Wolfgang Rose
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Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die erste Debatte zu diesem Thema haben wir an dieser Stelle vor fast einem Jahr geführt, das ist schon gesagt worden. Ich möchte heute für die SPD erneut bekräftigen, dass es auf dieser Welt immer noch ein unerträglich hohes Maß an Kriegen, Bürgerkriegen, Menschenrechtsverletzungen und Gewaltakten gibt. Es hat sogar den Anschein, als würden gewalttätige Konflikte wieder zunehmen. Unsere Medien sind voll von grauenvollen Nachrichten und Bildern aus der Ukraine, aus Syrien und dem Irak, aus Nigeria, Kamerun und auch Saudi-Arabien, wo barbarische Strafen gegen Menschen vollstreckt werden, die auf ihre Meinungsfreiheit pochen. Und es ist immer noch so, dass bei viel zu vielen dieser gewalttätigen Konflikte, Morde und Menschenrechtsverletzungen auch Waffen aus deutscher Produktion eingesetzt werden. Noch immer sind wir, jedenfalls nach dem Stand von 2013, der drittgrößte Waffenexporteur der Welt.
Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gilt deshalb nach wie vor: Wir wollen, dass diese schrecklichen Kriege, Bürgerkriege, Überfälle und Menschenrechtsverletzungen irgendwann, möglichst bald, ein Ende haben. Wir wollen, dass nicht mehr so viele unschuldige Menschen, Kinder, Familien und Alte als Opfer derartig viel Leid und Angst ertragen müssen. Und wir wollen, dass die deutsche Waffenindustrie nicht mehr länger zu diesem Leid beiträgt. Wir wollen, dass die Rüstungsausfuhren deutlich reduziert werden und in Krisenund Konfliktgebieten möglichst ganz unterbleiben.
Darin waren wir uns in diesem Hause bereits vor einem Jahr weitgehend einig. Trotzdem hatten wir
auf Wunsch der GRÜNEN als Antragsteller Ihren Antrag an den Wirtschaftsausschuss überwiesen. Auch wir waren verwundert darüber, dass die GRÜNEN Fraktion dann im Wirtschaftsausschuss bei der Debatte ihres eigenen Antrags gar nicht anwesend war. Ich hoffe, dass die heutige Anmeldung zur Debatte durch die Links-Fraktion nicht nur den Zweck verfolgt, dieses Thema noch einmal für sich zu besetzen und die bereits zu diesem Thema aufgestellten Plakate in den Mittelpunkt zu rücken. Dafür ist dieses Thema viel zu ernst und viel zu wichtig.
In dem knappen Jahr seit unserer Debatte hat sich bereits eine Menge getan, und zwar in unserem gemeinsamen Sinne. Die Bundesregierung, damals noch sehr kurz im Amt, hat inzwischen auf Drängen und Betreiben der SPD ihre Rüstungsexportpolitik deutlich verändert. Die seit dem Jahr 2000 unverändert geltenden politischen Grundsätze – damals war es eine rot-grüne Koalition –, in denen die Kriterien für die Ausfuhrgenehmigungen vor allem in die Drittländer außerhalb von EU und NATO konkret formuliert sind, werden wieder strikt zur Geltung gebracht und überprüft. Die laxe, die Grundsätze oft missachtende Genehmigungspraxis der vorherigen Jahre wird beendet. Der im Genehmigungsverfahren federführende Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat diese neue Praxis deutlich sichtbar in Angriff genommen und, anders als seine Vorgänger, die Entscheidung über sämtliche Ausfuhranträge persönlich an sich gezogen.
Er hat auch gegenüber den Gewerkschaften und Betriebsräten der betroffenen Rüstungsunternehmen deutlich gemacht, dass der Erhalt von Arbeitsplätzen in diesen Betrieben nicht die politischen und moralischen Grundsätze unserer Außen- und Friedenspolitik überwiegen kann und das alles gegen den wirklich harten Widerstand der Rüstungslobby. Ich finde, das ist eine starke Leistung des Bundeswirtschaftsministers.
Außerdem hat der Bundestag auf Antrag der Koalitionsparteien beschlossen, eine wesentlich größere Transparenz über die Genehmigungen herzustellen als bisher. So wird der jährlich umfangreiche Rüstungsexportbericht der Bundesregierung nunmehr bereits zum Sommer des Folgejahres veröffentlicht, nicht erst zu seinem Ende. Dazwischen erfolgen noch zeitnähere, halbjährliche Zwischenberichte. Davon unbenommen wird der Bundestag über jede einzelne abschließende Ausfuhrgenehmigung unverzüglich unterrichtet.
Es stimmt, noch sind die Ausfuhren nicht in dem Maße zurückgegangen, wie wir das wollen, und noch immer gibt es einzelne Ausfuhren, die wir eigentlich für falsch halten. Allerdings gehen diese
zumeist auf Genehmigungen zurück, die unter der alten Bundesregierung stattgefunden haben. Aber die Richtung der Politik der Bundesregierung ist klar und sie stimmt: Wir wollen und wir werden weniger Waffen in solche Länder exportieren, in die sie nicht hingehören.
In dieser Debatte soll es aber auch darum gehen, was wir in Hamburg tun können, um diese neue, restriktive Politik der Bundesregierung zu unterstützen. Von manchen gibt es den Vorschlag, den Hamburger Hafen symbolisch oder möglichst auch faktisch für Rüstungsausfuhren zu sperren. Ich habe bereits vor einem Jahr deutlich gemacht, dass ich symbolische Politik dann gut und richtig finde, wenn sie geeignet ist, auch tatsächliche Veränderungen zu befördern und nicht nur der Beruhigung des eigenen Gewissens dient.
Wir und der Senat haben uns zwischenzeitlich ausführlich mit der Frage befasst, ob eine solche Sperrung des Hafens rechtlich überhaupt möglich wäre. Sie ist es nicht. Aber selbst, wenn sie es wäre, müssen wir die Frage stellen, was damit gewonnen wäre. Wir Hamburger könnten uns vielleicht besser fühlen, aber würde dadurch auch nur ein einziges Gewehr oder eine einzige Patrone aus deutscher Produktion weniger in die Kriegsgebiete dieser Welt gelangen? Nein, das wäre nicht der Fall, selbst dann nicht, wenn alle deutschen Seehäfen es ebenso machen würden. Dennoch, und das will ich ausdrücklich sagen, halte ich das Engagement der Bürgerinnen und Bürger und auch der Hamburger Initiative natürlich weiterhin für sehr gut und sehr wichtig, denn es lenkt die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Thema, und das ist die beste Unterstützung, die sich Sigmar Gabriel und die SPD in der Bundesregierung wünschen können.
Deshalb wollen wir mit unserem Antrag auch genau das erreichen, nämlich mehr Öffentlichkeit herstellen. Wir wollen den bundesrechtlichen Rahmen voll ausschöpfen, um so viel Transparenz wie möglich über Rüstungsgüter im Hamburger Hafen herzustellen. Dieses Mehr an Transparenz, genau wie es der Bundestag auch beschlossen hat, wird zu einem Mehr an öffentlicher Aufmerksamkeit und damit zu einem Mehr an Unterstützung für eine restriktive Ausfuhrpolitik führen, und das ist die Zielsetzung, die wir damit verbinden.
Ich möchte daher an Sie alle appellieren, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam dafür eintreten, dass von Hamburg das klare Signal ausgeht: Hamburg unterstützt die Bundesregierung darin, die Rüstungsexporte zu begrenzen. Und Hamburg fordert die Bundesregierung auf, dies zu entscheiden und so konsequent zu betreiben wie möglich. Damit und mit dem Mehr an Transparenz in Hamburg tragen wir gemeinsam
dazu bei, dass es tatsächlich weniger Waffen und weniger Leid und Opfer in der Welt gibt. Darauf kommt es an und nicht auf kleinliche Geländegewinne im Wahlkampf. Lassen Sie uns gemeinsam dafür arbeiten. – Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde zu dieser Debatte gern noch vier Anmerkungen machen. Es wird oft kritisiert, dass die öffentliche Verurteilung durch Demonstrationen und Kundgebungen sich nur auf den Terroranschlag in Paris beziehe und uns der Rest der Welt gleichgültig sei. Das liegt natürlich maßgeblich an der Realität unserer Mediengesellschaft und sicher auch daran, dass Paris eine Hauptstadt in Zentraleuropa und uns sehr nahe ist. Aber unsere Verurteilung der Anschläge des Terrors, des fanatischen militanten gewalttätigen Islamismus gilt überall auf der Welt, ob er sich in Paris, in Syrien, dem Irak, in Nigeria, dem Kamerun oder anderswo gegen die dortige Bevölkerung richtet. Die Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen gegen Gewalt gilt global und sie ist unteilbar.
Zweite Anmerkung: Ich möchte einen Satz von Joachim Lux, dem Intendanten des Thalia-Theaters, zitieren. Er sagte bei der Kundgebung am 12. Januar auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz:
"Der Terrorakt von Paris war ein Anschlag gegen [den Islam und gegen] die Muslime."
Genauso wie das Massaker in Norwegen 2011, das der Attentäter Anders Behring Breivik im Namen des christlichen Abendlandes gegen 77 junge Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten verübte, eine Pervertierung der christlichen Werte dar
stellte, einen Anschlag auf den christlichen Glauben. Es darf keine religiöse Rechtfertigung für diese Taten geben, von keiner Religion. Terroristische Anschläge und Morde sind keine Religion, sondern sie sind Verbrechen.
