Protocol of the Session on January 15, 2020

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Ich hatte behauptet, dass wir alle die Umwelt schonen wollen.

(Glocke)

Herr Ehlebracht, wir wollen uns doch alle an den parlamentarischen Sprachgebrauch halten. Bitte.

(Ksenija Bekeris SPD: Auch in Zitaten!)

Ich hatte behauptet, dass wir alle die Umwelt schonen wollen und nur auf unterschiedliche Weise und mit abweichenden Mitteln darauf reagieren möchten und dranbleiben müssen. Leider fehlt heute oftmals der Wille, sich sachlich und differenziert mit diesen unterschiedlichen Ansätzen auseinanderzusetzen. Ein Beispiel: Keiner will mehr Autofahrerpartei sein, war einmal eine Schlagzeile des "Hamburger Abendblatts". Das stimmt natürlich nicht, die AfD ist Autofahrerpartei.

(Beifall bei der AfD)

Wir wissen nämlich, dass ein fließender statt ruckelnder oder stehender Autoverkehr etwas für den Umweltschutz tut. Ein fließender Verkehr ist besser, und das erkläre ich Ihnen in der zweiten Runde näher. – Danke.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, das Wort bekommt Herr Dr. Flocken.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Dr. Tjarks, persönlich finde ich Ihre Idee der Kopenhagenisierung von Hamburg ganz charmant. Leider haben Sie nie ein Bewusstsein erkennen lassen, welche Herausforderungen damit verbunden sind.

Einige Zahlen. Kennen Sie die Fläche von Kopenhagen? Kennen Sie die? 86 Quadratkilometer, also ein Neuntel der Fläche von Hamburg. Von einem beliebigen Punkt der Stadt zu einem beliebigen anderen Punkt ist es bei uns also dreimal so weit. Nicht zufällig sind die Fahrradstädte europaweit keine Metropolen. Selbst ein Faktor 2 wäre einer, der über die Attraktivität des Radfahrens entscheiden kann.

Eine andere Zahl: die Einwohnerdichte in Kopenhagen. Kennen Sie die, Herr Dr. Tjarks? Die ist dreimal so hoch wie in Hamburg. Das heißt also einerseits, dass der Druck durch den Platzmangel dort erheblich höher ist als bei dem vergleichswei

(Detlef Ehlebracht)

se dünn besiedelten Hamburg, und andererseits, dass die Entfernungen zum Teil vielleicht wirklich, nicht nur rechnerisch, eher ein Drittel derer sind, die wir in Hamburg haben.

Die Lösungsmöglichkeiten: Erstens – darin sind wir uns alle einig –: ÖPNV ausbauen und mit dem Fahrrad besser vernetzen. Das ist unbestritten, allerdings sehe ich da keine großen Fortschritte.

Die zweite Möglichkeit wäre, die Menschen zu erziehen, längere Zeiten von A nach B zu akzeptieren oder sportlicher oder vor allen Dingen wetterfester zu werden; das müssen sie selbst wissen. Ich sehe es nicht sehr optimistisch, dass Ihnen da Erziehung gelingt.

Der dritte Punkt betrifft die Elektrofahrräder. Deren Entwicklung kann man sicherlich vertrauen. Allerdings muss man dabei eines bedenken: Wenn sich die Geschwindigkeit beim Radfahren verdoppelt, dann bedeutet das selbst bei abnehmendem Autoverkehr mehr und schwerere Unfälle. Doppelte Geschwindigkeit bedeutet vierfache Energie beim Unfall. Das sage ich hier als jemand, der sich selbst mit sechs Jahren eine lebensbedrohliche Verletzung bei einem Fahrradunfall zugezogen hat, ohne Einwirkung eines Autos, allein durch die hohe Geschwindigkeit, nicht durch einen Elektromotor, sondern durch die Geografie des Bergischen Landes. Sie kennen die Zahlen der schweren und tödlichen Unfälle durch Elektrofahrräder, gerade bei älteren Menschen. Seien Sie da ehrlich, die Kopenhagenisierung wird diese Zahlen weiter in die Höhe treiben. Und wenn Sie sich dessen bewusst sind und den Menschen gegenüber ehrlich sind, dann wünsche ich Ihnen ohne Ironie viel Erfolg bei der Kopenhagenisierung, allerdings am besten nicht als erste Fraktion in einer kommenden Koalition. – Vielen Dank.

Meine Damen und Herren, das Wort bekommt Herr Senator Westhagemann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wollen die Hamburgerinnen und Hamburger – die Frage darf man stellen – die Verkehrswende oder wollen sie, dass die Mobilität in dieser Stadt funktioniert?

(Heike Sudmann DIE LINKE: Es geht bei- des!)

Darüber hinaus geht es den Bürgerinnen und Bürgern nicht um eine autofreie Stadt, sondern um autofreie Bereiche in der Stadt. Und das ist etwas völlig anderes. Die Wünsche, die vonseiten der Menschen an uns herangetragen werden, sind in der Mehrzahl sehr konkret. Sie wollen gute Wege, Straßen, auf denen sie zu Fuß gehen, Rad fahren und auch Auto fahren können. Sie wollen, dass ih

re Busse und Bahnen pünktlich kommen und gut erreichbar sind, sie wollen aber auch einen flüssigen Straßenverkehr – unterschiedliche Bedürfnisse, die sich nicht immer vollständig erfüllen lassen. Das gehört zur Wahrheit dazu.

(Zuruf von Thilo Kleibauer CDU)

In einer großen Stadt leben, arbeiten, produzieren viele Menschen. Sie haben aber auch in Zukunft sehr unterschiedliche Mobilitätsbedürfnisse, die sich in den Lebensphasen stark unterscheiden.

