mehr die Sorge überhand, wer einen im Alter pflegt, welchen Nebenjob man als Rentnerin oder Rentner annehmen muss und wie man die prekäre Lebensweise der Enkel unterstützt, die sich von Praktikum zu Praktikum hangeln. Es sind die Unternehmen, die Arbeitsplätze vernichten und prekäre Arbeitsverhältnisse schaffen.
Die gibt es, Herr Kühn, natürlich gibt es die. Das will ich auch gar nicht abstreiten, aber die sind es auch, die die Arbeitsplätze vernichten.
Es ist eine unumstößliche Tatsache, dass die Altersarmut wächst und der Pflegenotstand dazu.
Es ist die derzeit große Angst vor sozialer Ausgrenzung und Armut, die Tausende Menschen unter der Ägide von Pegida auf die Straßen treibt. Latent vorhandener Rassismus bietet so rechten Ideologien genügend Nährboden,
und die Vertreter und Vertreterinnen der Zivilgesellschaft stehen nahezu ratlos davor. Sie erreichen diese Menschen mit Mahnungen und Appellen nicht mehr.
Es sind die Folgen weitreichender Deregulation der Arbeits- und Sozialgesetzgebung, die diesen Zustand verursacht haben. Gestatten Sie mir einen kleinen Ausflug. Wenn wir uns den Sozialetat ansehen, die öffentlichen Ausgaben für gesetzliche…
Ich habe lediglich versucht, den Bogen zu schlagen, welche sozialen Auswirkungen Wirtschaftspolitik hat, aber den Ausflug kann ich auch ohne Weiteres beenden.
Dass Ihnen die Inhalte nicht passen, Herr Hamann, ist mir schon klar. Aber trotzdem sind die Zusammenhänge wichtig und dass man sie aufzeigt, denn kein Politikfeld steht isoliert im Raum, das müssten Sie eigentlich auch wissen.
Wenn wir über Wirtschaftspolitik reden, müssen wir auch über gesellschaftspolitische Folgen einer falschen Politik reden. Pegida ist aus meiner Sicht Ausdruck falscher Wirtschafts- und Sozialpolitik auf Bundes-, aber auch auf Landesebene.
Ich kann Sie nur warnen. Wenn die Freihandelsabkommen CETA, TTIP und TiSA eines Tages abgeschlossen werden und ihre Wirkung entfalten, dann wird sich die Schieflage noch weiter verschärfen. Der Protest der Biedermänner und Biederfrauen wird dann sogar eine stabile, politische
Kraft werden, die rassistische, völkische, aber auch anti-emanzipatorische Auswüchse haben wird.
Daher erwarte ich, dass die SPD und der SPD-Senat klare Kante zur Entscheidung des SPD-Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel zeigen, der TTIP und CETA zustimmen will. Ich fordere alle Abgeordneten der SPD-Fraktion auf, hier Widerstand zu zeigen.
Damit werden nämlich die Gesetze weiter unter Druck gesetzt, das Vergaberecht, die Betriebsverfassung, das Tarifrecht und viele andere mehr, auch das grundlegende Recht, Gewerkschaften zu bilden.
Ich fordere den SPD-Senat zu einer Kurskorrektur in seiner Wirtschaftspolitik auf. Sie benötigt neue Leitgedanken und eine sozialere Ausrichtung, auch und gerade für Hamburg. Und nicht alles ist sozial, was Arbeit schafft, Herr Balcke. Sie sagten, die SPD spreche die Sprache der Wirtschaft, und das spricht wirklich für sich. Das Wort Soziales ist in Ihrer Rede kein einziges Mal aufgetaucht.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Wir haben die Rücküberweisung beantragt, und ich möchte Ihnen kurz darlegen, warum. Bei der Gleichstellung wurde in den vergangenen 50 Jahren durchaus viel erreicht. Durch gesetzliche Regelungen wurden viele Impulse gegeben, um Frauendiskriminierung zu beenden.
Das neue Gleichstellungsgesetz für Hamburg soll ein weiterer Meilenstein sein, ich meine aber, dass es nur ein Meilensteinchen ist und Chancen vertan werden. Unsere Kritik haben wir durch ein umfangreiches Petitum zum Ausdruck gebracht; Sie finden es im Bericht des Haushaltsausschusses. So ist es falsch, dass Gleichstellungsbeauftragte künftig nicht mehr gewählt werden müssen und dass Gleichstellungsbeauftragte nicht mehr gleichzeitig dem Personalrat angehören dürfen. Und es ist falsch, dass der Maßstab für eine Diskriminierung
künftig das jeweils unterrepräsentierte Geschlecht sein soll. Dass sich die Bürgerschaft erst wieder in vier Jahren mit der Verwirklichung des Gesetzes befassen soll, finde ich ebenso falsch. Es ist außerdem falsch, dass nur zwei Gleichstellungsbeauftragte für die gesamte Schulbehörde inklusive Schulen vorgesehen sind. Auch wenn es eine Mindestregelung ist, ist es das falsche Signal.
Ich habe außerdem den Eindruck, dass die SPD es mächtig leid ist, über ihre Gleichstellungspolitik zu diskutieren, denn sie hat nicht einmal die wichtigen Vorschläge der Gewerkschaftsfrauen von ver.di, GEW, DGB oder vom Landesfrauenrat aufgenommen, die zur Verbesserung des Gesetzes beigetragen hätten. Es herrscht großes Kopfschütteln und Unverständnis über diese Art und Weise, sehr geehrte Frau Dobusch.
Die SPD-Fraktion, obwohl sie von der Anzahl der ihr zustehenden Debatten her es hätte möglich machen können, hat dieses Gesetz heute noch nicht einmal zur Debatte angemeldet. Ihr kurzfristig eingereichter, übrigens reichlich geschwurbelter und bittstellerischer Zusatzantrag sollte daher wenigstens Anlass dafür sein, dass Sie den Gesetzentwurf samt diesem Antrag noch einmal an die Ausschüsse geben und endlich Bereitschaft zeigen, mit den frauenpolitischen Akteuren der Stadt über Ihr Gesetz zu diskutieren und die Vorschläge auch anzunehmen. Ansonsten müssen Sie sich, verehrte SPD, den Vorwurf gefallen lassen, dass Sie sich dem Diktat des Personalamts, wo das neue Gleichstellungsgesetz gestrickt wurde, und nicht etwa in der Gleichstellungsbehörde, wie man vielleicht annehmen möchte, unterwerfen. Das Gesetz in der jetzigen Form verhindert emanzipatorische Prozesse im Arbeitsleben, denn es sieht auch Männer künftig als benachteiligt an, sobald sie das unterrepräsentierte Geschlecht sind.