Dritte Anmerkung: Dass sich die Anschläge auch gegen die Muslime richten, wird auch dadurch deutlich, dass sich die Repräsentanten der muslimischen Verbände und Gemeinden klar und deutlich von den Gewalttaten distanziert und sie verurteilt haben. Mit ihren Mahnwachen vor der "Hamburger Morgenpost" und dem "Spiegel" haben sie dafür ein glaubwürdiges Zeichen gesetzt. Wir Hamburgerinnen und Hamburger stehen zu unseren friedliebenden muslimischen und ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, und wir schützen sie in unserer Mitte.
Vierte Anmerkung: Die Pressefreiheit zu verteidigen, ist ausdrücklich die Verteidigung eines zentralen Grundrechts. Das bedeutet übrigens nicht, dass man alles gut finden muss, was beispielsweise die religiösen Gefühle von Menschen verletzt. Ich selber gehöre zu denen, die nicht jede provokative Satire gut finden,
aber ich werde mich immer dafür einsetzen, dass sie veröffentlicht werden kann. – Danke schön.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Hamburg hat so manche Besonderheit zu bieten. Das älteste politische Festmahl der Welt, die meisten Brücken aller Städte Europas, die drittmeisten Konsulate weltweit, die meisten Bäume in Deutschland
und die älteste Versicherung der Welt, nämlich die Hamburger Feuerkasse.
Ins Leben gerufen wurde sie übrigens von Brauereien, denn leider kann man mit Bier zwar bekanntlich den Durst löschen, aber nicht das Feuer. Welche immense Bedeutung eine solche Versicherung hat, zeigte sich vor allem nach dem großen Brand von 1842. Auch so dauerte es Jahrzehnte, Hamburg wieder aufzubauen, aber ohne die Absicherung durch die Feuerkasse wäre es noch weitaus schwieriger geworden.
Doch wenn wir uns heute für den Erhalt der Feuerkasse als Hamburger Institution einsetzen, dann tun wir das in erster Linie nicht aus historischen Gründen, denn auch heute, im 21. Jahrhundert, brauchen wir in Hamburg eine Versicherung mit einem gemeinwohlorientierten Charakter, die einen zuverlässigen Schutz für die Hamburgerinnen und Hamburger vor den existenziellen Folgen von Brandschäden bietet, für Gewerbetreibende, Immobilienbesitzer und Privatleute gleichermaßen.
Der besondere, gemeinwohlorientierte Charakter und die entsprechende Bedeutung der Feuerkasse liegen darin, dass sie Versicherungsschutz auch jenseits rein wirtschaftlicher Erwägungen anbietet. Niemand wird hier abgewiesen, nur weil es sich vielleicht nicht rechnen würde, ihn oder sie zu versichern. So bietet uns die Hamburger Feuerkasse eine höhere Sicherheit für Hamburgs Einwohner und Betriebe als der sonstige Versicherungsmarkt.
Dementsprechend groß ist daher auch heute noch das Vertrauen, das die Feuerkasse bei den Hamburgerinnen und Hamburgern genießt. Sie ist kundennah in den Stadtteilen und leistet mit ihren de
zentralen, lokal verwurzelten Strukturen eine schnelle und zuverlässige Schadensbearbeitung und Beratung, und, nicht zu vergessen, sie ist ein Ausbildungsbetrieb für zukünftige Fachkräfte im Versicherungsgewerbe.
Neben ihrem Versicherungsgeschäft übernimmt die Feuerkasse übrigens kulturelle und gesellschaftliche Aufgaben in unserer Stadt: die Versicherung der ehrenamtlichen Feuerwehrleute in ihrem Dienst für die Gemeinschaft durch die Trägerschaft der Hanseatischen Feuerwehr, Unfallkasse Nord, die Unterstützung der Brandschutzerziehung, die Förderung des Breitensports und die Aktion "Sattelfest", die die Sicherung von Schulkindern im Straßenverkehr fördert. Das alles sind wichtige soziale und gesundheitsfördernde Beiträge für die Menschen in unserer Stadt,
für die wir den Kolleginnen und Kollegen in der Feuerkasse bei dieser Gelegenheit ein großes Dankeschön aussprechen, das die Betriebsräte, die auch hier sind, gern ihren Kolleginnen und Kollegen weiterreichen sollten.
Trotz dieses besonderen Solidarauftrags ist die Feuerkasse kein defizitäres Unternehmen, ganz im Gegenteil. Sie ist modern aufgestellt, hat ihre Produktpalette gemäß den heutigen Anforderungen ausgeweitet, gewinnt weiter Kunden hinzu und erwirtschaftet Überschüsse. Und mancher von Ihnen wird vielleicht jetzt denken, wenn denn so vieles für eine öffentliche Versicherung in Hamburg spricht, warum hat der Senat sie dann vor 20 Jahren verkauft,
sodass sie heute Teil der Provinzial NordWest Holding ist. Die Antwort lautet: weil er von der EU im Zuge einer ihrer berühmt-berüchtigten Deregulierungsoffensiven dazu gezwungen wurde. So ist sie heute Teil eines öffentlichen Konzerns, in dem die Stadt Hamburg leider keinen direkten Einfluss mehr hat, im Gegensatz zu Schleswig-Holstein, das damals entschied, sich über seinen Sparkassen- und Giroverband sowie über einen öffentlichrechtlichen Vertrag Anteile und Einfluss zu sichern.
Den Löwenanteil besitzen heute der Sparkassenund Landschaftsverband Westfalen-Lippe mit je 40 Prozent. Dort will man offenbar in großem Stil Kosten reduzieren und denkt über eine Fusionierung und Zentralisierung in Münster nach, nachdem vor zwei Jahren bereits ein geplanter Verkauf an den Allianz-Konzern nur durch den massiven
Widerstand von Beschäftigten, Gewerkschaften und Politik verhindert werden konnte. Doch auch bei den jetzigen Plänen droht die Hamburger Feuerkasse als eigenständige Einheit mit ihrem besonderen Leistungsprofil und ihrer lokalen Verwurzelung zu verschwinden. Das lehnen wir entschieden ab, und das wollen wir mit aller Kraft verhindern. Hamburg braucht auch in Zukunft eine Feuerkasse, die dem Gemeinwohl verpflichtet ist und allen Einwohnern, Hausbesitzern und Betrieben gleichermaßen Sicherheit bietet. Wir fordern den Senat daher auf, sich auf politischer Ebene mit aller Kraft für die Sicherung der Hamburger Feuerkasse einzusetzen. – Danke schön.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der Debatte würde ich gern drei Feststellungen machen.
Erstens: Es ist richtig, dass die Privatisierung 1994 in der Verantwortung der SPD erfolgt ist.
Zweitens ist das aus meiner Sicht, und ich denke, aus der Sicht vieler meiner Mitstreiter in der Fraktion aus heutiger Perspektive ein Fehler gewesen.
Drittens: Ich freue mich darüber, wenn dieser Antrag trotzdem heute breite Unterstützung findet. – Danke schön.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gern meinen Redebeitrag beginnen mit einem Dankeschön nach drei Jahren Verhandlungen zwischen Senat und DGB über diesen Novellierungsentwurf. Diesen Dank richte ich zum einen an die Verhandlungskommission des DGB und stellvertretend an denjenigen, der die Verhandlungen dort geführt hat, den Kollegen Carlos Sievers, der heute gemeinsam mit der DGB-Vorsitzenden Katja Karger diesem Tagesordnungspunkt hier folgen wird. Aber ich richte den Dank gleichzeitig auch an den Senat, an Staatsrat Christoph Krupp, der auch in intensiven Verhandlungen mit dazu beigetragen hat, dass dieses Ergebnis jetzt vorliegt. Herzlichen Dank dafür.
Da wir heute zum zweiten Mal über unsere Gesetzesnovelle beraten und zwischendurch auch intensive Beratungen und Anhörungen in den zuständigen Ausschüssen stattgefunden haben, will ich nicht erneut unsere Reform im Einzelnen erläutern, sondern abschließend den grundsätzlichen Charakter und den weitreichenden Paradigmenwechsel dieser Reform hervorheben, denn dieses Gesetz ist nicht irgendein Gesetz. Es geht um Verwaltung, das stimmt, aber es geht in erster Linie um den politischen Geist in unserer Stadt und das politische Selbstverständnis dieser Stadt auch als Arbeitgeber ihrer Bürgerinnen und Bürger, ihrer Beschäftigten, ihrer gewählten Abgeordneten und ihrer Parteien. Man soll solche Begriffe nicht inflationär gebrauchen, aber diese Entscheidung heute ist aus meiner Sicht in der Tat für Hamburg eine historische Entscheidung. Wir beschließen heute nicht weniger, als unserer Stadt und unserer Verwaltung wieder jene demokratische Verfasstheit, jenen demokratischen Geist zurückzugeben, der ihr gebührt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir geben den rund 94 000 Beschäftigten im Dienste unserer Stadt wieder die Rechte zurück, in ihren ureigensten Angelegenheiten mitbestimmen zu können, die sie bis vor neun Jahren bereits schon einmal hatten. Und wir gehen noch weiter. Wir bauen die Mitbestimmungsrechte der Personalvertretungen weiter aus, wir schaffen ein zutiefst demokratisches und zugleich hochmodernes Mitbestimmungsrecht für Hamburg.
Wir schaffen heute mehr Demokratie in Hamburg – übrigens ist bei uns, wenn "mehr Demokratie" draufsteht, auch mehr Demokratie drin.
