Protocol of the Session on February 12, 2020

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Kommen wir einmal zum Thema Thüringen. Auch in Thüringen gab es nichts, was undemokratisch ist. Sie wollen, dass die Stimmen der AfD als kontaminiert, als vergiftet gelten. Das ist nicht so.

24 Prozent der Bürger in Thüringen haben die AfD gewählt, und zwar aus gutem Grund.

(Heike Sudmann DIE LINKE: 31 Prozent ha- ben DIE LINKE gewählt!)

Sie haben doch gar keine Mehrheit, Frau Sudmann.

(Heike Sudmann DIE LINKE: 31 Prozent!)

Wenn es einen Angriff auf die Demokratie gegeben hat, dann kommt der von einer Kanzlerin, die sich aus Südafrika als Bundeskanzlerin gemeldet und gesagt hat, diese Wahlen müssten zurückgenommen werden. Ein unglaublicher Akt der Demokratieverachtung: Wir wählen eben so lange, bis es auch der Kanzlerin passt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das führt zur Politikverdrossenheit. Diese Selbstherrlichkeit der Kanzlerin ist ja Gott sei Dank bald zu Ende.

Was ich Ihnen vorwerfe, Rot-Rot-Grün:

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Das in- teressiert überhaupt niemanden!)

In Thüringen haben Sie regiert mit der Stimme eines ehemaligen AfD-Mitgliedes, eines Herrn Helmerich, der 2016 aus der AfD übergetreten ist in die SPD und dort von Ihnen mit offenen Armen empfangen wurde, damit er die Mehrheit von Herrn Ramelow in Thüringen sichert. Kann man dann sagen, die Regierung von Herrn Ramelow ist von einem Faschisten getragen worden?

(Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN)

Ihre Heuchelei hat bald ein Ende. – Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort, meine Damen und Herren, bekommt Herr Professor Kruse.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich mache zum Thema zwei Anmerkungen. Die erste zur Demokratie. Die Demokratie hat ein gravierendes Problem, das sind die Wähler. Die sind manchmal so frech, dass sie ihr Kreuz dort machen, wo sie wollen, und nicht dort, wo die Medienkommentatoren und die Gutmenschen auf ihrem moralischen Hochsitz das gern hätten.

(Zurufe von den GRÜNEN: Oh! – Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Gehen Sie zurück zur AfD!)

In Thüringen waren die Wähler besonders unverschämt. 55,3 Prozent von ihnen haben extreme Parteien gewählt, viele davon aus Protest, was die Vertreter der politischen Klasse zu Recht besonders empört, manchmal auch das Gehirn umnebelt, wenn sie vor den TV-Kameras ein Statement abgeben. Von den 90 Sitzen im Thüringer Landtag haben die extremen Parteien 51 Sitze errungen, heißt auf Deutsch,

(Dr. Alexander Wolf AfD: Die AfD ist keine extreme Partei!)

ohne extreme Parteien ist keine Regierungsmehrheit möglich. Böse Wähler. Herr Kemmerich von der AfD wurde im dritten Wahlgang …

(Heiterkeit bei der SPD)

Es macht mir immer Spaß, wenn ich Ihnen Anlass zur Lustigkeit gebe.

Also, Herr Kemmerich von der FDP wurde im dritten Wahlgang zum Ministerpräsidenten gewählt mit den Stimmen von FDP, CDU und AfD, wohlgemerkt ohne Kooperation mit der AfD. Und das können Sie der FDP auch nicht anhängen.

(Beifall bei Jens Meyer FDP – Dr. Monika Schaal SPD: Man kann sich seine Freunde nicht aussuchen!)

Dann hat man gesagt, Herr Kemmerich hätte die Wahl nicht annehmen dürfen. Diese Meinung kann man haben, vielleicht muss man sie auch haben, vor allen Dingen dann, wenn man im fernen Westen und in Berlin sitzt und mit Thüringen nichts zu tun hat. Aber, liebe Leute, was wäre wohl gewesen, wenn Herr Ramelow gleich im ersten Wahlgang gewählt worden wäre mit den Stimmen von LINKEN, SPD, GRÜNEN und AfD? Hätte er dann die Wahl ablehnen müssen, weil er mit den bösen Stimmen der Igitt-Partei AfD gewählt worden ist? Darüber sollte man vielleicht einmal nachdenken, wenn man hier mit moralischem Hochmut agiert.

(Jens-Peter Schwieger SPD: Das ist das Ar- gument von Gauland! – Zurufe)

Wohlgemerkt, ich halte Björn Höcke für einen Nazi. Aber es geht hier überhaupt nicht um Höcke, sondern um 23,4 Prozent der thüringischen Wähler, die alle AfD gewählt haben, von denen aber die meisten nicht rechts und schon gar nicht rechtsradikal sind. Mit deren Ausgrenzung bewirken die anderen Parteien gerade die Spaltung, von der sie dauernd reden, und fördern die AfD damit, was ich selbst inzwischen auch nicht mehr gut finde.