Das wusstet ihr gar nicht. Darüber stimmt ihr gleich ab.
Das ist aber in Anbetracht der strukturellen Diskriminierung, die Frauen seit Jahrtausenden erleben, wirklich nur lächerlich.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Ein schnelles Internet wollen alle. Von Fraktionen aller Parteien auf Landes- und auf Bundesebene gibt es dazu Anträge und Positionierungen, die im Wesentlichen nur wenig variieren. Warum die CDU jetzt mit einem Antrag um die Ecke kommt, der den allgemeinen Konsens noch einmal hervorhebt, erschließt sich mir nur vor dem Hintergrund der begonnenen Wahlkampfphase. In Ihrem Wahlprogramm von 2011 habe ich dazu im Übrigen gar nichts gefunden, aber das mag sich vielleicht künftig ändern.
Die Bundesregierung vor September 2013 musste sich auf jeden Fall der massiven Kritik aussetzen, sich dem Ausbau der Breitbandanschlüsse völlig unzureichend gewidmet zu haben. Deren Strategie ist gescheitert, wie der Bundesverband der Verbraucherzentralen damals feststellte. Die digitale Spaltung zwischen Stadt und Land besteht nämlich fort. Im Übrigen sind – das haben meine Vorredner erwähnt, zumindest Herr Schmidt, Herr Müller – vor allem die ostdeutschen Bundesländer betroffen, deren Bevölkerung ein früherer Bundeskanzler einmal blühende Landschaften versprochen hatte. Hamburg hat da wirklich nicht das Problem, wie es in dem CDU-Antrag geschildert wird.
Dass ausgerechnet die CDU jetzt anfängt, eine nahezu sozialistische Forderung zu stellen – schauen Sie es sich einmal genau an –,
nämlich dass die Landesregierung bis zum Jahr 2020 eine flächendeckende Versorgung mit schnellem Internet sicherstellen soll, lässt Linke wie mich schon schmunzeln.
Ein bisschen Niveau haben unsere Abstimmungsentscheidungen schon, Herr Ritter.
Immerhin hat das "Hamburger Abendblatt" diese Forderung ohne jede Ironie mitgenommen und auch noch sachlich darüber berichtet. Aber letztlich steht in Ihrem Antrag leider wenig Substanzielles, sollte dahinter nicht eine Forderung nach Enteignung der IT-Wirtschaft stehen, was ich bei Ihnen nicht unterstellen möchte. Und so bleibt am Ende nur an Substanz, dass der Senat Appelle formuliert und Papiere produziert. Und das, verehrte Abgeordnete, kann die SPD auch ohne Aufforderung der CDU. Faktisch benötigen aber die Verbraucherinnen und Verbraucher wie auch die Unternehmen ganz andere Maßnahmen, um das von Ihnen erwünschte Ziel zu erreichen. So muss Breitbandinternet-Anschluss als staatlich garantierte Grund
versorgung aufgenommen werden. Eine Möglichkeit wäre, das Telekommunikationsgesetz dahingehend zu konkretisieren. Weiterhin benötigen wir dringend eine Debatte über die Abschaffung des Privatisierungsgebots im Telekommunikationsbereich auf Bundes- und Länderebene.
Städte und Länder müssen beim eigenständigen Netzausbau finanziell unterstützt werden, und die Bundesregierung hat dafür Sorge zu tragen, dass öffentliche Gelder langfristig nicht in private Gewinne subventioniert werden. Wer auf marktgerechten Ausbau setzt, so steht es in Ihrem Papier, wer Rahmenbedingungen durch optimale Anreize durch den Ausbau, durch den Markt schaffen will, der hat sich bereits heute von dem Ziel verabschiedet, einen schnellen Internetzugang für alle zu ermöglichen.
Aber es gibt dazu natürlich noch viel mehr zu sagen. Deswegen wären wir für eine Überweisung an den Ausschuss und würden uns freuen, wenn die SPD sich noch einen Ruck gibt. Lassen Sie uns das ruhig noch ein bisschen weiter diskutieren, vielleicht ist noch ein wenig Erkenntnisgewinn möglich.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Die gute Nachricht ist:
Das Rahmenkonzept zur Medienkompetenzförderung wird überarbeitet. Das hat der Senat in der Ausschussberatung am 27. Mai zugesagt. Vorausgegangen war, wie meine Vorredner und Vorrednerinnen auch erwähnt haben, eine Expertinnenund Expertenanhörung am 11. Februar und eine Große Anfrage der Links-Fraktion im April, die hier auch mit aufgerufen ist.
Wir reden bei der Medienkompetenzförderung über viele Themen. Wir reden über Bildung, wir reden über Medien, wir reden über Teilhabe und wir reden über Gerechtigkeit und Chancen. Medienkompetenz bezeichnet nämlich die Fähigkeit, Medien und ihre Inhalte den eigenen Zielen und Bedürfnissen entsprechend zu nutzen.
Wir haben in Hamburg eine Reihe von Akteurinnen und Akteuren, die sich in der Medienkompetenz sehr engagieren. Denen ist es geschuldet, dass es eine Reihe von guten Angeboten gibt. Hervorheben möchte ich hier – ich glaube, das habe ich auch schon einmal getan – das Scout-Magazin unserer Medienanstalt. Es ist ein pädagogischer Ratgeber und Begleiter für Eltern, Lehrerinnen, Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher. Daher an dieser Stelle mein Glückwunsch zu dem jüngst verliehenen Preis, dem FOX AWARDS in Gold. Die Preisverleihung erfolgte für überdurchschnittliche Wirkungskraft des Magazins.
Ich weiß, dass einige Bürgerschaftsabgeordnete das Magazin regelmäßig in ihrem Postfach haben, aber die Medienanstalt hat uns heute einige Exemplare zur Verfügung gestellt für all diejenigen, die es noch nicht kennen. Ich habe sie in diese beiden Ecken gelegt; Sie können sich gern bedienen, hineinschauen und vielleicht auch Verwandten und Freunden mitgeben.
