Protokoll der Sitzung vom 24.06.2005

- Auspeitschen ist vielleicht noch schlimmer als die Abschaffung der Steuerbefreiung. Aber reden Sie nicht permanent dazwischen! Lassen Sie sich von Ihrem Landtagspräsidenten behandeln!

(Beifall bei der SPD)

Aber, meine Damen und Herren, Sie wollen ja nicht nur an das Geld der kleinen Leute, Sie wollen ihnen auch noch die Möglichkeit nehmen, sich dagegen zur Wehr zu setzen.

Herr Stoiber hat großzügigerweise erklärt, dass die Steuerbefreiung nicht von heute auf morgen gestrichen, sondern sukzessive abgeschmolzen werden soll. In dem Maße sollen dann die Tarifparteien dafür sorgen, dass auf dem Gehaltszettel das wieder auftaucht, was der Staat jetzt zusätzlich an Steuern kassiert. Vor diesem Hintergrund ist es doch aber blanker Zynismus, dass diese Parteien

gleichzeitig die Gewerkschaften schwächen und die Rechte der Arbeitnehmervertretung beschränken wollen. Wie sollen die eigentlich noch zu solchen Zielen kommen, wenn Sie sich mit Ihrer Politik durchsetzen?

(David McAllister [CDU]: Das ist ein- fach zu schlecht, Herr Oppermann. Das reicht noch nicht einmal für einen SPD-Unterbezirk!)

Sie wollen betriebliche Bündnisse. Sie wollen die Gewerkschaften schwächen und den Flächentarif aushöhlen, indem Sie die Gewerkschaften auf der Ebene der betrieblichen Interessenvertretung ausschalten.

Das ist die Abkehr von der sozialen Marktwirtschaft. Das ist die Abkehr von einem System, in dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf gleicher Augenhöhe miteinander verhandeln und zu vernünftigen Ergebnissen kommen.

Wenn Sie meinen, dass die Gewerkschaften diejenigen sind, die die Probleme in diesem Lande verursacht haben, dann liegen Sie falsch. Schauen Sie einfach mal, was in letzter Zeit für Tarifabschlüsse gemacht worden sind. Der Tarifabschluss bei Volkswagen hat sogar den Beifall des Ministerpräsidenten gefunden. Schauen Sie sich den Tarifabschluss in der Chemieindustrie an. Dort sind die Gewinne ordentlich gestiegen. Deshalb gab es eine Lohnerhöhung von 3,7 %. Das war korrekt, das hat niemand kritisiert. In der Bauindustrie, in der es immense Probleme gibt, gab es einen Reallohnabbau um 1 % und eine Steigerung der wöchentlichen Arbeitszeit von 39 auf 40 Stunden.

Das alles wird in dem jetzigen System unter verantwortungsvoller Nutzung der Tarifautonomie und der Koalitionsfreiheit gemacht. Sie wollen an die Koalitionsfreiheit. Sie wollen an den Kündigungsschutz. Sie wollen die Autonomie der Gewerkschaften unterminieren. Damit wollen Sie eine Abkehr von der sozialen Marktwirtschaft.

Wir wollen das Gegenteil. Wir wollen, dass es auch in Zukunft ein solidarisches System in der Krankenversicherung gibt. Wir wollen, dass die soziale Marktwirtschaft auch weiterhin mit Leben erfüllt wird. Wir glauben, dass mit diesem System die Probleme in Deutschland besser zu lösen sind als mit dem Konfrontationskurs, den Sie, meine Damen und Herren, einschlagen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von der FDP: Warum haben Sie es nicht gemacht?)

Für die CDU-Fraktion Herr Kollege Althusmann!

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das war wahrlich das beste Beispiel für den klassenkämpferischen Populismus, der dieses Land an die Wand gefahren hat.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Lieber Herr Kollege Oppermann, Sie haben gesagt, die Steuerfreiheit von Sonn- und Feiertagszuschlägen ist in einer sozialen Marktwirtschaft eine Selbstverständlichkeit. Sie haben gesagt, die Krankenschwestern zahlen zukünftig für die Chefärzte.

(Zuruf von den GRÜNEN: Ja, klar!)

Sie haben davon gesprochen, dass dieser Sozialstaat durch die CDU entkernt werden soll.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

- Ich wusste, dass Sie da klatschen. Ich weiß nur nicht, ob das gleich noch so weitergehen wird.

Ich zitiere einmal aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 13. Mai 2003. Dort sagte der stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzende Poss : „Die Steuerfreiheit auf die Zuschläge kann eingeschränkt werden, wenn im Gegenzug Steuertarife gesenkt und Schichtarbeiter dadurch sogar eine Entlastung erfahren sollen.“

(Zuruf von der FDP: Ach so! - Zuruf von den GRÜNEN)

Aber es kommt ja noch viel besser. Denken wir an Niedersachsen. Am selben Tag erklärt der Fraktionsvorsitzende der SPD, Sigmar Gabriel, im ZDFMorgenmagazin und gegenüber der Bild-Zeitung: „Es ist nicht Aufgabe des Steuerzahlers, Nachtund Schichtarbeit zu subventionieren.“

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Sie sollten sich schämen! Ich kann nur feststellen: Die Anträge der SPD sind in beiden Punkten an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten.

