Protocol of the Session on July 1, 2011

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Damit kommen wir zur Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 44. Ich bitte um Aufmerksamkeit, weil es ein bisschen komplizierter wird.

Die auf Ablehnung lautende Beschlussempfehlung ist die weitestgehende Empfehlung. Wir stimmen daher zunächst über diese ab. Nur falls diese abgelehnt wird, stimmen wir anschließend über die Änderungsanträge ab. Ich halte das Haus damit einverstanden, dass wir zunächst über den gemeinsamen Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP in der Drs. 16/3784 und anschließend gegebenenfalls über den gemeinsamen Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/3795 abstimmen.

Mit anderen Worten: Um zu einer Abstimmung über die eingereichten Änderungsanträge zu kommen, muss zunächst die Beschlussempfehlung abgelehnt werden.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Damit haben Sie die Beschlussempfehlung abgelehnt, ihr wurde nicht gefolgt.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den gemeinsamen Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP in der Drs. 16/3784. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Das erste war die Mehrheit. Dem Änderungsantrag wurde gefolgt. Das heißt, die Anträge wurden in der Fassung des gemein

samen Änderungsantrages der Fraktionen der CDU und der FDP in der Drs. 16/3784 angenommen. Zugleich ist damit der gemeinsame Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/3795 gemäß § 39 Abs. 2 Satz 5 in Verbindung mit § 31 Abs. 3 Satz 2 unserer Geschäftsordnung abgelehnt.

Ferner ist ein Antrag auf sofortige Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 51 gestellt worden. Die Fraktion DIE LINKE hat für ihren Antrag in Drs. 16/3745 beantragt, die zweite Beratung und damit die Entscheidung über den Antrag gemäß § 39 Abs. 3 Satz 2 unserer Geschäftsordnung sofort anzuschließen. Wie mir mitgeteilt wurde, sind alle Fraktionen bereit, dem Wunsch der Antragsteller nach sofortiger Abstimmung über den Antrag zu folgen.

Der guten Ordnung halber frage ich unter Hinweis auf die soeben von mir zitierten Geschäftsordnungsbestimmungen gleichwohl, ob eine Ausschussüberweisung mit dem nach § 27 Abs. 2 Satz 1 unserer Geschäftsordnung erforderlichen Quorum von 30 Mitgliedern des Landtages verlangt wird. - Das ist nicht der Fall, wie ich sehe.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Wer den Antrag in Drs. 16/3745 annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag wurde abgelehnt.

Damit ist die Beratung der beiden Tagesordnungspunkte abgeschlossen.

Wir kommen zu Tagungsordnungspunkt 45:

Erste Beratung: Bürgerrechte wieder einführen - parlamentarische Kontrolle verbessern - Verfassungsschutzgesetz reformieren - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/3744

Der Antrag wird durch den Kollegen Briese eingebracht. Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Briese. Bitte schön!

Danke schön, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 11. September dieses Jahres jähren sich die Terroranschläge von New York zum zehnten Mal. Der Anschlag in New York und auch die vielen Anschläge danach führten zu einer Zäsur in der Sicherheitspolitik. Einen derarti

gen Anschlag hatte es bis dato nie gegeben. Es war klar, dass die Politik auf etwas so Epochales und Schreckliches reagieren musste.

Und die Politik hat auch reagiert. Manche Reaktionen waren in meinen Augen schlicht notwendig, aber es gab eben auch viele überhitzt getroffene falsche Entscheidungen. Der Bund und die Länder haben sehr viele neue Sicherheitsgesetze erlassen. Gleich mit mehreren dieser Gesetze ist dabei gegen die Grundwerte oder die Verfassung verstoßen worden. Auch Niedersachsen hat das schmerzlich lernen müssen.

Fast zehn Jahre nach dem Anschlag ist es in den Augen von Bündnis 90/Die Grünen nun an der Zeit, über diese Sicherheitsgesetze neu nachzudenken. Der Bund hat dies in der letzten Zeit getan und interne und externe Evaluierungsberichte auf den Weg gebracht. Auch das Land sollte es sich meiner Meinung nach nicht nehmen lassen, politisch darüber nachzudenken, was hier vielleicht geändert werden sollte.

Ich will in Erinnerung rufen, welche Sicherheitsgesetze seit dem Jahr 2001 verschärft wurden.

