Protokoll der Sitzung vom 18.11.2004

- Weil ich sehen wollte, welche Strategie Herr Hirche hier vorträgt. Offenkundig hat er keine.

(Hermann Eppers [CDU]: Ihr Antrag ist eine Bruchlandung! - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Das ist konstruiert!)

- Nein, das ist nicht konstruiert. Zwischen den Luftfahrtstandorten in Deutschland gibt es im Augenblick einen ganz knallharten Interessenwettbewerb. Das hat Herr Hirche mit keinem einzigen Wort erwähnt.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Sie auch nicht!)

Das halte ich für ein Versäumnis.

Zweitens. Herr Hirche, Sie haben sehr verantwortungsvoll gehandelt, indem Sie im Standortwettbewerb keine uneinlösbaren Blankoschecks verteilt haben. Wir sind mit Ihnen absolut einer Meinung. Man kann nicht für 30 Jahre Nachtflüge garantieren, ohne dabei die Lärmschutzbedenken von Anwohnern zu berücksichtigen. Das wäre nicht seriös.

Zu dem Einwurf von Herrn Eppers, Herr Bachmann habe gefordert, in Braunschweig Charterflugverkehr zuzulassen, möchte ich sagen: Es ist doch legitim, dass ein Wahlkreisabgeordneter solche Interessen vertritt. Sie haben als interessenorien

tierter Mensch doch eine ganze Zeit auch immer gegen die Maut protestiert.

(Hermann Eppers [CDU]: Das ist aber weit hergeholt!)

Heute wird nicht mehr gegen die Maut protestiert. Heute wird darüber diskutiert, welche Straßen man mit den Mauteinnahmen bauen kann.

(Hermann Eppers [CDU]: Erst einmal muss die Maut funktionieren!)

Ich finde, eine Einzelmeinung wie die von Herrn Bachmann muss man zulassen. Die SPD-Fraktion beabsichtigt keinen Charterflugverkehr in Braunschweig.

Eine letzte Bemerkung möchte ich zu KasselCalden machen, Frau Präsidentin. Dort werden jetzt Dutzende von Millionen Euro in ein Projekt investiert, das nach Auffassung aller Experten überflüssig ist. Sie sagen dazu, in einer gemeinsamen Kabinettsitzung von Niedersachsen und Hessen habe man über das Problem gesprochen. Wer hat denn an dieser gemeinsamen Kabinettsitzung von Niedersachsen und Hessen teilgenommen? Mit Christian Wulff und Roland Koch saßen dort die beiden Hoffnungsträger der CDU.

(Beifall bei der CDU - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Zur Hälfte richtig!)

- Sie werden gleich noch ein zweites Mal klatschen. - Wenn selbst diese beiden nicht verhindern können,

(Hermann Eppers [CDU]: Ihr Hoff- nungsträger ist ja gerade weggelau- fen! - Bernd Althusmann [CDU]: Bei Ihnen arbeiten die Hoffnungsträger Teilzeit!)

dass 50 Millionen Euro Staatsknete in ein sinnloses Projekt gesteckt werden, frage ich mich: Welche Zukunft will denn die CDU für ganz Deutschland bieten, wenn nicht einmal die beiden das schaffen?

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Es wird empfohlen, den Antrag zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zu überweisen. Mitberatend sollen sich der Ausschuss für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie der Ausschuss für Haushalt und Finanzen mit dem Antrag beschäftigen. Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 26: Keine Renaissance der Atomkraft in Deutschland - Endlagersuche konstruktiv begleiten! - Antrag der Fraktion der SPD Drs. 15/1415

Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, jetzt keine Beratung stattfinden zu lassen, sondern den Antrag direkt zu überweisen, und zwar zur federführenden Beratung an den Umweltausschuss und zur Mitberatung an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie an den Ausschuss für Inneres und Sport. Gibt es dagegen Widerspruch? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Das sehe ich nicht; dann ist so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 27: Erste Beratung: Zertifizierung von Pflegeeinrichtungen unterstützen - Antrag der Fraktion der SPD Drs. 15/1418

Zur Einbringung des Antrags erteile ich Frau Kollegin Groskurt von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön, Frau Groskurt!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der SPD-Fraktion, die Zertifizierung von Pflegeeinrichtungen zu unterstützen, basiert auf der Ausgangssituation, dass im Pflegequalitätssicherungsgesetz gemäß § 113 SGB XI eine Prüfung der Pflegequalität als Grundlage eines Leistungs- und Qualitätsnachweises zwar gefordert wird, eine entsprechende gesetzli

che Umsetzungsverordnung aber noch aussteht. Die Tatsache, dass der Bereich der Pflege im medizinischen Gesamtverständnis in den letzten Jahren immer mehr Kompetenz erworben hat, bestärkt die Notwendigkeit unseres Antrags.

Die Pflegenden sind heute mit zunehmenden Aufgaben in den Bereichen medizinische Diagnostik und Therapie konfrontiert. Die Zahl der pflegebedürftigen und pflegeintensiveren Menschen steigt. In unserer Verantwortung liegt es, den Weg für eine optimale Pflege zu ebnen.

