Protocol of the Session on September 11, 2019

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Statt der völligen Unübersichtlichkeit des Maßnahmenpakets, das wir im Moment schon haben, und eines überhaupt nicht zu überwachenden Zahlenwerks wollen wir dafür sorgen, dass wir Finanzierungsvorbehalte vom Tisch bekommen, dass wir einen eigenen Ausschuss haben, der sich zentral mit diesem Thema beschäftigt, dass wir Expertenkompetenz zur Verfügung gestellt bekommen, und

vor allen Dingen, dass wir Hamburg 2035 klimaneutral haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Das, denke ich mir, sind Ziele, die in dieser Gesellschaft mehrheitsfähig sein müssen, und deswegen freue ich mich auf die Diskussion im Ausschuss und hoffe, sie findet zeitnah statt und wird nicht auch im Wahlkampf versenkt. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Jersch. – Die Kollegen, die sich hier über zwei Reihen hinweg unterhalten, bitte ich, sich zusammenzusetzen, dann ist es leiser.

Frau Dr. Schaal, Sie haben nun das Wort für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ja, es ist richtig, im Kern haben wir die Diskussion heute schon in der Aktuellen Stunde geführt. Man kann sagen: Wir machen Klimaschutz und müssen uns mit den Ergebnissen und den Projekten, die wir dort am Laufen haben, nicht verstecken. Und ich meine, wir brauchen in Hamburg deswegen auch keinen Klimanotstand.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Wir haben einen!)

Wir werden unseren Klimaplan fortschreiben. Wir haben also einen Plan und brauchen keinen wie beschriebenen Notstandsplan. Und dass der Plan erst im Dezember kommt, hängt auch damit zusammen, dass wir auf das warten, was in der Großen Koalition jetzt im Klimakabinett beschlossen wird – was nicht nur für uns wichtig ist, sondern für alle Bundesländer. Es wäre ein sinnvoller neuer Schritt, dass man die Klimaaktivitäten in allen Bundesländern dann im Gleichschritt weiterlaufen lässt. Es geht dabei natürlich auch um die zentrale Frage: Wie finanzieren wir die Klimamaßnahmen? Sie reden von Schongebieten, alles ist etwas wolkig. Sagen wir es doch einmal deutlich: Wir sind uns, glaube ich, alle darüber einig, dass Klimaschutz nicht zum Nulltarif zu haben ist. Man hört schon von Ideen, die aus dem Klimakabinett dringen, dass es entweder eine Stiftung oder einen Klimafonds geben wird, der dann sehr hoch bestückt ist und an dem sich Bürgerinnen und Bürger gegen Zinsen beteiligen können. Das ist eine Sache, die viele Bürgerinnen und Bürger sicher freut und die es jedem ermöglicht, etwas zum Klimaschutz beizutragen, seinem Verhalten zusätzlich noch etwas hinzuzufügen.

Wir haben einiges auf den Weg gebracht. Vorhin haben wir noch nicht darüber geredet: Auch die Stadtreinigung ist ein großer Bringer beim Klimaschutz. Das konnte man im Geschäftsbericht nachlesen. Im vergangenen Jahr hat sie durch Res

(Stephan Jersch)

sourcenwirtschaft den Treibhausgasausstoß um 236 Tonnen und durch Energieproduktion noch einmal um 200 Tonnen CO2 verringert. Das ist eine Sache, die in der Diskussion bei uns oft untergeht.

Dass U-Bahn und S-Bahn von uns ausgebaut werden, dass sie längst mit Ökostrom fahren, dass Gebäude aufwendig saniert werden, dass die Schulen hier schon energetische Sanierung und auch Ergebnisse vorgelegt haben, wissen wir alles. In Neubauten wird weniger Energie verbraucht, als es noch vor Jahren der Fall war, und auch was die Elektromobilität betrifft, geht die Stadt voran. Wir sind bei dem Ausbau der Ladeinfrastruktur Spitzenreiter, da müssen wir uns nicht verstecken. Und die Stadtreinigung ist auch dort wieder vorneweg, selbst Müllfahrzeuge werden demnächst auch mit Ökostrom fahren. All das ist sehr gut und geht in die richtige Richtung.

Wir brauchen aber eine aktuelle Klima- und Energiebilanz. Es ist eigentlich ein Unding, dass wir da nur alle zwei Jahre auf Zahlen zurückgreifen können und jetzt mit Zahlen von 2017 arbeiten. Das ist unbefriedigend. Und wir brauchen auch einmal eine Übersicht über den Zustand unserer öffentlichen Gebäude, um die CO2-Einsparungen beurteilen zu können.