Wenn ich das sage, dann knüpfe ich ganz bewusst an das berühmte Leitmotiv von Willy Brandt an, denn das war damals nicht nur ein Slogan, sondern der pointierte Ausdruck der fundamentalen Veränderung der deutschen Gesellschaft, die damals nicht nur, aber ganz entscheidend auch von Sozialdemokraten und Gewerkschaften durchgesetzt wurde. Es war nämlich der Abschied vom alten, obrigkeitsstaatlichen Denken, vom elitären Dünkel, der Beginn der zweiten tiefgreifenden Demokratisierung der Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Kernelement der innerbetrieblichen und innerbehördlichen Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Heute spricht eine deutsche Kanzlerin und CDUVorsitzende wieder von der marktkonformen Demokratie und meint damit Beschleunigung, Deregulierung und Privatisierung, auch bei der Mitbestimmung. Diese Haltung prägt auch den Zusatzantrag der CDU-Fraktion. Das war und ist nicht unsere sozialdemokratische Grundauffassung vom Charakter unserer Gesellschaft einschließlich der Mitbestimmung. Wir wollen keine marktkonforme Demokratie, sondern eine demokratische Regulierung der Marktwirtschaft, auch im Bereich der Mitbestimmung.
Darum wollen wir auch keine Beschneidung demokratischer Mitbestimmungsrechte in Hamburg, wie sie in der letzten Novelle des Personalvertretungsrechts von 2005 ihren Ausdruck fand. Diese beruhte nämlich auf einem fundamentalen Irrtum, dem Irrtum, dass die Entscheidungen weniger Führungskräfte besser oder auch nur effizienter seien als Entscheidungen unter Einbeziehung und Partizipation der Betroffenen selbst. Wir wollen stattdessen mit der Demokratie nicht an der Behördentür haltmachen, denn wir wissen, dass notwendige Modernisierungen und Veränderungen nicht gegen, sondern nur mit den Beschäftigten durchgesetzt werden können. Die Beschäftigten sind die Experten ihrer eigenen Arbeit und Zusammenarbeit, und als solche werden wir sie ab heute auch gesetzlich wieder ernst nehmen.
Weil in den Debatten der letzten Monate in manchen Äußerungen von außen und vonseiten der Opposition, wie auch heute im Zusatzantrag der CDU, immer wieder dieses Misstrauen mitschwang, dass eine starke Mitbestimmung ein Bremsklotz für eine effiziente Verwaltung sei,
will ich noch einmal betonen, was auch die Hamburger DGB-Vorsitzende in ihrer Pressemitteilung schon wunderbar deutlich gemacht hat. Es ist genau anders herum, es gibt keinen größeren Bremsklotz für innovative und nachhaltige Entwicklungsprozesse als kritikresistente Eliten einerseits und demotivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter andererseits. Und es gibt auf der anderen Seite keinen größeren Schatz, kein größeres produktives und innovatives Potenzial als motivierte Mitarbeiter,
deren Kompetenzen wertgeschätzt werden, die ernst genommen und einbezogen werden.
Natürlich wird es zwischen Beschäftigten und ihren Personalräten einerseits und den Leitungsebenen andererseits auch immer wieder Konflikte geben, denn natürlich gibt es Interessenunterschiede, die sich aus dem jeweiligen Status und der jeweiligen Situation ergeben. Diese Interessengegensätze und Konflikte werden auch nicht einfach verschwinden, aber sie können im Rahmen einer entwickelten Mitbestimmung und Beteiligungskultur konstruktiv und auf Augenhöhe bearbeitet werden. Das macht den großen Unterschied, und daraus entsteht die Partnerschaft, die wir mit unserem Zusatzantrag
als Gebot in das Gesetz aufnehmen wollen, daraus entstehen gemeinsame Problemlösungen im Interesse aller.
Ich fasse zusammen: Unsere Hamburger Beschäftigten in Behörden, Ämtern, Schulen, Landesbetrieben, Körperschaften und Stiftungen leisten Tag für Tag eine hervorragende Arbeit für uns alle unter manchmal schwierigen Bedingungen und oft neuen Herausforderungen. Sie haben es verdient, dass wir sie ernst nehmen, dass wir ihrer Kompetenz, ihrer Verantwortlichkeit und ihrer konstruktiven Bereitschaft zur Mitgestaltung vertrauen. Sie haben es verdient, mitreden und mitentscheiden zu können. Deshalb bitte ich Sie alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, stimmen Sie diesem Gesetz zu. – Danke schön.
– Jedes Mal, wenn ich nach vorne gehe, wird Herr Ritter laut.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich will ansetzen bei dem, was Frau Föcking sagte. Es stimmt, hier ist bei unserer SPD-Fraktion ein Nerv getroffen worden, weil es um die Hamburger Jugendlichen und um ein
zentrales Reformprojekt unserer Fraktion geht. Bevor ich auf die Inhalte eingehe, will ich ein paar Worte zu dem Stil sagen, in dem dieser Antrag geschrieben worden ist und in dem auch diese Pressekonferenz abgehalten wurde. Hier handelt es sich um ein zentrales Reformprojekt der SPD. Es wird diskreditiert,
es wird in dem Antrag über den Bürgermeister und über den Schulsenator gelästert, sie würden nur Jugendberufsagenturen einweihen und verbindliche Berufsorientierung an den Schulen fordern. Die Situation der Jugend in Hamburg wird als verheerend gekennzeichnet, und das Regierungshandeln wird als Wahlbetrug bezeichnet. Auf dieser Spur wird dann Stimmung gemacht und es werden populistische Forderungen präsentiert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, dieser Stil und diese Strategie ist keine demokratische Streitkultur, sondern ein Angriff darauf, und wir als SPD-Fraktion werden Ihnen das nicht durchgehen lassen.
Natürlich haben wir noch nicht für jeden einen Ausbildungsplatz, sondern oft erst eine Anschlussperspektive. Die Welt ist eben nicht so einfach, wie die LINKE sie sich gern malt nach dem Motto, wir beschließen mal kurz in der Bürgerschaft eine Ausbildungsumlage, und wenn das nicht reicht, dann schaffen wir ein paar fehlende Ausbildungsplätze im öffentlichen Dienst. Aber das löst nicht das Problem. Die Ausbildungsumlage ist eine langjährige Forderung der Gewerkschaften, und es gibt dazu auch sozialdemokratische Beschlüsse. Aber die rechtlichen Hürden sind hoch, und die Wirtschaft würde mit einer breiten Abwehrstrategie auf diese Umlage reagieren und vor die Gerichte ziehen.
Daher halten wir es für richtig, dieses Instrument eher branchenbezogen und nur als letztes Mittel einzusetzen, wie wir es bei der Altenpflege gemacht haben und wie es auch in der Bauwirtschaft bereits über Tarifverträge praktiziert wird. Aber die Ausbildungsprobleme müssen wir bei den Jugendlichen heute lösen, und dafür braucht es kluge und differenzierte Politikkonzepte und keine nicht zu Ende gedachten Schnellschüsse, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Diese klugen und differenzierten Politikkonzepte hat der Senat in den letzten drei Jahren entwickelt und mit ihrer Umsetzung begonnen. Auf die Jugendberufsagentur und die Berufsorientierung ist hier schon eingegangen worden.
Zum Hamburger Ausbildungsmodell hatten sich 2013 333 Jugendliche angemeldet, von denen waren 200 im Programm, und es stehen 470 Plätze zur Verfügung. Im Hamburger Ausbildungsplatzprogramm gibt es über 1000 Plätze, und es wird gerade abgestimmt, ob hier nachgesteuert werden soll. Bei der Ausbildungsvorbereitung "AV-Dual" können Jugendliche Erfahrungen in der betrieblichen Praxis machen, und in der Beratungsstelle Teilzeitausbildung wird jungen, alleinerziehenden Müttern bei der Vermittlung geeigneter Ausbildungsplätze für ihre besondere Lebenssituation geholfen.
Das sind nur wenige Beispiele einer breiten Palette von differenzierten und zielgruppenbezogenen Angeboten, die individuell und bedarfsgerecht ausgerichtet sind. Das sind keine Warteschleifen und das ist auch kein Wahlbetrug, sondern das sind Maßnahmen, die passgenau und flexibel auf die Lebenssituation der betroffenen Jugendlichen eingehen und zugleich an den aktuellen Rahmenbedingungen der Ausbildung in der Wirtschaft ausgerichtet sind. Das ist kluge Bildungs- und Ausbildungspolitik, die den jungen Menschen hilft.
Nach drei Jahren Bildungs- und Ausbildungspolitik dieses Senats können wir ohne Übertreibung feststellen: Zum ersten Mal in der Hamburger Nachkriegsgeschichte wird eine breite Brücke geschlagen von den Schulen in unserer Stadt in eine Berufsausbildung. Auf dieser Brücke geht keiner verloren, sondern alle werden mitgenommen. Manchmal werden sie auch abgeholt, begleitet und individuell gefördert. Das ist eine Pionierleistung für die Zukunft der Jugend in unserer Stadt, und es ist das Verdienst dieses Senats und seines Ersten Bürgermeisters, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Es muss jetzt darum gehen, das nicht schlechtzureden, sondern alle Kräfte, auch die der Wirtschaft und des Handwerks, zu sammeln und zusammenzuführen, damit jeder in dieser Stadt eine persönliche Chance bekommt. Das ist unser Ziel, und an diesem Ziel halten wir fest, auch wenn solche Anträge vorgelegt werden. – Danke schön.
