Silke Lesemann

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Auch ich schließe mich dem Dank meiner Vorrednerin an die beteiligten Ministerien an.
Vorweg: Die Große Anfrage zeigt, dass es keinen Grund zum Jubeln gibt. Die Landesregierung kooperiert mit den muslimischen Verbänden und auch mit den Muslimen nämlich nicht auf Augenhöhe. Insbesondere das Agieren des Innenministers verunsichert und verletzt immer wieder viele Muslime in Niedersachsen.
Ich nenne hier nur einmal die verdachtsunabhängigen Moscheekontrollen, das Antiradikalisierungsprogramm und die Diskreditierung des hannoverschen Stadtteils Linden, in dem eine schleichende Islamisierung festgestellt wurde - angeblich.
Im Sommer veröffentlichte das Innenministerium eine Broschüre, die von Muslimen als „IslamistenCheckliste“ kritisiert wurde. Die breite Masse der Muslime in Niedersachsen wird durch solche Aktivitäten unter Generalverdacht gestellt, pauschal
vorverurteilt und politischem Populismus ausgeliefert. Das hilft bei Gott nicht weiter.
Wie es besser geht, zeigt Hamburg. Hier schlossen Hansestadt und muslimische Verbände einen Vertrag. Dieser Vertrag wurde weit über die Grenzen der Hansestadt hinaus und sogar international als wegweisend gerühmt.
Einen ähnlichen Vertrag - das sagte bereits Frau Polat - lehnt Niedersachsen jedoch ab. Übrigens hat der Exministerpräsident Wulff einen solchen Staatsvertrag einst in Aussicht gestellt. Sein Nachfolger David McAllister hatte Verhandlungen angeboten. Daraus wird nun aber nichts. Ziel der Landesregierung sei es jedoch - Zitat -, „Lösungsansätze für klärungsbedürftige Fragen im Integrationsprozess zu erarbeiten und sie schriftlich festzuhalten“,
wie etwas verschwiemelt formuliert worden ist.
Der Hamburger Vertrag formuliert gemeinsame Werthaltungen des Senats und der Muslimverbände zur Menschenwürde, zur Rechstaatlichkeit und zur Demokratie, zur Ächtung von Gewalt und zur Diskriminierung, aber auch das Bekenntnis zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern. Ich finde, das sollte auch in Niedersachsen möglich sein. Das geht nämlich weit über symbolhafte Erklärungen hinaus.
Dass eine rechtliche Gleichstellung des Islam mit anderen Religionsgemeinschaften von dieser Landesregierung nicht gewünscht wird, beweist auch das Thema Medien. Die muslimischen Verbände würden nämlich gern einen Sitz im Rundfunkrat des NDR haben. Diese Landesregierung wird hierfür aber offensichtlich nichts unternehmen, obwohl entsprechende Prüfungen zurzeit z. B. beim Südwestrundfunk und auch bei Radio Bremen laufen. Eine Handlungsmotivation für sich leitet diese Landesregierung aber nicht daraus ab. Wie man das machen kann, zeigt Hamburg. Öffentlichrechtliche und private Rundfunksender sollen Muslimen künftig Sendezeiten für Verkündungen und Seelsorge einräumen und diese in den Aufsichtsgremien angemessen vertreten sein lassen.
In Niedersachsen leben mehr als 200 000 Muslime. Ein Vertrag nach Hamburger Vorbild ist ein starkes Signal, das über Symbolpolitik hinausgeht. Er ist nämlich ein ganz wichtiger Schritt für Aner
kennung, Teilhabe und Partizipation. Das werden wir 2013 auch umsetzen.
Danke.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Heute wird hier zu später Stunde ein Gesetz beraten, das von seiner Intention her eigentlich einen besseren „Sendeplatz“ verdient hätte.
Der Hintergrund ist: In Deutschland leben ca. 500 000 zugewanderte Menschen, deren berufliche Qualifikationen im Ausland erworben wurden und hier nicht anerkannt werden. So gibt es Maschinenbauingenieure, die nur als Hausmeister eine Arbeit finden. Das ist problematisch, weil die mit Mühen erarbeitete berufliche Identität keine Anerkennung findet. Somit ist das auch ein Problem der Integrationspolitik, aber auch ein Problem der wirtschaftlichen Integration, die besser und mit viel mehr Wertschätzung erfolgen könnte und sollte.
Auf dieses Gesetz haben wir sehr lange gewartet. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an eine Initiative der SPD-Landtagsfraktion im Sommer 2009, als wir einen Vorstoß zur besseren Anerkennung im Ausland erworbener Berufsabschlüsse unternommen haben. Jetzt haben sich Bund und
Länder nach langem Hin und Her auf ein Gesetz zur besseren Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen geeinigt, das am 1. April in Kraft getreten ist.
Dieses Gesetz ist allerdings weit unter seinen Erwartungen geblieben. 180 000 Menschen haben sich bis Ende Oktober über das Gesetz im Internet informiert, aber es gab bis Ende Oktober lediglich 1 500 Anträge, von denen letztlich nur 270 positiv beschieden worden sind. Das ist viel zu wenig.
Die Länder sind nun bis zum 31. Dezember 2012 aufgefordert, ihrerseits Berufe zu regeln, die unter landesgesetzliche Regelungen fallen. Hierzu wurde ein Mustergesetz verfasst, an dem sich die Bundesländer orientieren sollen. Leider ist bereits das Bundesgesetz, wie Frau Polat ausgeführt hat, mit Pferdefüßen ausgestattet. Diese wurden auch in den niedersächsischen Entwurf übernommen.
Inhaltlich sind wir mit dem Gesetzentwurf an etlichen Stellen nicht einverstanden. Nachbesserungsbedarf besteht bei der Einführung eines umfassenden Rechtsanspruchs auf fundierte Einzelfallberatung und auch bei den Regelungen zur Nachqualifizierung.
Das Angebot der Beratung muss praktische Kompetenzfeststellungsverfahren umfassen und auch den Kontaktaufbau zu Anbietern von Nachqualifizierungsmaßnahmen, falls im Anerkennungsverfahren Qualifikationslücken festgestellt wurden.
Zur Förderung von Anpassungsqualifikationen wäre es sehr sinnvoll, die Einführung eines Stipendienprogramms zu prüfen, und im Hinblick auf die Zielgruppe dürfen die Gebühren nicht zu einer sozialen Hürde werden.
Offen bleibt die Frage, wie transparente Berufsqualifikationsfeststellungsverfahren zugunsten von Flüchtlingen auf den Weg gebracht werden können. Die können ja ihre Zeugnisse mitunter nur unter allergrößten Schwierigkeiten oder überhaupt nicht beibringen.
Lassen Sie mich noch einige Worte zu den Beratungen sagen. Das Gesetz ist unter einem völlig unangemessenen Zeitdruck bei der Beratung zustande gekommen.
Die Einbringung erfolgte erst im September, obwohl spätestens seit dem 1. April klar war, dass das Gesetz bis zum 31. Dezember verabschiedet worden sein sollte. Dieser Zeitdruck führte dann dazu, dass die Mitberatung von anderen Ausschüssen nicht stattfinden konnte.