Die Stadt ist seit einer Woche Eigentümerin der Wärme Hamburg und wird die Fernwärme dekarbonisieren; wir haben darüber gesprochen. Das wird dann auch noch einmal ein erheblicher Bringer sein, um die CO2-Last der Stadt zu verringern. Und wenn wir es dann bei entsprechenden Voraussetzungen, die der Bund schaffen muss, tatsächlich hinbekommen, die Stadt bis 2035 zu 100 Prozent mit Ökostrom zu versorgen, kommen wir natürlich auch der Klimaneutralität durchaus nah.

Auch der Hafen hat sich aufgemacht, im Klimabereich einiges zu tun; wir haben es gerade gehört.

Es ist schon lange klar, dass für die sichere Energiewende bei einem wachsenden Anteil von erneuerbaren Energien Speicher notwendig sind. Ein Weg dazu – auch das haben wir diskutiert – ist eine Wasserstoffstrategie. Das entsprechende Gasnetz ist im Prinzip bereits teilweise wasserstofftauglich, das hat Gasnetz Hamburg schon immer mit erledigt. Wasserstoff ist dann eine wesentliche Brücke, um die Klimaneutralität im Verkehrsund in anderen Bereichen herzustellen. Hamburg ist auch dort in vieler Hinsicht Vorbild.

Wir überweisen den Antrag der LINKEN. Ob wir einen Sonderausschuss einrichten können, ob wir das noch schaffen zum Ende der Legislaturperiode, mag ich einmal bezweifeln.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Ist doch eine gute Idee!)

Aber wir können ja erst einmal den Ausschuss nutzen, den wir haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Farid Müller GRÜNE)

Vielen Dank, Frau Dr. Schaal. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Gamm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Auch wenn ich selbst kein Jurist, sondern Ökonom bin, bin ich mir durchaus bewusst, dass der Begriff des Notstands das stärkste Wort ist, das unsere deutsche Verfassungsgesetzgebung kennt, und die Worthülse des Klimanotstands hat in seiner Dimension eben rein gar nichts mit einem Notstand im eigentlichen rechtlichen Sinne zu tun. Denn weder sind die Lebensbedingungen in Hamburg unmittelbar bedroht noch besteht eine Gefahr für die öffentliche Ordnung noch sind Notlagen wie ein Verteidigungs- oder Katastrophenfall abzuwehren. Das geradezu Perfide an dieser Begriffsverwendung ist jedoch das Signal, dass nicht mehr in demokratischen Prozessen entschieden werden könne.

(Beifall bei der CDU, der FDP und bei An- drea Oelschläger AfD)

Daher ist dieser Vorstoß der Links-Fraktion eben auch nichts weiter als ein durchschaubarer Versuch, durch diesen symbolischen Akt als eine Art Putzerfisch an der aktuellen politischen Hysterie zu partizipieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von Heike Sudmann DIE LINKE)

Für die CO2-Bilanz unserer Stadt hätte die Erklärung eines solchen Notstands nämlich überhaupt keinen Effekt. Das gilt im Übrigen auch für die mehr als 50 Städte und Kommunen, die sich bereits zu dieser zweifelhaften Deklaration haben hinreißen lassen. Da ist es nicht verwunderlich, dass im selben Atemzug auch immer darauf hingewiesen wird, dass es sich in erster Linie um einen symbolischen Akt handelt. Denn, und das ist die Realität, ein veritabler Notstand lässt sich wissenschaftlich auch gar nicht begründen, zumal sich laut Bundesumweltamt die Schadstoffbelastung der Luft in Deutschland im letzten Vierteljahrhundert deutlich verringert hat.

Die Art und Weise, wie in Deutschland über den Klimawandel derzeit diskutiert wird, erscheint für mich fast wie eine Analogie zu einem Drogenabhängigen, bei dem das Niveau seines Zustands nur mit einer immer stärkeren Dosis aufrechterhalten werden kann. Bei der Klimadebatte zeigt sich dies an immer dramatischeren Gefährdungsszenarien und einer immer stärkeren Zuspitzung der verwendeten Begriffe. Jeder, der angesichts des als

(Dr. Monika Schaal)

unbestreitbar geltenden Untergangs auch nur Diskussionsbedarf anmeldet, gilt schnell als Verharmloser, als Realitätsverweigerer, aber eigentlich eher als tabubrechender Ketzer.