Zweite Anmerkung: Föderalismus. Viele Politiker halten den Föderalismus für wichtig. Aber wenn man das tut, muss man auch die politische Eigenständigkeit der Länder respektieren. Thüringen ist politisch nicht nur gravierend anders als Hamburg, sondern auch anders als jedes westdeutsche Flächenland. Deshalb sind Anweisungen aus Berlin, wie Ihre thüringischen Parteifreunde sich zu verhalten haben, respektlos. Befehle aus Berlin kennt man in Erfurt noch aus DDR-Zeiten, aber die DDR war weder demokratisch noch föderal. Aber vielleicht hat die ehemalige DDR-Kaderkommunistin Angela Merkel gedacht, das ginge immer noch so wie früher, als sie die Pressekonferenz mit dem südafrikanischen Präsidenten Ramaphosa für parteipolitischen Kleinkram missbraucht hat.

(Dirk Nockemann)

(Glocke)

Herr Professor Kruse, bitte denken Sie an Ihre Wortwahl.

Bitte?

Bitte denken Sie an Ihre Wortwahl und den parlamentarischen Sprachgebrauch.

Damit hat sie nicht nur Frau Kramp-Karrenbauer desavouiert, sondern auch Herrn Ramaphosa. Frau Kramp-Karrenbauer hat schon seit der Wahl im Oktober für Thüringen den Befehl ausgegeben, keine Zusammenarbeit der CDU mit LINKEN oder AfD. Das ist rechnerisch unmöglich, wenn man nicht die Unregierbarkeit in Kauf nehmen will. Sie und andere haben die thüringische CDU-Fraktion und deren Vorsitzenden Mike Mohring wie Lakaien behandelt. Da haben diese wohl gedacht: Sollen wir bluten, damit AKK in Berlin bella figura machen kann?

Wenn jetzt die Hamburger FDP einen Wahlnachteil haben sollte, wäre das eine Katastrophe. Das Schlimme daran ist der linke Mob. Ich habe die FDP-Fraktion hier in der Bürgerschaft in den letzten fünf Jahren kennen und schätzen gelernt: gute, seriöse Abgeordnete und eine vernünftige liberale und marktwirtschaftliche Politik. Ich hoffe, sie kommen wieder rein trotz dieser Ereignisse.

Dies ist meine letzte Rede in der Bürgerschaft.

(Beifall bei der LINKEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Ziehen Sie das ab von der Zeit?

(Heiterkeit)

Als ich vor fünf Jahren angefangen habe, fand ich die praktische Parlamentsarbeit sehr interessant. Vieles im Parlament mit der Bürgerschaft hat mich auch fasziniert und ich habe viele nette Menschen kennengelernt, aus allen Fraktionen. Ich war anfangs aber auch Mitglied einer Fraktion, die häufig sehr unfair diffamiert wurde,

(Zurufe von der SPD: Oh!)

nicht selten in hirnloser Manier. Auch das wird mir im Gedächtnis bleiben und meine Achtung vor der politischen Klasse dieses Landes beeinträchtigen. Meine Analysen zur Demokratie insgesamt habe ich in einem Buch niedergelegt, das im Juni dieses Jahres erscheinen wird.

(Heiterkeit bei der SPD und den GRÜNEN – Dirk Kienscherf SPD: Der stellt hier einfach sein Buch vor! – Zurufe – Glocke)

Meine Damen und Herren! Ich finde das ehrlich unangemessen und würde Sie bei dieser Gelegenheit gleich darauf hinweisen wollen, dass es möglicherweise noch mehr Rednerinnen und Redner geben wird, die bekannt geben, dass das heute ihre letzte Rede ist.

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Der kann doch hier keine Buchwerbung ma- chen!)

Wenn man das dann nicht gut findet, kann man das vielleicht still für sich ausmachen und ansonsten einfach den Rednerinnen und den Rednern zuhören.

(Beifall bei der FDP)

So, jetzt findet Herr Professor Kruse seine letzten Sätze.

Also, ich schulde Ihnen noch die letzten beiden Zeilen meines Manuskriptes. Das Buch wird heißen: "Bürger an die Macht – Wie unsere Demokratie besser funktioniert". Ich glaube, viele im Haus können daraus eine Menge lernen, gerade nach der Sitzung von heute. – Vielen Dank.

So, meine Damen und Herren, das Wort bekommt nun Dr. Flocken.

(Zuruf: Auch die letzte Rede!)

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Volksvertreter (m/ w/d)! Demokratie, indirekte parlamentarische, geht so: Das Volk wählt Volksvertreter, diese wählen die Regierung, Details regelt die Verfassung. Bei der Wahl im Oktober haben die Thüringer der Regierung die Mehrheit entzogen, letzte Woche haben die Volksvertreter einen anderen Ministerpräsidenten gewählt; eine Sternstunde der Demokratie, denn das ist es ja, was die Volksherrschaft zieret, dass Volksvertreter ohne Waffen die Regierung austauschen können. In der Landesverfassung steht nicht, dass die von den Volksvertretern getroffene Wahl erst gültig werde, wenn die Herrscherin oder sich moralisch überlegen Dünkende zustimmen, andernfalls sie rückgängig gemacht werden müsse. Wer das fordert, zumal unter Druck gegen ein Verfassungsorgan und mit einem empfindlichen Übel drohend, ist Straftäter. Wenn er ohne Drohen fordert, ist er schlicht Verfassungsfeind und Antidemokrat, auch wenn er inbrünstig sich selbst zum Demokraten ernennt und mit Gleichgesinnten sich gegenseitig demokratische Weihen zuräuchert. Wer die rechtmäßige Wahl anerkennt, zeigt sich als Demokrat. Entweder oder, Demokrat oder Antidemokrat. Sie haben sich hier als Antidemokraten bekannt.