Protocol of the Session on August 14, 2019

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Das Wort bekommt Herr Thering von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der 9. November 1989 ist ein Tag, der uns allen in Erinnerung bleibt. Es ist ein Tag der Freude, es ist ein Tag des Glücks. Auch wenn ich selbst damals erst fünf Jahre alt war und mich natürlich persönlich nicht mehr daran erinnern kann, bewegen mich die Bilder heute aus Dokumentationen zu dem genannten Datum immer noch zutiefst: Die strahlenden Gesichter der Tausenden Menschen, die sich in die Arme fielen, die Freudentränen, die flossen.

Der Fall der Berliner Mauer kam in dem Moment zwar plötzlich, aber nicht völlig unerwartet. Tausende DDR-Bürgerinnen und -Bürger gingen zu den damaligen Montagsdemonstrationen friedlich auf die Straße, kämpften für Freiheit und gegen die Unterdrückung des SED-Regimes. Am Abend des 9. November 1989 war es dann endlich so weit, die Menschen haben ihre Freiheit zurückbekommen. Viele Hamburgerinnen und Hamburger haben ihre Wurzeln im Osten, und wir sind glücklich darüber, dass wir mit diesen Menschen heutzutage völlig selbstverständlich hier bei uns in dieser tollen Stadt leben dürfen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD und der FDP)

Der Mauerfall zeigt uns deutlich, dass wir Dinge zum Guten wenden können und die Kraft zum Gestalten haben. Das ist auch aktuell noch immer ein Signal in weite Teile der Welt, wo viele Menschen in verschiedenen Regionen kämpfen müssen um Freiheitsrechte und Menschenrechte, die dort leider immer noch mit Füßen getreten werden. Und deshalb ist es von zentraler Bedeutung, dass wir dieses tolle Jubiläum des Mauerfalls würdigen und gebührend feiern. Dafür gibt es in Berlin in den kommenden Monaten zahlreiche Veranstaltungen, von Gedenkveranstaltungen über Konzerte, Ausstellungen, Kinofilm, geführte Busführungen, aber auch Bootsführungen und Fahrradtouren. Berlin ist immer eine Reise wert, das wissen wir als Politiker, und Berlin ist vor allem auch der Ort des Geschehens. Aus diesem Grund halten wir den Antrag der AfD für absolut überflüssig. Es ist richtig und wichtig, dass wir dieses wichtigen

(Glocke)

und tollen Tags gedenken, aber Ihr Antrag ist mal wieder überflüssig, und deshalb werden wir ihn ablehnen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt, Sie ahnen es, Herr Gögge von der GRÜNEN Fraktion für zwei Minuten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als jemand, der seine ersten Lebensjahre auf der nicht demokratischen Seite der deutsch-deutschen Grenze verbracht hat, ist es mir ein besonderes Anliegen, zu diesem Thema zu sprechen. Umso mehr ärgert mich, dass hier wieder einmal ein Antrag vorliegt aus der Kategorie "Hört sich gut an, ist aber Murks". Was spricht also gegen die Zustimmung?

Erstens: Wir haben den 14. August, und die AfD möchte in wenigen Wochen einen Staatsakt stattfinden lassen.

Zweitens: Auch die Herren dort rechts außen haben sicherlich bemerkt, dass in der Bundeshauptstadt zahlreiche Veranstaltungen und Ausstellungen stattfinden, die sich mit Mauerbau, mit Teilung unseres Landes, dem Kalten Krieg und der friedlichen Revolution von 1989 beschäftigen und die das 30. Jubiläum des Mauerfalls angemessen würdigen. Generell kann es aus meiner Sicht auch nicht richtig sein, dass die Bundesländer zentral verantwortlich sein sollen für die großen Jubiläen bundesweit relevanter Ereignisse.

Drittens: Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass die AfD dieses geschichtsträchtige Datum 9. November herausheben will, aber eben nur, um eines einzigen Ereignisses dieses Tages zu gedenken. Kann eine große Party am Jahrestag der Reichspogromnacht eigentlich angemessen sein?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Schlussendlich können wir der AfD nicht durchgehen lassen, ausgerechnet die friedliche Revolution von 1989, die aus dem Drang nach Menschenrechten, nach Mitbestimmung und nach Bewegungsfreiheit entstanden ist, für sich zu vereinnahmen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und bei Ole Thorben Buschhüter SPD)

