Protokoll der Sitzung vom 15.12.2004

(Zurufe von der CDU: Ah!)

Vielleicht erinnern Sie sich! Es ist der Scheinriese aus „Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer“. Je näher man kommt, desto kleiner wird er. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächster Redner, meine Damen und Herren, ist Herr Kollege Oppermann von der SPD-Fraktion. Herr Oppermann, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Wirtschaftsminister Hirche im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr seine Strategie und den Einzelplan 08 erläuterte, da nannte er vier Leuchtturmprojekte. Wenn ich mich richtig erinnere, waren das das Innovationszentrum Niedersachsen, die NBank in Hannover, Braunschweig und Oldenburg, der JadeWeserPort in Wilhelmshaven und der Forschungsflughafen in Braunschweig. Diese vier Leuchttürme, meine Damen und Herren, sind sehr unterschiedlich. Aber sie haben eines gemein: Sie stammen alle vier aus der SPD-Regierungszeit.

(Beifall bei der SPD)

Insofern, Herr Hirche: Wenn das Ihre Leuchttürme sind, dann können Sie dort höchstens die Rolle des Leuchtturmwärters spielen. Wenn Sie sich als Architekt ausgeben, schmücken Sie sich mit fremden Federn. Das, finde ich, sollte man auch immer deutlich machen.

Ich will einmal schauen, wo dieser Haushalt Herrn Hirches eigene Handschrift trägt. Zunächst ein Blick auf die Investitionen. Arbeitsplätze entstehen durch Investitionen und Innovationen. Ohne Investitionen sind Wachstum und Beschäftigung nicht möglich.

Wenn Sie die Investitionsquote des Haushalts anschauen, meine Damen und Herren, dann stellen Sie fest: Seit es das Land Niedersachsen gibt, seit 1947, hat kein Wirtschaftsminister einem Etat mit einer so niedrigen Investitionsquote seine Zustimmung gegeben.

(Zuruf von der CDU: Das habt ihr doch verschuldet!)

Sie kürzen beim Hochschulbau, beim Wirtschaftsförderfonds, beim Hafenbau, beim Landesstraßenbau; beim Landesstraßenbau mit 15 Millionen Euro eine Summe, welche die Grünen sich nicht einmal zu beantragen getraut hätten. Sie kürzen aber auch gleich noch die Ingenieurleistungen, sodass keine neuen Straßen geplant werden können, womit Sie gleich eine Rechtfertigung dafür haben, den niedrigen Ansatz für 2006 weiterzuschreiben. Und - das ist schon erwähnt worden - Sie kürzen bei der Städtebauförderung eine Summe, die den kleinen und mittleren Unternehmen des Bau- und Baunebengewerbes insgesamt einen dreistelligen Millionenbetrag an Aufträgen vorenthält.

Meine Damen und Herren, mit 7,2 % haben Sie nicht nur die niedrigste Investitionsquote in der Geschichte des Landes Niedersachsen, Herr Hirche. Wenn man sich einmal die anderen Bundesländer anschaut, dann haben Sie auch die niedrigste Investitionsquote von allen 16 Bundesländern. Nordrhein-Westfalen, das von Ihnen immer politisch verdächtigt wird, hat eine Investitionsquote von 10,6 %. Bayern hat eine von 12,9 %. Selbst das arme Schleswig-Holstein hat eine von 9,3 %. Die neuen Bundesländer haben durch die Bank zweistellige Investitionsquoten.

Herr Hirche, Sie sind doch ein alter Hase. Keiner ihrer 15 Kollegen der Wirtschaftsministerkonferenz war schon, wie Sie, 1986 im Amt. Wir fühlen Sie sich als alter Hase, wenn die 16 Minister ihre Investitionen auf den Tisch legen und Sie zugeben müssen, dass Sie der Investitionszwerg Deutschlands sind?

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Hagenah hat eben das Wort „Scheinriese“ in den Mund genommen. In der Tat, der Scheinriese wird immer kleiner, je näher man kommt. Und das ist bei Ihnen bei der Investitionsquote so.

Wie wollen Sie von der Wirtschaft glaubhaft mehr Investitionsbereitschaft einfordern, wenn Sie selber die Investitionen in Niedersachsen auf ein Rekordminimum schrumpfen lassen? - Das ist ein völlig verfehlter Ansatz.

