Protocol of the Session on November 6, 2019

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Wird dazu das Wort gewünscht? – Herr Ehlebracht, Sie bekommen es für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Passend zur heutigen Aktuellen Stunde ein Antrag der AfDFraktion, der einen Aspekt aufzeigt, wie sich die AfD Hamburger Wohnungsbaupolitik vorstellt. Zielgruppe des Antrags "Hamburger Wohngeld" sind die einkommensschwachen Haushalte, denen wir eine unmittelbare finanzielle Unterstützung für die gesamte Zeit der Bedürftigkeit zukommen lassen wollen. Wir wollen damit den Paragraf-5-Schein ersetzen, der in der Regel ein leeres Versprechen darstellt, das nicht einmal in der Theorie – geschweige denn in der Realität – die Masse an berechtigten Ansprüchen befriedigt.

Wie erwähnt und bekannt, hat Hamburg derzeit keinen ausgeglichenen Wohnungsmarkt. Sie wollen dies beheben, indem Sie bauen, bauen und bauen – was im Prinzip auch richtig ist, aber im Bereich der Haushalte mit unterdurchschnittlichem Einkommen nicht ankommt beziehungsweise versagt.

In der aktuellen Marktsituation bietet der Staat zwei nicht aufeinander abgestimmte Maßnahmen: Das ist der soziale Wohnungsbau, und das ist Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz. Das Wohngeld in

(Stephan Jersch)

seiner jetzigen Form ist jedoch unzulänglich, da es nicht marktgerecht ist und zu geringe Unterstützungsleistungen anbietet. Die geringe Zahl von gut 11 000 Beziehern – und die Tendenz ist weiter fallend – in Hamburg belegt dies auch, das Ganze bei gut einer Million Haushalten in 2018, bei Mieten, die laut Mietenspiegel von 2015 auf 2017 um 5,2 Prozent gestiegen sind, und dem Umstand, dass mittlerweile jeder vierte Angestellte im Niedriglohnsektor angestellt ist.

Zum sozialen Wohnungsbau ist zu sagen, dass dieser trotz der Bauoffensive in diesem Bereich gescheitert ist. Gab es 2011 noch über 100 000 Wohnungen mit einer Mietpreisbindung, waren es zum Stichtag 1. Januar 2018 77 000, obwohl im gleichen Zeitraum 56 000 Wohnungen gebaut wurden. Selbst unter Laborbedingungen funktioniert Ihr Modell nicht. Selbst wenn jedes Jahr die angekündigten 3 000 Sozialwohnungen gebaut werden würden und man unterstellt, dass keine Wohnung aus der Bindung fällt, würde es rein theoretisch 100 Jahre dauern, um den aktuellen Bedarf abzudecken. Sie versuchen hier, Wasser mit dem Netz zu schöpfen, da mehr Sozialwohnungen aus der Bindung fallen, als nachgebaut werden.

Wir sagen, der Paragraf-5-Schein ist weniger als ein Los in der Lotterie, er ist ein leeres Versprechen.

(Beifall bei der AfD)

Das ergibt sich aus folgenden Umständen. Erstens: 360 000 Haushalte haben nach den Bemessungskriterien des 1. Förderwegs Anspruch auf eine Sozialwohnung. Demgegenüber stehen 80 000 Sozialwohnungen. Nach dieser Rechnung bleiben 280 000 Haushalte unversorgt.

Zweitens: Die SPD erhebt wohlweislich keine Fehlbelegungsquote. Andere Bundesländer tun dies. Daher ist es statthaft, anzunehmen, dass von den 80 000 Sozialwohnungen rund 40 000 durch Haushalte fehlbelegt sind. Nach dieser Rechnung bleiben sogar 320 000 Haushalte unversorgt. Wenn Sie die rund 100 000, die über die SGB versorgt sind, abziehen wollen, tun Sie das; es bleiben immer noch 220 000 unversorgte Haushalte übrig.

Drittens: Alle Sozialwohnungen unterliegen einer Bindungsfrist. Nach Ablauf dieser Bindungsfrist fallen sie aus dieser Schonzeit heraus. Natürlich explodieren dann nicht gleich die Mieten, das weiß ich auch, aber sie sind aus dieser garantiert günstigen Miete zumindest schon einmal draußen.