Ich wusste es. Wenn ich nach vorne gehe, dann macht Herr Ritter immer, bevor ich ein Wort gesagt habe, einen Zwischenruf.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann den letzten Satz von Christiane Schneider voll unterstreichen: Gehen Sie wählen und sorgen Sie für eine andere Mehrheit im Europäischen Parlament.
Ich bin auch sehr dafür, dass wir die Situation des Wahlkampfes nutzen, um diese Debatte in diesem Parlament zu führen, wie auch immer sie motiviert ist. Aber man kann keiner Fraktion und keiner Partei absprechen, dass sie auch diese Debatte, die mittlerweile einen großen öffentlichen Charakter bekommen hat, dafür nutzen, wenige Tage vor der Wahl um Stimmen zu werben.
Aber was wir sehen und hören, ist doch wieder das übliche Politikspiel, wie wir es bei solchen Themen auch in der Bürgerschaft kennen. DIE LINKE nimmt eine fundamentalistische Gegenposition ein, das Ganze soll ersatzlos gestoppt werden.
Die GRÜNEN gehen nicht ganz so weit, sie sagen, stoppen, aber wieder neu anfangen. Die CDU nimmt die fundamentalistische Gegenposition ein, vergisst die Risiken und nimmt nur eine Pro-Position ein. Und die FDP macht 200 Prozent von dem, was die CDU gemacht hat.
Und die Sozialdemokratie
hat die einzige wirklich differenzierte Position in dieser Frage.
Deswegen ist es auch so notwendig, dass die Sozialdemokratie gerade bei solchen Themen in dieser Bürgerschaft die absolute Mehrheit hat, weil sie damit diese differenzierte Position durchsetzen kann.
Zu den einzelnen Punkten. Es war aus unserer Sicht ein sehr großer Fehler, dass nicht nur der Eindruck entstand, sondern wohl auch tatsächlich Geheimverhandlungen stattgefunden haben und Transparenz und Beteiligung klein geschrieben wurden zu Beginn dieser Verhandlungen.
Wir müssen fordern – und das ist jetzt auch durch die öffentliche Debatte nach vorn gekommen –, dass es hier mehr Transparenz und mehr demokratische Beteiligung gibt, dass Grundregeln der Demokratie nicht außer Kraft gesetzt werden dürfen. Diese öffentliche Kritik hat auch dazu geführt, dass dies durchgesetzt wurde. Das ist ein positiver Punkt, nicht nur von der differenzierten Sozialdemokratie, sondern von allen Parteien, die das gefordert haben, insbesondere von der LINKEN und den GRÜNEN; das stimmt schon.
Als Reaktion auf die öffentliche Kritik an den intransparenten Verhandlungen hat übrigens die EUKommission einen Beirat aus 15 Vertretern, unter anderem von Gewerkschaften, Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen, eingerichtet, der im Januar 2014 seine Arbeit aufgenommen hat.
Ich komme noch einmal auf den aktuellen Wahlkampf zurück. So habe ich gestern von unserem Spitzenkandidaten Martin Schulz gehört, dass er den Stellenwert dieses Themas ganz nach oben bringen will und dass er es zur Chefsache macht. Ich hätte auch von dem jetzigen Kommissionsprä
sidenten gefordert, dass er diese Frage nicht als eine Frage unter vielen anderen betrachtet, sondern zu einer Chefsache macht, denn das wird der Bedeutung dieses Themas gerecht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Die sozialdemokratische Position zu TTIP ist klar und übereinstimmend in der Fraktion im Europäischen Parlament, bei Martin Schulz, bei der SPD auf Bundesebene, bei der Bundesregierung, soweit Sigmar Gabriel dafür zuständig ist und dafür spricht, bei der Hamburger SPD mit einem klaren Landesparteitagsbeschluss dazu, bei der SPDFraktion in der Bürgerschaft und auch beim Senat. Und diese Position hat eine ganze Reihe von wesentlichen Punkten. Handelsabkommen können grundsätzlich positiv sein, wenn sie den Handel erleichtern und dadurch Wachstum und Arbeitsplätze fördern. Deshalb sind Verhandlungen über TTIP grundsätzlich in Ordnung. Dabei muss jedoch stets das Primat demokratischer Gestaltungsmacht gegenüber Freihandelsdoktrin und Konzerninteressen gewahrt werden.
Soll ich mich noch einmal melden? Okay.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin noch einmal nach vorne gegangen, um ein paar Anmerkungen zu den Redebeiträgen von Frau Schneider und Frau Fegebank zu machen. Im aktuellen EU-Wahlkampf unterstellen sowohl DIE LINKE als auch die GRÜNEN der SPD in gewissem Sinne Heuchelei beim Thema TTIP.
Ich habe es etwas schärfer ausgedrückt, aber so ist es manchmal gemeint. Wenn wir dies öffentlich kritisierten, würden wir in Wahrheit allem zustimmen; so ist es vorgetragen worden. Ich will Ihnen an zwei Punkten deutlich machen, dass das falsche Bewertungen und falsche Behauptungen sind.
Erstens: Die Fraktion im Europäischen Parlament hätte 2013 dem Verhandlungsmandat zugestimmt. Das ist falsch, denn das Mandat als solches stand im Europäischen Parlament überhaupt nicht zur Abstimmung, es wurde allein vom Ministerrat erteilt. Zugestimmt hat die S&D-Fraktion im Europäischen Parlament hingegen einer im Handelsausschuss des Europäischen Parlaments vorbereiteten Resolution, mit der das Europäische Parlament der Kommission für die Verhandlungen klare inhaltliche Leitplanken vorgegeben hat. Diese Resolution beinhaltet übrigens einen Gutteil der von mir vorhin genannten sozialdemokratischen Anforderungen an TTIP. Die alternativ von den GRÜNEN eingebrachte Resolution ging lediglich in Einzelpunkten darüber hinaus, was aber nicht mehrheitsfähig war. Das ist ein Punkt, wo ich empfehle, nicht populistisch zu argumentieren, sondern bei der Wahrheit zu bleiben.
Der zweite Punkt betrifft das Thema der Gerichtsbarkeit: Die Fraktion im Europäischen Parlament hätte am 16. April 2014 mit Annahme des sogenannten Zalewski-Berichts bereits den ISDS-Regelungen beim TTIP zugestimmt. Das ist falsch, denn beim Zalewski-Bericht geht es um die Klärung von Zuständigkeiten zwischen der EU und ihren Mitgliedsstaaten bezüglich bereits bestehender ISDSRegelungen in diversen bilateralen Handelsabkommen, nachdem die Kompetenz für Handelsfragen
mit dem Lissabon-Vertrag von 2009 vollständig an die EU übergegangen war.
Auch an diesem Punkt empfehle ich, genau hinzusehen und nicht aus Wahlkampf- und populistischen Gründen etwas Falsches zu erzählen.
Unterm Strich ist es so: Die SPD ist dafür zu verhandeln mit klaren inhaltlichen Vorgaben, einer öffentlichen Kontrolle und am Ende einer offenen Abstimmung im Lichte dieser Vorgaben. Die GRÜNEN sind dafür zu verhandeln, aber sie wollen damit ganz neu bei null beginnen und alles, was bisher gelaufen ist, in den Orkus schicken. DIE LINKE ist dafür, überhaupt nicht zu verhandeln, sondern grundsätzlich kein Handelsabkommen abzuschließen. Ich bleibe dabei: Die sozialdemokratische Position ist die differenzierteste und die, die den Menschen und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern am ehesten nützt.
Dann will ich noch einmal eine Anmerkung machen zu dem mehrfach vorgetragenen Punkt, die Sozialdemokratie würde vielstimmig in dieser Frage reden. Das ist so, wir sind eine Volkspartei, wir sind ein bisschen breiter aufgestellt als Sie.
Und wir haben in unserer Partei unterschiedliche Schwerpunkte, unterschiedliche Mentalitäten, ganz viele verschiedene Interessen, die wir zusammenführen müssen. Wir sind als SPD eine Partei mit einem breiten Spektrum, das macht den Charakter einer Volkspartei aus. Sie werden davon ausgehen müssen, dass wir, wenn wir unseren innerparteilichen demokratischen Prozess in dieser Frage weitergeführt haben, und wenn es notwendig ist, gemeinsam und geschlossen zu einer Position zu kommen, im Interesse der Menschen und im Interesse der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen dies auch vertreten und umsetzen werden. – Danke schön.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 14. April 2011 haben wir als neue Regierungsfraktion als eine unserer ersten Initiativen nach der Wahl den Antrag eingebracht, die Verschlechterungen im Personalvertretungsrecht des öffentlichen Dienstes durch die damalige CDU-Regierung zu beseitigen und die Mitbestimmung der Personalräte wieder auf ein angemessenes Beteiligungsniveau zu stellen. Der Abbau der Mitbestimmung durch die absolute CDUMehrheit von Ole von Beust war 2006 ein derber Anschlag auf die demokratischen Arbeitnehmerrechte von immerhin 94 000 Beschäftigten bei der Stadt,
bei ihren Anstalten, Stiftungen und Körperschaften öffentlichen Rechts sowie ihren LHO-Betrieben. Es war und ist dringend Zeit, diesem Demokratiedefizit wieder ein Ende zu setzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Im Wahl- und im Regierungsprogramm der SPD hatten wir versprochen – Zitat –:
"Der öffentliche Dienst ist für unser Gemeinwesen unverzichtbar. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt leisten engagierte Arbeit. Sie haben Anspruch auf faire Arbeitsbedingungen. Die SPD steht zur Mitbestimmung im öffentlichen Dienst. Mit einer Novelle des Personalvertretungsgesetzes werden wir die Personalvertretung stärken. Die Personalräte sollen wieder als Partner bei der Organisation einer guten Verwaltung wahrgenommen werden und effektive Mitspracherechte erhalten."
