Meine Damen und Herren! Es ist 13.30 Uhr. Nehmen Sie doch bitte gern Ihre Plätze ein, dann können wir mit unserer Sitzung beginnen.
Und bevor wir gleich zur Aktuellen Stunde kommen, teile ich Ihnen noch mit, dass die Fraktionen übereingekommen sind, die Tagesordnung um einen weiteren Punkt zu ergänzen. Das ist der Bericht des Europaausschusses aus Drucksache 21/18750. Er wurde nachträglich in unsere Tagesordnung aufgenommen. Außerdem gibt es die Verständigung, den TOP 49, das ist ein Bericht des Haushaltsausschusses aus Drucksache 21/18531, zu vertagen.
Hamburg bekennt sich klar zu Demokratie, Toleranz und Respekt – keine Chance dem Antisemitismus, Rechtsextremismus und der Menschenfeindlichkeit
Ich rufe diese beiden Themen auf, und das Wort bekommt Frau von Treuenfels-Frowein für die FDP-Fraktion.
Sehr geehrtes Präsidium, meine Damen und Herren! Der feige Anschlag in Halle hat uns auf erschreckende Art und Weise gezeigt: Unsere Demokratie ist verletzbar. Wenn jüdische Mitbürger in Deutschland während ihres Gebets Angst haben
müssen, dann ist die freie Religionsausübung in Gefahr und damit unsere freie demokratische Grundordnung.
Jetzt heißt es für alle Demokraten: Aufstehen und Haltung zeigen. Wir alle stehen unverbrüchlich zu unseren jüdischen Mitbürgern und der jüdischen Gemeinde in Hamburg.
Aber Solidaritätsbekundungen allein reichen nicht aus. Worten müssen Taten folgen, sonst bleibt alles im Status quo, und so kann es nicht sein. Es muss uns doch alle betroffen machen, wenn vor jüdischen Schulen bewaffnete Polizisten stehen müssen. Und es muss uns doch auch alle betroffen machen, wenn der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung ernsthaft fordert, lieber keine Kippa in der Öffentlichkeit zu tragen. Was sagt das denn aus, keine Kippa in der Öffentlichkeit zu tragen? Über 70 Jahre nach dem Holocaust darf sich doch hier in Deutschland niemand wegen seines Glaubens verstecken müssen.
Das ist nicht nur ein Teil der Glaubensfreiheit, sondern gerade für uns eine besondere historische Verantwortung. Für antisemitisches Gedankengut darf es in Deutschland, darf es in Hamburg keinen Zentimeter Platz geben, nicht auf unseren Schulhöfen, nicht in Parteien, nicht in Vereinen oder Gemeinden, nicht im Netz – nirgendwo.
Deshalb müssen wir konsequent gegen Antisemitismus vorgehen, ganz gleich, ob er links, rechts oder auch religiös motiviert ist.
Über die unterschiedlichen Motive müssen wir uns bewusst sein, denn nur wer weiß, aus welcher Motivation heraus Antisemitismus entsteht, kann gezielt Prävention leisten und ihn bekämpfen. Und da darf sich keiner scheuen, wenn das Ergebnis auch mal unbequem wird. Die jüdische Gemeinde erwartet doch – und das muss ich hier heute sagen: zu Recht – von uns, dass wir nicht wegschauen, wenn Teile der Schura sich mit antisemitischen Demonstrationen solidarisieren, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Befeuert wird dies durch eine zunehmende Verrohung der Sprache, die den Boden für Hass bereitet. Die Grenzen des Sagbaren haben sich verschoben. Sprachliche Entgleisungen sind alltäglich geworden. Im Netz hat das ein Ausmaß angenommen, das nicht mehr tolerierbar ist.
Zur Verrohung der Sprache gehört aber auch der inflationäre Gebrauch von Begriffen wie Nazi und Rechtsradikaler. Das verharmlost das Grauen der Nazi-Herrschaft und führt zu Abstumpfung. Unsere Verantwortung als Politiker ist es, sich gegen die Verrohung der Sprache einzusetzen. Aber es ist genauso unsere Verantwortung, nicht im Unklaren und Unkonkreten zu bleiben, wenn Fakten klar zu benennen sind.