Zum einen haben die Nachrichten- oder auch Geheimdienste im Bund und in den Ländern, also der Bundesnachrichtendienst, der MAD und der Verfassungsschutz, sehr viele neue und umfängliche Informationsrechte erhalten. Es wurden umfängliche Sicherheitsüberprüfungsgesetze erlassen. Personensicherheitsrelevante Bereiche werden heutzutage sehr intensiv kontrolliert und durchleuchtet. 60 000 Personen wurden noch einmal besonders kontrolliert.

Es wurde ferner ein - verfassungswidriges - Flugsicherheitsgesetz mit der Lizenz zum tödlichen Abschuss erlassen. Hinzu kommt, dass Sie, Herr Schünemann - das muss man Ihnen immer wieder deutlich vorhalten -, sich noch nicht einmal zu schade sind, einen Abschussbefehl zu fordern. Die Braunschweiger Zeitung schreibt heute, Sie würden sogar von einer Aufopferungspflicht weniger Menschen zugunsten vieler Menschen fabulieren. Ich finde, das ist ein ziemlicher Klopfer, den Sie da von sich gegeben haben. Eine solche Pflicht wäre mit Artikel 1 des Grundgesetzes schlicht und einfach nicht in Einklang zu bringen. Damit würden Sie gegen die Menschenwürde verstoßen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch das BKA-Gesetz wurde verschärft, und zwar durch die Befugnis zur Online-Durchsuchung. Sie

hätten den Bundestrojaner am liebsten auch auf Landesebene.

Außerdem wurde eine Antiterrordatei normiert, in der sich immerhin 20 000 Leute befinden. Damit wurde die Trennung von Geheimdienst und Polizei immer weiter aufgeweicht. Es ist gut, dass der Bund jetzt gesagt hat, dass er strenger kontrollieren will, und dass er einen Kontrollrat mit, ich meine, Burkhard Hirsch, einberufen hat. Es ist sehr vernünftig, dass Bürgerrechtler hier etwas genauer hinschauen.

Auch die EU hat umfängliche Sicherheitsgesetze erlassen. Was die Vorratsdatenrichtlinie angeht, streiten wir in diesem Haus ja immer wieder darüber, was dabei am Ende herauskommt. Die EU tut sich damit momentan aber auch ein bisschen schwer und überarbeitet diese Richtlinie derzeit.

Darüber hinaus hat die EU mit den USA ein Bankdatenaustauschabkommen, das sogenannte SWIFT-Abkommen, abgeschlossen. Auch dieses Abkommen ist ein schwerer Eingriff in die Grundrechte.

Schließlich gibt es noch die Fluggastdatenaustauschrichtlinie.

In der Vergangenheit ist in der EU, im Bund und auch in den Ländern also ein sehr großes Bündel an Sicherheitsgesetzen erlassen worden. Auch das niedersächsische Polizeigesetz wurde verschärft: durch eine deutliche Ausweitung der Videoüberwachung, durch die Rasterfahndung und durch die stille Handyortung. Nur mit der präventiven TKÜ konnten Sie sich zum Glück nicht durchsetzen.

Fast alle Sicherheitsbehörden haben aber nicht nur ihre Normen verschärft und umfängliche neue Befugnisse bekommen, sondern wurden auch personell deutlich aufgerüstet. Das BKA hat deutlich mehr Personal bekommen. Auch der niedersächsische Verfassungsschutz - das ist ja schon immer Ihr kleines Lieblingsamt gewesen, obwohl Sie die Verwaltung ansonsten immer verschlanken wollen - hat einen deutlichen personellen Zuwachs bekommen. Die niedersächsische Polizei hat ebenfalls deutlich mehr Stellen erhalten.

(Christian Dürr [FDP]: Das ist aus- drücklich richtig!)

Niedersachsen hat es - das muss man wirklich sagen - am Dollsten getrieben: Es hat verfassungswidrig gehandelt und viel Personal eingestellt. Und das alles mit der Zustimmung der FDP,

die damals noch gesagt hat: Damit haben wir das liberalste Polizeigesetz in ganz Deutschland! - Das muss man Ihnen immer wieder vorhalten, Herr Dürr, damit haben Sie einen wirklich sehr schlimmen bürgerrechtlichen Sündenfall begangen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Staat hat also in vielen Bereichen intensiv aufgerüstet, sowohl normativ als auch personell. Von daher ist jetzt eine Zeit des Nachdenkens und der Reflexion dringend notwendig und geboten.

