Protocol of the Session on July 5, 2016

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(Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ich hör wohl nicht richtig!)

Das ist im Moment ein Trend, den wir als GRÜNE versuchen zu stoppen, und ich denke, da gibt es auch andere Parteien hier im Landtag. Diesen Trend wollen wir stoppen und umkehren. Wir möchten gern, dass es wieder eine Bahnoffensive gibt und wir mehr Bahnverkehr statt weniger in Mecklenburg-Vorpommern bekommen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir kriegen allerdings Druck von allen Seiten. Das ist zuzugeben. Das eine sind die Regionalisierungsmittel, wo es zwar jetzt noch mal einen erheblichen Mittelaufwuchs gegeben hat, aber es wird noch im Hintergrund gerechnet, glaube ich. Ob wir am Ende wenigstens das Gleiche bekommen wie in den letzten Jahren, ist noch nicht endgültig klar.

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Mindestens beim Mittelaufwuchs gibt es offensichtlich noch schwere Diskussionen und Probleme.

(Jochen Schulte, SPD: Lies dein Gutachten, dann weißt du, dass es auf Dauer weniger wird!)

Es wird unter Umständen etwas weniger, das ist richtig, aber umso mehr steht ja die Frage: Müssen wir das sozusagen als Landespolitik so hinnehmen und entsprechend den Bahnverkehr zurückfahren oder lohnt es sich dagegenzusteuern?

Diese Abwärtsspirale, sagt das Gutachten, kann man stoppen, wenn man Geld in die Hand nimmt. Nun werden Sie sagen, das ist ja wieder typisch, all das Geld zum Fenster rausrauchen und die Schulden erhöhen. Das ist nicht das Ziel. Klar, wir müssen investieren, einmalig investieren in verschiedenste Streckenabschnitte. Hier in dem Gutachten sind alle möglichen Wunschstrecken mit aufgeführt, zum Beispiel die Karniner Brücke oder die Strecke von Rehna nach Schönberg. Das sind Strecken – Rehna nach Schönberg –, die noch nicht mal existent sind. Diese war bloß mal ganz ursprünglich in der Planung und hätte...

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Eine Lücke ist das.)

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Eine Lücke.)

Ja, das ist eine Lücke. Die gibt es nicht, das heißt,

(Jochen Schulte, SPD: Eine Lücke gibt es schon.)

es ist ein besonders hoher Aufwand, die überhaupt hinzubekommen.

Aber – und das war auch meine Frage an den Gutachter – ist denn das realistisch, hier Sachen reinzuschreiben, die irgendwo zwischen 180 Millionen und fast 700 Millionen Euro liegen? Das kostet doch auf der anderen Seite Wahnsinnsbetriebskosten, denn die Strecken muss ich ja auch irgendwie befahren. Und unter Umständen muss ich die Gelder abziehen, die ich auf den bisherigen Strecken hatte, damit ich die neuen Strecken auch noch befahren kann.

Hier die erste interessante Erkenntnis: Die Erkenntnis heißt, mit den Betriebsausgaben kann ich mit einer leichten Steigerung von acht Prozent erreichen, dass ich diese ganzen zusätzlichen Strecken trotzdem befahren kann. Das liegt einfach an einer gedachten Vertaktung und daran, dass ich Personal und vor allen Dingen das Zugmaterial dadurch effizienter einsetzen kann, weil diese in einem Takt durch das Land hin und her fahren und deswegen quasi fast als Mitnahmeeffekt diese Strecken noch mit bedienen können. Würden wir das schaffen, würden wir natürlich neue Leute bewegen, in die Bahn umzusteigen und auch die anderen Strecken stärker zu nutzen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Ein anderer Punkt, an dem ich auch ein bisschen geknaupelt habe – und ich bin ja im Vorfeld schon auf das Gutachten angesprochen worden –, ist die Idee des Gutachters, zu sagen, stellt den Nahverkehr vor den Fernverkehr. Das widerspricht erst mal jeder Logik, nämlich: Wackelt der Hund mit dem Schwanz oder der Schwanz mit dem Hund? In der Regel wedelt der Hund mit dem Schwanz. Und das heißt für ein Land mit 1,6 Millionen Einwohnern, wir werden die Bahn wahrscheinlich in Berlin und Frankfurt nicht so richtig in die Mangel nehmen können. Das war

meine Argumentation. Die Argumentation des Gutachters ist eine andere und ich finde, wir sollten darüber nachdenken. Diese heißt: Das Einzige, was ihr bestimmen könnt, ist letztendlich der Nahverkehr. Das muss das Rückgrat sein und der Fernverkehr muss sich nachfolgend dort mit einfügen. Natürlich muss man dann Verhandlungen mit der Bahn führen und am Ende sinnvolle Ergänzungen hinbekommen. Es sollte nicht so sein, dass der Fernverkehr mehr oder weniger parallel zum Nahverkehr den Takt fährt und man sich gegenseitig die Kunden wegnimmt. Aber die Idee, einen durchgetakteten Fahrplan zu machen und dann in Verhandlungen mit der Bahn zu treten, finde ich überlegenswert.