Ich stimme der Einschätzung des GBD zu, dass es die Logik dieses Verfahrens mit sich bringt, unter diesem Zeitdruck juristische Bedenken möglichst beiseite zu schieben. Die hatte der GBD zuhauf. Davon können Sie sich in den Protokollen überzeugen. Er konnte das Gesetz nur suboptimal betreuen.
Ich denke, wenn einem etwas wichtig ist, wenn Integration, Anerkennung und Teilhabe zugewanderter Menschen im Zentrum einer Politik stehen sollen, dann hätte man das auch so machen müssen, dass solche Vorwürfe nicht entstehen können.
Das Anerkennungsgesetz hat eine hohe integrationspolitische und arbeitsmarktpolitische Bedeutung. Es kann Integration von Migrantinnen und Migranten in den Arbeitsmarkt fördern, und es kann helfen, den Fachkräftemangel abzustellen.
Wir müssen das Gesetz im kommenden Jahr allerdings auf Landes- und auf Bundesebene ändern und nachbessern. Bis dahin können wir nur unseren Änderungsantrag stellen.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Eingedenk der Tatsache, dass in Hannover eine geringe Versorgungsquote an studentischem Wohnraum besteht, nämlich 7,4 % bei landesweit 11,5 %, wie gerade ausgeführt wurde, bei gleichzeitig hohem Bedarf, weil es viele Bildungsausländer gibt, und vor dem Hintergrund, dass die Medizinische Hochschule, die TiHo und die HMTMH zahlreiche auswärtige Studierende von weither anziehen und dass die bekannten Planungen privater Investoren auch nicht studentisches Publikum avisieren und dabei deutlich höhere Mieten verlangt werden, frage ich die Landesregierung: Warum hält sie es gerade auch angesichts des sanierungsbedürftigen Bestandes an studentischem Wohnraum in Hannover nicht für dringend erforderlich, zusätzliche Mittel bereitzustellen?
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Seit seinem Inkrafttreten 1993 wurde das Asylbewerberleistungsgesetz aus menschenrechtlicher Perspektive fortwährend kritisiert. Auch die Kirchen haben es kritisiert. Spätestens aber mit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil vom Juli dieses Jahres wird dieses Gesetz vollends infrage gestellt; denn die bis Sommer 2012 fast 20 Jahre lang unverändert geltende Höhe der Leistungen - ca. 60 % des Sozialhilfesatzes - für Asylbewerber wurde zu Recht als verfassungswidrig erkannt.
Meine Damen und Herren, der Spruch aus Karlsruhe war notwendig und auch überfällig. Die finanziellen Leistungen sind das eine. Darüber hinaus hat das Karlsruher Urteil etwas ganz Zentrales klargestellt: Flüchtlinge sind keine halben Menschen.
Auch für Flüchtlinge gilt: Die Menschenwürde ist unteilbar. Sie lässt sich nicht aus migrationspolitischem Kalkül heraus relativieren. Im Kern besagt das Urteil Folgendes: Das Existenzminimum ist für alle Menschen gleich, egal, ob Deutscher, Migrant
oder Flüchtling. Menschenwürde und Existenzminimum dürfen nicht von der Staatsangehörigkeit abhängig gemacht werden. Asylbewerber und Flüchtlinge sind keine Menschen zweiter Klasse. Die Diskriminierung dieser Menschen muss beendet werden.
Bis 1993 erhielten Asylbewerber Sozialhilfe. Im Zuge der Das-Boot-ist-voll-Debatte wurde ein Sondergesetz für Flüchtlinge geschaffen. Die Regelung wurde auf andere Menschen ohne dauerhaftes Aufenthaltsrecht ausgeweitet, also auf Kriegsflüchtlinge oder auf Menschen, deren Staatsangehörigkeit nicht geklärt werden kann. Soziale Ausgrenzung mit dem Ziel der Abschreckung ist eines Sozialstaats wie der Bundesrepublik unwürdig. Diesen Überlegungen liegt nämlich eine perfide Logik zugrunde: Sie unterstellt, Menschen kämen in erster Linie aufgrund attraktiver Sozialleistungen zu uns. Diese Logik leugnet die wahren Gründe und versucht, mit dem Asylbewerberleistungsgesetz Migrationspolitik zu machen. Meine Damen und Herren, das ist nicht in Ordnung.
Angesichts der in den letzten Monaten wieder ansteigenden Flüchtlingszahlen flammt auch diese Debatte wieder auf. Manche fordern sogar eine Verschärfung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Das Bundesverfassungsgericht hat aber unmissverständlich klargestellt, dass Leistungen für Asylsuchende kein Mittel sein dürfen, um Außenpolitik zu gestalten bzw. um die Einreise von Asylsuchenden zu verhindern.
Im Bereich der Flüchtlingspolitik muss das Ziel vielmehr lauten, die Situation der Asylsuchenden in den Herkunftsländern zu verbessern, damit sie dort eine Lebensperspektive haben.
Dazu gehört auf der Ebene der EU z. B. die Verbesserung der Lebensverhältnisse für Angehörige der Minderheit der Roma in Serbien und Mazedonien; denn diese Gruppe bildet einen wesentlichen Teil der Armutszuwanderung. Sie sind in den Herkunftsländern nicht nur Diskriminierungen ausgesetzt, sondern auch beim Zugang zu Bildung, Wohnraum und Arbeitsmarkt sowie Sozialleistungen benachteiligt.
Wir müssen die beiden Themen von Asyl und Armut in Südosteuropa ganz klar auseinander halten. Das Armutsproblem besteht in der Europäischen Union, und rassistische Diskriminierungen an der Peripherie Europas geschehen in der Europäischen Union. Deshalb muss auch bei uns eine Debatte über die Lösung dieser Probleme geführt werden.
Zu dieser Debatte gehören auch Strategien zur Armutsbekämpfung und Wohlstandsentwicklung innerhalb der gesamten Europäischen Union. Das Problem löst man nicht mit Änderungen im Asylbewerberleistungsgesetz. In rot-grün regierten Ländern sind bereits Bundesratsinitiativen zur Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes ergriffen worden. Die SPD-Fraktion unterstützt diese Bundesratsinitiativen; denn wir meinen, dass es keinen sachlich vertretbaren und verfassungsrechtlich überzeugenden Grund gibt, Asylbewerber und geduldete Flüchtlinge anders als diejenigen zu behandeln, die Sozialhilfe erhalten.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegenwärtig wird die Schleuse Bolzum für 60 Millionen Euro ausgebaut. Die Arbeiten sind kurz vor dem Abschluss. Dies geschieht, damit Großmotorgüterschiffe sie Richtung Hildesheim passieren können und der dortige Hafen ertüchtigt wird. Das ist eine gute Sache.
Nun haben Sie gerade erzählt, dass - - -
Vor dem Hintergrund, dass der Herr Minister ausgeführt hat, dass Stichkanalausbauten derzeit in Kategorie C liegen und einer differenzierten Betrachtung unterzogen werden müssen, möchte ich gerne wissen, was das für den Ausbau des Stichkanals nach Hildesheim genau bedeutet. Denn es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn diese 60 Millionen Euro fehlinvestiert wären und nicht genutzt würden.
Danke.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Seit Januar 2008 sind die ersten jungen Erwachsenen vom sogenannten Optionszwang betroffen. Von Jahr zu Jahr werden es mehr werden.
