Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 103. Sitzung im 34. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 16. Wahlperiode, wünsche Ihnen einen guten Morgen und heiße Sie namens des gesamten Präsidiums herzlich willkommen.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, auf den Tag genau vor 60 Jahren ist die Vorläufige Niedersächsische Verfassung - meist nur kurz VNV genannt - verkündet worden. Ich denke, dieses Jubiläum sollte Anlass für eine kurze Rückbesinnung sein.
In der alltäglichen Praxis nehmen wir unsere Verfassung als selbstverständlich hin und können uns kaum vorstellen, dass ihre Entstehung ein schwieriger Prozess war. Ich möchte Sie deshalb bitten, sich gedanklich einmal kurz in die Nachkriegsjahre zu versetzen.
Der Krieg war verloren. Der Wiederaufbau stand an. Zum 1. November 1946 war unser Bundesland aus einer Vereinigung der Länder Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg-Lippe mit dem zuvor gebildeten Land Hannover gegründet worden. Die alltäglichen Nöte der Bevölkerung waren groß und vielfältig. Als besonders brennend stellte sich die Ernährungs- und Wohnungssituation dar. Große Probleme bereitete außerdem gerade auch in Niedersachsen das Elend der vielen Flüchtlinge aus den Ostgebieten, die es aufzunehmen galt.
Vor diesem Hintergrund stellten sich damals viele die Frage, ob es nicht dringendere Probleme für die Politik gibt, als sich mit staats- und verfassungsrechtlichen Fragen zu befassen. Nichtsdestotrotz entschlossen sich vorausschauende Frauen und Männer, eine Niedersächsische Verfassung zu entwerfen. In seiner 125. Sitzung am 3. April 1951 verabschiedete dieses Haus nach hartem Ringen um die verfassungsrechtlichen Grundlagen für unser Land in einer namentlichen Schlussabstimmung die Vorläufige Niedersächsische Verfassung. Sie trat am 1. Mai 1951 in Kraft. Vorläufig war sie, weil sie noch keine abschließende Entscheidung
über die Ordnung des Staatslebens darstellen und ihr Schicksal mit dem des Grundgesetzes vom 23. Mai 1946 verknüpft sein sollte. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde die Vorläufigkeit der Niedersächsischen Verfassung beseitigt; denn am 1. Juni 1993 trat die Niedersächsische Verfassung in Kraft.
Was ist von der Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung geblieben? - Unser Geburtstagskind lebt in der neuen Verfassung von 1993 in einem modernen Gewand weiter. Belegt wird dieser Befund auch dadurch, dass die Niedersächsische Verfassung vom Landtag selbst mit verfassungsänderndem Gesetz und nicht etwa durch eine verfassungsgebende Gewalt des Landesvolkes beschlossen worden ist.
Aber auch inhaltlich steht unsere heutige Verfassung in der Tradition der VNV. Neben der Einführung von eigenen Landesgrundrechten und Staatszielen und der Aufnahme von Plebisziten im Fünften Abschnitt hat es wesentliche Änderungen vor allem durch die Stärkung der Rechtsstellung des Landtages gegenüber der Landesregierung und bei den Zuständigkeiten des Staatsgerichtshofs gegeben.
Unsere Verfassung war und ist bis heute ein Erfolgsmodell. Im Hinblick auf die VNV zeigt sich dies bereits daran, dass im Laufe von ca. 40 Jahren nur neun Verfassungsänderungen zu verzeichnen waren.
Eine Bestimmung in der VNV möchte ich an dieser Stelle gerne besonders hervorheben. Es ist das sogenannte Traditionsstatut. Artikel 56 VNV bestimmte, dass die „kulturellen und historischen Belange der ehemaligen Länder Hannover, Oldenburg, Braunschweig und Schaumburg-Lippe durch Gesetzgebung und Verwaltung zu wahren und zu fördern“ sind. Diese regionale Traditionswahrung, die heute in Artikel 72 der Niedersächsischen Verfassung weiterhin verankert ist, umfasst nicht nur eine institutionelle Traditionswahrung, sondern auch eine ideelle. Der einzelne Bürger in unserem Land ist nicht nur Niedersachse, sondern auch Hannoveraner, Oldenburger, Braunschweiger oder Schaumburg-Lipper.
Einer meiner Vorgänger, Horst Milde, hat in diesem Zusammenhang einmal den Begriff der „gestuften Identität“ verwandt. Mit dieser gestuften Identität erwies sich die Vorläufige Niedersächsische Verfassung als eine maßgebliche identitätsbildende Kraft in unserem Land. Die eingangs von mir geschilderte Kritik an der Beschäftigung mit
Verfassungsfragen trotz massiver täglicher Probleme verstummte deshalb recht schnell, und es zeigte sich insgesamt, dass die Vorläufige Niedersächsische Verfassung der Regierung auch Wege zur Linderung der materiellen Not und Bedrängnis bot.
Schließen möchte ich meine Ausführungen mit einem Blick in die Zukunft. Was können wir aus der Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung und unserer Verfassungsgeschichte für die Zukunft mitnehmen? - Ich meine, vieles. Anknüpfen möchte ich an ein Zitat des ersten Niedersächsischen Ministerpräsidenten, Hinrich Wilhelm Kopf. Er hatte den sogenannten Neuwerk-Entwurf, auf dessen Grundlage die Vorläufige Niedersächsische Verfassung entstanden ist, erarbeitet. In einem Artikel der Zeitschrift Spiegel aus dem Jahr 1947 bemerkte er zu seinem Entwurf:
„So soll auch, das ist mein höchster Wunsch, die künftige Verfassung unseres Landes Niedersachsen den Geist dieser Landschaft, untrennbar mit dem Blick auf das große Ganze gerichtet, verkörpern.“
Dieser Gedanke hat für mich gerade auch in einem zusammenwachsenden Europa nichts an Aktualität verloren. Wir sind heute also nicht nur Hannoveraner, Oldenburger, Braunschweiger oder Schaumburg-Lipper, sondern auch Niedersachsen, Deutsche und Europäer.