Da sind wir auch schon bei dem Knackpunkt der Wirkungskraft. Die vielen Angebote, die es gibt, werden eben nicht in ihrer Wirkung und Nachhaltigkeit geprüft, und das ist das große Problem bei dem Rahmenkonzept und den Ideen, die der Senat dazu entwickelt. Das Rahmenkonzept enthält eine Reihe von Vorstellungen, Definitionen und auch Zustandsbeschreibungen, alles ist irgendwie gut, weil alle Zielgruppen erwähnt werden und für jede irgendetwas dabei ist. Aber ob das ausreicht und ob Stoßrichtung, Zielgruppendefinition und Angebotsformen richtig sind, das wissen wir nicht, und das hat DIE LINKE von Anfang an kritisiert.
Zwei Beispiele, die das deutlich machen. Herr Stemmann hat mir schon einen Teil vorweggenommen, aber ich betone es noch einmal, weil das aus meiner Sicht zwei der zentralen Probleme sind. Reichen die Angebote für Seniorinnen und Senioren aus? Ich habe dem Senat dargelegt, dass laut
dem im Jahr 2011 veröffentlichten zweiten Zwischenbericht der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft des Deutschen Bundestags die Kompetenz älterer Menschen im Umgang mit technischen Neuerungen stark von ihren sozialen und materiellen Umständen abhängt. Außerdem stellen die medientypische Fachsprache, unzureichend vorhandene Medienkompetenz, geschlechtsspezifische Technikerfahrung sowie benutzerunfreundliche Hardware für diese Zielgruppe erhebliche Hindernisse dar. Der Senat ist bei diesem Punkt leider völlig ausgewichen. Mir reicht es auch nicht, auf Volkshochschule und Senioreneinrichtungen hinzuweisen, um eine altengerechte Medienkompetenzförderung vorzuhalten. Wir müssen wissen, ob es ausreicht, was dort stattfindet, denn es ist eine zentrale Herausforderung, verehrte Abgeordnete, es ist Sozialpolitik pur, Ältere zu befähigen, die neuen Techniken für sich nutzen zu können. Wir werden diese Konzepte einfordern.
Sehr geehrter Senat, Sie müssen das Geld dafür bereitstellen – jetzt könnt ihr klatschen.
Das zweite Beispiel ist das Geschlechtsspezifische.
Das will und kann ich Ihnen an dieser Stelle nicht ersparen, denn immerhin gibt man das doch mittlerweile zu. Deshalb, Herr Dr. Kluth, hat es sich gelohnt, das über die gesamte Wahlperiode immer wieder zu thematisieren. Ich glaube, da ist auch der Groschen gefallen, da ist etwas begriffen worden. Immerhin gibt man nämlich zu, dass das Rahmenkonzept diesbezüglich absolut defizitär ist. Hier muss man genau hinschauen, um es künftig nicht falsch zu machen. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, Ihnen das darzulegen, denn es hat in den letzten Jahren durchaus Angebote für Mädchen im Bereich der Technikförderung gegeben, aber nur wenige Angebote für Jungen. Jetzt aber mit jungenspezifischen Angeboten nachzusteuern, wäre nicht der richtige Schritt. Man ist heute vielmehr der Ansicht, dass keine geschlechtsspezifischen Angebote gebraucht werden, sondern dass es notwendig ist, die Medienkompetenzförderung geschlechtersensibel zu konzipieren. Was das heißt, möchte ich Ihnen kurz sagen. Damit sind die Fähigkeit von Pädagoginnen und Pädagogen, aber auch Ansprache und Inhalte von Angeboten gemeint. Das Rahmenkonzept muss hier eine entsprechende Steuerungswirkung entfalten, damit alle Angebote auch das berücksichtigen.
Es reicht nicht, dass sich der Senat eine koordinierende Funktion zuschreibt, wie er das in der Auswertung der Expertinnenanhörung getan hat. Die
soziale Komponente, die sich mit einer demokratischen Medienkompetenzförderung zur Befähigung von Teilhabe ergibt, ist einfach zu wichtig dafür, und der Senat hat hier eine steuernde Funktion. Das ist auch nicht dirigistisch, wie der Staatsrat abwehrte, sondern das ist Aufgabe der Landesregierung.
Es geht nämlich wirklich um viel. Es geht darum, wie Menschen unterstützt werden angesichts weitreichender, digitaler Umbrüche. Das Einbringen und Gestalten ohne die Fähigkeiten, Medien souverän für die eigene Lebensführung in Gebrauch zu nehmen, ist nicht mehr möglich. Medienkompetenz ist somit die Grundlage für ein gelingendes Leben in der mediatisierten Gesellschaft.
Wir werden das Thema in der nächsten Wahlperiode wieder aufgreifen und erwarten einen neuen Ansatz bei der sozialdemokratischen Medienkompetenzförderung. Unsere Vorschläge werden nicht auf sich warten lassen, und ich bringe Ihnen schon einmal einen, weil er auch sehr aktuell ist. Der Henri Nannen Preis wird nächstes Jahr ausgesetzt. Der Senat hat ihn bislang mit 100 000 Euro gesponsert, und ich finde, diese 100 000 Euro könnten Sie durchaus dafür einsetzen, in diesem Thema schneller voranzukommen.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Es klingt so schön: Eine Koordinationsstelle zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein soll künftig eine problemlosere Unterbringung von misshandelten Frauen und ihren Kindern in den Frauenhäusern beider Bundesländer ermöglichen. Dafür haben die Landesregierungen einen Geldtransfer vereinbart. 130 00 Euro zahlt Hamburg an Schleswig-Holstein und 30 000 Euro zahlt Schleswig-Holstein an Hamburg.
Schauen wir einmal genauer hin und über die Stadtgrenzen hinaus. Was sehen wir? Völlig überlastete Frauenhäuser in Kiel, Wedel, Neumünster, Elmshorn oder auch Lübeck. Jetzt hilft der scharfe Blick. Das Problem ist nicht, dass Hamburger Frauen und ihre Kinder dort Schutz suchen. Birgit Pfennig, Sprecherin der Autonomen Frauenhäuser in Schleswig-Holstein, sieht die Probleme ganz woanders. Sie sagte in der "Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung" im Juni dieses Jahres, dass sich die Lage in den letzten Jahren sehr verschärft habe, weil es einen massiven Rückgang an sozialem Wohnungsbau gegeben habe. Außerdem entspreche der von den Jobcentern gezahlte Mietsatz für Hartz-IV-Empfängerinnen nicht dem durchschnittlichen Mietenspiegel. Die Autonomen Frauenhäuser in Schleswig-Holstein könnten viel mehr Frauen aufnehmen und Frauen könnten schneller in eigene Wohnungen kommen, wenn es mehr bezahlbaren Wohnraum gäbe.