Die Folgen: viel Arbeit für die Behörden und für die Verwaltungsgerichte, große Verunsicherung der jungen Erwachsenen, die hier als Deutsche aufgewachsen sind. Da werden junge Menschen, die hier gerade Abitur machen, in einem Sportverein als Übungsleiter sind oder eine Lehre begonnen haben, aufgefordert, sich zwischen dem Herkunftsland ihrer Eltern und dem Land zu entscheiden, in dem sie geboren sind und in dem sie seit mehr als 18 Jahren leben. Oft genug kennen sie das Herkunftsland ihrer Eltern bestenfalls von Urlaubsreisen. Dennoch besteht eine über die Familie vermittelte kulturelle und emotionale Bindung an dieses Land, das eine endgültige Entscheidung verkompliziert.
Um den Geschichtsklitterungen vorzubeugen, die bei diesem Thema gern in Angriff genommen werden, will ich erklären, wie es überhaupt zu dieser lebensfremden Regelung kommen konnte.
1999 hat Rot-Grün eine Gesetzesreform vorgelegt, die mit dem von 1913 an bis dato geltenden Abstimmungsprinzip, dem Jus sanguinis, dem Blutsrecht, Schluss machen wollte, das die Nationalität des Kindes an die Abstammung der Eltern band. Rot-Grün forderte das Geburtsrecht ein, das Jus soli, und erleichterte die Einbürgerung der in Deutschland geborenen Kinder. Damit wurde Mehrstaatlichkeit als Faktum einer Integrationsgesellschaft hingenommen.
Was darauf folgte, war eine beispiellose Kampagne im hessischen Landtagswahlkampf - es ist schon lange her -, der an den Wahlständen in offene Ausländerfeindlichkeit mündete.
Es wurde nicht nur über das Staatsangehörigkeitsrecht diskutiert, sondern die dumpfe Frage gestellt: Wo kann ich hier gegen Ausländer unterschreiben? - Daraufhin setzte der schwarz-gelbe Bundesrat den nunmehr geltenden faulen Kompromiss durch: Wer volljährig ist, für den besteht der Zwang, zwischen deutscher Staatsangehörigkeit und Staatsangehörigkeit der Eltern zu wählen.
Meine Damen und Herren, mit diesem Webfehler im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht wollen wir Schluss machen. Deshalb fordert die SPD auf Bundesebene, aber auch hier im Landtag Erleichterungen bei der doppelten Staatsbürgerschaft.
Niedersachsen braucht eine neue Willkommenskultur, die die Integration der bereits im Land lebenden Migrantinnen und Migranten und ihrer Kinder vertieft, den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft verfestigt und neue Zuwanderer anzieht. Deshalb muss der Optionszwang weg und muss die doppelte Staatsbürgerschaft erleichtert werden.
Wer hier eingebürgert werden will, muss im Regelfall seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben. Es gibt bereits eine Reihe von Ausnahmeregelungen, aus denen faktisch in mehr als der Hälfte der Fälle Doppel- und Mehrstaatlichkeit hingenommen werden. Das gesetzliche Ziel, die Mehrstaatlichkeit zu vermeiden, wird schon jetzt nicht mehr erreicht. Aus völkerrechtlicher Sicht ist das auch unproblematisch.
Das seit 2000 geltende sogenannte Optionsmodell nach § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes hat sich offenkundig nicht bewährt. Der Zwang für junge Menschen, sich für oder gegen die deutsche Staatsbürgerschaft zu entscheiden, ist hochproblematisch. Das sagen uns die Betroffenen immer wieder selbst, erst gestern in einer Besuchergruppe, die ich mit meiner Kollegin, Frau Tippelt, begleiten durfte.
Teilweise wird aus Unwissenheit der Entscheidungszeitpunkt verpasst mit der Folge, dass junge und gut integrierte Menschen ihre deutsche Staatsangehörigkeit durch Unachtsamkeit verlieren. Integrationspolitisch ist es völlig sinnlos, die
sen Menschen diese deutsche Staatsangehörigkeit abzuerkennen, nur weil sie sich nicht oder zugunsten ihrer zweiten Staatsangehörigkeit entschieden haben.
Nicht nur integrationspolitisch, sondern auch verwaltungstechnisch sind diese ganzen Optionszwänge, Optionspflichten absurd. Die Zahlen und somit der Arbeitsaufwand in den Behörden werden steigen. Darauf weist im Übrigen wiederholt der Bericht der Bundesintegrationsbeauftragten, Frau Böhmer, hin, die das auch hochproblematisch sieht. Wir hoffen, dass es demnächst zu einer Evaluation kommt, die zu dem Schluss kommt, dass der Optionszwang fallen muss.
Mit dem wachsenden Arbeitsdruck auf die Behörden durch die steigenden Fallzahlen wird auch der Druck auf die Politik wachsen, dieses Bürokratiemonstrum zu beseitigen. Der Aufwand nämlich für die Durchführung eines Optionsverfahrens ist bei den Staatsangehörigkeitsbehörden nach den bisherigen Erfahrungen in der Praxis mindestens so groß wie der Aufwand für ein vollständiges Einbürgerungsverfahren.
Schon bei der heutigen Situation mit Fallzahlen von etwa 3 000 bis 4 000 Optionskindern pro Jahr bundesweit wurde von größeren personellen Schwierigkeiten bei der Umsetzung berichtet. Verbunden wurden diese Berichte oft mit Befürchtungen für die Zeit ab 2018, wenn jährlich ungefähr 40 000 Jugendliche bundesweit optionspflichtig werden. Die bürokratischen Probleme sind bereits jetzt sehr gut erkennbar.
Meine Damen und Herren, ich finde es überaus positiv, wie sich Ministerpräsident McAllister immer wieder zu seinen schottischen Wurzeln bekennt und dies auch in Form seiner doppelte Staatsbürgerschaft bekräftigt und zum Ausdruck bringt.
Mittlerweile ist die doppelte Staatsbürgerschaft in 19 europäischen Staaten Normalität. Ich frage aber: Warum verweigern Sie anderen Menschen halsstarrig das, was anderswo, in anderen Ländern schon längst akzeptiert wird?
Verehrte CDU, Ihr Koalitionspartner FDP ist da schon eine ganze Ecke weiter, befindet sich aber in gewisser selbst verschuldeter Abhängigkeit, gefesselt durch einen Schwur an den großen Koalitionspartner. Ich denke, bei abnehmender Be
liebtheit Ihrer Partei wird es nicht einfacher werden, diese Abhängigkeit zu lösen.
Wir wollen Integration und keine erzwungene Assimilation für dauerhaft hier lebende Ausländer, wenn sie ihre staatsbürgerlichen Rechte ausüben wollen. Wenn die doppelte Staatsbürgerschaft möglich wäre, müssten wir auch keine Debatten mehr über Ausländerwahlrecht führen.
Die Aussage der CDU, Migranten sollen sich ohne Vorbehalte zum deutschen Staat bekennen und daher ihre ursprüngliche Staatsbürgerschaft ablegen, sorgt unter Migranten für viel Aufruhr.
Mit Ihrem fortwährenden Bekenntnis zur Optionspflicht setzen Sie ein fatales Signal. Ich finde es merkwürdig, wie eine Partei, die jahrzehntelang behauptet hat, Deutschland sei gar kein Einwanderungsland, und somit in gewisser Weise all die Menschen verleugnete, die hierher gekommen sind und schwere Arbeit für uns geleistet haben, nun plötzlich möchte, dass sich diese Menschen zu unserem Staat bekennen.