Viertens: Mieter, denen Sie mit einem Wohnberechtigungsschein bescheinigen, dass sie Anspruch auf eine günstigere Mietwohnung haben, ihnen aber keine geben, zahlen trotzdem weiterhin ihre teurere Miete. Es ist kein Einzelfall, dass Menschen heute 50 Prozent ihres Haushaltseinkommens für die Miete aufwenden müssen. Dieses Geld fehlt zum Beispiel für soziale Teilhabe. Erklä

ren Sie mir, was an diesem System sozial sein soll. Genau, nichts.

Der Kernmythos der Legende von Rot-Grün ist, dass nur Bautätigkeit diesen Missstand beheben könne, und dieser Mythos ist falsch. Um diesen Missständen und Fehleinschätzungen entgegenzusteuern, wollen wir ein "Hamburger Wohngeld"Förderprogramm auflegen. Die Eckdaten liegen in dem Antrag vor. Wer eine Nettokaltmiete von bis zu 10 Euro pro Quadratmeter zahlt und sozialwohnungsberechtigt ist, vorher mindestens fünf Jahre unbeschränkt sozialpflichtig und fünf Jahre mit Wohnsitz in Hamburg gemeldet war, erhält eine Differenz zu seiner tatsächlichen Miete erstattet und wird so gestellt, als würde er eine Neubausozialwohnung beziehen, sodass er effektiv nur 6,50 Euro pro Quadratmeter Nettokaltmiete zahlen müsste. Unser Wohngeld ist damit zielgenau. Es ist rechtssicher und bietet reale Unterstützung ab dem Moment der Beantragung für die gesamte Dauer der Notwendigkeit. Es ist damit wirkungsvoller als der jetzige Paragraf-5-Schein und vor allen Dingen als jede Form von Mietendeckel, gegen den zum Beispiel – Stichwort Rechtssicherheit – in Berlin geklagt wird.

Kurzum: Sie bauen mit Ihrer jetzigen Methode 3 000 Wohnungen auf Zeit. Wir unterstützen mit dem Hamburger Wohngeld 100 000 Haushalte.

(Glocke)

Sie verschieben Probleme in die Zukunft.

(Glocke)

Wir unterstützen sofort. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion bekommt nun Frau Koeppen das Wort.

(Dr. Jörn Kruse fraktionslos: Alles Populis- ten!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Da muss man erst einmal einiges richtigstellen von dem, was Sie hier gesagt, im Antrag geschrieben und in Ihrer Pressemitteilung veröffentlicht haben. Dort sagen Sie, 360 000 Menschen hätten Anspruch auf eine Sozialwohnung, es verblieben aber nur 40 000 geförderte Wohnungen, da die anderen 40 000 fehlbelegt seien. Fakt ist: Ja, es gibt 368 000 Haushalte, die einen Anspruch auf eine geförderte Wohnung hätten. Aber nicht alle diese Haushalte benötigen eine geförderte Wohnung. Zum einen wohnen viele Berechtigte bereits in einer bezahlbaren Wohnung, und zum anderen gibt es viele berechtigte Haushalte, die in einer selbstgenutzten Immobilie wohnen. Hinzu kommt, dass geförderte Wohnungen, die aus der Bindung fallen, nicht von heu

(Detlef Ehlebracht)

te auf morgen unbezahlbar sind, sondern den gesetzlichen Mietsteigerungen unterliegen.

Dann behaupten Sie in Ihrem Antrag:

"Realität ist auch, dass wenn bundesweit Durchschnittswerte zugrunde gelegt werden, wohl rund die Hälfte der mietpreisgebundenen Wohnungen durch Mieter belegt sind, deren aktuelles Haushaltseinkommen keinen Anspruch auf eine durch öffentliche Gelder geförderte Wohnung mehr zulassen würde."

Und weiter:

"Ein System, das zulässt, dass rund die Hälfte der mietpreisgebundenen Sozialwohnungen durch nicht Berechtigte belegt wird."

Fakt ist, Herr Ehlebracht, dass es für diese Aussage überhaupt keine Statistik, überhaupt keine Grundlage gibt. Ich weiß nicht, woher Sie diese Zahlen haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Als dritten Punkt führen Sie dann auf, dass

"[…] langfristig mehr Sozialwohnungen aus der Mietpreisbindung fallen werden, als neu errichtet werden. Das Angebot wird sich also weiter verknappen, die Situation der Berechtigten für einen Wohnungsberechtigungsschein sich also verschärfen."