(Christian Dürr [FDP]: Wir schauen uns mal die Gesetzgebung zu rot- grünen Zeiten an, und dann reden wir weiter!)

Wir unterbreiten Ihnen mit unserem Antrag einen Vorschlag zu einem ganz speziellen Gesetz, nämlich zum Landesverfassungsschutzgesetz. Darin haben wir zwölf Punkte aufgeführt, die in unseren Augen geändert werden könnten. Zumindest wollen wir mit dem Hohen Haus darüber diskutieren, welche dieser Regelungen zukünftig sinnvoll sind und welche aus dem Gesetz gestrichen werden könnten.

Es ist z. B. kein Geheimnis, dass die Grünen immer dagegen waren, dass in das Verfassungsschutzgesetz auch der große Lauschangriff aufgenommen wird, also die Befugnis, auch privaten Wohnraum zu überwachen. Das haben wir insbesondere damit begründet, dass der Bund diese Befugnisse für seine Bundesämter schon hat. Es geht also darum, Doppelstrukturen abzubauen. Herr Schünemann, in Richtung der Bezirksregierungen haben Sie immer gesagt, Sie wollen keine Doppelverwaltung, Sie wollen keine Doppelkompetenzen, Sie wollen Verwaltungsstrukturen abbauen.

Was wir vorgelegt haben, ist also eine konsequente Fortschreibung Ihrer eigenen Forderungen. Wenn der Bund eine entsprechende Kompetenz hat, dann brauchen wir das in den Ländern nicht noch einmal und damit doppelt und dreifach zu normieren. Deswegen kann dieser Passus aus dem Verfassungsschutzgesetz schlicht und ergreifend gestrichen werden. Verabschieden Sie sich ein bisschen von diesem Amt und verschlanken Sie es etwas!

Nun zu den Auskunftspflichten, die auf Bundesebene momentan heiß diskutiert werden. Hier gibt es jetzt offenbar eine weitere Befugnis unter zeitlicher Befristung; das ist zumindest die Einigung, die Frau Leutheusser-Schnarrenberger und Herr

Friedrichs gestern wohl getroffen haben. Auch darüber wollen wir hier diskutieren.

Wir finden, die Postdienstleister brauchen diese Auskunftspflicht nicht mehr, weil die Evaluierung ergeben hat, dass das, was dabei herausgekommen ist, ziemlich überflüssig bzw. nutzlos war.

Wir wollen, dass den anderen Dienstleistern, die zur Informationspflicht herangezogen werden - also z. B. Banken und Fluglinien -, zumindest ihre Aufwandskosten entschädigt werden. Es müsste eigentlich ganz im Sinne der FDP sein, dass die nicht kostenlos als Hilfssheriffs herangezogen werden, sondern zumindest eine Aufwandsentschädigung bekommen. Dann überlegt sich der Staat nämlich möglicherweise etwas intensiver, ob er diese Daten tatsächlich braucht.

Ferner wollen wir mehr bessere Informationspflichten und mehr Transparenz, wenn personenbezogene Daten ins Ausland überwiesen werden. An dieser Stelle soll also der LfD etwas gestärkt werden.

Wir wollen auch das parlamentarische Kontrollgremium stärken. Bei uns ist das der Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. Dagegen dürfte insbesondere die SPD nichts haben, weil die Vorschläge, die wir hier unterbreiten, im sogenannten parlamentarischen Kontrollgesetz auf Bundesebene schon vollzogen wurden. Für die SPD hat damals Thomas Oppermann diesen Aspekt in das Gesetz hineinverhandelt. Deshalb hoffe ich, dass die SPD in Niedersachen damit keine großen Probleme hat.

Das, was Sie, liebe Sozialdemokraten, auf Bundesebene gefordert haben, sollten Sie uns hier nicht verweigern. Der entsprechende Kontrollausschuss sollte ein paar mehr Befugnisse bekommen. Er soll z. B. externe Sachverständige oder auch Fraktionsmitarbeiter heranziehen können.

(Glocke des Präsidenten)

Kommen Sie bitte zum letzten Satz!

Vielen Dank, Herr Präsident, ich komme zum letzten Satz. - Es geht also um eine neue Austarierung von Sicherheit und Freiheit. Die Freiheit hat im Lande Niedersachsen in den letzten Jahren sehr gelitten. Ich hoffe auf eine intensive und spannende Diskussion.