Die CDU übt sich treu in Blockade und erkennt die Menschen, die aus Drittstaaten kommen, nicht als gleichwertige Bürger an. Wir werden das 2013 im Land und im Bund ändern.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! In den letzten Wochen häufen sich die Berichte in den Medien über Austritte und vorübergehende Mandatsniederlegung mehrerer kirchlicher Mitglieder der Härtefallkommission. Und dies, obgleich eine baldige Änderung der Härtefallkommissionsverordnung durch die Landesregierung Besserung bringen soll.
Die kirchlichen Vertreter der Härtefallkommission bemängeln bereits seit Längerem das bürokratische Verfahren der Härtefallkommission, welches nach ihrer Einschätzung eine humanitäre Vorgehensweise unmöglich macht. Die notwendige Zweidrittelmehrheit für eine Entscheidung wird oftmals nicht erreicht, da sich die Akteure uneins sind. Auch die Beschlussfähigkeit wird regelmäßig nicht erreicht, sodass Entscheidungen gar nicht erst getroffen werden können. Auf dieser Arbeitsgrundlage sehen sich viele Mitglieder der Härtefallkommission nicht im Stande, ihrer Aufgabe der Mitwirkung an einer humanitären Entscheidung im Einzelfall gerecht zu werden. Durch den Austritt bzw. die Entscheidung von zwei Mitgliedern der Kommission, die Arbeit ruhen zu lassen, ist nunmehr die weitere Arbeit des Gremiums erheblich gestört.
Schon im Vorverfahren zur Beschlussfassung über die Novelle der Verordnung mehren sich die kritischen Stellungnahmen von Landesaufnahmebehörden, Flüchtlingsverbänden und kirchlichen Vertretern: Zwar solle die Zweidrittelmehrheit abgeschafft werden, doch werde sie faktisch mit der Regelung der einfachen Mehrheit der anwesenden Mitglieder bei Beschlussfähigkeit erst bei Anwesenheit von sieben von acht Mitgliedern wieder eingeführt.
Dies vorausgeschickt, fragen wir die Landesregierung:
1. Wie will die Landesregierung den Vertrauensverlust in die Härtefallkommission korrigieren?
2. Wie will die Landesregierung eine Härtefallkommissionsverordnung vor dem Hintergrund der Stellungnahmen der Verbände zur Novelle der Härtefallkommissionsverordnung humaner gestalten?
3. Wie viele Mitglieder der Härtefallkommission haben seit ihrem Bestehen ihren Rücktritt erklärt
oder haben ihr Mandat ruhen lassen, und wie oft hat die Geschäftsführung gewechselt?
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Innenminister Schünemann hat vorhin negiert, dass mit dem Rücktritt und der Amtsniederlegung ein Vertrauensverlust verbunden ist. Vor diesem Hintergrund frage ich mich: In welchen Kategorien bewerten Sie diesen Rücktritt und die Amtsniederlegung, wenn Sie negieren, dass damit ein Vertrauensverlust verbunden ist? Was steht Ihrer Meinung nach dahinter, bzw. wie sieht Ihre Beurteilung aus?
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! In der Novelle zur Härtefallkommissionsverordnung ist in § 5 b Abs. 2 Satz 4 von den Nichtannahmegründen die Rede. Zu den Nichtannahmegründen! Was sind nach § 5 b Abs. 2 Satz 4 in der HFK-Novelle Eingaben, die offensichtlich keinen Erfolg haben, und wer beurteilt, dass diese Eingaben offensichtlich keinen Erfolg haben? Ich denke, diese Vorgabe muss präzisiert werden. „Offensichtlich“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Deshalb muss hier eine genauere Ausführung erfolgen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Glückwunsch an die Regierungskoalition! Nach einer mehr als halbjährigen Beratung haben jetzt auch Sie erkannt, dass besonders der Frauenanteil in den MINT-Studiengängen gesteigert werden muss. Aus den anfänglich acht Maßnahmen in Ihrem Ursprungsantrag sind jetzt achtzehn Maßnahmen geworden - immerhin. Ein Erkenntnisfortschritt ist durchaus festzustellen - das konstatiere ich auch positiv -, und dazu möchte ich gratulieren.
Etliche dieser Maßnahmen konnten CDU und FDP aber aus unserem Antrag abschreiben. Auch die durchgeführte Anhörung war ein durchaus sinnvoller Nachhilfeunterricht für unsere Regierungskoalitionäre.
Herzlichen Dank nochmals an alle, die daran mitgewirkt haben! Denn immerhin konnten Verbände, Organisationen, Hochschulen und Projekte die ganze Bandbreite Ihrer bisherigen Ideen und Bemühungen vorstellen, die sie bisher schon in MINT investiert haben. Schauen wir einmal, ob sich die Erkenntnisse auch in Handlungen umsetzen lassen!
In der Anhörung wurde unisono der Handlungsbedarf für die MINT-Fächer, also die Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, betont. Der Fachkräftemangel im MINT-Bereich ist vor allem aber auch ein Mangel an Frauen in diesem Bereich. Eine sehr interessante Zahl wurde vom Kompetenzzentrum Technik-DiversityChancengleichheit genannt. Demnach sind ca. 40 % der studienberechtigten Frauen prinzipiell daran interessiert, ein Studium in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften oder Technik aufzunehmen. Warum aber studieren nur so wenige Frauen Elektrotechnik, Physik oder Informatik? - Das Image der MINT-Berufe muss vor allem bei Frauen deutlich verbessert werden. Diese Zielgruppe muss wesentlich stärker als bisher über die Vielfalt, die Voraussetzungen sowie die diesen Berufen innewohnenden Chancen informiert werden.
Technikinteresse ja oder nein - das hat ursächlich nichts mit dem Geschlecht zu tun. Denn wie sonst könnte man erklären, dass gerade Länder, die wie die BRICS-Staaten - Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika - erst neu in den Technologiesektor eingetreten sind, die Frauen in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Technologie gut erreichen? - Auf den hinteren Plätzen dagegen befinden sich die Niederlande, Deutschland und auch Japan.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, deutlich gestiegen sind die Studierendenzahlen im Maschinenbau, aber auch in der Chemie. Biologie und Architektur sind ohnehin gut ausgelastet. Die Elektrotechnik verzeichnet zwar Zuwächse, die Nachfrage könnte aber noch deutlich besser sein.
Kreative Projekte in MINT-Fächern werden vor allem auf Betreiben der Gleichstellungsbüros als Instrument der Frauenförderung seit mehr als zehn Jahren an niedersächsischen Hochschulen durchgeführt. Ich nenne hier stellvertretend für andere die Projekte StepIn, emento und fiMINT, die Schülerinnen, Abiturientinnen und Studentinnen, aber
auch Wissenschaftlerinnen auf unterschiedlichen Karrierestufen ansprechen. Das ist wichtig, wenn man das erreichen will, was meine Vorrednerin schon ausgeführt hat, nämlich Frauen als Rollenbeispiele in diesen Fächern zu halten. Trotz dieser vielfältigen Initiativen bleiben die Frauenanteile aber deutlich steigerungsfähig. Sie liegen seit Jahren gleichbleibend bei ca. 10 bis 12 %.
