Protocol of the Session on September 15, 2011

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Guten Morgen, Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 114. Sitzung im 37. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 16. Wahlperiode.

Die Beschlussfähigkeit werde ich zu einem späteren Zeitpunkt feststellen.

Tagesordnungspunkt 23: Mitteilungen des Präsidenten

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 24, Dringliche Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort. Die heutige Sitzung soll gegen 18.30 Uhr enden.

In der Portikushalle wird Ihnen zu Beginn der Mittagspause der Shanty-Chor „Beckedorfer Schifferknoten“ eine kurze musikalische Darbietung vortragen. Ich würde mich freuen, wenn Sie ungeachtet der Fülle der von uns zu behandelnden Themen ein wenig Zeit finden könnten, bei der Veranstaltung dabei zu sein.

Bitte geben Sie Ihre Reden bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr, an den Stenografischen Dienst zurück.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr die Schriftführerin mit.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es haben sich entschuldigt: von der Landesregierung Ministerpräsident Herr McAllister ab 15.30 Uhr, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Herr Bode ab ca. 17 Uhr, Justizminister Herr Busemann von ca. 9.30 Uhr bis ca. 11 Uhr, von der Fraktion der CDU Herr Coenen, Herr Oesterhelweg, Herr Schobert und Herr Höttcher sowie von der Fraktion der SPD Herr Brinkmann, Frau Emmerich- Kopatsch und Herr Klein bis zur Mittagspause.

Vielen Dank. - Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 24 auf:

Dringliche Anfragen

Es liegen drei Dringliche Anfragen vor. Die für die Behandlung Dringlicher Anfragen geltenden Geschäftsordnungsbestimmungen setze ich als allgemein bekannt voraus.

Ich weise nochmals darauf hin, dass lange einleitende Bemerkungen zu den Zusatzfragen nicht zulässig sind. Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich, sich schriftlich zu Wort zu melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.

Ich rufe als Erstes Tagesordnungspunkt 24 a auf:

Rückschlag für die Integrationsarbeit in Niedersachsen? Warum streicht Frau Özkan entgegen den Wünschen der Migrantinnen und Migranten nach einer festen Anlaufstelle den Posten der Integrationsbeauftragten? - Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 16/3988

Dazu erteile ich der Kollegin Frau Dr. Lesemann das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Weggang der Integrationsbeauftragten des Landes, Frau Deihimi, hat Sozialministerin Özkan die Stelle gestrichen. Stattdessen soll ein 40-köpfiger Beirat unter dem Vorsitz von Frau Özkan eingerichtet werden. Migrantenorganisationen sehen in dem Beirat keinen Ersatz für die Arbeit der Integrationsbeauftragten. „Uns fehlt eine direkte Ansprechpartnerin“, kritisiert laut Presseberichten beispielsweise Koralia Sekler, Vorsitzende des Niedersächsischen Integrationsrates (NIR). Ähnlich ist auch die Kritik der Arbeitsgemeinschaft Migranten und Flüchtlinge in Niedersachsen.

Laut Aussage der Ministerin sollen künftig im Beirat „für die Integration relevante Organisationen und Persönlichkeiten ehrenamtlich vertreten sein“, wobei unklar ist, wer nach welchen Kriterien diese Relevanz bemisst. Der Niedersächsische Integrationsrat kritisiert, dass er bei der Planung für das neue Gremium nicht einbezogen ist. Es entsteht damit der Eindruck, dass Frau Özkan die Wünsche der Migrantinnen und Migranten ignoriert und ein machtloses Gremium nach ihrem Gusto installiert, das ihre Vorgaben abnickt.

Darüber hinaus begründete Frau Özkan in einem Interview in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 23. August 2011 die Streichung des Postens der Integrationsbeauftragten damit, dass sie gerne vom Begriff der Beauftragten wegwolle: „Da schwingt mit, dass man es mit einer Gruppe zu tun hat, die irgendwie besonders ist und besonders bedient werden muss. Diese Vorstellung passt nicht in unsere Zeit.“ Falls dies die Position der Landesregierung ist, stehen damit auch alle weiteren Beauftragten des Landes zur Disposition.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Warum ignoriert die Landesregierung die Kritik der Migrantenorganisationen an der Streichung des Postens der Integrationsbeauftragten?