Nicht wegschauen, Haltung zeigen und konkret handeln: Wir haben heute einen Antrag vorgelegt, den jetzt zu begründen zu lange dauern würde, deswegen werde ich nur eine Sache herausgreifen. Wir möchten ein Sofortprogramm, das die Sicherheit der jüdischen Gemeinde garantiert; das dürfen wir nicht allein der Gemeinde überlassen. Die eigentliche Frage muss aber doch sein: Wie schaffen wir eine Gesellschaft, in der es keine solchen Schutzmaßnahmen mehr braucht? Und da muss man sehr früh ansetzen. Da müssen wir Begegnungen schaffen zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft. Nur so kann das gelingen. Ein Ausbau einer Bildungskooperation mit Israel kann ein erster Schritt sein. Denn wenn junge Menschen aus ganz unterschiedlichen Hintergründen sich früh begegnen, dann hat der Hass später keine Chance.
Wir wollen ein Hamburg der Begegnung. Wir wollen ein Hamburg, in dem man selbstverständlich an jedem öffentlichen Ort eine Kippa, ein Kreuz oder ein Kopftuch tragen kann. Wir stehen für ein vielfältiges, tolerantes Hamburg. Packen wir es an. – Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD, den GRÜ- NEN, vereinzelt bei der CDU und der AfD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Hamburgerinnen und Hamburger! Der Anschlag von Halle hat uns alle schockiert. Und in der Tat, dass über 70 Jahre nach dem Ende des Holocaust in unserem Land
jüdisches Leben wieder bedroht wird, erfüllt uns mit Scham. Wir lehnen dies mit aller Deutlichkeit ab.
Wir sagen allen Menschen in diesem Land und in dieser Stadt ganz klar: Jüdisches Leben war, ist und wird weiterhin ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft sein, und dafür werden wir kämpfen. Und deswegen ist es gut, dass wir dieses Thema heute angemeldet haben. Und deswegen ist es gut, dass die Bürgerschaft wie andere Landesparlamente auch hier ein Zeichen setzt.
Unsere Gedanken sind bei den beiden Ermordeten und ihren Angehörigen und bei den vielen jüdischen Gemeinden in unserem Land. Es ist gut, dass viele Hamburgerinnen und Hamburger in den letzten Wochen ihre Solidarität mit unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern ausgedrückt haben, und ich bin sehr dankbar, dass der Erste Bürgermeister unserer Stadt noch am Abend dieses schlimmen Anschlags die jüdische Gemeinde aufgesucht und seine Anteilnahme ausgedrückt hat. Die jüdische Gemeinde weiß, dass wir als Parlament, als Bürgerschaft, aber ich glaube auch, als Stadt insgesamt hinter ihr steht. Und das ist ein gutes Signal.
Ich will aber auch an das anknüpfen, was Frau Treuenfels gesagt hat. Es ist richtig, dass wir darüber nachdenken müssen, wie wir eigentlich mit Sprache umgehen, im Internet, aber auch in den Parlamenten, und darüber, wozu Sprache führt, wozu diese Verrohung führt. Dass aus Sprache irgendwann auch Taten werden, sollten auch die begreifen, die bisher zwar immer Hass schüren, sich aber dann aus der Verantwortung stehlen. Es muss ihnen ganz klar sein: Bis hierher und nicht weiter. Das muss das Signal sein.
Von daher müssen wir uns schon sehr genau angucken: Woher kommt die Bedrohung jetzt? Ich bin außerordentlich dankbar, lieber Herr Trepoll, dass der Innenminister in Mecklenburg-Vorpommern, der Sprecher der CDU-Innenminister, Herr Lorenz Caffier, gerade sehr deutlich gemacht hat, woher die Bedrohung kommt. Es ist richtig, wenn er alle Konservative auffordert und davon spricht, es müsse einen konservativen Aufstand in dieser Gesellschaft geben. Denn die größte Gefahr kommt vom