Für sehr bedenkenswert halte ich in diesem Zusammenhang eine Anregung von Frau Professor Schwarze von der Hochschule Osnabrück aus der Anhörung. Viel stärker als bisher muss nach dem Erfolg von Maßnahmen gefragt werden. Was hat Erfolg bei welcher Zielgruppe, und warum funktioniert es? - Informationsveranstaltungen und bunte Broschüren allein schaffen keine Ingenieurinnen und Ingenieure, meine Damen und Herren.
Übereinstimmend wurde in der Anhörung betont, dass die Motivation für ein Studium der MINTFächer sehr früh ansetzen muss. Das gilt natürlich für beide Geschlechter, also für Jungen wie für Mädchen. In den letzten beiden Jahren vor dem Schulabschluss erfolgt zwar eine bewusstere Berufsorientierung. Ganz grundlegende Interessen werden aber wesentlich früher geweckt. Am besten kann man diese Interessen in der Kindertagesstätte oder spätestens in der Grundschule wecken und fördern.
Deshalb sind Projekte wie die von der Stiftung NiedersachsenMetall richtig, die Erzieherinnen in den Kitas fortbilden, weil hier Grundlagen geschaffen werden. Einige Hochschulen gehen auf Kinder und Schüler mit eigenen Angeboten zu: mit Schülerlaboren wie dem Agnes-Pockels-Labor an der TU Braunschweig, mit dem Haus der kleinen Forscher und mit Kinder-Unis. Das sind sehr lobenswerte Ideen.
Aber: Mit diesen Angeboten - auch das wurde in der Anhörung deutlich - erreicht man vor allem Kinder aus bildungsnahen Schichten oder solche, die in der Nähe eines Hochschulstandortes leben. Damit wird Bildungsgerechtigkeit auch zunehmend eine Frage nicht nur des Elternhauses, sondern auch des Wohnortes.
Meine Damen und Herren, damit sich diese Entwicklung nicht verfestigt, bedarf es eines systematischen Ansatzes. Wichtig sind Geduld und ein langer Atem. Das Interesse an MINT-Fächern braucht Verstetigung. Auch das Interesse an der Förderung von MINT-Fächern braucht Verstetigung. Die Projekte dürfen nicht nur kurzfristig angelegt sein. Mädchen brauchen bei der MINT-För
derung eine andere Ansprache als Jungen. Geschlechtergerechte Didaktik heißt hier das Stichwort. Es gilt, Beratungskräfte in den Hochschulen, bei der Bundesagentur für Arbeit, aber auch die Lehrkräfte an Schule und Hochschule für die Gender-Thematik zu sensibilisieren und zu schulen. Und auch der Übergang Schule/Beruf muss früher starten.
Das Thema Didaktik ist äußerst wichtig; es ist in diesem Zusammenhang ein Schlüsselthema. Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht muss deutlich praxisnäher, lebensnäher und insgesamt attraktiver werden. Er muss vor allem auf die veränderte Zusammensetzung der Schülerschaft eingehen und mehr Handlungsorientierung liefern.
Darin bestand Einigkeit. Weiterhin müssen Maßnahmen ergriffen werden, die dazu dienen, Studienabbrüchen vorzubeugen. Aus einer aktuellen Studie des HIS vom Mai geht hervor, dass fast jeder zweite Studierende sein MINT-Studium abbricht. Das ist natürlich eine riesige Ressourcenverschwendung. Hier brauchen wir eine bessere Betreuung und eine bessere Beratung, und auch die Qualität der Lehre muss mehr im Mittelpunkt stehen.
Vorschläge hierzu können Sie dem SPD-Antrag entnehmen.
Ingenieure kommen traditionell aus kleinen Verhältnissen. Sie stammen häufig aus nicht akademischen Elternhäusern und sind oft die ersten aus einer Familie, die den Schritt an die Uni wagen. Hier liegt ein steigerungsfähiges Potenzial. Wer MINT-Fächer studieren will, darf nicht durch finanzielle Hürden ausgebremst werden.
Auch deshalb haben wir in diesem Antrag unsere Forderung nach Abschaffung der Studiengebühren erneuert.
Wir werden den CDU/FDP-Antrag auch deshalb ablehnen, weil er keine soziale Sensibilität erkennen lässt.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Die Eindrücke der Kosovo-Reise zur Bewertung der Lage der Roma sind noch recht frisch, und es ist gut, dass wir das heute zum Gegenstand der Aktuellen Stunde machen. Es war eine kurze, aber intensive Reise mit einem dicht gedrängten Programm, mit gefüllten Tagen, und es blieb nicht immer genug Zeit für ausführliche Nachfragen und Antworten auf unsere Fragen.
Erste Meldungen aus den Fraktionen kommen zu unterschiedlichen und diametralen Einschätzungen dieser Reise. Für meine Kollegin Sigrid Leuschner und mich als Teilnehmerinnen für die SPD verbieten sich weitere Abschiebungen der Roma.
Die CDU dagegen zeichnet ein weitgehend positives Bild. War dies nun eine Reise der zwei Wahrheiten, der unterschiedlichen Wahrnehmungen? - Die Gespräche mit staatlichen und nicht staatlichen Organisationen ergaben vor allem zwei einander widersprechende Erkenntnisse.
Erstens die gute Nachricht: Es gibt staatliche Hilfsprogramme für Rückkehrer und zum Teil auch für abgeschobene Roma.
Zweitens die schlechte Nachricht: Die staatlichen Hilfsprogramme greifen in der Praxis nicht. Sie funktionieren nicht zuverlässig, sie sind nicht ausreichend und erreichen nicht immer die Adressaten.
Man muss wissen, dass die kosovarische Regierung alles daransetzt, demnächst eine Visa-Liberalisierung zu erreichen. Vor diesem Hintergrund gibt es ein vitales Interesse daran, die Bemühungen zur Umsetzung des Rücknahmeabkommens von Roma aus Deutschland positiv herauszustellen. Reintegrations- und Antidiskriminierungsstrategien sind zwar vorhanden, aber in der Praxis greifen sie nicht. Die Minderheitenangehörigen, vor allem der Roma, sind weiterhin einem tief verankerten Rassismus ausgesetzt. Und auch die Hilfeleistungen kommen bei den Betroffenen nur unvollständig und schleppend an.
Bürokratische Anforderungen sind oft verworren, kompetente Ansprechpartner vor Ort in den Kommunen gibt es selten. Politischer Wunsch und
Wirklichkeit bei der Umsetzung von Maßnahmen klaffen eklatant auseinander.
Lebenswichtige Hilfen wie Nahrungsmittel und Brennholz sind im vergangenen harten Winter - wir haben ihn hier thematisiert - mitunter um Monate verzögert bei den Hilfebedürftigen angekommen. Das haben selbst Gesprächspartner von Regierungsseite eingeräumt.
Hinzu kommt das - Zitat - Krebsgeschwür Korruption, wie ein hochrangiger Gesprächspartner betonte, welches das Land von den Gemeinden bis in die staatlichen Ebenen hinein betrifft.
Staatlichen Rückkehrerprogrammen fehlt es an Nachhaltigkeit. Nach dem Ablauf von sechs Monaten stehen die Familien vor dem Nichts. Das hat meine Kollegin Zimmermann eben ausgeführt.