Diese Aufgabe haben wir uns im Frühjahr 2011 vorgenommen, und die Novellierung des Hamburgischen Personalvertretungsgesetzes
wird ein weiterer Teil unseres Pakets "Versprochen und gehalten" werden, das wir den Bürgerinnen und Bürgern am Ende dieser Wahlperiode präsentieren können.
Bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs ist der Senat nach dem Prinzip Gründlichkeit vor Schnelligkeit vorgegangen.
Während es ein grundsätzliches Einvernehmen über die Notwendigkeit gab, die Mitbestimmung zu stärken, wurde drei Jahre lang mit den Gewerkschaften über viele Einzelthemen verhandelt, und zwar nicht Top-down, sondern auf Augenhöhe. Jeder Vorschlag wurde ausdiskutiert und natürlich musste dabei in vielen Punkten auch ein Interessenausgleich erreicht werden. Das Besondere im öffentlichen Dienst ist eben, dass es auf beiden Seiten ein Demokratiemandat gibt. Die Personalräte und ihre Gewerkschaften vertreten die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, und der gewählte Senat hat ein Mandat zur Umsetzung seines Regierungsauftrags. Das respektieren auch die Gewerkschaften, wenn es in einer Überschrift ihres Flugblatts dazu heißt: Bei grundsätzlichen Entscheidungen hat die Politik Vorrang. Ich wäre dankbar, wenn so manch andere Gruppierung in unserer Stadt genauso selbstverständlich den Vorrang des demokratisch legitimierten politischen Mandats anerkennen würde.
Unser Demokratieverständnis als SPD zielt darauf, dass die Erfahrungen, Kompetenzen und Potenziale der Beschäftigten in die Gestaltung der Arbeitsprozesse und ihrer Ergebnisse einfließen und diese dadurch besser und produktiver werden. Sie selbst sind die Experten der Arbeit. Mit dem Prinzip der innerdienstlichen Allzuständigkeit schaffen wir die Grundlage für eine Beteiligungskultur, die diese gegenseitige Verantwortung neu begründet und herstellt, und für uns sind Personalräte dabei keine Konkurrenten, sondern natürliche Partner, die sich bei der Interessenvertretung der Beschäftigten gegenseitig unterstützen und ergänzen.
Ganz anders sieht das zum Beispiel der CDU-Abgeordnete Trepoll. Ist er noch da?
Er forderte 2011 in der Debatte die Emanzipation der Personalräte aus den Händen der Gewerkschaften und kritisierte, die SPD mache sich zum Erfüllungsgehilfen der Gewerkschaften und Berufsverbände. Ich finde, wer so argumentiert oder bes
ser gesagt polemisiert hat wirklich nichts begriffen und befindet sich immer noch auf dem obrigkeitsstaatlichen Trip des "Teile und herrsche".
Liebe Kollegen Trepoll und Niedmers, fragen Sie doch einmal bei Ihren Fraktionskollegen in Schleswig-Holstein nach, wie die es im Rahmen des Bundesverfassungsgerichtsurteils hinbekommen haben, jahrzehntelang gut mit Mitbestimmungsregeln klarzukommen, die Sie in Hamburg gekippt haben und deren Einführung Sie nun bekämpfen.
Im Übrigen gehören die Spitzen der Hamburger CDU in Partei und Fraktion meines Wissens auch zur Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft CDA.
In deren Grundsatzprogramm steht zu lesen:
"Das Personalvertretungsrecht muss dem Modernisierungsprozess im öffentlichen Dienst angepasst werden. Umstrukturierungen […] können […] nicht einseitig zulasten der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen durchgeführt werden. Die zurzeit geltenden Beteiligungsrechte im Personalvertretungsrecht werden diesem Anspruch nicht gerecht und müssen insbesondere mit Blick auf die Mitbestimmungstatbestände erheblich erweitert werden."
Genau das tun wir mit unserem Gesetzentwurf. Und Sie sollten gegenüber Ihren eigenen Grundsätzen glaubwürdig bleiben und uns dabei unterstützen.
Jede Hoffnung habe ich allerdings bei der FDP verloren. Für sie ist mehr Mitbestimmung bei den Beschäftigten im öffentlichen Dienst – Zitat FinnOle Ritter als frischgebackener Abgeordneter im April 2011 –:
Ja, das kommt gleich. Hören Sie einmal zu, was Sie gesagt haben.
"Ein Einfallstor für rückwärtsgewandte Vorstellungen"
Und weiter Originalton:
"Die SPD selber hat nach der Wahl in Rekordzeit ihre Masken fallen lassen und outet sich durch ihre Klientelpolitik aus den Tiefen der Recyclingtonne. Ein paar Wochen später macht sich diese […] Fraktion bereits zum Büttel von Gewerkschaftsfunktionären, die
die Stadt als Beute für ihre Klientel betrachten."
Klatschen Sie ruhig noch dafür.
Mit dieser Haltung, die an das Westerwelle-Zitat zu den Gewerkschaften als "Plage für unser Land" erinnert, stellen Sie sich selbst ins demokratische Abseits.
Herr Ritter, zuhören.
Übrig bleibt Ihr Alleinstellungsmerkmal. Sie kennen sich aus mit Klientelparteien.
Vonseiten der GRÜNEN und der LINKEN gehe ich von einer grundsätzlichen Unterstützung der Gesetzesinitiative aus, wenngleich die GRÜNEN sich während ihrer schwarz-grünen Regierungszeit nicht um eine Korrektur des Gesetzes gekümmert haben. Kersten Artus bitte ich, sich die Forderung nach einem Gesamtpersonalrat für die Freie und Hansestadt Hamburg noch einmal zu überlegen, denn das wird aus guten Gründen von den Gewerkschaften und Personalräten in Hamburg nicht gefordert.
Ich will zum Schluss noch eine grundsätzliche Anmerkung machen. Der Gesetzentwurf ist ein gründlich erarbeiteter Kompromiss, bei dem beide Seiten es sich in den Verhandlungen nicht leicht gemacht haben und mehrfach gegenseitig über ihren Schatten gesprungen sind. Natürlich gibt es bei einigen betroffenen Führungsebenen Befürchtungen, mehr Mitbestimmung würde zu größeren Hürden und zu weniger Effektivität führen. Natürlich gibt es auf Gewerkschafts- und Personalratsseite in einzelnen Punkten noch weitergehende Forderungen. Wir werden diese Themen noch einmal bei einer Expertenanhörung miteinander diskutieren. Aber meine Bitte und die Bitte meiner Fraktion an alle Beteiligten ist: Lassen Sie uns dafür sorgen, dass bereits die Beratung dieses Gesetzes in dem Geist erfolgt, den wir uns zukünftig auch für die Beteiligungs- und Verantwortungskultur in den Dienststellen des öffentlichen Dienstes in Hamburg wünschen. Dazu gehören aus meiner Sicht drei Grundsätze.
Erstens: Die Mitbestimmung ist ein wesentliches Element von guter Arbeit. Sie steht nicht im Gegensatz zu Produktivität und Effizienz, sondern stärkt sie.
Zweitens: Wer einen leistungsorientierten öffentlichen Dienst will, muss die Beschäftigten mit ins Boot holen,
denn der öffentliche Dienst kann nur mit den Beschäftigten und nicht gegen sie modernisiert werden.
Drittens: Mitbestimmung und Mitverantwortung sind die Grundpfeiler unserer demokratischen Zivilgesellschaft. Dabei kommt dem öffentlichen Dienst im normativen wie im kulturellen eine Vorbildfunktion zu. Dazu wollen wir mit der Novellierung dieses Gesetzes beitragen und hoffen auf eine konstruktive Beratung im Ausschuss. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liege Kolleginnen und Kollegen! Auf die Symbolik des heutigen Tages im Zusammenhang mit Artikel 26 Absatz 2 unseres Grundgesetzes wurde eben schon hingewiesen. Dort steht:
"Zur Kriegsführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz."
Das ist der Text dieses Absatzes 2. Ich denke, das ist auch der Grund, warum die "Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!" unter der Schirmherrschaft von Margot Käßmann heute zu einem Aktionstag in Berlin aufruft und auch in Hamburg eine Initiative von Hauptpastor Christoph Störmer von der Petri-Kirche die Fraktionen der Bürgerschaft aufruft, sich einer offenen Debatte über die Rüstungsexporte aus dem Hamburger Hafen zu stellen.
Ich finde, dass es, unabhängig von der eigentlichen Zuständigkeit des Bundes und unabhängig von den schwierigen Einzelfragen, die in dieser Debatte zu klären sind, in jedem Fall ein positives und unterstützungswertes friedenspolitisches Zeichen ist, wenn es außerhalb der Parlamente zivilgesellschaftliche Initiativen gibt, die sich kritisch mit dem Export von Rüstungsgütern auseinandersetzen. Darum begrüßen wir als SPD-Fraktion diese offene Debatte sehr und werden uns an ihr beteiligen.