(Dennis Thering CDU: Das erzählen Sie den GRÜNEN mal!)

Wir sind gemeinsam verantwortlich, täglich an konkreten Verbesserungen für diese Menschen zu arbeiten.

(Dennis Gladiator CDU: Wann fangen Sie an?)

Am Anfang dieser Legislaturperiode wurde mit der Verständigung auf eine Verkehrsentwicklungsplanung und den damit verbundenen Zielen ein großer Schritt gemacht. Das war ein einvernehmlicher Beschluss der Bürgerschaft, und es ist gut, dass wir uns in den großen Zielen einig sind. Wir haben verkehrliche, ökonomische, ökologische, soziale, gesundheitsbezogene und stadträumliche Zielsetzungen formuliert.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Gibt es die schon?)

Unsere Aufgabe ist es, die unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnisse, Kompetenzen zu berücksichtigen und, soweit es geht, zu vereinen. Das ist ein riesiges Asset als Land und als Stadt.

(Beifall bei der SPD)

Es ist nicht hoch genug zu bewerten, dass wir einvernehmlich und einstimmig diese Positionen, an denen wir seit vielen Jahren sehr engagiert arbeiten, gemeinsam formuliert haben. Wir erhöhen den Anteil des Umweltverbunds. Wir stärken den ÖPNV als Rückgrat der Mobilität. Wir optimieren die multimodale Vernetzung, und wir entwickeln Hamburg zu einer fahrradfreundlichen Stadt. Wir optimieren auch die überregionale und regionale Erreichbarkeit Hamburgs und erhöhen die Zuverlässigkeit. Wir optimieren den innerstädtischen Wirtschaftsverkehr und gewährleisten die Funktionalität und die Benutzbarkeit des Straßen- und Schienennetzes. Und selbstverständlich wollen wir den verkehrsbedingten Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen reduzieren. Dabei sind wir auf einem guten Weg, indem wir verkehrsbedingte Luftschadstoffe und Lärmemissionen reduzieren.

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Wie denn?)

Wir fördern Fahrzeuge mit emissionsarmen und freien Antrieben, und schließlich arbeiten wir täg

(Dr. Ludwig Flocken)

lich an der Verbesserung der Aufenthaltsqualität auf Straßen und Plätzen und stärken unsere Nahmobilität.

(Beifall bei der SPD)

Es bleibt unsere gemeinsame Aufgabe, diese Zielsetzung Stück für Stück mit konkreten Handlungsszenarien und Projekten, insbesondere mit legislativen und exekutiven Inhalten zu füllen, und das tun wir.

Wir beraten darüber hinaus, wie wir die größte Herausforderung, die Reduzierung der klimaschädlichen CO2-Emissionen, meistern wollen. Wir haben im Senat ein sehr ehrgeiziges Programm beschlossen, das uns weiterhin große Fortschritte bringen wird.

Lassen Sie mich aber zum Abschluss noch etwas zum Thema Autofreiheit sagen. Unsere gemeinsamen Anstrengungen haben dazu geführt, dass immer mehr Hamburgerinnen und Hamburger ihre Wege ohne Auto zurücklegen können und auch tatsächlich mit der Bahn und dem Bus, mehr mit dem Fahrrad und öfter zu Fuß unterwegs sind. Das bestätigen uns nicht nur die Verkehrszählungen, die deutlich machen, dass die innerstädtischen Autoverkehre seit Jahren kontinuierlich zurückgehen, wir haben es auch in der Mobilitätsbefragung des Bundes eindrucksvoll bestätigt bekommen. Damit entstehen Freiräume, die genutzt werden können. Mit den Projekten, die im September 2019 mit "Ottensen macht Platz" oder "Autofreies Rathausquartier" im vergangenen Sommer gestartet wurden, wird die Möglichkeit von autofreien Quartieren getestet. Wir gehen davon aus, dass der Bund, die Straßenverkehrsordnung uns zusätzliche Erleichterungen für solche Modelle schaffen wird. Ob der Ottensener Modellversuch Vorbild für weitere Hamburger Quartiere werden kann, muss intensiv in den Bezirksämtern und in den Bezirksversammlungen und mit den Bürgerinnen und Bürgern diskutiert werden. Und bei aller Freude am Flanieren, am Ende muss die ganze Stadt funktionieren,

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)

denn als Wirtschafts- und Mobilitätssenator habe ich auch die Wirtschaft und deren Bedarfe fest im Blick. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir starten eine zweite Runde, in der die Redezeit dann drei Minuten beträgt. – Das Wort bekommt Herr Bill für die GRÜNE Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Aukes, ich kann über den Vorwurf der Ideologie eigentlich nur noch milde lächeln, und ich frage mich, ob es nicht umso mehr ideologisch ist, Re

den über Wirtschaftsverkehr, die man auch gut in den Achtzigerjahren hätte halten können, herauszuholen und sich in der Weiterführung dann noch an jeden Parkplatz zu klammern.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das ist nicht die Verkehrspolitik von heute, und ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Verkehrswende wird kommen, und sie wird auch in Hamburg kommen. Das schlicht deshalb, weil die Bürgerinnen und Bürger, die Hamburgerinnen und Hamburger das einfach tun, weil sie mehr Fahrrad fahren, weil sie mehr zu Fuß gehen, weil sie mehr HVV nutzen. Die Frage ist doch: Wollen wir das, was die Hamburgerinnen und Hamburger tun und wollen, politisch unterstützen oder wollen wir dagegenarbeiten? Ich sage Ihnen, dass wir das unterstützen müssen, damit wir gemeinsam mit den Hamburgerinnen und Hamburgern dort schnell vorankommen und gute Lebens- und Mobilitätsbedingungen bieten.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD – Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Sudmann?