Was passiert in der Innovations- und Wachstumspolitik des Landes? - Hier gibt es ein doppeltes Vakuum. Erstens haben Sie keine Strategie gegen die ungleichzeitige und unregelmäßige Entwicklung des Landes Niedersachsen. Sie haben keine Strategie, wie die Verarmung und Verödung gan

zer Landstriche in Ost- und Südostniedersachsen abgewendet werden kann.

In früheren Zeiten gab es darauf Antworten. CDUund SPD-Regierungen haben z. B. mit dem Emslandprogramm ein gezieltes Programm gegen die Verarmung einer Region aufgelegt. Hier entwickelt sich Niedersachsen auseinander. Die Lebensverhältnisse entwickeln sich gegensätzlich, und Sie unternehmen praktisch nichts dagegen.

Sie haben auch keine industriepolitische Strategie. Sie haben kein Konzept, wie die beiden Schwachpunkte, die der Niedersachsen-Monitor aufgezeigt hat, nämlich der Mangel an unternehmensnahen Dienstleistungen und das Fehlen ausreichender Direktinvestitionen, also Investitionen ausländischer Firmen, behoben werden können. Beide Defizite können Sie nur überwinden, wenn Sie auf Spitzentechnologie setzen.

Bei der Maut haben Sie immer kräftig polemisiert, als das nicht geklappt hat.

(Zuruf von der CDU: Zu Recht!)

Ihr Kollege Dinkla hat sogar, als das Chaos auf dem Höhepunkt war, die Einführung der Infrarottechnik vorgeschlagen. Die Infrarottechnik, Herr Dinkla, mag gut genug sein, um Ihren verspannten Rücken zu bestrahlen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Aber das ist keine Technologie, mit der Sie heute weltweit im Exportgeschäft erfolgreich tätig sein können.

(Beifall bei der SPD)

Auch da waren Sie opportunistisch ohne Ende. Wenn das mit dem Mautsystem jetzt funktioniert, dann werden Sie ganz neidvoll gucken. Wir wollen mal sehen, wie es läuft.

Sie haben von uns ein engmaschiges Netzwerk bei der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft übernommen. Wir haben Kompetenzzentren geschaffen. Wir haben Institute für Innovationstransfer geschaffen. Sie, Herr Hirche, pflegen dieses Netzwerk nicht genug. Sie machen Spitzentechnologie nicht zu Ihrem persönlichen Thema.

Auf Bundesebene gibt es die Partner für Innovation. Wissenschaft, Wirtschaft und Politik arbeiten zusammen, um Deutschland in dieser Frage vo

ranzubringen. Dieses Projekt läuft an Niedersachsen vorbei.

Gerade ein Land wie Niedersachsen - Sie haben das hier oft genug gehört -, das finanziell vergleichsweise arm ist, muss, wenn es Anschluss an die reicheren Regionen in Süddeutschland und in anderen Teilen Europas gewinnen will, seine knappen Mittel konzentriert für Wissenschaft und Forschung, für Technologie und Entwicklung einsetzen. Genau das machen Sie aber nicht. Ihr Haushalt und auch der gesamte Haushalt lässt diesen Schwerpunkt überhaupt nicht erkennen. Sie kürzen z. B. bei der IPA, die den Auftrag hat, neue Unternehmen in Niedersachsen anzusiedeln. Sie haben aber auch kein Konzept für die Bestandspflege erfolgreicher niedersächsischer Unternehmen.

Ich will das noch einmal am Beispiel Volkswagen erläutern. Als Sie in den Aufsichtsrat dieses Global Players gekommen sind, haben Sie bestimmt gedacht, jetzt seien Sie selbst ein Global Player. Als Erstes haben Sie den Deal mit Abu Dhabi ausgeplaudert. Sie haben zwar nicht den Namen genannt, aber als Sie von einem Großinvestor bei Volkswagen sprachen, wussten die Eingeweihten Bescheid. Das war zu dem Zeitpunkt noch nicht öffentlich. Sie haben ein Zeitungsinterview gegeben. Kein anderes Aufsichtsratsmitglied in deutschen Automobilunternehmen würde die solche Dinge ausplaudern.

Aber Sie haben aus dem Fehler noch nicht einmal gelernt. Sie haben weiter öffentlich Ratschläge zur Markenpolitik und zur Preispolitik gegeben. Wenn mir bei Volkswagen eines auffällt, meine Damen und Herren, dann ist es der schroffe Gegensatz zwischen diesem dilettantischen Auftreten und dem professionellen Verhalten der Arbeitnehmervertreter im Betriebsrat und im Aufsichtsrat.

