Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 104. Sitzung im 34. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 16. Wahlperiode.
Geburtstag hat heute der Abgeordnete Ralf Borngräber. Ich übermittle Ihnen im Namen des ganzen Hauses herzliche Glückwünsche. Gesundheit und Wohlergehen für das vor Ihnen liegende neue Lebensjahr!
Wie Sie der Drs. 16/3564 entnehmen können, hat der Finanzminister eine Regierungserklärung zum Thema NORD/LB angekündigt, die heute Morgen vor den Dringlichen Anfragen abgegeben und besprochen werden soll. Wie bekannt, orientieren sich die Redezeiten der Fraktionen in dieser Aussprache am Umfang der Regierungserklärung.
Anschließend setzen wir - mit Ausnahme von Tagesordnungspunkt 27, den wir bereits gestern behandelt haben - die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort.
Unter Berücksichtigung der Regierungserklärung und des bereits gestern beratenen Tagesordnungspunktes 27 könnte die Sitzung gegen 19 Uhr enden, wenn sich nicht noch weitere Beratungsgegenstände ergeben.
Bitte geben Sie Ihre Reden bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr, an den Stenografischen Dienst zurück.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es haben sich entschuldigt: von der Landesregierung der Ministerpräsident, Herr McAllister, ab 16.30 Uhr, der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Herr Bode, ab 16.30 Uhr, von der Fraktion der CDU Frau Heister-Neumann, von der Fraktion der SPD Frau Seeler, Herr Schwarz und Herr
Politze, von der Fraktion der FDP Herr Schwarz ab 12 Uhr, von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Polat, Herr Briese nach der Mittagspause bis ca. 17 Uhr sowie von der Fraktion DIE LINKE Herr Humke und Herr Adler ab der Mittagspause.
Vielen Dank. - Außerhalb der Tagesordnung kommen wir vor der Behandlung des Tagesordnungspunktes 17 zunächst zum zusätzlichen Tagesordnungspunkt:
Abgabe einer Regierungserklärung zum Thema NORD/LB - Unterrichtung durch die Landesregierung - Drs. 16/3564
Zunächst gibt Herr Minister Möllring die angekündigte Regierungserklärung ab. Ich erteile dem Herrn Minister das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie alle haben die aktuelle Diskussion bezüglich des Stresstests in den Medien verfolgt. Auch die Norddeutsche Landesbank muss sich dem Stresstest stellen. Er ist zwar offiziell freiwillig. Aber er ist so freiwillig wie eine Speichelprobe nach einem Verbrechen. Die kann man abgeben oder nicht. Wer sie aber nicht abgibt, ist von vornherein verdächtig. Die Umstände dieses von der neuen Europäischen Bankaufsichtsbehörde - kurz „EBA“ genannt - veranlassten Tests sind intransparent und - ich nenne sie so - auch unseriös.
Bis gestern Abend musste die Bank ihre Daten abgeben, obwohl sie erst vorgestern - also am Dienstag - um 12.38 Uhr die Unterlagen erhalten hatte, aus denen sich die Eckdaten für den Test ergeben. Gestern Mittag, nachdem die Testergebnisse mit den Aufsichtsbehörden besprochen worden sind, sind weitere Testfragen gekommen. Für die hat die Bank allerdings Zeit bis zum 19., was eine besondere Großzügigkeit ist.
Die NORD/LB hat sich in den letzten Monaten intensiv auf die Anforderungen von Basel III vorbereitet. Sie hat Maßnahmen zur Kapitalisierung getroffen, die im Quartalsbericht zum 31. März 2011 belegen, dass die Liquidität der Bank gut ist und die Kapitalausstattung in vollem Umfange den gesetzlichen Anforderungen mehr als gerecht wird. So verfügt die NORD/LB im Konzern insgesamt über ein Eigenkapital von rund 9,5 Milliarden Euro.