Man kann also mit Fug und Recht sagen, dass unser Geburtstagskind quicklebendig ist und sich bester Gesundheit erfreut. Dieser Umstand ist aus meiner Sicht auch deshalb besonders erfreulich, weil die Weiterentwicklung unserer Verfassung immer einen parteiübergreifenden politischen Konsens voraussetzt. Bei allen politischen Unterschieden in Sachfragen und in der Tagespolitik war es in Verfassungsfragen in diesem Haus doch immer möglich, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Ich hoffe und glaube daran, dass dies auch in Zukunft so sein wird, und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Am 19. März 2011 verstarb der ehemalige Abgeordnete des Niedersächsischen Landtages und Landesminister a. D., Herr Dr. Werner Remmers, im Alter von 80 Jahren.
Herr Dr. Remmers gehörte dem Niedersächsischen Landtag während 27 Jahren - von 1967 bis 1994, davon in der Zeit von 1982 bis 1986 vier Jahre als Vorsitzender der CDU-Fraktion - an. Im Laufe seiner langjährigen politischen Tätigkeit hatte Dr. Werner Remmers eine Vielzahl an weiteren Partei-, Fraktions- und Regierungsämtern inne. Der breiten Öffentlichkeit wird er wohl insbesondere aufgrund seiner Ministerämter in Erinnerung bleiben. Herr Dr. Remmers übte u. a. mehr als sechs Jahre das Amt des Kultusministers aus. Ab 1986 war er in dem neu geschaffenen Ressort der erste Umweltminister unseres Landes.
Als wortgewandte und humorvolle Persönlichkeit mit einem hohen Maß an innerer Unabhängigkeit und Beharrlichkeit prägte er die Landespolitik in besonderer Weise. Sein tiefer Glaube und die Verwurzelung in der katholischen Kirche bestimmten stets die Grundlagen seines Handelns.
Dr. Werner Remmers wurde mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundsrepublik Deutschland und dem Großen Verdienstkreuz des Niedersächsischen Verdienstordens ausgezeichnet.
Wir werden ihn in guter Erinnerung behalten und widmen ihm jetzt ein stilles Gedenken. - Vielen Dank.
Ich übermittle Ihnen im Namen des ganzen Hauses herzliche Glückwünsche und wünsche Ihnen Gesundheit und Wohlergehen für das vor Ihnen liegende neue Lebensjahr, Frau Kollegin.
Zur Tagesordnung: Die Einladung und die Tagesordnung für diesen Tagungsabschnitt liegen Ihnen gedruckt vor. Für die Aktuelle Stunde sind fünf Themen benannt worden. Es liegen im Übrigen drei Dringliche Anfragen vor, die morgen früh ab 9.10 Uhr beantwortet werden.
Auf der Grundlage der im Ältestenrat für die Beratung einzelner Punkte vereinbarten Redezeiten und des im Ältestenrat vereinbarten Verteiler
schlüssels haben die Fraktionen die ihnen jeweils zustehenden Zeitkontingente so verteilt, wie Sie das aus der Ihnen vorgelegten Übersicht ersehen können. - Ich stelle das Einverständnis des Hauses mit diesen Redezeiten fest.
In der unteren Wandelhalle ist die in der Trägerschaft der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten und des Landesjugendrings Niedersachsen e. V. konzipierte Ausstellung „Fotoarbeiten aus den internationalen Jugendworkcamps BergenBelsen“ zu sehen.
In der Portikushalle wird Ihnen 15 Minuten vor Beginn der Nachmittagssitzung der Shanty-Chor Verden e. V. eine kurze musikalische Darbietung vortragen.
Ich würde mich freuen, wenn Sie ungeachtet der Fülle der von uns zu behandelnden Themen ein wenig Zeit finden könnten, sich die Ausstellung anzusehen und der Darbietung des Chores zu lauschen.
Die Initiative „Schulen in Niedersachsen online“ wird in den kommenden Tagen wieder mit einer Onlineredaktion live aus dem Landtag berichten. Es handelt sich um Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Goetheschule aus Einbeck. Der Abgeordnete Christian Grascha hat sich dankenswerterweise bereit erklärt, als Pate die Arbeit der jungen Leute nach Kräften zu unterstützen.
Bitte geben Sie Ihre Reden bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr, an den Stenografischen Dienst zurück.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Entschuldigt haben sich von der Fraktion der SPD Frau Seeler und Herr Schwarz, von der Fraktion der Grünen Frau Polat und von der Fraktion DIE LINKE Herr Humke.
Für diesen Tagesordnungspunkt sind mir fünf Themen benannt worden, deren Einzelheiten Sie dem Nachtrag zur Tagesordnung entnehmen können.
Die in unserer Geschäftsordnung für den Ablauf der Aktuellen Stunde enthaltenen Bestimmungen setze ich bei allen Beteiligten, damit auch der Landesregierung, als bekannt voraus.
Strafrabatt für Tierquäler - Scheitert Lindemanns Tierschutzplan an Agrarlobby und CDU? - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/3553
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der neuen Niedersächsischen Verfassung von 1993 - wir haben es eben gehört - ist das Staatsziel Tierschutz erstmalig fest verankert worden. Trotzdem ist dies in der Wirklichkeit der Politik der Landesregierung noch nicht so recht angekommen. Nach dem überfälligen Rücktritt von Ministerin Grotelüschen wegen Tierquälereien versprach der neue Minister Lindemann eine grundlegende Wende für mehr Tierschutz.