Meine Damen und Herren, wer könnte die Politik der rot-grünen Bundesregierung besser beschreiben als Andrea Nahles?

(Oh! bei der CDU und bei der FDP)

Andrea Nahles hat am 20. Juni dieses Jahres erklärt: Schröders Politik ist konzeptlos, instinktlos und perspektivlos. - Recht hat sie!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Erfolge rot-grüner Politik in Deutschland kann ich in wenigen Punkten zusammenfassen. Lassen Sie mich dies in aller Seriosität tun.

Die wesentlichen Erfolge rot-grüner Politik in Deutschland in den letzten sieben Jahren waren: erstens Dosenpfand, zweitens Windmühlen, drittens grüner Pfeil - sonst nichts. Das ist Ihre Bilanz in Deutschland, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die rot-grüne Bundesregierung hat seit 1989 183 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. Das Defizit im Bundeshaushalt beträgt im Moment rund 60 Milliarden Euro, die nicht gedeckt sind. Die von Herrn Müntefering und Genossen angestrengte Kapitalismusdebatte ist letztlich Ausdruck tiefster Hilflosigkeit. Nach sieben Jahren die höchste Staatsquote, eine enorme Steuer- und Abgabenquote, ein Umverteilungsvolumen von einem Drittel des Bruttoinlandsprodukts, die höchste Gesetzesund Vorschriftendichte weltweit - meine Damen und Herren, das ist kein Kennzeichen von Kapitalismus, das ist ein Kennzeichen für eine ungezügelte Sozial- und Staatswirtschaft, der Sie in Deutschland den Weg bereitet haben. Das ist die Realität!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD)

Dieses Land erlebt in diesen Zeiten - Sie haben es mit diesen Anträgen ja herausgefordert - eine unglaubliche Welle von vulgär-populistischem Umverteilungsgedankengut, wie es sie noch nicht erlebt hat. Das ist bitter für die Menschen, denn das bringt keinen einzigen Arbeitsplatz.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eines lassen Sie mich vor dem Hintergrund der Raubtierkapitalismusdebatte und der so genannten Reichensteuer auch noch sagen: Jeder einzelne Unternehmer, ob nun in Deutschland oder in Niedersachsen - dabei handelt es sich in erster Linie um Mittelständler -, tut ungleich mehr für den Standort Deutschland als jeder SPD-Politiker à la Oppermann, Gabriel und wie sie alle heißen. Ich kann Ihnen nur sagen: Sie treten hier nur deshalb eine so absurde Debatte los, weil Sie Angst vor einer Wahlniederlage haben. Das ist der einzige Grund. Aber das hat Ihnen schon in NordrheinWestfalen nicht genützt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Lieber Kollege Bartling, es wird mit der Union betriebliche Bündnisse geben. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Es muss betriebliche Bündnisse geben, weil es besser ist, dass wir die Menschen mit tariflichen Bündnissen in den Betrieben vor Ort in Arbeit bringen und die Arbeitsplätze erhalten, als sie mit einem geknechteten Tarifvertrag in die Arbeitslosigkeit zu schicken. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es wird mit der Union eine 10prozentige untertarifliche Entlohnung geben können, weil es für die Menschen wichtiger ist, Arbeit zu haben, als sich in der Arbeitslosigkeit zu befinden, was im Moment auf immerhin 5 Millionen Menschen zutrifft.

(Beifall bei der CDU)

Es ist richtig, das Kündigungsschutzrecht in Deutschland zu flexibilisieren, weil es richtig ist, dass in Deutschland und somit auch in Niedersachsen Arbeit geschaffen wird, nicht aber Arbeitslosigkeit. Der Arbeitsmarkt darf auch nicht weiterhin so abgeschottet werden, wie Sie es in den vergangenen sieben Jahren hier in Deutschland getan haben.

Den Gipfel der Unverfrorenheit bildeten in diesen Tagen ohne Zweifel die versuchte Bemächtigung des Begriffes „Soziale Marktwirtschaft“ durch die Sozialdemokratie in Deutschland und die geradezu abenteuerlichen Vorwürfe, der Sozialstaat werde durch eine CDU ausgehöhlt. Ich zitiere einmal:

„Soziale Sicherheit ist gewiss gut und in hohem Maße wünschenswert. Soziale Sicherheit muss zuerst aus ei

gener Kraft, aus eigener Leistung und aus eigenem Streben erwachsen. Soziale Sicherheit ist nicht gleichbedeutend mit Sozialversicherung für alle, nicht mit der Übertragung der individuellen menschlichen Verantwortung auf irgendein Kollektiv. Am Anfang muss die eigene Verantwortung stehen, und erst dort, wo diese nicht ausreicht oder versagen muss, setzt die Verpflichtung des Staates und der Gemeinschaft ein.“

Ludwig Erhard, 1957: „Wohlstand für alle“.

(Beifall bei der CDU)

Herr Oppermann, das Gegenteil von dieser Grundphilosophie haben Sie den Menschen in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten eingeredet. Sie haben gesagt, es könnte alles verteilt werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wo sind denn die verantwortlichen Sozialdemokraten, die den Menschen in Deutschland endlich einmal sagen, dass das, was verteilt werden kann, zunächst einmal erarbeitet werden muss? Um diese grundsätzliche Unterscheidung zwischen Ihnen und uns geht es.