Die EBA zählt leider anders. Die stillen Einlagen in Höhe von 2,8 Milliarden Euro werden schlicht gestrichen, obwohl Basel III eine Übergangsfrist bis 2022 vorsieht. Nach Basel III sind stille Einlagen weiterhin als Kernkapital zu zählen, zwar im Abschmelzungsprozess, aber bis 2022 ist es ja noch ein bisschen hin. Nach geltendem deutschen Recht - daran müssen wir uns ja halten - sind stille Einlagen noch bis 2040 als Kernkapital anerkannt. Das ergibt sich aus § 10 Abs. 4 des Kreditwesengesetzes in Verbindung mit § 64 des Kreditwesengesetzes, also dem Gesetz, das für die Banken gilt. Dadurch, dass dies alles jetzt nicht mehr gilt, hebelt die EBA das deutsche Recht seit gestern total aus.
Auch nicht die realen Verhältnisse zum 31. März 2011, sondern die zum Stichtag 31. Dezember 2010 sind maßgeblich. Wenn man im April einen Test durchführt, könnte man die aktuellen Zahlen vom 31. März heranziehen. Aber nein, man nimmt die Zahlen vom 31. Dezember 2010, um eine Prognose für das Jahr 2012 abzugeben. Das alles ist überhaupt nicht nachvollziehbar, weil der Stresstest durchgeführt wird, um künftige Krisensituationen zu simulieren. Deshalb müssen wir Maßnahmen ergreifen, um die gesunde NORD/LB gerade vor dem Hintergrund dieser erschwerten Bedingungen zu unterstützen, obwohl sie dies aus wirtschaftlicher Sicht eigentlich gar nicht nötig hätte.
Die NORD/LB hat im vergangenen Jahr den Stresstest für Banken nach den Regeln von Basel II - wenn auch knapp - bestanden. Damals waren im Stress 6 % gefordert. Die Bank hatte 6,2 %. Manche haben gesagt: Das ist ein bisschen knapp. - Man kann aber auch sagen: Ein Pferd springt nur so hoch, wie es muss. - Wenn gefordert wird, dass man 6 m weit springt, und wenn man 6,2 m weit springt, ist der Test eigentlich bestanden.
Weil irische Banken den Stresstest auch bestanden hatten - übrigens besser als die NORD/LB -, hinterher aber in Notlage geraten sind und staatlich gestützt werden mussten, wurden jetzt die Kriterien für alle anderen verschärft.
Die NORD/LB - ich sagte es schon - ist ausreichend kapitalisiert. Die Bankenaufsicht und Kapitalmärkte stellen nach der Krise aber deutlich höhere Anforderungen an die Kapitalausstattung, Stichwort „Basel III“. Die Erfüllung dieser deutlich härteren Eigenkapitalvorschriften ist eine der Herausforderungen für alle Banken. Die NORD/LB hat
gemeinsam mit ihren Trägern - also mit uns, mit Sachsen-Anhalt und mit den Sparkassenverbänden aus Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt - frühzeitig ein Kapitalstärkungsprogramm erarbeitet, mit dem sie die Kapitalanforderungen von Basel III bereits 2015 - und nicht 2022, wie die Übergangsfrist vorsieht - erfüllen sollte, ohne die geltenden Übergangsfristen - ich sagte es gerade - auszuschöpfen. Die NORD/LB wollte gerade die Übergangsfristen bis 2019 bzw. 2022 nicht ausschöpfen.
Dieses Programm setzt auf vier Bausteine: erstens auf die Begrenzung des Geschäftsvolumens - sprich: Risikoaktiva -, zweitens auf die Stärkung des Kernkapitals insbesondere durch die Umwandlung von stillen Einlagen, drittens auf die Entlastung des Kernkapitals durch Beteiligungsverkäufe und viertens auf den Aufbau von Kernkapital durch Gewinnthesaurierungen.