Die Lage verschärfe sich aber auch dadurch, dass viele Gewaltopfer zunächst keine Arbeit hätten und von Hartz IV abhängig seien. Das sei bei vielen Vermietern ein Ausschlusskriterium ebenso wie Schulden, Migrationshintergrund, ein ungeklärter Aufenthaltsstatus oder mehrere Kinder. Kein Wort, verehrte Abgeordnete, wird in Schleswig-Holstein über Hamburger Frauen verloren, die in den Frauenhäusern unseres Nachbarlandes Schutz suchen müssen.
Zurück nach Hamburg. Hier ist die Situation exakt die gleiche: Mangel an günstigem Wohnraum und überbelegte Frauenhäuser. Die SPD in Hamburg hat vier Jahre lang Zeit gehabt, ausreichend sozialen Wohnungsbau zu initiieren. Sie hat vier Jahre Zeit gehabt, sich über Lösungen für die chronische Überbelegung der Frauenhäuser Gedanken zu machen und geeignete Maßnahmen zu initiieren.
Sie hat diese Zeit nicht genutzt. Sie haben sogar den Vorschlag der Autonomen Frauenhäuser abgewiegelt, ein Kontingent von nur 55 Wohnungen jährlich zur Verfügung zu stellen, um Bewohnerinnen aus den Frauenhäusern, die von der Ausstattung her Noteinrichtungen und keine Daueraufenthaltseinrichtungen sind, schnell eigene schützende vier Wände zu vermitteln.
Ihre neue Koordinierungsstelle wird das auch nicht lösen, denn sie wurde außerdem aus zwei ganz anderen Gründen initiiert. Zum einen ist sie das Ergebnis einer Rechenakrobatik, die von den Experten des SGB II ausgetüftelt wurde. Es ist den Hartz-IV-Empfängerinnen geschuldet, die in Frauenhäusern Schutz suchen müssen. Es geht um Tagessätze, Ausgleichspauschalen, Kosten der Unterkunft und die Verringerung von Bürokratie, die durch Rückforderungen vom Bund entsteht. Der andere Grund ist, dass der Haushalt Schleswig-Holsteins durch diese 100 000 Euro ein bisschen gestopft wird. Die Frauenhäuser in Schleswig-Holstein haben nämlich gar nichts davon. Der frauenpolitische Sprecher der PiratenFraktion in Schleswig-Holstein, Wolfgang Dudda, so viel Fairness muss hier sein, sagte es ganz treffend in seiner Presseerklärung – ich zitiere –:
"Leider wird nicht die komplette Summe in eine Erhöhung der Platzpauschale investiert, sondern nur die Kürzungen aus schwarz-gelben Zeiten kompensiert. […] Dass nun ein Teil des Geldes in einem Topf für zukünftige Investitionen in diesen Bereich angespart werden soll, klingt zunächst vernünftig, geht aber zu Lasten des laufenden Betriebs der Einrichtungen."
Man kann diese Ziele wollen, aber man muss sich dann nicht damit brüsten, etwas für den Opferschutz getan zu haben. Die Verwaltungsstelle bewirkt diesbezüglich gar nichts, denn die Ursachen für die überfüllten Frauenhäuser liegen zum einen in den weiterhin hohen Gewaltvorkommen im sozialen Nahbereich und zum anderen im Mangel an sozialem Wohnraum, in rassistischen Ressentiments von Vermietern und in der Armutsfalle, die das Sozialgesetzbuch II diktiert.
Ich befürchte sogar, dass die Verwaltungsstelle Schaden anrichten könnte, weil sie den Autonomen Frauenhäusern ihren selbstverwaltenden Charakter nimmt. Was daran diffamierend sein soll, Kollegin Kammeyer, müssen Sie mir noch einmal erklären. Ich stehe damit nämlich nicht alleine, wie Sie selbst auch wissen. Ihre neue Stelle ist für einen wirkungsvollen Opferschutz nicht nötig, und wir lehnen sie daher ab.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Meine Fraktion findet es richtig, dass sich auch die Bürgerschaft und ihre Abgeordneten sowie der Senat endlich mit dem Thema, das seit einigen Jahren mit dem Begriff Industrie 4.0 umschrieben wird, befassen.
Bislang wird in Hamburg nämlich ziemlich wenig darüber debattiert und erschütternd wenig übrigens bei der Handelskammer. Herr Balcke, Sie machen es sich auch im Namen der SPD-Fraktion zu einfach, so zu tun, als wäre das bereits alles auf dem Weg und als könne man mit dem Begriff Innovation oder einer Strategie, die sich Innovationshauptstadt nennt, dem Thema aus dem Weg gehen. In der Tat umfasst es nämlich schon noch ein bisschen mehr. Ich gebe dem Kollegen Dr. Kluth ausdrücklich recht, die Industrie hat sich nämlich längst auf den Weg gemacht, die Politik hängt dem jedoch hinterher, zumindest auf der Landesebene. Deswegen wäre es wirklich erforderlich, einmal darüber zu diskutieren. Ich glaube, für viele Abgeordnete ist es das erste Mal, dass sie diesen Begriff gehört haben.
Inwieweit die Betriebe und ihre Managements auch der Entwicklung hinterherhinken – die gibt es nämlich zuhauf –, sollte wirklich analysiert werden. Ich sehe die Verantwortung vor allem bei den Kammern. Wir sollten uns aber noch in dieser Legislaturperiode damit beschäftigen.
Wenn über Industrie 4.0 gesprochen wird, dann ist das Zusammenspiel von drei Komponenten gemeint. Erstens: das intelligente Produkt, Einzelteile, die selbstständig mit der Produktionsanlage kommunizieren und die aktiv in den Produktionsprozess eingreifen. Zweitens: die vernetzte Maschine, die mit anderen Maschinen, Produkten und auch Menschen kommunizieren kann. Und drittens: die Beschäftigten. Sie sind ausgestattet mit Assistenzsystemen, entweder mit Datenbrillen wie Google Glass oder Geräten wie Touchpads, also Tablets oder auch Smartphones, die ihnen ständig Informationen geben und teilweise auch mit Anleitungen bei der Arbeit helfen.