(Beifall bei der CDU, der FDP und bei An- drea Oelschläger AfD)

"Ich will, dass ihr in Panik geratet!", sagt die 16-jährige Greta Thunberg. Das zu sagen ist ihr Recht in einer Demokratie. Doch Panik ist eben kein guter Ratgeber, sondern der Todfeind der menschlichen Vernunft, der Demokratie und damit auch der Freiheit. In Schweden beginnen die Menschen, dies zu verstehen. Hier hat der Greta-Hype bereits deutlich spürbar abgenommen, und in vielen anderen europäischen Ländern ist er nie wirklich angelangt.

Was die Forderungen des Antrages betrifft – dazu hat sich im Übrigen vorher niemand wirklich geäußert –, kann ich nur feststellen, dass es sich in erster Linie um ein Sammelsurium von bürokratischen Albträumen handelt. Allein die geforderten zusätzlichen und extrem aufwendigen Berichtspflichten dürften allein durch den Mehrverbrauch an Papier das Klima weitaus mehr schädigen als jede daraus möglicherweise resultierende CO2-freundliche Maßnahme.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Kurt Duwe FDP, Andrea Oelschläger und Dr. Alexander Wolf, beide AfD)

Wir werden der Überweisung an den Ausschuss für Umwelt und Energie zwar zustimmen, gleichwohl bin ich sehr skeptisch, ob uns die Debatte auf Grundlage dieses Antrags einen Millimeter weiterbringt. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei Ewald Aukes FDP)

Vielen Dank, Herr Gamm. – Frau Sparr, Sie erhalten jetzt das Wort für die GRÜNE Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Notstandsbegriff kann auch aus meiner Sicht durchaus kontrovers diskutiert werden – wird er ja auch, auch bei uns in der Partei. Bei uns darf man ja auch unterschiedliche Meinungen haben.

(Dennis Gladiator CDU: Dass man das beto- nen muss!)

Aber er ist eben tatsächlich auch als Symbol gedacht. Ich meine, wenn wir uns zum Beispiel Kiel anschauen: Die haben den Klimanotstand erklärt und trotzdem legen dort im Innenstadthafen Tag für Tag jede Menge Fähren an, die mit klimaschädlichen Abgasen die Innenstadt verpesten. Das ist es dann letzten Endes auch nicht. Aber vielleicht ist gerade in diesem Punkt die Initiative aus Ham

burg gemeinsam mit Rotterdam der Weg, alle Häfen einzusammeln, auch Kiel, und dann eine Landstrompflicht durchzusetzen.

Ansonsten: Ganz wohl ist, glaube ich, auch der LINKEN nicht mit dem Begriff Notstand; mal spricht der Antrag von Notstand und mal von Krise – und auf Klimakrise können wir uns einigen, denn die haben wir in der Tat.

(Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es nützt nichts, mit viel Bohei einen Notstand auszurufen. Viel wichtiger ist, kontinuierlich und beharrlich an Maßnahmen zu arbeiten, die helfen, diesen Planeten bewohnbar zu halten. Und daran arbeitet diese Koalition.

(Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Frau Schaal hat schon einige Maßnahmen erwähnt, darum mache ich es jetzt etwas kürzer. Wir sorgen dafür, dass 30 Prozent unserer Landesfläche grün bleibt. Wir haben den Klimafonds aufgelegt, der Initiativen aus der Zivilgesellschaft fördern wird. Die Umweltbehörde hat den Leitfaden zur nachhaltigen Beschaffung entwickelt, nach dem sich die Verwaltung richten wird. Wir stärken Fahrradverkehr und ÖPNV und kaufen elektrische Busse, und vor allem: Wir bauen unsere Energieversorgung um, steigen aus der Kohle aus und tun, was wir können, um mehr erneuerbare Energie ins Netz zu bekommen, und sorgen so dafür, dass zukunftsträchtige Industrien bei uns eine Zukunft haben.

(Beifall bei Dr. Monika Schaal SPD)

Sie sehen also, wir haben uns bereits auf den Weg gemacht. Allerdings, und da hat DIE LINKE recht, müssen wir das Tempo ein bisschen anziehen. Die GRÜNE Partei hat sich deshalb das Ziel gesetzt, Hamburg bis 2035 klimaneutral zu machen; wir brauchen ehrgeizige Ziele als Ansporn.

DIE LINKE hat in ihrem Antrag einige Vorschläge gemacht, die schon konstruktiv sind, aber wahrscheinlich nicht immer zielführend. Natürlich können wir die kommende Bürgerschaft nicht binden. Wir werden aber ohnehin – es kam schon zur Sprache – noch vor Ende der Legislaturperiode den neuen Klimaplan im Ausschuss diskutieren. Das wird kein Wahlkampfgetöse sein, sondern das ist die notwendige Sacharbeit, die auch am Ende der Legislaturperiode noch stattfinden soll.