Die NORD/LB hat bereits einen Teil davon erfolgreich umgesetzt: Rund 400 Millionen Euro gebundenes Eigenkapital konnten bereits in 2010 durch diverse Beteiligungsverkäufe, u. a. DnB NORD, freigesetzt werden. In einer ähnlichen Größenordnung, nämlich 420 Millionen Euro, wird sich der kürzlich beschlossene Verkauf der DekaBank auswirken. Der Aufsichtsrat hat letzten Montag den Vertrag, der letzte Woche abgeschlossen worden ist, genehmigt, soweit es die NORD/LB, Anstalt des öffentlichen Rechts, betrifft, und am Freitag letzter Woche der Aufsichtsrat der Bremer Landesbank den Vertrag für die Bremer Landesbank.
Unter Verwendung des Konzerngewinns wurde das aufsichtsrechtliche Kernkapital bereits in 2010 um gut 300 Millionen Euro gestärkt. Über die Umwandlung stiller Einlagen und weiterer Kapitalinstrumente in Höhe von rund 1,2 Milliarden Euro haben die Träger der Bank Einvernehmen erzielt; sie sollte natürlich erst erfolgen, wenn Basel III in nationales Recht überführt wird.
Insgesamt ermöglicht dieses Kapitalstärkungsprogramm der Bank, ihren eigenständigen, erfolgreichen Weg fortzusetzen - sollte man meinen! Am 12. Januar 2011 hat die Europäische Bankenaufsicht - die EBA - kurz nach ihrer Gründung die Durchführung eines neuen EU-weiten Stresstests beschlossen. Bei diesem Stresstest wird eine harte Kernkapitalquote von 5 % nach Stress als Minimum gefordert. Alle Banken, deren Kapitalausstattung unter Stressbedingungen unter diese Marke sinkt, würden demnach durchfallen. Die EU-Kom
Für die EBA ist der Stresstest eine erste Bewährungsprobe. Die in London ansässige EU-Behörde hat zum Jahresanfang ihre Arbeit mit rund 40 Mitarbeitern aufgenommen. Sie hat angekündigt, dass die Untersuchung härter ausfallen wird als der Test 2010, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Glaubwürdigkeit kann man auch durch Seriosität erhöhen. Dieser Stresstest erhöht die Glaubwürdigkeit meines Erachtens nicht.
Die nun definierten Kriterien des Stresstests in Bezug auf das Eigenkapital sehen eine Anerkennung der stillen Einlagen in Höhe von 2,8 Milliarden Euro als Kernkapital - im Konzern -, wie oben schon erwähnt, nicht mehr vor. Dies kann als ein gezielter Angriff auf die Landesbanken gesehen werden. Damit wird ein wichtiger Teil des Kernkapitals der NORD/LB einfach weggerechnet.
- Ich habe gesagt: Das kann als Angriff gelten. Das war ein bisschen vornehmer. Aber der Zwischenruf war schon berechtigt.
Diese Definition der EBA widerspricht, wie ich es oben ausgeführt habe, eindeutig geltendem Recht. Bisher galt für uns nur eine einzige Kapitaldefinition, nämlich das in Deutschland gesetzlich Vorgeschriebene. Bei uns gilt nach wie vor das Kreditwesengesetz. Alles andere entbehrt jeder Rechtsgrundlage. Hier wird - das muss man deutlich sagen - nationales Recht komplett ignoriert. Hier haben wir unsere eigene Staatlichkeit aufgegeben.
Die Europäische Bankenaufsicht ignoriert zudem die international vereinbarten Übergangsregelungen von Basel III. Ihr ist es auch egal, dass Banken Schritte zur Anpassung an Basel III vornehmen werden - etwa die NORD/LB, wenn sie schon bis 2015 stille Einlagen und andere Basel-III-kompatible Kapitalformen umwandeln wird und nicht erst bis 2022, wenn die stillen Einlagen nach Basel III komplett aus dem harten Kernkapital fallen.