Nach Dampfmaschine, elektrischem Fließband und der Einführung der Computer dreht es sich also bei dieser vierten industriellen Revolution, womit der Begriff Industrie 4.0 umschrieben wird, darum, dass die körperliche und dingliche Welt mit der virtuellen Welt der Daten des Internets verschmilzt. In Zukunft sollen die intelligenten Fabriken in Echtzeit auf Veränderungen im Marktumfeld oder der Wertschöpfungskette reagieren können. Und letztlich soll eine Produktion von Einzelstücken möglich werden, die ebenso schnell und auch kostengünstig vom Band laufen wie die Massenware. Das sind die Hoffnungen. Ob sie sich erfüllen, weiß man natürlich heute noch nicht.
Doch ist Industrie 4.0 eben keine Science Fiction aus dem Labor. Es gibt bereits viele Projekte zwischen Wissenschaft und Großkonzernen; einige wurden auch schon benannt. Einiges davon hat schon Einzug in die Fabrikhallen gehalten. Bislang ist aber die Rolle des Menschen in der Industrie 4.0 völlig ungeklärt. Das zeigen auch die offi
ziellen Forschungsberichte, die in dieser Kernfrage unklar und widersprüchlich sind. Einerseits heißt es, der Mensch werde als kreativer Planer, Steuerer oder Entscheider das Maß aller Dinge bleiben. Dann ist davon die Rede, dass Anforderungen und Anlernzeiten an die Beschäftigten sich so weit reduzieren, dass man einfach Leute von der Straße holen und an beliebige Arbeitsplätze setzen kann. Was heißt das also?
Industrie 4.0 birgt also einerseits große Chancen, aber es ist eben auch eine weitere Spaltung der Belegschaften und ihrer Interessen denkbar. Sie stellt Anforderungen an die Tarifpolitik und an die Verpflichtung, die die Unternehmen durch das Grundgesetz, Artikel 14, auferlegt bekommen haben: Eigentum verpflichtet.
Die kapitalistische Produktionsweise hat uns gelehrt, dass für den schnellen Profit doch oft auf eine ganzheitliche Betrachtung des Arbeitsmarktes verzichtet wird.
Herr Ritter, das macht Sie schon wieder nervös?
Es werden Ressourcen von potenziellen Arbeitskräften vergeudet wie Langzeitarbeitslose und Jugendarbeitslosigkeit und durch den noch wirklich sehr hohen Verzicht auf Frauen in der Industrie. Es werden schnelle Ausbildungskonzepte gestrickt, die nur auf den unmittelbaren Bedarf einer Branche ausgerichtet sind und die die allgemeine Bildung außen vor lassen. Und es werden psychische Belastungen von neuen Arbeitsorganisationsformen immer erst im Nachhinein in den Fokus genommen. Die Industriegewerkschaften IG Metall und IG BCE haben sich übrigens bereits eingehend mit dem Thema beschäftigt und problematisieren Industrie 4.0 aus meiner Sicht bereits sehr qualifiziert. Mit ihnen sollten wir uns wirklich dringend unterhalten.
Wir stimmen daher für eine Überweisung des Antrags an den Wirtschaftsausschuss und würden auch eine Überweisung an den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration zur Mitberatung befürworten, denn es geht hier vor allen Dingen um das Thema Arbeit. Das haben aus meiner Sicht alle Vorredner bislang leider ausgeklammert.
Zustimmen können wir dem CDU-Antrag leider nicht, da er das Thema viel zu dürftig aufgreift und meiner Meinung nach auch viel zu kritisch auf die Projekte der Bundesregierung abzielt.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Die SPD-Fraktion beantragt einen Appell an den Senat. Sie fordert ihn auf, mit den Landesregierungen von SchleswigHolstein und Nordrhein-Westfalen zu sprechen, damit es weiterhin eine öffentlich getragene Provinzial gebe. Es gibt fast keine Alternative, als diesem Antrag zuzustimmen, außer an der Abstimmung überhaupt nicht teilzunehmen. Die Antragsbegründung ist wirklich mehr als zweifelhaft, denn sie ist unehrlich. Sie hatten im Vorwege versucht, daraus einen interfraktionellen Antrag zu machen. Wir hätten ihn aber niemals in dieser Fassung unterschrieben. Ich will Ihnen darlegen, warum. Meine Vorredner haben übrigens schon vieles gesagt, was ich ausdrücklich unterstütze, außer einige Sätze von Herrn Dr. Kluth, der am Schluss seiner Rede wieder Ecke FDP abgedriftet ist, aber ansonsten sehr richtige Dinge gesagt hat.
Die Hamburger Feuerkasse war bis 1994 wirklich ein Teil der Stadt, bis sie der SPD-Senat unter Bürgermeister a.D. Henning Voscherau verscherbelte, um die Kassen zu füllen. Das wird in der Drucksache, die Herr Tjarks eben zitiert hat, deutlich. Auch das Monopol der Hamburger Feuerkasse ist kurze Zeit später aufgegeben worden. Heute gehört die Hamburger Feuerkasse zur Provinzial, einer eben noch öffentlichen Versicherung. Das erwähnt die SPD-Fraktion in ihrem Antrag nicht. Das verschweigt sie, und damit verschweigt sie die Privatisierungspolitik der SPD in dieser Zeit. Ich finde nicht in Ordnung, lieber Kollege Rose, dass Sie das gemacht haben.
Ich hätte es angemessen gefunden, wenn sich die SPD ein paar mehr Gedanken über die Zukunft der Feuerkasse gemacht hätte und sei es, dass sie Initiativen ergreift, damit Hamburg wenigstens vielleicht wieder Mitspracherechte bekommt. So zahnlos, wie der SPD-Senat jetzt hinsichtlich der Feuerkasse ist, bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als auf die Landesregierungen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zuzugehen, die Mitspracherechte haben. Sie können sich dafür einsetzen, dass die Feuerkasse eben nicht aufgrund von ge
planten Konzernumstrukturierungen der Provinzial möglicherweise verschachert wird oder die ganze Provinzial eine völlig neue Eigentümerstruktur erhält und der öffentlichen Kontrolle gänzlich entzogen wird. Politischen Dialog nennt das die SPD in ihrem Petitum. Ich nenne das politisches Betteln.