2. Wer beruft nach welchen Kriterien die Mitglieder des geplanten Beirates?

3. In welchem Umfang gilt die Aussage von Frau Özkan auch für andere Beauftragte des Landes, beispielsweise den Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen, den Aussiedlerbeauftragten, den Mittelstandsbeauftragten sowie den geplanten Kinderschutzbeauftragten?

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Kreszentia Flauger [LINKE]: Gleichstellungsbe- auftragte!)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin Özkan. Ich erteile ihr das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich, bevor ich zu der Beantwortung Ihrer Fragen komme, einen Rückblick auf die Entwicklungen in der Integrationsarbeit in den letzten Jahren vornehmen. Ich glaube, dass dieser Rückblick ganz wichtig ist, um die bisherigen Entwicklungen in der Integrationsarbeit der Landesregierung, aber auch in der Integrationsarbeit in Niedersachsen insgesamt zu verstehen.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist ja schnell erledigt! - Petra Tiemann [SPD]: Die Fragen zu beantworten, wäre eine gute Geschichte!)

1987 hat die damalige Landesregierung die Position eines Ausländerbeauftragten eingerichtet. Zu seinem Aufgabenbereich zählten seinerzeit u. a. die Förderung der Betreuung von Ausländern, die Sozialberatung ausländischer Arbeitnehmer und deren Familien, die Entwicklung von Integrationskonzeption und Modellprojekten sowie die Erstellung eines Ausländerberichts. Diese konkreten Aufgaben haben sich im Laufe der Zeit mit der Entwicklung der ausländer-, zuwanderungs- und einbürgerungsrechtlichen Rahmenbedingungen ebenso verändert wie die spezifischen Integrationsmaßnahmen in den Bereichen Sprache, Bildung und Ausbildung.

In den letzten 20 Jahren - und das ist erfreulich - haben sich aus den Reihen der Migrantinnen und Migranten Selbstorganisationen entwickelt, die mittlerweile ihre Belange aus ihrer Sicht formulieren und öffentlich wie auch bei den Kontakten mit der Landesregierung eigenständig vertreten. Ich verweise nur auf die KMN, die Kooperative Migrationsarbeit Niedersachsen, ein in der Bundesrepublik einmaliges Netzwerk, das zur Integration Zugewanderter sehr viel beiträgt und um das uns andere Länder beneiden.

In 2007 haben wir in Niedersachsen einen nächsten Schritt vollzogen, indem wir eine Integrationsabteilung gebildet und im Innenministerium angesiedelt haben. Mit der Integrationsbeauftragten - die Ausländerbeauftragte wurde in Integrationsbeauftragte umbenannt - konnte dem immer komplexer werdenden Querschnitt Integration so in einer eigenen Abteilung Rechnung getragen werden.

Die Aufgabe der Integrationsbeauftragten hatte sich mittlerweile verändert - hin zu Unterstützung und Aufbau von Netzwerken, zu einer Professionalisierung der Migrantenarbeit und zu einer stärkeren gesellschaftlichen Beteiligung der Migrationsselbstorganisationen. Ich verweise auf das Handlungsprogramm „Integration“, das in der Zwischenzeit die Schwerpunkte und Ziele der Landesregierung im Bereich der Integration feststellte.

Sie sehen: Über mehr als die vergangenen 20 Jahre hinweg lässt sich die Entwicklung weg von der ursprünglichen Idee der Betreuung von Ausländern hin zu einer Professionalisierung, einem Mitspracherecht der Migrationenorganisationen und einer Berücksichtigung ihrer Wünsche und Bedarfe verfolgen. Das war und ist die konsequente Weiterentwicklung der Integrationsarbeit entlang an den Bedürfnissen der Migrantenorganisationen, aber auch an den Bedürfnissen der Gesellschaft,

der Bürgerinnen und Bürger, die das Thema Integration für sich entdeckt, aber auch für sich verinnerlicht haben und sagen: Das ist das, was unsere Zukunft ausmacht.

Deshalb ist es nur konsequent, nicht nur eine Person zu haben, die die gesamte Palette der Fragen und Bedürfnisse des gesellschaftlichen Zusammenlebens mit Migrantinnen und Migranten abdeckt, sondern eine breite gesellschaftliche Beteiligung derer zu schaffen, die sich mit ihren vielen Erfahrungen und Kompetenzen einbringen können.