Übereinstimmend haben uns Gesprächspartner von KFOR, UNICEF, OSZE und UNHCR - um nur die bekanntesten zu nennen - auf die zum Teil erbärmlichen Lebensbedingungen von Roma hingewiesen. Die Bedingungen für eine menschenwürdige Integration, die medizinische Versorgung, Bildung und Arbeit seien nicht annähernd gegeben. Traumatisierten kann nicht geholfen werden. Im Armenhaus Europas liegt die Arbeitslosigkeit im Allgemeinen ohnehin schon bei 60 %. Aber was bedeutet das für die Roma?
Sie sind zu über 90 % von Arbeitslosigkeit betroffen. Mir ist noch der eindringliche Appell von Vertretern der Stadtverwaltung von Fushë Kosovë im Ohr, die uns ermahnten - Zitat -, keine Menschen mehr hierher abzuschieben. Kein Rückgeführter habe eine regelmäßige Arbeit, die Unterkunftssituation sei ebenfalls brisant.
Er lenkte den Blick auf die abgeschobenen Kinder und Jugendlichen. In einer komplett anderen Welt aufgewachsen, fänden sie sich im Kosovo nicht zurecht, zumal sie selten albanisch sprächen - eine Einschätzung, die immer wieder geteilt wurde. Die Kinder betrachten sich als Deutsche, haben hier jahrelang gelebt und sprechen unsere Sprache. Das Schicksal der Kinder sollte alle hier im Landtag vertretenen Fraktionen wachrütteln. Lassen Sie hier endlich Menschlichkeit walten!
Kinder sind von den Abschiebungen, aber auch von den sogenannten freiwilligen Rückführungen, die in Wirklichkeit gar keine sind, besonders betrof
fen. Sie haben alles verloren: Sicherheit, wirkliche Möglichkeiten zur Bildung, Freunde, Umgebung und auch ihre Sprache.
Wir hatten Gelegenheit, mit der Familie Meta und deren Kindern, aber auch mit anderen zu sprechen. Mein Eindruck: Diese Menschen sind auf einen ihnen völlig fremden Planeten verfrachtet worden. Diesen Kindern fehlt neben der Kenntnis der Sprache auch ein Schutzmechanismus, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden. Die hier herrschenden sozialen Codes sind ihnen fremd. Sie sind in einer offenen Gesellschaft aufgewachsen und im Kosovo zutiefst verunsichert. Abschiebung ist für sie ein Schockerlebnis.
Wir werden noch Gelegenheit zur ausführlichen Auswertung der Reise haben. Aber ich appelliere jetzt an Sie, Frau Jahns, Herr Ahlers, Herr Güntzler und Herr Götz - ich habe auch in Ihren Gesichtern tiefe Nachdenklichkeit gesehen -: Stoppen Sie endlich die Abschiebungen! Machen Sie damit Schluss!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Vor knapp zwei Jahren erfolgte die erste Beratung zu diesem Antrag. Ein Abschluss der Beratungen deutlich vor den Kommunalwahlen hätte natürlich Sinn gemacht. Aber an Aktualität hat die Forderung nach einem Kommunalwahlrecht für alle Einwohnerinnen und Einwohner nichts eingebüßt, meine Damen und Herren.
Wir meinen, Ausländer, die dauerhaft in Deutschland leben, sollten auch über die Belange in ihren Dörfern, Städten und Landkreisen mitbestimmen dürfen. Wir wollen, dass die hier lebenden Ausländerinnen und Ausländer aus Drittstaaten bei Wahlen zur kommunalen Selbstverwaltung in Kreisen, Städten und Gemeinden wahlberechtigt und wählbar sind.
Die Möglichkeit, an der politischen Willensbildung am Wohnort teilzunehmen, ist ein wesentlicher Bestandteil bürgerschaftlicher Rechte und vertieft auch die Bindung zum Wohnort. Ein kommunales Wahlrecht für langjährig hier lebende Ausländer aus Drittstaaten ist im Sinne von wirklicher Teilhabe und Integration unverzichtbar.
Meine Damen und Herren, nun ist es so, dass viele Migrantinnen und Migranten trotz guter Sprachkenntnisse, gesellschaftlichem Engagement und beruflichem Erfolg von der politischen Teilhabe in Deutschland ausgeschlossen bleiben. Der Hauptgrund hierfür ist die Verknüpfung von Wahlrecht und Staatsbürgerschaft. Grundsätzlich dürfen sich nur deutsche Staatsbürger an Wahlen beteiligen.
Der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft bedeutet jedoch in der Regel die Aufgabe der bisherigen Staatsbürgerschaft. Das ist zugegebenermaßen ein sehr hoher Preis.
Seitens der CDU wird nun immer angeführt: Wer sich einbürgern lässt, erhält auch das Wahlrecht. - Das ist sachlich vollkommen richtig. Aber wenn Sie unserer Forderung nach erleichterter Einbürgerung
unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit - die sogenannte doppelte Staatsbürgerschaft - nachgekommen wären, dann hätten wir hier schon wesentlich mehr Wahlberechtigte, meine Damen und Herren.
Natürlich können wir darüber reden, wie wir Einbürgerung erleichtern, und auch über das Thema doppelte Staatsbürgerschaft. Hierzu bringen wir jetzt auch einen Antrag ein. Wir wollen, dass die doppelte Staatsbürgerschaft auch von Drittstaatlern angenommen werden kann.
Mehrstaatigkeit ist die Folge hoher Mobilität in einer globalisierten Welt. Stellen Sie sich doch endlich den Realitäten und Notwendigkeiten! Was der Ministerpräsident in Anspruch nimmt, sollte auch für andere gelten.
Interessant ist übrigens die Position von Frau Sozialministerin Özkan hierzu. Sie ist der Meinung, wer hier lebe und wer in Deutschland geboren sei, der könne sich zu gegebener Zeit für eine Staatsbürgerschaft entscheiden. Frau Ministerin Özkan, haben Sie das eigentlich auch schon dem Ministerpräsidenten geraten?
Was die Aufhebung des Optionszwanges angeht, so hat sich die Berliner CDU im Koalitionsvertrag mit der SPD dafür ausgesprochen. Ihr Partner FDP ist hier auch zu vernünftigen Einsichten gekommen. Nehmen Sie sich daran doch endlich einmal ein Beispiel!
Wir fordern die Ermöglichung der doppelten Staatsbürgerschaft und die Abschaffung des Optionszwanges; denn der bürokratische Aufwand ist enorm. Komplizierte Rechtsstreitigkeiten und Gerichtsverfahren sind vorprogrammiert. Vor allem aber ist das integrationspolitische Signal fatal: Ihr gehört nicht dazu. Ihr seid Deutsche auf Abruf. - Das verunsichert nicht nur die Betroffenen selbst, es verunsichert auch ihre Familien und Freunde und birgt die Gefahr, die Integrationspolitik insgesamt unglaubwürdig zu machen.