Dieses Betteln auch noch in der Bürgerschaft zu beantragen, ist schon speziell. Außerdem ist die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Frau Hannelore Kraft, bereits sehr aktiv in dieser Sache. Warum dann eigentlich noch dieser Antrag?
Laut Geschäftsbericht weist die Hamburger Feuerkasse übrigens ein wirklich respektables Ergebnis aus. Sie erzielte im Jahr 2012 einen Jahresüberschuss von 3 Millionen Euro. Sie hat einen festen Kundenstamm, der 3 Milliarden Euro Beitragseinnahmen sichert. Damit ist sie wirklich ein Sahnestück für die Provinzial, aber Sahnestücke sind eben nicht sicher, Teil des gesamten Kuchens zu bleiben. Man kann sie herausschneiden und an den gierigsten weitergeben; man kann auch den ganzen Kuchen verscherbeln.
Dass nun der gesamte Vorstand der Hamburger Feuerkasse zum Jahresende ausgetauscht wird, löst berechtigterweise das Misstrauen der Belegschaft und des Betriebsrats aus. Wer wird danach Einfluss auf die Feuerkasse gewinnen? Etwa der Banker Rolf Gerlach, der Präsident des Sparkassenverbands Westfalen-Lippe? Betreibt er etwa die Veräußerung der Feuerkasse oder aber der gesamten Provinzial? Derartige Gerüchte wurden zwar zurückgewiesen, aber was schert solche Leute im Zweifel ihr Geschwätz von gestern. Rolf Gerlach war zu der Zeit, als die mittlerweile abgewickelte WestLB auf dem US-amerikanischen Kapitalmarkt noch munter am Zocken gewesen ist, der Vorsitzende ihres Verwaltungsrats. Auch deswegen finde ich die Sorgen des Betriebsrats durchaus berechtigt.
Wenn die Feuerkasse veräußert werden sollte, trägt die SPD Hamburg eine Mitverantwortung. Wenn die SPD Hamburg die Fehler der Vergangenheit korrigieren wollte, dann hätte dieses Petitum anders aussehen müssen. Dieser Antrag ist kein Paradestück der politischen Initiativen der Hamburger SPD.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Immer noch muss bei jeder tausendsten Behandlung im Krankenhaus mit einem tödlichen Ausgang gerechnet werden. Diese Angabe ist gesundheitswissenschaftlich begründet. Diese Auskunft hat die Bundesregierung auf eine Schriftliche Kleine Anfrage der Links-Fraktion im Bundestag gegeben. Und nicht nur deswegen müssen wir uns über die Qualität, in der die Krankenhäuser arbeiten, dringend unterhalten. Wir müssen als gesetzgebende Instanz Maßnahmen verankern, die dem weiteren Verfall der Gesundheit zur Ware und der stationären Behandlung zum reinen Kostenfaktor endlich Einhalt gebieten.
Die Profitlogik im Gesundheitswesen muss endlich umgekehrt werden, verehrte Abgeordnete. Aus meiner Sicht hat das diagnosebezogene Fallpauschalensystem, das vor zehn Jahren eingeführt wurde, nicht zu mehr Transparenz bei den Behandlungen, einem effizienteren Einsatz der Mittel und zur Beseitigung von Fehlanreizen geführt, im Gegenteil, die Beschäftigten ächzen unter dem Dokumentationszwang. Die Anzahl der Operationen steigt jährlich an, und der angeheizte Wettbewerb durch die parallel stattgefundene Privatisierungswelle kommunaler Krankenhäuser steigerte den Kostendruck auf die noch öffentlichen und gemeinnützigen Kliniken. Hüft- und Kniegelenk- sowie Bandscheibenoperationen, aber auch Kaiser
schnitte bringen viel Geld in die Kassen. Aber ob diese OPs wirklich immer erforderlich sind, darf bezweifelt werden. Das Fallpauschalensystem eigne sich in keinem Fall für multimorbide und pflegebedürftige Menschen, stellte das Deutsche Institut für Pflegeforschung fest.
Und Hamburg? Die Stadt sitzt mit einer Vertreterin und einem Vertreter im Aufsichtsrat von Asklepios und schaut bislang dem Treiben weitgehend nur zu, und dies aufgrund eines immens schlechten Vertrags, den der damalige Senat mit Asklepios bei der Teilprivatisierung abgeschlossen hat.
Der Bericht, den der Kollege Schäfer eben schon erwähnte, der gestern Abend im NDR lief, spricht genau diesen Klinikkonzern an, und die Überlastungsanzeigen, die dort zitiert wurden und die der Gewerkschaft ver.di vorliegen, zwingen uns zum Handeln. Es muss hingehört werden, es darf nicht mehr weggesehen werden, und deswegen muss die Einflussnahme der öffentlichen Hand auf die Krankenhäuser gestärkt werden.
Deutet man die Rangeleien der Krankenhausoligarchen richtig, dann sind die Interessen weiterhin darauf ausgerichtet, Krankenhäuser aufzukaufen und sich auf dem Klinikmarkt die Anteile mit nahezu kriegerischen Methoden streitig zu machen. Es geht um das Sanieren und um das Bedienen von Aktionärsinteressen, aber das können nicht unsere Interessen sein, verehrte Abgeordnete.
Daher ist es ein Fortschritt, eines der wichtigsten Steuerungsinstrumente, welches die öffentliche Hand hat, zu nutzen und Qualitätsanforderungen an die Krankenhäuser zu stellen. Wir stehen dem Gesetzentwurf daher aufgeschlossen und auch konstruktiv gegenüber. Aber wie so oft bei Gesetzentwürfen der SPD-Fraktion und des Senats gibt es etliche Notwendigkeiten, ihn noch zu verbessern. Gute Qualität muss zudem auskömmlich finanziert werden. Und obwohl Hamburg seit Jahren an der Spitze der Krankenhausinvestitionen steht, muss man sich heute fragen, ob die Summen wirklich ausgereicht haben. Das Eigenlob der Senate der letzten Jahre kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es offenbar auch in unseren Krankenhäusern einen Investitionsstau gibt.