Was für ein Hohn, meine Damen und Herren. Was für ein Hohn ist das für die Aktivistinnen und Aktivisten der friedlichen Revolution, der demokratischen Wende, ausgerechnet von denen gefeiert zu werden, die genau für das Gegenteil stehen. Diesen Antrag kann man einfach nur ablehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Das Wort bekommt Frau Özdemir von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Thering, Sie waren fünf Jahre alt, ich war gerade einmal ein Jahr alt. Es ist nicht einfach, wenn man einen historischen Moment nicht miterlebt hat, darüber zu sprechen, aber natürlich hat man Gedanken dazu, weil man sich mit der Geschichte auseinandergesetzt hat. Meine Generation, vielleicht auch Ihre Generation, symbolisiert das neue Deutschland: das Deutschland nach der Wiedervereinigung, aber auch das Deutschland, das so ist, wie es heute ist, nämlich anders, eben auch mit vielen Menschen, die zugewandert sind. Und uns beschäftigen dann auch die Fragen: Was ist eigentlich nach der Wiedervereinigung passiert? Welche Fragen sind offengeblieben? Welche Perspektiven gab es denn wirklich für die Menschen? Welche Hoffnungen und Wünsche wurden erfüllt, für die Menschen im Osten, aber auch für die Menschen im Westen? Ist wirklich in den letzten 30 Jahren eine deutsche Einheit gewachsen oder erleben wir momentan eine Gesellschaft, die immer weiter auseinanderdriftet, weil sie bestimmte Enttäuschungen erlebt hat? Das sind Fragen, die meine Generation beschäftigen, aber eigentlich vor dem Hintergrund des Erstarkens der AfD auch die gesamte Bundesrepublik beschäftigen sollten.

(Beifall bei der LINKEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Meine Vorredner haben es gesagt, es gibt eine Kommission, die momentan die Feierlichkeiten vorbereitet. In Leipzig soll groß gefeiert werden im Herbst, auch in Berlin. Ein weiterer pompöser Festakt in Hamburg nützt wirklich niemandem etwas. Wir sind der Auffassung, dass das Geld und die Energie in eine Zukunft und in Perspektiven in Hamburg investiert werden sollten, die so viele Menschen in Hamburg brauchen, die eben auch aus Ostdeutschland zu uns nach Hamburg eingewandert sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb lehnen wir diesen rückwärtsgewandten Antrag ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Dr. Duwe von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist etwas überraschend, dass eine Partei, die gerade dabei ist, in Ostdeutschland wieder geistige Mauern aufzurichten und diese Nation zu spalten, einen Antrag stellt auf Feierlichkeiten, um den Mauerfall zu feiern.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der LINKEN)

Ich empfinde es auch als sehr schmerzlich, wenn eine solche Partei im ostdeutschen Wahlkampf so tut, als seien die Machtverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland so wie in der DDR, nach dem Motto "Die Obrigkeit macht, was sie will, und ihr als Bürger werdet unterdrückt". Die subkutane Unterstellung ist so etwas von subkutan schlimm, dass man dazu nur sagen kann: Wir lehnen so etwas total ab.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der LINKEN)

Gleichwohl haben wir natürlich ein 30-jähriges Jubiläum und sehr großen Grund zu feiern, und wir sollten uns überlegen, ob wir das nicht doch auch in Hamburg feiern sollten. Und zwar nicht nur angesichts dieses Mauerfalls und des Glücks und des Engagements der Bürgerinnen und Bürger in der DDR, diese Mauer endlich niederzureißen; wir sollten auch sagen, dass es das endgültige Ergebnis war, das viele Menschen über viele Jahrzehnte herbeigeführt haben, die teilweise in Gefängnissen übernachteten, teilweise Berufsverbote bekamen, teilweise sogar gestorben sind in diesem unmenschlichen System. Es haben viele für dieses Ziel gearbeitet, nicht nur in der ehemaligen DDR, sondern im gesamten Sowjetblock; ich denke an die Polen, die am frühesten aufgestanden sind, die Tschechen, die Ungarn, die zum ersten Mal den Zaun durchschnitten haben. Das als Zeichen zu nehmen und zu sagen, das ist unsere Geschichte, das ist die Freiheitsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, das können wir auch in Hamburg feiern

(Glocke)

und dieses Thema sollten wir nicht der AfD überlassen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Herr Dr. Flocken.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Volksvertreter! Gegen das Vergessen eine Erinnerungskultur pflegen – wichtig bei Ereignissen, die uns als Freude oder Ansporn dienen können, hier beim Kampf deutschen Freiheitswillens gegen deutschen Untertanengeist und deutsche Obrigkeitswillkür. In Hamburg wäre das eine erinnerungspolitische Wende um 170 Grad. Ein Gedenken, bei dem wir auf unsere Landsleute stolz sein könnten – für Michel eine Pause vom ermüdenden Hammerschlag, nach dem die Vergangenheit so schlimm sei, dass eine Daseinsberechtigung des deutschen Volkes schlicht nicht zu erkennen sei.