Die Schaffung und Erhaltung des Friedens, die Kontrolle und Begrenzung von Rüstung im eigenen Land, in Europa und weltweit ist ein altes sozialdemokratisches Anliegen, für das sozialdemokratische Bundesregierungen in den vergangenen Jahrzehnten viel erreicht haben. Die Kontrolle und Begrenzung von deutschen Rüstungsexporten durch die Formulierung klarer Richtlinien ist von sozialdemokratischen Bundesregierungen eingeführt und immer wieder aktualisiert und verschärft worden, zuletzt im Jahr 2000 unter Rot-Grün. Auch die aktuellen sozialdemokratischen Bundesminister werden sich aktiv für Frieden, gewaltfreie Konfliktlösung und Abrüstung einsetzen. Frank-Walter Steinmeier hat dazu gerade einen wichtigen und bedeutsamen Beitrag geleistet und Sigmar Gabriel hat sich jüngst deutlich für eine Begrenzung der deutschen Waffenexporte ausgesprochen, denn Helmut Schmidt, der hier eben schon prominent zitiert worden ist, hat vollkommen recht, wenn er unlängst in der "Zeit" geschrieben hat, dass das Wirtschafts- und Arbeitsplatzargument, so ernst wir es als Partei der Arbeit auch nehmen, nicht allein ausschlaggebend sein darf bei diesem Thema. Dort, wo Waffen aus Deutschland absehbar Leid und
Tod von unbeteiligten Zivilisten verursachen können, dürfen sie nicht hingelangen.
(Beifall bei der SPD und bei Farid Müller GRÜNE Doch Helmut Schmidt hat ebenso recht, wenn er sagt, dass nicht die Formulierung von Richtlinien und Gesetzen allein entscheidend ist, sondern es vor allem auf ihre ernsthafte und verbindliche Um- setzung ankommt. Wir werden daher die Anträge zur weiteren Beratung an den Ausschuss überwei- sen, auch wenn wir bezüglich der konkreten Vor- schläge zum Teil skeptisch sind. (Norbert Hackbusch DIE LINKE: Wo sind Sie nicht skeptisch?)
Denn wer sich die gültigen, im Jahre 2000 von der rot-grünen Bundesregierung formulierten Grundsätze und Richtlinien zum Kriegswaffenexport einmal genau anschaut, der wird feststellen, dass es ihnen keineswegs an Schärfe und Präzision fehlt. Daher sind wir skeptisch, ob es helfen wird, diese Regelungen noch einmal in andere Gesetze hineinzuschreiben. Was vielmehr in den zurückliegenden Jahren im Wirtschaftsressort der Bundesregierung wohl manches Mal gefehlt hat, war der Wille, diese Richtlinien bei der Erteilung der konkreten Ausfuhrgenehmigungen auch wirklich konsequent anzuwenden.
Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag der Großen Koalition unmissverständlich festgeschrieben, dass diese strengen Grundsätze für die Genehmigungspraxis der Bundesregierung wieder real verbindlich werden. Konkret bedeutet das, dass Waffenexporte in Länder und Regionen, in denen Menschenrechtsverletzungen oder Bürgerkriege herrschen, nicht infrage kommen.
Es gibt jedoch neben der Frage der Genehmigungskriterien ein weiteres Problem, und das ist die Kontrolle darüber, wo die Waffen am Ende tatsächlich hingelangen und wie sie dort möglicherweise zum Einsatz kommen. Der Dokumentarfilm "Waffen für die Welt" in der ARD hat darauf erst vorgestern Abend deutlich hingewiesen. Deshalb ist Helmut Schmidt ein drittes Mal recht zu geben: Gerade die sogenannten Kleinwaffen drohen – das ist eben schon erwähnt worden – aufgrund ihrer schieren Menge heute tatsächlich Massenvernichtungswaffen zu werden. Deshalb müssen Wege gefunden werden, ihren Endverbleib schärfer zu kontrollieren. Wenn sich namhafte deutsche Rüstungsunternehmen Verstöße gegen klare Begrenzungen in Genehmigungen zuschulden kommen lassen, dann darf es keine Ausreden geben,
dann muss dies konsequent verfolgt und geahndet werden.
Dabei ist es in der Tat wichtig, die Rüstungsexporte raus aus der Dunkelheit und stärker ins Licht der Öffentlichkeit zu holen. Aber auch das haben wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben: mehr Transparenz durch schnelle und regelmäßige Berichterstattung gegenüber dem Bundestag.
Ich will abschließend noch eine Anmerkung zu der eingangs erwähnten Initiative einiger prominenter Hamburger machen, die den Hamburger Hafen als Umschlagplatz in den Fokus nimmt. Ich bin durchaus ein Anhänger politischer Symbolik und gelegentlich auch symbolischer Politik, nämlich immer dann, wenn sich durch symbolische Handlungen faktische Veränderungen bewirken oder zumindest voranbringen lassen. Aber wenn es unser gemeinsames Ziel ist, Rüstungsexporte zu begrenzen und ihre Genehmigung an klare Kriterien zu binden, dann reicht es nicht, wenn der Transport von Waffen mit erteilter Ausfuhrgenehmigung von einem Hafen in den nächsten deutschen oder europäischen Hafen verschoben wird. Von daher muss es bei dieser Frage um die Rahmenbedingungen auf Bundesebene und auf europäischer Ebene gehen. Das ist auch die Stoßrichtung im Antrag der GRÜNEN.
Deswegen ist es gut, dass wir die Debatte am heutigen Tag mit diesem symbolischen Datum auf den Weg bringen, und wir freuen uns auf die sachliche Diskussion im Ausschuss. – Schönen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte eingangs gern zu dem Beitrag von Herrn Haufler sagen, dass ich es schon bemerkenswert fand, wie man einen ganzen Beitrag lang ausschließlich darüber reden kann, wie man Unterstützung verhindern und nicht gewähren kann. Für mich hat das ein Stück weit gezeigt, dass es sicherlich sehr schwierig ist, mit Ihnen, jedenfalls hier in Hamburg, zusammen eine Integrationspolitik zu betreiben,
die geprägt ist von einer Willkommens- und Integrationskultur.
Ich habe mich gefreut, dass Cansu Özdemir in Richtung der sozialdemokratischen Fraktion in diesem Hause gesagt hat, dass es unsere Bundesregierung sei und es deswegen eigentlich selbstverständlich sei, dass das, was wir wollen, nun auch in Hamburg automatisch über die Große Koalition auf Bundesebene umgesetzt werden könne. Schön wäre es, aber wir sind schon in der Situation, dass wir unsere Hamburger Interessen in diesem Punkt noch deutlich machen müssen und wir insbesondere die CDU und die CSU auf Bundesebene dazu veranlassen müssen, mehr sozialdemokratische Politik zu betreiben, die wir in den Ländern brauchen. Von daher brauchen wir den Druck und auch die Kontrolle der Länder über den Bundesrat.
In den vergangenen Monaten ist in der Öffentlichkeit angesichts der Debatte über die sogenannten Lampedusa-Flüchtlinge von der Opposition mehrfach und bewusst der Eindruck geschürt worden, die SPD und der Senat würden herzlos und abweisend gegenüber den Flüchtlingen handeln; das ist auch heute von Frau Demirel noch einmal so dargestellt worden.
Der Antrag und auch der Redebeitrag von Kazim Abaci zeigen, dass sich der Senat mit großer Anstrengung darum bemüht, für die inzwischen mehr als 10 000 Flüchtlinge in Hamburg Unterbringung, Versorgung und Akzeptanz herzustellen und ihnen geregelte und faire Anerkennungsverfahren zu bieten. Damit wird ein weiteres Mal deutlich, wie falsch dieses Zerrbild vom herzlosen SPD-Senat ist und wie richtig und wichtig es ist, eine kluge und solidarische Flüchtlingspolitik zu betreiben. Für uns gehören Humanität und Rechtsstaatlichkeit untrennbar zusammen, und zwar im Reden und im Handeln.
Was wir nicht unterstützen werden, ist eine Instrumentalisierung von Flüchtlingen oder Flüchtlingsgruppen für populistische Ziele. Der Rahmen für eine liberale und humane Flüchtlingspolitik ist unser Rechtsstaat. Es kann nicht nur darum gehen, ein Bleiberecht für alle zu fordern, sondern man muss sich auch darum kümmern, was aus den Menschen wird, wenn sie sich hier über längere Zeit oder sogar für immer aufhalten.
Deshalb haben wir Sozialdemokraten auch im Koalitionsvertrag für den Bund einige zentrale Maßnahmen für mehr und bessere Integration durchgesetzt: den Wegfall des Optionszwangs bei der Staatsbürgerschaft, den Ausbau der Sprach- und Integrationskurse, eine dauerhafte Aufenthaltsregelung für lange hier lebende, geduldete Menschen, einfachere Aufenthaltserlaubnisse für Jugendliche und Heranwachsende, den Vorrang des Jugendhilferechts für jugendliche, unbegleitete Flüchtlinge und den Zugang für Asylbewerber und Geduldete zum Arbeitsmarkt nach bereits drei Monaten.
Mit unserem Antrag wollen wir nun aus Hamburg den Druck dafür aufrechterhalten, dass diese Maßnahmen rasch umgesetzt werden und dass darüber hinaus weitere Verbesserungen kommen, wie etwa die Ausweitung der Integrationskurse auf 600 Stunden.
