Protocol of the Session on June 5, 2019

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(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Das Wort bekommt Herr Gamm von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Senator Kerstan sprach von einem Fanal des Handelns. Diese Superlative kennen wir schon von den Fahrverboten, bei denen von einem bundesweiten Maßstab für ganz Deutschland gesprochen wurde. Das soll aber im Grunde genommen nur, wie Sie selbst es angesprochen haben, über die Gefahr

des Glaubwürdigkeitsverlusts hinwegtäuschen. Sie haben nämlich Angst, dass Sie die in Sie gesetzten Erwartungen – das ist aufgrund der letzten Wahlergebnisse deutlich geworden – gar nicht erfüllen können. Das ist sehr gerechtfertigt, denn man muss feststellen, dass Sie de facto fünf Jahre geschlafen haben. Ich möchte Ihnen kurz zwei Punkte in Ihrem Koalitionsvertrag ins Gedächtnis zurückrufen. Darin steht, Wedel solle nicht ertüchtigt werden. Der Koalitionsvertrag stammt aus dem Jahre 2015. 2016 sind meines Wissens schon einmal über 80 Millionen Euro in dieses Kraftwerk investiert worden. Dadurch, dass Sie so lange nicht entschieden haben, werden Sie die Abschaltung natürlich noch viel länger hinauszögern. Das wird dazu führen, dass Sie, wenn die BREF-Richtlinien in nationales Recht umgesetzt werden, möglicherweise noch mit ganz anderen zusätzlichen Zahlungen rechnen müssen. Das kommt nämlich de facto fast dem Neubau eines Kraftwerks gleich. Das ist ein finanzielles und völlig unkalkulierbares Risiko.

Zweiter Punkt: Sie haben in Ihren Koalitionsvertrag geschrieben, die Entscheidung, wie das Wärmekonzept in der Zukunft aussehen soll, solle spätestens Ende 2015 getroffen werden – Ihre Formulierung: Die Entscheidung darf nicht später getroffen werden. Wir gehen mit großen Schritten auf Ende 2019 zu, und Sie haben es noch immer nicht geschafft. Sich jetzt so hinzustellen, als hätten Sie mit dieser Entscheidung einen Maßstab für ganz Deutschland entwickelt, ist wirklich absolut absurd.

(Beifall bei der CDU, der FDP und vereinzelt bei der AfD)

Völlig schräg wird es insofern, als Sie die Klimaziele, die Sie sich für 2025 gesetzt haben, sogar schon früher hätten erreichen können. Es gab nämlich einen gemeinsamen Konzeptvorschlag von Vattenfall und der HGV, also einem öffentlichen Unternehmen der Stadt Hamburg. Mit diesem Konzept wäre es zum damaligen Zeitpunkt möglich gewesen, die Klimaziele vor 2025 zur erreichen, und es wäre sogar eine Umrüstung von Tiefstack auch zu 2025 möglich gewesen, absurderweise also das Ziel, das auch die Volksinitiative gefordert hat. Das haben Sie natürlich kategorisch abgelehnt.

Dann zum Thema, welche Lösung jetzt wirklich Sinn macht. Was mir wirklich missfällt, ist, dass Sie – ich habe schon einmal darüber gesprochen – die Zielhierarchie einfach getauscht haben. Sie sagen immer, der Kohleausstieg rette das Klima. Wir sagen: Wir müssen uns doch anschauen, mit welchen Maßnahmen man den größten CO2-Einspareffekt erzielt. Das ist doch der entscheidende Punkt. Der BUND hat in einer Studie ermittelt, dass ungefähr 9 Prozent des CO2-Anteils der Stadt Hamburg aus der Wärmeerzeugung entstehen – 9 Prozent. Jetzt müssen wir uns doch überlegen, wie diese immense Summe – und Sie wollen jetzt

(Dr. Monika Schaal)

noch einmal über eine Milliarde Euro investieren – am intelligentesten eingesetzt werden kann, um den größten Wirkhebel zu realisieren. Das Ganze in ein 300-Millionen-Euro-Kraftwerk hineinzubringen, was eben keinen CO2-Vorteil zur zusätzlichen Auskopplung von der Wärme aus Moorburg bringt, ist doch volkswirtschaftlich und auch für das Klima vollkommen unlogisch.