Der AfD-Antrag trägt aber noch eine wichtigere Bedeutung. Er wird von den gebrauchten Parteien

abgelehnt. Damit wäre sichergestellt, dass die Leg-/ Exekutive nicht eine Veranstaltung aus dem Hute zaubert, auf der sie sich selbst mit dem Mauerfall schmückt. Ein Volk feiern, das für Redefreiheit aufsteht, damit wäre die Bürgerschaft wohl überfordert, die Geiß zur Gärtnerin gemacht.

Nun das Wort an Bärbel Bohley, das Gesicht des demokratischen Aufbruchs der DDR. Zitat:

"[…] die gründliche Erforschung der StasiStrukturen, der Methoden, mit denen sie gearbeitet haben und immer noch arbeiten, all das wird in die falschen Hände geraten. Man wird diese Strukturen genauestens untersuchen – um sie dann zu übernehmen. Man wird sie ein wenig adaptieren, damit sie zu einer freien westlichen Gesellschaft passen. Man wird die Störer auch nicht unbedingt verhaften. Es gibt feinere Möglichkeiten, jemanden unschädlich zu machen. Aber die geheimen Verbote, das Beobachten, der Argwohn, die Angst, das Isolieren und Ausgrenzen, das Brandmarken und Mundtotmachen derer, die sich nicht anpassen – das wird wiederkommen, glaubt mir. Man wird Einrichtungen schaffen, die viel effektiver arbeiten, viel feiner als die Stasi. Auch das ständige Lügen wird wiederkommen, die Desinformation, der Nebel, in dem alles seine Kontur verliert."

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Das Wort bekommt Herr Dr. Wolf von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auf ein paar Dinge möchte ich noch einmal eingehen. Beschämend finde ich es, wenn, wie es gerade von den Rednern der SPD und der GRÜNEN erfolgte, ein Antrag nur deswegen einmal mehr abgelehnt wird, weil er von der AfD kommt, mit vorgeschobenen Argumenten und Angriffen auf uns. Es geht hier um etwas anderes, es geht hier um einen sehr positiven Moment der deutschen Geschichte. Und er hat gerade mit Hamburg auch etwas Besonderes zu tun, deswegen ist es beschämend, einfach nur zu sagen, das mache ja Berlin, also haltet hier die Füße still. Nicht nur haben die Deutschen in der DDR, gerade im nördlichen Teil der DDR, über viele Jahre und Jahrzehnte immer nach Hamburg geschaut – so wie im Süden öfter nach München –, es sind eben auch Tausende hierhergekommen, und Hamburg hatte vorher unter der Teilung in besonderem Maße gelitten durch den Verlust des Hinterlandes und hat besonders davon profitiert. Die Kombination dieser positiven Ereignisse macht es allemal wert, dass wir in Hamburg sagen, dessen gedenken wir und dessen gedenken wir gemeinsam und fraktionsübergreifend. Das sage ich

hier auch zur Wiedervereinigung als gebürtiger Leipziger, der die Wiedervereinigung und die Demonstrationen besonders intensiv und vielleicht anders erlebt hat als jemand, der diesen Hintergrund nicht hat. Ich bin auch nicht der Einzige in unserer Fraktion in unserem Haus, dem das so geht. Wir sind ein Volk, wir sind das Volk! Bürgersinn und Mut, das ist eine Tradition, die es allemal wert ist, dass wir uns positiv zu ihr bekennen und das auch demonstrieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr, dann können wir zur Abstimmung kommen.

Wer dem Antrag der AfD-Fraktion aus der Drucksache 21/17813 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt.

Bevor wir zum Punkt 92 unserer Tagesordnung kommen, bin ich Ihnen noch ein paar Wahlergebnisse schuldig.

Bei der Wahl eines Mitglieds zu dem Beirat für politische Bildung sind 99 Stimmzettel abgegeben worden. Davon war kein Stimmzettel ungültig, somit gab es 99 gültige Stimmen. Herr Dr. Alexander Wolf erhielt 15 Ja-Stimmen, 80 Nein-Stimmen und vier Enthaltungen. Damit ist Herr Dr. Wolf nicht gewählt worden. Dann werden wir diese Wahl in unserer nächsten Sitzung erneut auf die Tagesordnung setzen.

Bei der Wahl eines vertretenden Mitglieds der Kommission für Stadtentwicklung sind 101 Stimmzettel abgegeben worden. Davon war ein Stimmzettel ungültig, somit gab es 100 gültige Stimmen. Herr Peter Lorkowski erhielt 29 Ja-Stimmen, 57 Nein-Stimmen und 14 Enthaltungen. Damit ist Herr Lorkowski nicht gewählt worden, und wir werden auch diese Wahl in unserer nächsten Sitzung auf die Tagesordnung nehmen.