Da es jetzt aber um die Änderung des Hamburgischen Krankenhausgesetzes geht, haben wir Ihnen diesbezüglich einige Vorschläge unterbreitet, wie das Gesetz besser aussehen könnte. Ich möchte einige kurz zitieren und kann Ihnen versichern, Herr Kollege Schäfer, dass diese intensiv in unseren Kreisen diskutiert und abgestimmt worden sind und nicht irgendwo pauschal abgeschrieben.
Die zentrale Rolle nehmen das Personal und die Arbeitsbedingungen ein. Daher muss dies in den
Qualitätsanforderungen zentral berücksichtigt werden.
Weitere zentrale Steuerungselemente sind zudem die Krankenhausaufsicht, die Beschwerderechte von Patientinnen und Patienten, die Durchsetzung qualitätssichernder Anforderungen und eine verbesserte Sanktionsmöglichkeit, ein Krankenhaus eben auch vom Krankenhausplan auszuschließen; so einfach ist das nämlich nicht.
Hohe Bedeutung wie die bedarfsgerechte Versorgung hat aus unserer Sicht außerdem das Entlassungsmanagement, das Frau Schmitt auch angesprochen hat. Es gibt hier immer noch große Probleme, was die Pflege, die Nachsorge und auch die Medikation angeht. Außerdem weisen wir mit unserem Antrag darauf hin, dass die Versorgung von Patientinnen und Patienten aus dem Umland im Krankenhausplan zu berücksichtigen ist. Es kann doch nicht sein, dass wir immer mehr als Metropole denken, aber in Sachen Gesundheit an den Landesgrenzen stehenbleiben.
Gleiches gilt für die bessere Zusammenarbeit zwischen Rettungsdiensten und Krankenhäusern. Diese Schnittstelle sollte im neuen Krankenhausgesetz Berücksichtigung finden.
Sehr geehrte Mitglieder des Senats, verehrte Abgeordnete! Auf der Jahrestagung des Aktionsbündnisses Patientensicherheit im April dieses Jahres wurde das Ergebnis einer Befragung unter Krankenhäusern veröffentlicht, wie das freiwillige Berichtssystem namens CIRS angewendet wird. Es geht dabei darum, dass Beschäftigte besondere Vorkommnisse melden können. Ziel ist es, Risikokonstellationen frühzeitig zu erkennen und geeignete Maßnahmen einzuleiten, diese auszuschalten. CIRS ist deshalb ein sehr wichtiges Instrument für das Risikomanagement. Die Ergebnisse dieser Befragung sind aus unserer Sicht ernüchternd, denn nur drei der befragten Hamburger Krankenhäuser haben das System offenbar so installiert, dass es eine gute Meldequote gibt. In der Mehrzahl der Hamburger Krankenhäuser herrscht offenbar eine unterentwickelte Fehlerkultur. Das muss sich dringend ändern, denn viele Beschäftigte halten die Belastungen nicht mehr aus, wie mir Betriebsräte laufend berichten. Es gibt zu wenig Personal, und die Bedingungen, unter denen die pflegerische Arbeit verrichtet wird, machen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer krank. So aber werden Patientinnen und Patienten nicht optimal gepflegt.
Ein wesentlicher Maßstab sollte sein, jeden vermeidbaren Todesfall in einem unserer Krankenhäuser auch wirklich zu vermeiden. Die von mir
eingangs geschilderten Erkenntnisse sind Mahnung genug, an diesem System endlich etwas zu verändern, und zwar grundlegend. Gesundheit darf keine Ware mehr sein.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Ich versuche einmal, die Rede trotz dieser Umstände zu halten.
Es wird Zeit, dass die Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter an Fahrt aufnimmt. Die Gesellschaft soll nicht noch hundert weitere Jahre warten, bis die verfassungsgemäßen Menschenrechte der Frauen auch im Alltag umgesetzt sind. Frauen haben ein Recht auf die Hälfte der Macht, die Hälfte des Geldes, kurz gesagt, auf die halbe Welt und nicht nur auf 22 Prozent davon.
Es ist in den vergangenen Monaten einiges in Bewegung gekommen. DIE LINKE hat das Gleichstellungspolitische Rahmenprogramm konstruktiv begleitet, aber auch kritisch. Mit 22 Schriftlichen Kleinen Anfragen und zwei Großen Anfragen haben wir es durchleuchtet und auf seine Praxistauglichkeit geprüft. Die Stichproben umfassten unter anderem die Vergabe von Frauennamen für Verkehrsflächen, politische Bildungsmaterialien für Erstwählerinnen und Erstwähler, abgeschlossene Ausbildungsverträge im Verhältnis Mädchen/Jungen beziehungsweise Frauen und Männer, Beförderungen von Medizinerinnen am UKE oder auch die Teilzeitbeschäftigung von Männern im öffentlichen Dienst. Systematisch haben wir den Stand der Umsetzung der 162 Maßnahmen, die im Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm gelistet sind, abgefragt. Das war auch gut so, denn wir mussten feststellen, dass in dem Programm neben wenigen handfesten Vorhaben eine Menge Prosa enthalten ist.
Wir haben auch festgestellt, dass der Senat seine eigene Geschäftsordnung nicht ernst nimmt. Es wird längst nicht jede Drucksache auf gleichstellungspolitische Belange hin überprüft, wie das die Geschäftsordnung vorschreibt. Das hat zur Folge, dass zentrale Strategiepapiere wie zum Beispiel das Rahmenkonzept Medienkompetenzförderung, aber auch die Dekadenstrategie Sport geschlechterblind sind. Vorangekommen sind wir mit dem Gender Budgeting und dem Gleichstellungsgesetz sowie dem Gremienbesetzungsgesetz. Diese Maßnahmen werden sich in den kommenden Jahren positiv auswirken, wenn auch viel zu langsam. Ob sie aber auch strukturell etwas verändern werden, wird erst die Zeit zeigen. Allerdings sei die Frage gestattet, warum die Investitions- und Förderbank – immerhin in dieser Wahlperiode unter SPD-Führung entstanden – in ihrem Vorstand nur Männer hat und selbst dem zwölfköpfigen Verwaltungsrat nur zwei Frauen angehören. Glaubwürdigkeit sieht anders aus, verehrte SPD-Fraktion.