Ein weiterer Punkt ist, zu den Preisen, die wir an die DB AG letztendlich zahlen, dafür, dass sie für uns den Nahverkehr zahlen, sagt der Gutachter, es wäre hilfreich und wünschenswert, mehr Wettbewerb auf der Schiene zu haben. Dazu haben wir hier auch schon Anträge vorgestellt.

Ein ganz zentrales Problem ist, dass die Ausschreibungszeiträume – 12 bis 15 Jahre, in dem Bereich liegt das – wenig mit der Lebensdauer der Fahrzeuge zu tun haben. Sich also neue Fahrzeuge anzuschaffen, dann aber nur für 15 Jahre die Zulassung für die Strecke zu bekommen, kann wirtschaftlich ziemlich verheerend enden. Deswegen gibt es in allen möglichen Bundesländern die Idee – und die höre ich bei uns noch nicht raus –, sich um die Fahrzeuge als Land zu kümmern, sodass ich...

(Jochen Schulte, SPD: Darüber haben wir ja schon diskutiert.)

Darüber haben wir schon diskutiert, aber die Idee ist ja deswegen nicht schlechter, weil wir schon mal darüber gesprochen haben,

(Jochen Schulte, SPD: Nee, nee.)

und ich bin gespannt, ob ihr da jetzt ein Stück weiterkommt, denn das ist tatsächlich auch nach Meinung des Gutachters Dreh- und Angelpunkt, um kleinere Anbieter mit ins Boot zu holen, die dann bessere Streckenpreise aufrufen können.

Warum können die das? Das ist ein weiterer Punkt. Das erlebt jeder, der in einem Unternehmen mal gearbeitet hat, was sehr stark wächst, was plötzlich Konzernstrukturen bekommt. Dort gibt es plötzlich Richtlinien und Richtwerte, wo man einfach sagt, die halten wir ganz pauschal ein, da ist auch der Kontrollaufwand geringer, wir können uns darauf verlassen, überall gelten diese Richtwerte. Ein kleinerer Bahnbetreiber kann durchaus hinnehmen, dass er über eine Brücke nicht mit Tempo 80 mit seinen 25 Tonnen Achslast fahren kann, der fährt dann einfach wesentlich langsamer. Die Bahn sagt, Ausbaustandard bedeutet besagte 25 Tonnen, so müssen wir da rüber, so muss das Ganze gebaut werden.

Das Gleiche gilt auch für den Bahnsteigausbau. Wir haben hier unterschiedliche Preise für ähnlich große Bahnsteige aufgerufen, die sich zwischen 150.000 Euro und 800.000 Euro belaufen. Ich habe da auch nachgefragt: Kann das stimmen? Das ist ja fast das Fünffache, was die Bahn dafür will. Ja, heißt es, es gibt solche Beispiele, wo genau solche Preisunterschiede aufgerufen wurden, weil die Bahn einfach sagt, wir machen das überall im Bundesgebiet gleich, wir fangen da nicht an, für jeden so eine Extralösung zu machen, während eine

kleinere Bahn vor Ort ganz anders herangehen kann. Das ist übrigens die Denke derjenigen, die momentan versuchen, die Südbahn noch am Leben zu erhalten, weil sie sagen, klar fahren wir mit anderen Standards als die DB AG, aber diese Standards reichen für die konkrete Strecke.

Ich denke also, dass wir mit diesem Gutachten eine Diskussionsgrundlage vorgelegt haben, über die man nachdenken sollte, die neue Impulse gibt, die nicht nur darauf hinausläuft, einfach sehr viel mehr Geld in die Hand zu nehmen, die allerdings tatsächlich eine Investition mindestens im Bereich von 180 Millionen vorschlägt. Wir müssen überlegen, was sinnvoll ist, was wir mit dem Geld machen können. Aber wer zurzeit die europaweite Diskussion sieht, der sieht, dass Geld in Massen auf dem Markt ist, und sieht irgendwelche dringenden Anlagen oder halbwegs vernünftige Investitionsmöglichkeiten. Das ist ein Zeitpunkt, an dem es sich lohnt, nachzudenken und zu sagen, wäre das nicht eine Möglichkeit, sicherlich mit Unterstützung vom Bund, vielleicht auch von der EU, hier stärker in die Vorleistung zu gehen, eine solche Infrastruktur zu schaffen und auf Dauer mit einem relativ gemäßigten Anstieg der Betriebskosten ein wesentlich breiteres Angebot für die Bahn hinzubekommen in unserem Land, was dann praktisch Aufwuchs bedeutet und mehr Fahrgäste.