Bei der Frage des Staatsangehörigkeitsrechtes geht es um ein urdemokratisches Anliegen, um das Prinzip „one woman, one vote“ oder „one man, one vote“. Aus demokratietheoretischer Sicht besteht ein öffentliches Interesse an einer Einbürgerung schon deshalb, weil kein Staat es auf Dauer hinnehmen kann, dass ein zahlenmäßig bedeutender Teil der Bevölkerung über Generationen hinweg außerhalb der staatlichen Gemeinschaft steht. Jedes demokratische Staatswesen muss ein Interesse an einer weitgehenden Deckungsgleichheit von Staatsvolk und Wohnbevölkerung haben.
Aber solange der Zwang zur Option besteht, solange es keine doppelte Staatsbürgerschaft für Nicht-EU-Angehörige gibt, wird es nötig sein, ein Kommunalwahlrecht für Drittstaatler zu fordern; denn EU-Ausländer haben ein Kommunalwahlrecht. Es ist doch völlig ungerecht, wenn EU-Bürger, die seit drei Monaten in Deutschland wohnen, an Kommunalwahlen teilnehmen dürfen, aber nicht deren Nachbarn aus Drittstaaten, die beispielsweise schon 40 Jahre in derselben Gemeinde wohnen.
Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft sind seit 1992 bei Kommunalwahlen wahlberechtigt. Es besteht eine Ungleichbehandlung zu den Drittstaatlern. Und gibt es relevante Unterschiede zwischen EU-Ausländern und anderen Ausländern? - Sie dürften kaum vorliegen.
Den Ländern sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, die Ungleichbehandlung zwischen Bürgern der EU und den übrigen Ausländern zu beseitigen.
Laut geltendem Recht haben bereits hier lebende Ausländer aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union das aktive und passive Wahlrecht in den Kommunen, soweit dies das EU-Recht vorsieht. In bisher fünf europäischen Staaten wurde neben der Einführung des Kommunalwahlrechts für EU-Bürger ein solches Wahlrecht, sofern es noch nicht bestanden hat, auf Nicht-EU-Bürger ausgedehnt, nämlich in Irland, Schweden, Dänemark, Finnland und den Niederlanden. Dort haben die Nicht-EU-Bürger das kommunale aktive und passive Wahlrecht.
Hinzu kommen Belgien, Luxemburg und Ungarn, die zumindest ein aktives Wahlrecht für Drittstaatsangehörige haben.
Der politische Wille und die politische Durchsetzbarkeit sind hier gefragt. Ein Kommunalwahlrecht für alle Ausländerinnen und Ausländer geht nur mit einer Änderung des Grundgesetzes, was eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat voraussetzt. Das Grundsatzprogramm der SPD fordert das seit 1989.
Änderungen in den Landesverfassungen der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein, die 1989/90 ein solches Wahlrecht einführen wollten, wurden in einem einstimmigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts für verfassungswidrig erklärt. Zentrales Argument des Gerichts war, dass dem Volk die letztgültige Entscheidungskompetenz zukommt und das Grundgesetz das Volk eindeutig als „deutsche Staatsangehörige“ definiert. Dem Argument, dass kommunale Vertretungsorgane nicht den Parlamenten zuzuordnen sind, sondern der Verwaltung, wollte das Gericht nicht folgen.
Es ist davon auszugehen, dass es in Deutschland zur Einführung eines kommunalen Wahlrechts für Ausländer, die keine EU-Bürger sind, einer Verfassungsänderung und damit einer Zweidrittelmehrheit in Bundesrat und Bundestag bedarf.
Wenn wir sie hätten, könnten wir das Kommunalwahlrecht auf Landesebene einfachgesetzlich regeln. Das werden wir über kurz oder lang auch auf den Weg bringen, meine Damen und Herren.
Wir sind jedenfalls dazu bereit und werden uns in diesem Sinne weiterhin einsetzen. Darauf dürfen Sie sich verlassen.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben erst im Januar-Plenum über das Thema Abschiebung in den Kosovo und in die Nachfolgestaaten Jugoslawiens gesprochen. Seitdem sind wieder Menschen abgeschoben worden, darunter das Ehepaar Berisha. Seit mehr als 20 Jahren hat es seine Heimat hier in Deutschland gefunden. Es handelt sich um Ramiz Berisha, 58 Jahre alt, und Fatmire Berisha, 53 Jahre alt. Ramiz Berisha ist wegen schwerer Erkrankung in regelmäßiger ärztlicher Behandlung. Wie das Ehepaar ohne die Unterstützung seiner acht Kinder, die allesamt hier in Deutschland leben, im Kosovo überleben und auskommen soll, ist völlig unklar. Immer wieder haben wir an dieser Stelle auf die prekäre Lebenssituation im Kosovo hingewiesen. Aufgrund dieser Situation und aufgrund der fehlenden Kontakte - Verwandtschaft etc. existiert dort nicht mehr - ist es fraglich, wie die Zukunft des Ehepaars im Kosovo aussehen wird.
Unser Protest aber richtet sich vor allem auch gegen die menschenverachtende Art der Durchführung der Abschiebung. Eine Ankündigung des Abschiebetermins erfolgte nicht. Ich habe mit dem Anwalt der Familie gesprochen. Die Familie besaß eine Duldung bis zum 9. April 2012. Daher hatte der Anwalt der Familie versichert, dass eine Abschiebegefahr für sie nicht bestünde. Morgens um
4.30 Uhr stand dann eine halbe Armee, so der Anwalt, vor der Tür und forderte das Ehepaar auf, seine Sachen zu packen. Erst Stunden später erreichte die Kanzlei der Widerruf der Duldung.
Diese Art des Umgangs mit Abschiebungen stößt auf den Protest zahlreicher Menschen, weil diese Vorgehensweise fatale Erinnerungen weckt.
Meine Damen und Herren, wo bleibt denn die erst kürzlich versprochene gesteigerte Sensibilität im Umgang mit Flüchtlingen? - Wir erleben insbesondere bei Abschiebungen keine Änderung. Die Familie Berisha hat fast ein Vierteljahrhundert hier in Deutschland gelebt. Jetzt wurde sie in einer Nachtund-Nebel-Aktion abgeholt, von ihren Kindern getrennt und in das Armenhaus Kosovo geschickt, wo sie als mittellose Flüchtlinge im Alter von fast 60 Jahren kaum eine Chance auf ein menschenwürdiges Leben haben.
Meine Damen und Herren, Ende April soll eine Delegation des Landtags die Möglichkeit erhalten, sich ein Bild vor Ort zu verschaffen. Ich gebe hier zu bedenken: Eine Reise von vier Tagen reicht kaum aus, um festzustellen, ob es Abschiebehindernisse gibt. Solche Reisen sind voll mit offiziellen Tagesordnungspunkten. Wir haben aktuelle Hinweise des UN-Flüchtlingswerks und anderer Organisationen auf die wirtschaftliche Not und die gesellschaftliche Diskriminierung der Roma und anderer Minderheiten im Kosovo. Diese Menschen haben dort keine Lebensperspektive. Drei von vier rückgeführten Romakindern gehen dort nicht zur Schule. Die Arbeitslosenquote liegt bei 90 %. Personen ohne Ausbildung und ohne albanische Sprachkenntnisse sind dort perspektivlos. Wir wollen verhindern, dass Niedersachsen diese Menschen ins Verderben schickt, meine Damen und Herren.