Einen schweren Fehler haben Sie auch beim Thema Ausbildung gemacht. Herr Hirche, als Vizeministerpräsident und Wirtschaftsminister durften Sie nicht zulassen, dass zwei Wochen, nachdem Sie im Anschluss an den nationalen Pakt für mehr Ausbildungsplätze einen Landespakt mit der ausbildenden Wirtschaft verabredet hatten, das Kabinett eine Kürzung von 2,7 Millionen Euro beschließt. Davon war die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung betroffen, obwohl Leute wie Herr Hermann als betroffener Ausbildungsbetrieb heftig dagegen protestiert haben. Sie bzw. die CDU haben das zwar jetzt korrigiert, das stimmt. Aber Sie

haben drei Monate lang, während der gesamten Vermittlungs- und Nachvermittlungsphase, z. B. das Handwerk in dem Glauben gelassen, es müsse noch mehr Finanzmittel für die Ausbildung aufwenden. In dieser Phase, in der noch zusätzliche Ausbildungsplätze hätten generiert werden können, haben Sie dem Handwerk praktisch vors Schienbein getreten, meine Damen und Herren. Das war eine meisterhafte Psychologie. Wenn Sie mal aus der Politik aussteigen, sollten Sie Motivationstrainer werden.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Wir brau- chen keine Motivation!)

Im Übrigen, Herr Hirche, behandeln Sie, auch wenn Sie Handwerksmeister in der Fraktion haben, das Handwerk schlecht.

(Zuruf von der CDU: Das sagen gera- de Sie!)

Sie tun so, als ob das ohnehin Ihre angestammten Fußtruppen sind. Wenn Sie mit denen reden, dann werden Sie hören, dass Sie da zu arrogant sind.

Zum Schluss noch einmal zum Thema Bürokratieabbau. Herr Hoppenbrock, Sie sagen, wir haben kein Geld, also bauen wir die Bürokratie ab, denn das kostet ja kein Geld. Allerdings haben Sie erst einmal ein Referat für Bürokratieabbau mit einem Referatsleiter eingerichtet. Damit fangen Sie ja schon einmal an, Kosten entstehen zu lassen. Gleich heißt es dazu sicherlich wieder, diese Leute waren sowieso da. Auf dieses Argument bin ich schon sehr gespannt.

Aber was ist Ihnen bisher gelungen? - Sie haben in den Ministerialblättern alte Vorschriften und Erlasse aufgestöbert,

(Hermann Dinkla [CDU]: Das hätten Sie ja auch machen können!)

die man heute schon gar nicht mehr kennt und die auch gar nicht mehr angewendet werden. Die heben Sie dann auf, und dann addieren Sie die Zahl der aufgehobenen Vorschriften und bezeichnen das als großen Bürokratieabbau. Das Einzige, was Ihnen dabei bisher wirklich gelungen ist, der einzige messbare Erfolg ist, dass Sie Sitzgelegenheiten in Stehcafés erlaubt haben. Von dieser Erlaubnis wird jetzt auch massenhaft Gebrauch gemacht. Das ist ein großer Wachstumsimpuls für unsere Wirtschaft.

(Beifall bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: Das ist bürgernah!)

Herr Hirche, das ist zu dünn. Große Ankündigungen, kleine Taten. Der Rekordtiefstand bei den Investitionen, das Fehlen eines industriepolitischen Konzeptes und die Vernachlässigung der Spitzentechnologie in Niedersachsen lassen befürchten, dass es in der Wirtschaft in Niedersachsen im nächsten Jahr mit diesem Haushalt und diesem Minister leider nicht vorangehen wird.

(Starker Beifall bei der SPD)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Hermann von der FDP-Fraktion. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Verehrte Damen, meine Herren! Herr Oppermann ist ein ganz netter, auch ein durchaus intelligenter Mann. Aber wenn er über Wirtschaft spricht, dann liegt er völlig daneben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Denn er theoretisiert, hat, weil er von der Praxis nichts versteht, ein Problem und wird dann - das ist nicht so fein, Herr Oppermann - persönlich. Das sollten wir eigentlich lassen. Ich finde, als Wirtschaftspolitiker sollte man schon eins und eins zusammenzählen können.

Meine Damen und Herren, auch der Einzelplan des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr muss Einsparungen erbringen, und zwar in Höhe von 50 Millionen Euro. Darüber hinaus muss er noch eine globale Minderausgabe in Höhe von 16 Millionen Euro erbringen, damit das Sparziel erreicht wird.