Der Integrationsbeirat wird die Integrationsministerin bzw. den Integrationsminister nicht nur beraten. Er wird als Impulsgeber fungieren, vor allen Dingen die niedersächsische Integrationspolitik mitgestalten und das Handlungsprogramm „Integration“ weiterentwickeln.

Die Landesregierung setzt in Sachen Integration auf die direkte Kommunikation zwischen den Repräsentantinnen und Repräsentanten gesellschaftlicher Institutionen, Vereinen und Verbänden, aber eben auch den Migrantenselbstorganisationen und den für die Integration zuständigen Ministern. Damit wird eine neue Stufe der niedersächsischen Integrationspolitik erreicht, die eine Weiterentwicklung bedeutet und eben nicht einen schlichten Ersatz des einen durch das andere.

(Zustimmung bei der CDU - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wir müssen von dem landesweit vorhandenen Fachwissen und den vielfältigen Praxiserfahrungen profitieren, die wir mittlerweile haben und von denen wir eine ganze Menge in die zukünftige Arbeit der unterschiedlichen Ministerien und der unterschiedlichen - - -

Frau Ministerin, ich darf kurz Sie unterbrechen. - Meine Damen und Herren, die ersten zehn Minuten sind vorbei. Die Begrüßungen müssten eigentlich abgeschlossen sein. Ich bitte herzlich darum, der Frau Ministerin Ihr Gehör zu schenken. Wenn schon eine ausführliche Antwort der Landesregierung erbeten wird, dann sollte man auch den Respekt aufbringen, diese ausführliche Antwort entgegenzunehmen. Anschließend haben Sie ja die Möglichkeit, über Zusatzfragen entsprechende Ergänzungen vorzunehmen. - Bitte!

(Zustimmung von Norbert Böhlke [CDU])

Danke schön. - Landesweit - - -

(Anhaltende Unruhe)

Ich unterbreche noch einmal. - Bitte!

Wir müssen von dem landesweit vorhandenen Fachwissen und den Praxiserfahrungen profitieren, die wir mittlerweile in ganz Niedersachsen haben. Die Integration wird vor Ort gelebt. Die Integrationsarbeit findet vor Ort in unterschiedlichen Ansätzen und Modellprojekten, die wir auf den Weg gebracht haben, statt.

Diese Praxiserfahrungen müssen wir in die zukünftige Arbeit der Ministerien einbauen. Dafür brauchen wir ein Gremium, in dem sich die beteiligten Organisationen und Verbände, aber vor allen Dingen auch die Migranten selbst mit ihren Erfahrungen einbringen können. Damit wird die Zusammenarbeit der Akteure gestärkt. Dieser Ansatz ist fortschrittlich, und damit kommen wir von dem, was ursprünglich einmal im Vordergrund stand, nämlich die Betreuung der Ausländer, weg. Der Beirat setzt sich aus Expertinnen und Experten verschiedener Bereiche zusammen und wirkt so als Integrationsmultiplikator in die Vereine, Verbände und Interessenvertretungen und damit insgesamt in die Gesellschaft hinein.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die Integrationspolitik in Niedersachsen hat sich stufenweise weiterentwickelt: vom Amt der Ausländerbeauftragten, das sich auf Einzelfälle und die Vermittlung zwischen Bürger und Politik konzentrierte, über die Integrationsbeauftragte als Ansprechpartnerin für die Migrantenselbstorganisationen und die Förderung von Modellvorhaben hin zu einem Integrationsministerium und einem Integrationsbeirat, der die direkte Teilhabe der Migrantinnen und Migranten an verlässlichen Dialogstrukturen sicherstellt.

Die Aussagen einzelner Migrantenselbstorganisationen zeigen, dass sie ihre Belange mittlerweile selbst in die Hand nehmen, ohne dass es noch einer Mittler- und Stellvertreterposition bedarf. Sie suchen den Dialog auf Augenhöhe. Mit dem Beirat wird der direkte Austausch zwischen den gesell

schaftlichen Gruppen und der Landesregierung institutionalisiert. Für die umfassenden Integrationsaufgaben und die Einzelfragen stehen ihnen im Ministerium feste Ansprechpartner zu allen relevanten Themen zur Verfügung. Für alle Anliegen und Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern oder Verbänden haben wir immer ein offenes Ohr. Das Grundsatzreferat der Integrationsabteilung ist für alle Bürgerinnen und Bürger auch Anlaufstelle für Einzelfallfragen.