Es ist widersinnig, dass dieses stille Kapital der NORD/LB, das dauerhaft in der Bank verbleibt - das sind ja Perpetuals, d. h. „auf ewig“ - und so früh wie nur rechtlich möglich Basel-lIl-fähig gemacht wird, einfach herausgerechnet wird.
Auf der anderen Seite werden im Stresstest Eigenkapitalhilfen des Bundes für private Banken wie die Commerzbank anerkannt, von denen jeder weiß, dass sie demnächst zurückgezahlt werden können. Sie haben neulich lesen können, dass die Commerzbank die ersten Raten zurückzahlen will. Trotzdem wird dieses temporäre Kapital im Stresstest voll anerkannt. Mir muss mal jemand erklären, warum ein Euro - das ist ein Euro -, den das Land Niedersachsen seiner Bank körperlich gibt, null wert ist, er aber, wenn ihn der Bund der Commerzbank gibt, 1 Euro wert ist. Wenn er das 18 Milliarden Mal macht, dann ist das 18 Milliarden Euro wert. Das kann niemand verstehen, das darf niemand verstehen.
Hier wird eindeutig mit zweierlei Maß gemessen. Mit Eigenkapitaldoping aufgepeppte Banken, die in der Finanzkrise noch kurz vor dem Kollaps standen, werden jetzt durchgeschleift, wohingegen Banken wie die NORD/LB oder die Helaba, die beide die Finanzkrise ohne staatliche Rettungsmaßnahmen und ohne Auslagerung von Risiken aus eigener Kraft bewältigt haben, quasi am Pranger stehen. Im Ergebnis heißt das konkret: Ein niedersächsischer Euro ist weniger wert, nämlich nichts, als ein Euro des Bundes. Und das ist für mich ein Skandal!
So fragt man sich, was die nationale Aufsicht dazu sagt. Bis vor Kurzem hat sie noch geschwiegen. Jetzt fällt der Bundesbank, ihrem Präsidenten Weber, nichts Besseres ein, als der Helaba und der NORD/LB zu empfehlen, ihre stillen Einlagen bis Ende des Monats April in hartes Kernkapital umzuwandeln. Dies sei die beste Möglichkeit, um den Stresstest zu bestehen. Nichthandeln sei dann schuldhaftes Versäumnis. Damit hat sie uns einen Bärendienst erwiesen. „Respekt“ muss man sagen. Auf diese Weise hat sie nun die Erwartungshaltung am Markt etabliert, dass nicht nur eine Teilnahme, sondern auch ein Bestehen des Tests faktisch erforderlich ist. Ein Durchfallen würde nun einen Reputationsschaden nach sich ziehen, unabhängig davon, dass die Aussagekraft des Stresstests aus
den bereits beschriebenen Gründen gleich null ist. Darüber hinaus sollte auch der Bundesbank bekannt sein, dass wir in einem Rechtsstaat leben und der Finanzminister nicht mal eben mit einem Federstrich Milliarden von einem Kapital in das andere umwandeln kann, sondern dass dazu immer noch der Gesetzgeber, nämlich wir alle, erforderlich ist.
Mit einem Blick in den Kalender hätte man auch feststellen können, dass nächste Woche Ostern ist, was uns vielleicht daran hindert, noch weitere kurzfristig anberaumte Termine im Parlament zu machen.
Die NORD/LB ist ohne Kapitalhilfe durch die Krise gekommen und nach derzeit gültigem nationalem Recht auch weiterhin ausreichend kapitalisiert. Die Bank ist für das Land bisher ein rentables Investment gewesen und wird dies auch in Zukunft sein. Allein für 2010 sind an die öffentliche Hand insgesamt mehr als 330 Millionen Euro in Form von Dividende, Bedienung stiller Einlagen, Nachrangmitteln sowie Steuern geflossen. Von der strukturpolitischen Bedeutung der Bank, auch von ihrer Funktion als bedeutender Arbeitgeber will ich gar nicht sprechen.