(Egbert Liskow, CDU: Wer ist der Gutachter?)

Die gegenteilige Variante – und das ist das, was wir momentan sehen – heißt, wieder zu sagen, die nächste Bahnstrecke wird dichtgemacht, da sind immer weniger Leute unterwegs, da sehe ich die nächsten Streckenstilllegungen auf uns zukommen. Für den Bus will ich durchaus eine Lanze brechen. Was die ökologischen Seiten des Busses angeht, die will ich nicht verteufeln, aber die Bahn ist ein Verkehrsmittel, was ein unglaubliches Potenzial hat, was gerade im Tourismusbereich sehr angenommen werden würde, wenn wir dort mehr schaffen können.

Das ist übrigens auch ein interessanter Hinweis: Aus dem Gutachten habe ich gelernt, dass wir einen deutlichen Aufwuchs beim Thema Tourismus haben, der sich aber kaum bei den Bahnreisenden, den anreisenden Touristen in Mecklenburg-Vorpommern widerspiegelt.

(Udo Pastörs, NPD: Woher kommt das wohl?)

Ich sehe hier schon so ein bisschen Kopfnicken, aber auch viel Kopfschütteln. Ich bin gespannt auf die Diskussion und wir hören uns noch mal.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Jaeger.

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Energieminister Herr Christian Pegel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das gutachterliche

Konzept der Bündnisgrünen, was angesprochen worden ist, wirkt beinahe einfach. Sie erlauben jetzt eine gewisse Zuspitzung: 250 bis 400 Millionen Euro mehr für Investitionen in Schienenwege, 25 bis 40 Millionen Euro mehr jedes Jahr für Zugbestellungen oder, mit Ihren Worten, von gerade mal 8 Prozent, und knapp 50 Prozent Mehreinnahmen aus Fahrkartenverkäufen. Schnäppchen, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehen anders aus.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Richtig.)

Und da hilft auch kein Gutachten, ganz im Gegenteil, da stehen diese genannten Preise drin und ich bin schon immer an die unteren Wertgrenzen gegangen, um mich nicht dem Vorwurf auszusetzen, ich hätte überzogen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eigentlich müssten wir im Energieministerium fast dankbar sein: Besser als mit diesem Gutachten lässt sich die bisher solide Verkehrspolitik dieser Landesregierung kaum dartun. Auch das Gutachten zeigt keinen Weg auf, mit vorgegebenen Ressourcen und Möglichkeiten den ganz großen Budenzauber zu erzeugen.

(Zuruf von Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nein, um die These der Opposition „Da muss doch mehr gehen“ zu belegen, müssen 250 bis 400 Millionen Euro mehr für Investitionen in Schienenwege in Gutachten als selbstverständliche Mindestzusatzfinanzmasse eingerechnet werden, außerdem 25 bis 40 Millionen Euro mehr Geld aus dem öffentlichen Haushalt jährlich für Zugbestellungen. Die Einnahmen aus Fahrkartenverkäufen werden begründungslos knapp 50 Prozent höher unterstellt, und das ist im Übrigen auch die große Kritik der Kolleginnen und Kollegen, ohne jede fassbare Begründung, wo die Annahme für diese Fahrgaststeigerung herrühren soll. Genau genommen sind es, glaube ich, 46,8, also knapp unter 50 Prozent.

(Jochen Schulte, SPD: 48,6.)

Keine Fußnote, keine vertiefte und überprüfbare Begründung.

Zugegeben, so viel wissenschaftlichen Standard braucht ein Gutachten natürlich nicht zu haben. Das entscheidet der Besteller, aber für die Überzeugungskraft wäre es hilfreich gewesen. Und um es mal umzukehren: Ein Gutachten der Landesregierung in unserem Auftrag, das eine solche Flanke offen gelassen hätte, wäre hier in Bausch und Bogen zerrissen worden.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wir haben auch nicht ganz so viel Geld für Gutachten.)