(Beifall bei der CDU, der FDP und vereinzelt bei der AfD)

Frau Sparr, wenn Sie uns und auch der FDP vorwerfen, wir wollten keinen Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung, dann muss ich sagen: Sie bauen ein Gaskraftwerk und haben selbst gesagt, es werde auf lange Zeit noch Erdgas sein. Das ist natürlich ein fossiler Energieträger. Also ich weiß nicht, welcher Kompass bei Ihnen gerade verdreht ist, aber Sie zementieren doch gerade die fossile Verbrennung.

(Beifall bei der CDU)

Wir sagen klar: Wir wollen, dass Wedel so schnell wie möglich abgeschaltet wird. Dafür muss man in den sauren Apfel beißen und die bereits bestehende Kapazität des Kraftwerks Moorburg nutzen und diese sehr schnell herunterfahren. Was alles könnten Sie mit den 300 Millionen Euro machen, die Sie jetzt in dieses Sinnloskraftwerk investieren wollen. Darüber sollte man nachdenken.

(Beifall bei der CDU)

Frau Schaal, zum Argument der CO2-Bepreisung: Interessant ist, dass Sie folgendermaßen argumentieren: Wenn man die Wärmeerzeugung aus Moorburg nimmt, ist das Kohle und teurer. Aber dass Sie im Gegenzug 300 Millionen Euro für ein Sinnloskraftwerk finanzieren müssen, blenden Sie in Ihrer Kalkulation völlig aus.

(Dr. Monika Schaal SPD: Sie sind ein elendi- ger Demagoge!)

Also da bitte ich doch darum, den Fokus insgesamt einmal zu erweitern. Dann kommen wir sicherlich zu vernünftigeren Lösungen. Aber so, wie das hier läuft, bringt uns das in dieser Stadt nicht weiter. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Wort bekommt Herr Jersch von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Senator hat gesagt, man müsse jetzt tun, was man tun kann. Das scheint nicht besonders viel zu sein, zumindest angesichts der Möglichkeiten einer Stadt, der die Kohlekraftwerke gehören, der das Netz gehört und die – ich versuche es jetzt einmal anders zu formulieren – nicht zu den ärmsten Kommunen Deutsch

lands und Europas gehört. Aber vielleicht ist da noch ein bisschen Olaf Scholz im Senat, der 2017 nach Paris, wo schon ganz andere Zielzahlen genannt wurden, in dieser Bürgerschaft gesagt hat, das ehrgeizige Ziel sei, dass es nur eine 2-GradErderwärmung gibt. Der Zwischenruf des Kollegen Tjarks dazu war: Das wird schwer. Ja, anscheinend ist es zu schwer, in dieser Stadt genug zu erreichen.

Um noch einmal auf Wedel zurückzukommen: 25 Millionen Euro Investitionen für ein Jahr Laufzeitverlängerung war die Zahl, die Senator Kerstan im Oktober 2018 in der Haushaltsausschusssitzung kundgetan hat. 25 Millionen Euro, die letztendlich jetzt – und es wird länger als ein Jahr ertüchtigt – der Energiewende in Hamburg fehlen. Das geht nicht.

(Beifall bei der LINKEN und bei Michael Kru- se FDP)

Wenigstens sind die damals von Ihnen ins Spiel gebrachten reinen Heizkessel ab 2021 und die Vorstellung, es könnte Ausnahmegenehmigungen für das Kraftwerk geben, vom Tisch. Ich habe aber das Gefühl, dass Ausstieg 2025 noch irgendwo in Ihren Papieren stehen musste und dass man die Abschaltung von Wedel noch einmal bis 2025 verlängert hat, damit zumindest dieses Datum irgendwo drinsteht. Sorry, anders als fassungslos kann man das nicht mehr zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie sind in dieser Frage in der Tat planlos und haben, wie die Kollegin Sparr bestätigt hat, zu spät mit Ihrer Planung angefangen. Nicht nur wir, sondern noch ganz andere Organisationen fordern 2025; da können Sie sich sicher sein. Ich sehe, unser Zusatzantrag wirkt schon. Wir werden nicht mit CDU und FDP in einen Hut bezüglich unserer Ablehnungsgründe beziehungsweise unseres Stimmverhaltens geworfen. Nein, wir werden diesen Antrag mit einer Enthaltung abstimmen

(Jens-Peter Schwieger SPD: Hey! – Dr. Mo- nika Schaal SPD: Das ist ja wirklich der letz- te Hammer!)

trotz aller Kritik, die wir gebracht haben.