Fakt ist aber: Bei der Verstetigung der Förderzahlen auf dem gegenwärtigen Niveau ist gegeben, den derzeitigen Stand von rund 80 000 geförderten Wohnungen konstant zu halten. Im Übrigen beträgt die Laufzeit der Mietpreis- und Belegungsbindung nicht, wie Sie schreiben, 15 Jahre, sondern mindestens 20 Jahre, bei Förderprogrammen für vordringlich wohnungssuchende Haushalte sogar 40 Jahren.

Im Übrigen hat Hamburg ein sehr gut funktionierendes System von Subjekt- und Objektförderung. Aktuell werden jährlich 3 000 neue Sozialwohnungen gefördert. Hinzu kommt die Subjektförderung über das bundesgesetzliche Wohngeld. Rund 12 000 Hamburger Haushalte erhalten Wohngeldleistungen. Bei der Ermittlung der Wohngeldhöhe fließen die Anzahl der Haushaltsmitglieder, das Gesamteinkommen und die Miete mit ein.

Komplett absurd wird dann das Petitum Ihres Antrags. Sie fordern den Senat auf, ein Programm "Hamburger Wohngeld" zu entwickeln, um einkommensschwache Haushalte, die eine Miete über 6,50 Euro netto kalt je Quadratmeter zahlen, finanziell zu unterstützen. Fakt wäre dann aber, dass die Mehrzahl der Mieter der SAGA und der Hamburger Genossenschaften angesichts der Durchschnittsmieten, über die wir schon in der Aktuellen Stunde gesprochen haben, keinen Anspruch mehr auf dieses Hamburger Wohngeld hätten.

Noch deutlicher wird das restliche Petitum:

"Dieses Fördergeld soll wie folgt strukturiert werden: […] Wer […] mindestens fünf Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war [und] mindestens fünf Jahre mit Wohnsitz in Hamburg gemeldet war, erhält die Differenz zu seiner tatsächlichen Miete […]."

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Forderung entlarvt endgültig die Intention dieses Antrags. Daher werden wir den Antrag ablehnen und auch nicht überweisen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN)

Jetzt erhält Herr Kleibauer für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Situation am Wohnungsmarkt und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum sind für viele Menschen in dieser Stadt zu Recht ein wichtiges Thema. Unser Kollege Jörg Hamann ist vorhin in der Aktuellen Stunde darauf eingegangen, welche Defizite es beim rot-grünen Senat in diesem Politikfeld gibt.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb werde ich mich jetzt auf den Antrag beschränken. Kurz und klar gesagt: Wir halten den Weg, den Sie hier aufzeigen, für wenig sinnvoll, Herr Ehlebracht. Sie schreiben "Subjekt- statt Objektförderung". Das mag auf den ersten Blick sehr technisch, sehr abstrakt klingen, aber es bedeutet doch konkret, dass Sie alle Mittel, die im Haushalt dieser Stadt für Wohnungsbauförderung vorgesehen sind – über 140 Millionen Euro im Jahr –, streichen und als Mietzuschüsse einsetzen wollen. Das ist eine Kehrtwende, die wir in dieser Radikalität für falsch und wenig sinnvoll halten.

(Beifall bei der CDU)

Im Übrigen ist das, wie Frau Koeppen schon angeführt hat, kein Widerspruch, sondern es ist eine bewährte, eine gute Mischung. Es gibt Objektförderung über die Programme, die wir im Wohnungsbau haben, wobei man hier im Haus durchaus unterschiedlicher Meinung sein kann, welche Schwerpunkte diese Programme haben und was genau gefördert werden soll; wir haben das bei den vergangenen Haushaltsberatungen gesehen. Und es gibt die Subjektförderung, unter anderem mit dem Wohngeld. Und hier, das muss man auch einmal sagen, hat gerade die Große Koalition auf Bundesebene mit der Wohngeldreform, die jetzt beschlossen ist, für einkommensschwächere Haushalte einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Es gibt mehr Anspruchsberechtigte für Wohngeld, es gibt ab dem nächsten Jahr höhere Zahlungen im Wohngeldbereich. Es ist eine Dyna

(Martina Koeppen)

misierung eingeführt worden, eine zusätzliche Mietstufe. Man kann sagen, das sei alles noch nicht ausreichend und man brauche mehr, aber es ist doch trotzdem ein Schritt in die richtige Richtung und zeigt, dass die Große Koalition in Berlin auf der Sachebene durchaus sinnvolle Sachen für die Menschen in dieser Stadt angeht.

(Beifall bei der CDU, der FDP und vereinzelt bei der SPD)