Wir wollen die rechtlichen Möglichkeiten extensiv ausnutzen, die zivilgesellschaftlichen Möglichkeiten für humanitäre Solidarität gegenüber den Flüchtlingen unterstützen und fördern und gegenüber der Bundesregierung und der EU Reformen und die Durchsetzung humanitärer Standards einfordern. Das ist unsere demokratische, unsere so
zialdemokratische Flüchtlingspolitik, und die ist nicht herzlos, sondern sie ist menschlich, solidarisch und auch politisch fortschrittlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich habe in diesem Zusammenhang an die Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion eine besondere Bitte. Sprechen Sie mit Ihren Abgeordneten in Ihrer Bundestagsfraktion, mit Weinberg, Fischer, Gundelach, Kruse und Klimke. Sie sollen endlich die rechtspopulistische Stimmungsmache ihrer Fraktionskollegen aus Bayern gegen Armutszuwanderung und Sozialtourismus von Bulgaren und Rumänen zurückweisen. Die Parole "Wer betrügt, der fliegt" ist nichts anderes als eine zynische und kalkulierte Parole im Kommunalwahlkampf der CSU. Diese Parole ist ein schwerer Verstoß gegen die Grundsätze der demokratischen Kultur in unserem Land.
Diejenigen, die aus Armut und wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit fliehen, kommen hierher auf der Suche nach Arbeit und nicht mit dem Vorsatz, Sozialhilfe einzustreichen.
Eine solche Unterstellung verletzt boshaft den Stolz und die Würde dieser Menschen und sie zeigt, dass diejenigen, die so etwas behaupten, keine Ahnung von der Würde und dem Selbstverständnis dieser Menschen haben. Sogar nach einer Studie des arbeitgebernahen Instituts Deutscher Wirtschaft ist die Zuwanderung für Staat und Wirtschaft von Vorteil. Die Arbeitgeber weisen die CSU darauf hin, Immigranten finanzierten unsere Sozialsysteme und seien von daher ein wichtiger Teil für die Zukunft unserer Wirtschaft und unseres Arbeitsmarktes. Unter den zugewanderten Arbeitskräften ist mit rund 42 Prozent ein größerer Teil sozialversicherungspflichtig beschäftigt als unter den in Deutschland Geborenen, bei denen es 35,5 Prozent sind. Das bedeutet, dass die Zuwanderer den deutschen Sozialstaat nicht belasten, sondern im Gegenteil mitfinanzieren und stützen.
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, sollten Sie Ihren Parteifreunden im Bundestag einmal deutlich sagen, damit wir in Deutschland eine Willkommenskultur entwickeln und keine Ausgrenzungskultur. – Schönen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Man kann nicht jeden Unsinn unkommentiert stehen lassen.
Kollege Golke, wenn in Erfurt eine Friseurin 3,50 Euro verdient, dann kann es sein, dass das mit oder ohne Tarifvertrag der Fall ist – in aller Regel aber eher ohne Tarifvertrag.
Wenn es mit Tarifvertrag der Fall ist, dann war die Durchsetzungskraft derjenigen, die den Tarifvertrag verhandelt und am Ende abgeschlossen haben, zu schwach, um zu erreichen, dass ein existenzsichernder Lohn dabei herausgekommen
ist. Dieser Koalitionsvertrag hat erreicht, dass das Gehalt innerhalb von zwei Jahren von 3,50 auf 8,50 Euro – man kann noch einmal kurz nachrechnen, wie die Spanne aussieht – aufgestockt werden muss, um 2017 8,50 Euro zu erreichen. Es wird nicht so sein, dass zwei Jahre länger 3,50 Euro gezahlt werden muss. Die Gewerkschaften waren klug genug zu erkennen, dass das für viele Branchen und Bereiche die Voraussetzungen dafür schafft, dass die Tarifbindung, die es bisher nicht gibt, hergestellt werden kann. Das ist ein Riesenfortschritt und hat neben einer Reihe anderer Punkte, die zum Thema Ordnung auf dem Arbeitsmarkt gehören, dazu beigetragen, dass die Gewerkschaften geschlossen gesagt haben: Stimmt diesem Koalitionsvertrag zu, er nützt den Arbeitnehmerinnen in Ost und West und insbesondere den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die zum Beispiel als Friseurin zurzeit 3,50 Euro bekommen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will zu dieser Debatte über den Koalitionsvertrag und das, was hier dazu gesagt worden ist, gern drei Bemerkungen machen. Die erste Bemerkung bezieht sich auf Frau Suding und das, was sie zum Thema Mindestlohn erzählt hat. Wir führen seit vielen Jahren Debatten, auch hier im Hause, über das Thema Mindestlohn. Und wenn man sich nach diesen Debatten hinstellt und sagt, dieser Vertrag, in dem der Mindestlohn vereinbart worden ist, richte sich gegen die Menschen, gegen die Arbeitnehmer und insbesondere gegen die mit niedrigen Löhnen,
dann ist das nicht nur eine intellektuelle Entgleisung, sondern darüber hinaus eine Provokation von insgesamt 160 000 Menschen in dieser Stadt, die von dieser Entscheidung profitieren, die sich freuen
und die am Ende des Monats die Möglichkeit haben, mit mehr Geld ihre Existenz zu sichern. Ich finde, diese Entgleisung sollten Sie zurücknehmen,
im Zweifel sich bei diesen Menschen entschuldigen.
Ich kann jedenfalls auch als Gewerkschafter nur sagen – und das tue ich nicht allein, sondern wir haben von allen Gewerkschaften positive Rückmeldungen bezüglich dieses Koalitionsvertrags –, dass dieser Koalitionsvertrag unter den Bedingungen, die nach diesem Wahlergebnis möglich waren, ein Vertrag ist, der genau bei den schwierigen Punkten, die wir in der Vergangenheit diskutiert haben – Leiharbeit und so weiter, der Bürgermeister hat das aufgezählt –, in erheblichem Maße dafür sorgt, dass die Ordnung auf dem Arbeitsmarkt wiederhergestellt wird, und der nicht den Arbeitsmarkt durcheinanderbringt, wie Sie es gesagt haben.
Meine zweite Bemerkung richtet sich an DIE LINKE, weil ich das Gefühl habe – jedenfalls hat das Ihre Fraktionsvorsitzende ausgeführt –, dass Sie die SPD dafür kritisieren, das Wahlprogramm nicht hundertprozentig durchgesetzt zu haben.
Dora, du bist Lehrerin und du kannst rechnen.
Wir haben ein Wahlergebnis von 42 Prozent für die CDU und 25 Prozent für die SPD, und wir haben ein Verhältniswahlrecht in Deutschland. Wenn man dann das Wahlergebnis ins Verhältnis setzt zu dem, was bei den Koalitionsverhandlungen herausgekommen ist – ich will nicht noch einmal alles aufzuzählen –, dann ist das mehr als 25 Prozent im Verhältnis zu 42 Prozent. Das ist ein gutes Verhandlungsergebnis, auch wenn es nicht 100 Prozent unserer Forderungen beinhaltet. Das ist kein Wortbruch, sondern ein gutes Verhandlungsergebnis, auf das wir stolz sein können.
Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Herr Rose, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Heyenn?
Ja, gern.
Das war die Frage? – Ich glaube jede Bürgerin und jeder Bürger dieses Landes, die die Verhandlungen beobachtet haben, wissen, dass es einen zentralen Punkt für die SPD gegeben hat und einen zentralen Punkt für die CDU. Der hieß bei der CDU: keine Steuererhöhungen und bei der SPD: gesetzlicher allgemeiner Mindestlohn.
Von daher ist doch klar – und das weiß doch jeder, deswegen muss man hier nicht ein solches Theater aufführen –, dass wir das nicht haben durchführen können.
Ich will aber noch einen sehr ernsten Punkt ansprechen, der daraus resultiert, dass ich in den letzten Tagen ferngesehen habe.
Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Herr Rose, bitte kommen Sie zum Schluss.
Einen Satz noch. Ich fand es unerträglich, dass ich im Fernsehen hören musste, dass ein neugewählter Bundestagskandidat der LINKEN gesagt hat, der Bürgermeister dieser Stadt sei ein Rassist. Ich finde, das muss korrigiert und zurückgenommen werden. Das gehört sich nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt gehört, dass es um eine Auseinandersetzung geht, bei der die Wirtschaftsbosse gegen das Volk stehen. Deswegen will ich ein paar Anmerkungen zur Sichtweise von Gewerkschaften und Betriebsräten auf das Thema "Netzetotalrückkauf" machen.
Natürlich gibt es bei den 200 000 organisierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Hamburg unterschiedliche Auffassungen in einer solchen politischen Frage. Gewerkschaften sind jedoch keine Parteien, sondern insbesondere den Interessen der betroffenen Beschäftigten verpflichtet. Die Betriebsräte und Gewerkschaften im Energiesektor haben sich eindeutig positioniert: Sie lehnen das Abenteuer des Totalkaufs ab und haben beschlossen, die Verträge des Senats mit Vattenfall und E.ON zu unterstützen.
Sie haben in Betriebsversammlungen darüber diskutiert, und viele von ihnen werden sich in den nächsten Wochen an der Aufklärungskampagne in der Hamburger Öffentlichkeit beteiligen. Ich rate der GRÜNEN Fraktion, aber vor allem der LinksFraktion, die sich sonst immer gern als Unterstützerin von Gewerkschaften und Betriebsräten darstellt, sich ebenso wie bei Schlecker und bei Neupack auch bei diesem Volksentscheid an die Seite der betroffenen Kolleginnen und Kollegen zu stellen.