Wir müssen gegenüber den Kommunen und Pflegekassen deutlich machen, dass zertifizierte Pflegeeinrichtungen von der Heimaufsicht und dem Medizinischem Dienst der Krankenkassen nur noch anlassbezogen geprüft werden. Die hierdurch frei werdenden Kapazitäten könnten dann für die Prüfung der nichtzertifizierten Einrichtungen verwendet werden.

Finanziell ist eine Zertifizierung für Pflegeeinrichtungen eine große Belastung; sie kostet Geld. Abläufe müssen eventuell umgestellt, Fortbildung und Qualifikation verbessert und bauliche Maßnahmen durchgeführt werden. Für die Pflegeeinrichtungen müssen sich also die Vorteile einer Zertifizierung rechnen, und zwar sowohl in Hinblick auf Zeitersparnis durch weniger Prüfbesuche, die der Pflege zugute kommt, als auch in finanzieller Sicht, indem die gewonnene Pflegequalität durch die Pflegekassen honoriert wird.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Pflege steht vor neuen Herausforderungen. Worte wie „Qualität“ und „Qualitätsmanagement“ sind zu Begriffen unserer Zeit geworden und dabei verstärkt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Ein gesamtgesellschaftlicher Orientierungs- und Wertewandel zieht eine Neuorientierung nach sich. Um hier eine Vergleichbarkeit der Qualität herzustellen, müssen auf Bundesebene Mindeststandards und staatliche Anerkennung der Zertifizierung vorgegeben werden. Die Voraussetzung hierfür ist die Steuerung zur notwendigen Klarheit und Transparenz der Strukturen.

Klarheit und Transparenz sind jedoch schwierig bei Vertrauensgütern wie der Pflege zu gewinnen. Deshalb nehmen inzwischen schon viele Pflegeeinrichtungen den Weg der Zertifizierung. Indem eine neutrale Prüfstelle als Partner beauftragt wird, werden die Positionen von Pflegeunternehmen und Pflegekassen gestärkt. Pflegeeinrichtungen

und -dienste können gegenüber den Pflegekassen gelebte Qualität vorweisen, und Verhandlungen über Pflegesätze erhalten ein besseres Fundament. Die Pflegekassen wiederum erreichen eine nachhaltige Qualitätssicherung und eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung in der Pflege. Im Interesse der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen, aber auch im Interesse der Einrichtungen muss die Zertifizierung einheitlich, transparent, verbindlich und vergleichbar gestaltet werden.

(Zustimmung von Marie-Luise Hemme [SPD])

Unstrittig ist, dass eine Zertifizierung von Pflegeeinrichtungen hilft, die Pflegequalität zu verbessern. Anforderungen an eine Zertifizierung sind z. B. - wie schon erwähnt -,

Leistung und Qualität messbar und vergleichbar darzustellen; das stärkt das Vertrauen von Versicherten, Patienten und Angehörigen in die Leistungskraft von Pflegeversicherungen und -anbietern und damit verbundener Dienstleistungen dauerhaft,

Grundlagen zu bilden über einheitliche Definitionen und die Feststellung von Parametern für die detaillierte Messung der Unternehmensund Pflegequalität in stationären, teilstationären sowie ambulanten Pflegeeinrichtungen in den drei Ebenen der Struktur-, der Prozessund der Ergebnisqualität.

Zertifizierung muss als unabhängige, akkreditierte Qualitätsprüfstelle einheitlich für alle Kunden durchgeführt werden. Das stärkt den Verbraucherschutz und unterstützt den Qualitätswettbewerb im Markt durch die freiwillige Offenlegung der Ergebnisse sowie den Zugang für alle Beteiligten.

Die Pflegekassen können eine Verbindung zwischen Qualität und Vergütung auf der Grundlage des SGB XI und der im Land geltenden Verträge erstellen.

Ziel muss es sein,

Kostensenkungspotenziale zu erkennen,

Arbeitsprozesse zu optimieren,

Pflege zu verbessern,

Bewohnerund Patientenorientierung und -zufriedenheit zu fördern,

bestehende Maßnahmen zu systematisieren,

Mitarbeiter zu motivieren,

Image zu verbessern,

Werbewirkungen zu erzielen und die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

Sehr geehrte Damen und Herren, Qualität ist im Wettbewerb der Pflegeeinrichtungen ein wichtiges Kriterium. Was die Altenpflege bzw. Pflegeheime angeht, so bedarf es einer massiven Anstrengung, in der Gesellschaft ein besseres Bild zu etablieren. Es gibt kaum positive Berichte über Pflegeheime in den Medien. Der Paradigmenwechsel innerhalb der Pflegelandschaft zu einem transparenten und wirtschaftlichen Dienstleistungsprozess zwingt zu einer Sichtweise, die Individualität, Qualität und Wirtschaftlichkeit miteinander verbindet.

In der Oktober-Ausgabe der Zeitschrift G+G Wissenschaft wird ausgeführt, dass die Liste der Qualitätsdefizite in deutschen Pflegeheimen lang ist. In jedem zweiten Heim gibt es keine individuellen Pflegeziele und in jedem dritten Haus keine fachgerechte Planung der Pflegeprozesse. Bisher haben 10 % der ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen ein freiwilliges, externes Qualitätssiegel oder -zertifikat von unterschiedlichen Anbietern erworben.