(Ekkehard Wysocki SPD: Sie sind ja ein richtiger Fuchs!)

Es ist wichtig, Ihnen von Rot-Grün deutlich vor Augen zu führen, dass Sie angesichts Ihrer Möglichkeiten klimapolitisch versagt haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn einige männliche Redner hier den Hamburger Energietisch mit der LINKEN verwechseln, dann möchte ich das noch einmal klarstellen.

(Dr. Monika Schaal SPD: Da passt auch kei- ne Briefmarke dazwischen!)

(Stephan Gamm)

Wenn es um das Sammeln von Geldern für die Klage gegen die Südvariante beziehungsweise die Elbtrasse geht, dann ist es eines Ihrer Mitglieder aus der Regierungskoalition, das da am meisten Geld reinsteckt.

(Dr. Monika Schaal SPD: Ja, wissen wir alle schon!)

Das müssen wir einmal ganz deutlich festhalten. Seien Sie nicht so scheinheilig.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich kann an dieser Stelle deutlich sagen, dass wir den weiteren Prozess konstruktiv unterstützen werden, weil das Klima kein Klein-Klein verträgt. Nichtsdestotrotz werden wir es sein, die ihren Fuß immer wieder auf das Gaspedal drücken werden, damit dieser Ausstieg so schnell wie möglich für Hamburg, für das Klima und für die Menschen kommt. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Kruse von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Das ist schon eine etwas ermüdende Debatte. Warum ist diese Debatte ermüdend?

(Dr. Monika Schaal SPD: Weil Sie schon wieder da vorn stehen!)

Weil mehrere Rednerinnen und Redner aus den Regierungsfraktionen nicht in der Lage sind, auf neue Argumente einzugehen, offensichtlich nicht in der Lage sind, unsere Anträge überhaupt nur zu lesen und inhaltlich entsprechend zu würdigen. Wenn dann der Umweltsenator in diese Debatte geht, um der Opposition Hochnäsigkeit vorzuwerfen, dann wird das wirklich sehr, sehr schief.

Herr Senator, ich möchte Ihnen einmal sagen, was hochnäsig ist. Es ist hochnäsig, dass dieses Parlament nicht einmal in der Lage gewesen ist, den Gesetzentwurf, den Sie mit der Volksinitiative ausgehandelt haben, angemessen zu beraten. Wir haben ihn am selben Tag, an dem er im Ausschuss behandelt werden sollte, per Hoppla-hopp-Verfahren vorgelegt bekommen. Er ist nachträglich auf die Tagesordnung genommen worden. Hochnäsig ist es, dieses Parlament in einer so wichtigen Angelegenheit nicht angemessen zu beteiligen.

(Beifall bei der FDP)

Hochnäsig ist es, das dreckigste Kohlekraftwerk der Republik zu verlängern, das Kraftwerk in Tiefstack viel später umzurüsten und sich dann hierhin zu stellen und so zu tun, als würde man das Ganze tun, um das Klima zu retten. Sie tun genau das Gegenteil. Sie schädigen damit das Klima über das notwendige Maß.

(Beifall bei der FDP, der CDU und bei Ha- rald Feineis AfD)

Es ist hochnäsig, uns vorzuwerfen, wenn wir sagen, die Leitung müsse gebaut werden … Herr Tjarks, ich habe in den letzten anderthalb Jahren zu dem Thema nie gesagt, die Leitung unter der Elbe müsste nicht gebaut werden. Wir haben von Ihnen immer gefordert, die Leitung endlich zu bauen, weil wir schon im Jahr 2015 wussten, dass wir die Leitung unter der Elbe brauchen würden. Wir haben Ihnen gesagt: Bauen Sie endlich die Leitung. Herr Kerstan, wenn Sie sich dann hier hinstellen und Vertretern der LINKEN oder des Energietischs oder anderer Volksinitiativen oder wie auch immer die Menschen organisiert sind, vorwerfen, dass sie demokratische Rechte in Anspruch nehmen, nämlich gegen eine Leitung zu klagen, dann, muss ich sagen, wird es wirklich sehr grotesk.