Aber auch andere Betriebsratsvorsitzende und Gewerkschaften haben sich in einer Broschüre zu Wort gemeldet, und zwar vom Flughafen, von Aurubis, vom HHLA-Terminal Altenwerder, von der Barmbeker Asklepios-Klinik und vom UKE. Der in Gewerkschaftskreisen hochangesehene Ex-Chef der IG Metall Küste, Frank Teichmüller, erklärte in aller Deutlichkeit – Zitat –:
"Geld kann man nicht zweimal ausgeben. Investitionen in Neue Energie sind dringender als der Besitz von Leitungen."
Zitatende.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ablehnung des Volksentscheids durch führende Gewerkschafter und Betriebsräte sollte den Befürwortern zu denken geben. Die Auseinandersetzung mit den Arbeitgebern in den Energieunternehmen ist das alltägliche Geschäft der Interessenvertretungen. Aber, der Bürgermeister hat es gesagt, es arbeiten dort auch heute noch viele langjährige Kolleginnen und Kollegen von HEW und Hein Gas, und sie sind stolz darauf, seit Jahrzehnten die Energieversorgung der Hamburgerinnen und Hamburger die ganze Woche hindurch und von morgens bis abends zu sichern. Darum sollten die GRÜNE Fraktion, die Links-Fraktion und die Initiatoren des Volksentscheids wissen, dass die öffentliche Beschimpfung von Vattenfall und E.ON auch diese Kolleginnen und Kollegen trifft. Es reicht nicht aus, Emotionen zu schüren,
sondern man muss mit Sachargumenten überzeugen, und das ist der Volksinitiative bei den Interessenvertretungen der Arbeitnehmer offensichtlich bisher nicht gelungen.
Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind über ihre Gewerkschaften übrigens auch drittelparitätisch in der Handwerkskammer vertreten und haben sich aktiv an der dortigen Meinungsbildung beteiligt. In einem einstimmigen Beschluss, also auch mit den Stimmen der Arbeitnehmerbank, hat die Vollversammlung sich für die Ablehnung des Volksentscheids entschieden.
Nun hat der Kollege Kerstan es für richtig gehalten, den Beschluss der Handwerkskammer in einem offenen Brief zu kritisieren und dafür vom Präsidenten Katzer die passende Antwort erhalten. Es ist schlicht falsch, der Handwerkskammer und damit auch den dortigen Arbeitnehmern vorzuwerfen, sie hätten sich keiner sorgfältigen Prüfung der Argumente unterzogen, das Gegenteil stimmt. Bereits im März 2012 hat sich die Handwerkskammer in einem bemerkenswerten dreiseitigen Beschluss der Vollversammlung gegen die Volksinitiative ausgesprochen. Es folgten Beratungen in zwei Ausschüssen und jetzt eine erneute Beschlussfassung in der Vollversammlung – immer einstimmig. Ich finde es, ehrlich gesagt, Jens Kerstan, schon einigermaßen frech, der Handwerkskammer fehlendes Demokratieverständnis vorzuwerfen.
Ebenso daneben ist die Kritik an der dortigen Podiumsdiskussion. Die Handwerkskammer lädt als
neutralen Sachverständigen Dr. Engelsing, den Direktor beim Bundeskartellamt, ein, und Kollege Kerstan erklärt in seinem offenen Brief kurzerhand diesen Direktor zu einem Gegner der Rekommunalisierung. Lieber Jens Kerstan, das ist ein manipulativer Umgang mit dem Rechtsstaat, der völlig inakzeptabel ist.
Man kann über die Pflichtmitgliedschaft streiten, aber in dieser Frage würde es mich wundern, wenn die Reaktion genauso ausgefallen wäre, hätte die Handwerkskammer umgekehrt entschieden.
– Das passt gut, nicht wahr?
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte den zweiten Beitrag unserer Fraktion dazu nutzen, mich mit einigen Positionen der Oppositionsfraktionen auseinanderzusetzen. Ich fange einmal mit der größten Oppositionsfraktion an, der CDU. Sie haben sich schon vorher öffentlich in einer Pressemitteilung geäußert, wo gleich drei Fraktionsmitglieder ihre Meinung zu diesem Thema zum Ausdruck gebracht haben. Frau Dr. Föcking erklärte in ihrer Pressemitteilung, die CDU setze sich für faire Löhne und gegen Lohndumping ein, und Frau Prien ergänzte, es bestehe die Gefahr, dass bei willkürlich festgelegten Mindestlöhnen Geringqualifizierte nur schwer einen Einstieg in den Arbeitsmarkt fänden. Ein Arbeitsplatz, der sich nicht trägt, entfalle, entgleite in die
Schattenwirtschaft oder werde ins Ausland verlagert.
Da rufen Sie auch noch, das sei richtig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, das ist die typische Argumentation zur Unterstützung von Lohndumping und Niedriglöhnen und gegen einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn.
Wissen Sie eigentlich, welches die am schlechtesten bezahlten Tätigkeiten in unserem Land sind? "Bild.de" hat sie aufgezählt, und ich sehe die dort Beschäftigten schon samt ihrer Betriebe unser Land verlassen und mit ihrer Tätigkeit ins Ausland fliehen: die Textilreiniger und Büglerinnen, die Gebäude- und Fensterreiniger, die Zimmermädchen in Hotels und die Raumpflegerinnen in Büros, die Wachleute in Gebäuden und Parkhäusern, die Köche und Küchenhilfskräfte im Hotel- und Gaststättengewerbe, die Floristinnen und Arzthelferinnen und auch die Verkäuferinnen und viele andere mehr. Armutslöhne gibt es in Deutschland fast ausschließlich in ortsgebundenen und einfachen Dienstleistungsbereichen für Personen, Privathaushalte und Unternehmen, und zwar vorwiegend in Tätigkeitsbereichen, in denen überwiegend Frauen arbeiten.
Darum sind Armutslöhne keine soziale Maßnahme zur Integration von Arbeitslosen, sondern sie eröffnen eine Lohndumpingspirale nach unten, und sie sind somit schlicht das Ergebnis einer unsozialen Fehlentwicklung auf dem Arbeitsmarkt, die in einer sozialen Marktwirtschaft durch einen gesetzlichen Mindestlohn korrigiert werden muss.
Ja, gerne.
Das weiß ich und ich weiß auch, dass die Gewerkschaften ihn
abgeschlossen haben. Ich hätte auch die Friseurinnen heute noch einmal aufzählen können.
Natürlich gibt es eine ganze Reihe von Berufen und Tätigkeiten, bei denen wir bundesweit ein Spektrum von angefangen bei 3,15 Euro bis 10 Euro haben, weil es einfach tarifungebundene Betriebe gibt, die sich nicht an Tarifverträge halten. Deswegen ist es dringend notwendig, dass ein gesetzlicher Mindestlohn auch für die Bereiche, in denen Tarifverträge vorhanden sind, gelten muss. Das ist in Ihrem Modell nicht der Fall.
Ja, gerne.
Sie wissen doch ganz genau, Herr Wersich, dass dieses eine Debatte ist,
und das hat der Senator eben ausführlich dargestellt, in der es einen Zusammenhang gibt zwischen dem, was an Defizit und Blockade auf Bundesebene vorhanden ist, und dem, was wir für unseren Bereich erst einmal klarstellen. Und dass sich das daran orientiert, was für Vorstellungen wir haben, die dann auch ausgeweitet werden können, das ist der Zusammenhang, und den sollten Sie auch kapieren.
Der CDU-Vorschlag für eine allgemeine Lohnuntergrenze wird das Problem der deutschen Armutslöhne nicht lösen.
Nun schreien Sie nicht dauernd dazwischen, hören Sie sich das einmal in Ruhe an.
Der CDU-Vorschlag für eine allgemeine Lohnuntergrenze wird das Problem der deutschen Armutslöhne nicht lösen. Der Vorschlag von Frau von der Leyen ist völlig unzureichend. Die CDU will eine allgemeine Lohnuntergrenze ausschließlich in den Bereichen, in denen keine Tarifverträge existieren. Diese Regelung bietet einen Anreiz für viele Unternehmen, sich Pseudogewerkschaften als Partner für Hungerlohntarifverträge zu suchen oder selbst solche zu gründen. Was Herr Scheele eben gesagt hat, war ein Beispiel dafür, und die werden dann bei Gericht für nicht zuständig erklärt. Solche Entwicklungen kennen wir aus der Leiharbeit und von den Briefzustellern. Der CDU-Vorschlag verhindert deshalb nicht, dass weiterhin Millionen von Menschen für Hungerlöhne arbeiten müssen. Ihr Slogan "Sozial ist, was Arbeit schafft" ist eben nicht ausreichend. Er muss heißen: Sozial ist, was gute Arbeit schafft oder jedenfalls solche, von der man leben kann.
Die CDU, die GRÜNEN und die LINKE fordern in ihren Zusatzanträgen alle eine Mindestlohnkommission. Die CDU nennt sie fälschlicherweise sogar Tarifkommission, um ihr den Anstrich von Tarifautonomie zu verleihen. Eine solche Kommission ist in dem eingegrenzten Geltungsbereich in Hamburg nicht erforderlich. Auf Bundesebene halten wir die Einbeziehung der Tarifparteien natürlich für sinnvoll und notwendig, aber die Übertragung der Letztentscheidung auf einen Schlichter lehnen wir ab. Es handelt sich beim Mindestlohn letztendlich um ein Gesetz, und da werden wir uns als Sozialdemokraten nicht vor der politischen Verantwortung eines Gesetzgebers drücken, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich will noch ein Wort zur LINKEN sagen, die sich immer gerne als die Gewerkschaftspartei darstellt.