Es kann so nicht weitergehen – nicht in diesem Tempo und nicht mit diesem gleichstellungspolitisch defizitären Ansatz. An gutem Willen mangelt es übrigens nicht, vielleicht in einigen Bezirken. Zum Beispiel in Bergedorf, wo die Mehrheit des Hauptausschusses der Meinung war, die Benennung weiterer Straßen nach Frauen sei unnütz, weil die Straßen eines ganzen Stadtteils doch schon nach Frauen benannt seien. Dabei sind es in Bergedorf insgesamt auch nur 10 Prozent.
Wenn es denn nur um Straßennamen ginge – das ist wirklich nur ein Indiz. Wir müssen tiefer gehen, um den in der Gesellschaft tief verankerten Sexismus zu begreifen, um ihn anzugreifen und systematisch zu bekämpfen. Und dafür, verehrte Abgeordnete, sehr geehrte Mitglieder des Senats, reicht das Gleichstellungspolitische Rahmenprogramm nicht aus.
Die Elitenforschung hat es vielfach dokumentiert. Nicht nur Frauen, auch fremde und benachteiligte Kulturen haben Probleme mit der Teilhabe an der Macht. Der Internetkonzern Google beispielsweise veröffentlichte in seinem Diversity-Bericht im Mai dieses Jahres, dass er nur zwei Prozent schwarze Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Die Entscheiderklasse rekrutiert ihren Nachwuchs immer wieder aus ihren eigenen Reihen, ihrer selbst erlebten Sozialisation. Daher reicht es nicht aus, immer nur auf die biologischen Unterschiede hinzuweisen. Es sind vielmehr tief verankerte Prägungen.
Ein weiteres Beispiel: Der vor Kurzem entlassenen Chefredakteurin der "New York Times", Jill Abramson, wurde vorgeworfen, ihr Führungsstil sei autoritär und sie hätte zu viel Gehalt gefordert. Das hat zwar in den USA erst vor wenigen Wochen eine Sexismus-Debatte ausgelöst, aber es zeigt die Unterschiede auf. Einem Mann hätte man solche Verhaltensweisen natürlich durchgehen lassen. Es wäre undenkbar, dass beispielsweise ein Hartmut Mehdorn wegen seines bekanntermaßen ruppigen Führungsstils scheitert. Im Gegenteil, der Hauptmann der Luftwaffe wechselt seit Mitte der 1990er Jahre von Managementjob zu Managementjob. Ob er erfolgreich ist, ist die zweite Frage, aber deswegen stürzt er nicht.
Sehr geehrte Abgeordnete! Eine Bundeskanzlerin oder auch ein schwarzer US-Präsident sind noch keine wirklichen Indizien für eine Neuverteilung der Macht. Sie sind Indizien dafür, dass die Quotendiskussion und auch die Maßnahmen zu Affirmative Action, also die gezielte positive Diskriminierung, wofür es in den USA ein richtiges Programm gibt, Wirkung zeigen. Aber, wie gesagt, es geht zu langsam voran, und Rückschläge sind nicht ausgeschlossen. Oder glauben Sie daran, dass in den
nächsten zwei Jahren die Hamburger Bezirksamtsleitungen mit zwei oder drei weiteren Frauen besetzt werden oder dass die lukrativen Staatsräteposten künftig gleichberechtigt aufgeteilt werden?
Selbst wenn, der tiefsitzende Sexismus hält Millionen Frauen in lebenslanger Abhängigkeit. Das liegt vor allem an ihrer ökonomischen Unselbstständigkeit. Selbst bei den Mindestlöhnen werden sie benachteiligt. Der Bundestag hat heute den gesetzlichen Mindestlohn beschlossen, wenn auch mit seinen empörend vielen Ausnahmeregelungen,
und davon sind vor allem Frauen betroffen, verehrte Abgeordnete. Auch die Branchenmindestlöhne neigen sich je nach Geschlecht. Im Bauhauptgewerbe beträgt der Mindestlohn 13,50 Euro und in der Pflege 8,50 Euro. Welcher Job ist härter, frage ich Sie. Welcher Job erfordert mehr Qualifikation, und welcher Job ist eigentlich mehr wert?
Wir schlagen Ihnen heute ein neues Instrument vor, um das Erreichen der Ziele, die wir in der Bürgerschaft überwiegend, so glaube ich, gemeinsam teilen, zu beschleunigen. Ein unabhängiges Landesbüro für Geschlechterdemokratie kann und wird Tempo in die Sache bringen. Es bezieht alle relevanten Kräfte ein, es befördert den gesellschaftlichen Diskurs, vor allem, weil es Mehrfachdiskriminierungen mitdenken soll. Das soziale Geschlecht entwickelt sich nicht nur auf Basis von Frau und Mann, sondern Aspekte wie Migration, sexuelle Orientierung, Behinderung, Alter und auch Einkommen gehören dazu.
Das Landesbüro für Geschlechterdemokratie soll beobachten, bewerten, entwickeln und Impulse geben. Es soll Korrekturen anstoßen. Wir meinen, dass mit den derzeitigen Strukturen des Gleichstellungsreferats in der Justiz- und Gleichstellungsbehörde das bei aller Wertschätzung für die Arbeit, die die Kolleginnen und Kollegen dort verrichten, und bei allem Engagement für die Sache nicht gewährleistet ist.
Wir schlagen Ihnen heute ein umfassendes, sehr weit ausformuliertes Konzept vor, das es lohnt, näher betrachtet zu werden, das gern auch weiterentwickelt werden kann und soll. Daher würden wir uns über eine Überweisung an den Fachausschuss freuen.
Verehrte Abgeordnete! Wenn mein fünf Monate alter Enkel einmal groß ist, dann soll er Frauen auf allen Ebenen der Gesellschaft und des Staats als gleichberechtigt erleben und wahrnehmen, und er
soll selbst seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechend seine Individualität ausleben dürfen. Das soll nicht vom Geldbeutel abhängig sein und nicht von dem Milieu, in dem er aufwächst. Tempo bei der Gleichstellung, das sind wir der nächsten Generation schuldig. Wir sollten alles dafür tun, dass Sexismus in dieser Gesellschaft keine Chance mehr hat.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Erst einmal vielen Dank für die Diskussionsbeiträge. Ich finde, darin waren viele Anregungen, die wir weiter diskutieren und vertiefen sollten. Unser Antrag ist als Einladung zur Diskussion, zur Beschleunigung und Weiterentwicklung der Gleichstellungspolitik in Hamburg von uns angezeigt worden und soll auch so ernsthaft verstanden werden.