Wenn es derzeit aufgrund bundesrechtlicher Regelungen nicht möglich ist, einen generellen Abschiebestopp durchzusetzen, dann sollten die Abschiebungen in den Kosovo wenigstens im Winter ausgesetzt werden. Wenn Sie sich damit nicht einverstanden erklären können, so ordnen Sie doch wenigstens eine strenge Einzelfallprüfung an! Vermeiden Sie Familientrennungen, Abschiebungen von älteren, traumatisierten und kranken Menschen! Nutzen Sie doch alle landesrechtlichen
Spielräume aus, damit sich die Flüchtlingspolitik Niedersachsens am Ziel der Humanität orientiert!
Über dieses Thema haben wir soeben ausführlich diskutiert: Wir müssten an dieser Stelle nicht immer wieder über das gleiche Thema sprechen, wenn es einen anderen Umgang mit dem Bleiberecht gäbe. Die Innenminister von Bund und Ländern müssen sich endlich auf eine humane, stichtagsunabhängige Regelung einigen. Es darf nicht mehr verlangt werden, dass Geduldete mit einem Aufenthaltsstatus auf Probe den eigenen Lebensunterhalt sichern müssen, um ein langfristiges Aufenthaltsrecht zu bekommen. Daran scheitern viele Roma, die durch Vorurteile bei der Jobsuche benachteiligt werden, aber auch andere.
Und - um es gleich vorwegzunehmen - die Landesregierungen von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen wollen keine Roma abschieben, können sich aufgrund anderslautender bundesrechtlicher Regelungen aber nicht davon freimachen. Entsprechende Wintererlasse gibt es inzwischen auch in Hamburg. Diese Bundesländer haben eine strikte Einzelfallprüfung angeordnet, sodass Härten vermieden werden sollen. In Niedersachsen ist weder ein Wille noch ein Bemühen zu erkennen, ähnlich zu handeln.
Heute hat der Niedersächsische Landtag die Gelegenheit, ein anderes Signal zu setzen. Stimmen Sie deshalb unserem Antrag zu!
Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es zeigt sich wieder einmal: Die Fraktionen von CDU und FDP humpeln den vielen Hochschulen im Lande hinterher. Von dort werden nämlich bereits seit Jahren Projekte und Initiativen mit dem Ziel vorangebracht, die MINT-Studienabschlüsse in Niedersachsen zu stärken. Das, was Sie hier fordern, hat keinen Neuigkeitswert. Es kann auch nicht darum gehen, sich selbst zu bejubeln. Vielmehr muss sehr ernsthaft überlegt werden, wie man zu Verbesserungen kommen und auf erfolgreichen Projekten aufbauen kann.
Seit Jahren ist bekannt, dass der Mangel an Nachwuchskräften mit MINT-Qualifikation den Wirt
schaftsstandort Deutschland gefährdet. Die Fachkräftelücke lag im Dezember bei rund 179 000 Personen. Damit ist die sogenannte MINT-Lücke seit Jahresbeginn um mehr als 73 % gestiegen, so das neue MINT-Trendbarometer.
Der Engpass an naturwissenschaftlich-technisch qualifizierten Fachkräften ist jetzt schon eine Wachstums- und Innovationsbremse für die deutsche Volkswirtschaft. Wir dürfen es nicht so weit kommen lassen, dass der Mangel an Ingenieurinnen und Ingenieuren den Standort Deutschland gefährdet, meine Damen und Herren.
Aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion sind es vor allem drei Handlungsfelder, die angegangen werden müssen, um diese Fachkräftelücke zu schließen:
Erstens müssen Studienanfängerinnen und Studienanfänger gewonnen und für die Chancen von MINT-Fächern sensibilisiert werden. Ferner müssen möglichst viele aus den geburtenstarken Jahrgängen, die jetzt an die Hochschulen kommen, für die MINT-Fächer interessiert werden.
Zweitens müssen wir die Abbrecherquoten reduzieren, um diejenigen zu halten, die überhaupt schon ein mathematisch-naturwissenschaftlichtechnisches Fach studieren.
Drittens benötigen wir aber auch eine stärkere Internationalisierung des Studiums.
Insgesamt aber gilt es, die Studierendenquote zu steigern, Studierende für Niedersachsen zu gewinnen und Hürden bei der Studienaufnahme zu beseitigen. Wir wissen: Niedersachsen hat hohe Abwanderungsquoten. Wir wollen, dass die Studierenden, dass die Abiturienten, die hier ihre Hochschulzugangsberechtigung erlangen, in Niedersachsen bleiben, an unsere Hochschulen kommen und ihre beruflichen Qualifikationen, die sie hier erlangen, auch hier gewinnbringend und nutzbringend umsetzen.
Es ist auch völlig klar, dass mehr junge Menschen zur Aufnahme eines Studiums in den Mangelfächern ermutigt und dafür motiviert werden müssen. Sie müssen in den Fächern gehalten werden, und die Abbrecherquoten müssen gesenkt werden. Vor allem, meine Damen und Herren, müssen alle Potenziale genutzt werden. Ich spreche hier von einer Gruppe, die im CDU/FDP-Antrag geflissentlich übergangen wird. Mittlerweile ist mehr als die
Hälfte der Abiturienten weiblich. Den Weg in ein naturwissenschaftlich-technisches Fach finden sie vergleichsweise selten. Der CDU/FDP-Antrag erwähnt junge Mädchen und Frauen mit keinem Wort. Offensichtlich fehlt Ihnen hier, meine Damen und Herren von CDU und FDP, das Problembewusstsein.
Bereits während der SPD-Regierungszeit wurden seit Anfang der 90er-Jahre Projekte gefördert, um durch verstärkte Information und insbesondere durch Mentoringprogramme und Angebote junge Frauen zur Aufnahme eines natur- oder ingenieurwissenschaftlichen Studiums zu motivieren und auf ihrem weiteren Qualifikationsweg zu begleiten. Hervorzuheben sind hier die vielfach sehr guten und engagierten Projekte der Gleichstellungsbüros in den niedersächsischen Hochschulen.
Meine Damen und Herren, die Weichen für grundsätzliche berufliche Interessen werden aber nicht erst bei der Studienwahl gestellt; das passiert schon viel früher. Die Lust auf naturwissenschaftliche Experimente und technische Neugier von Jungen und Mädchen muss früh geweckt werden. Naturwissenschaftliche Beobachtungen gehören zum Alltag bereits kleiner Kinder: Warum schäumt die Zahnpasta? Warum dampft der Kakao? Warum haben sich die Blumen geöffnet, die gestern Abend noch geschlossen waren? - Kinder wollen ihre Welt im wahrsten Sinne des Wortes begreifen, um mehr über Naturphänomene zu erfahren. Zum Erklären und Motivieren eignen sich der Kindergarten und spätestens die ersten Schuljahre. Initiativen wie z. B. das Haus der kleinen Forscher unterstützen wir daher ausdrücklich.
Um mehr junge Frauen und Männer für MINT-Studienfächer zu interessieren, gehört es sich aber auch, Inhalte und Vermittlungsformen in diesen Fächern kritisch zu hinterfragen: Wie können wir mehr Studienanfänger für die MINT-Fächer gewinnen? Welche Kooperationen zwischen Schulen, Hochschulen und Unternehmen können helfen, dieses Ziel zu erreichen? Wie können neue Beratungs- und Orientierungsangebote für Schüler, beruflich Qualifizierte und andere Studieninteressenten aussehen? Wie können mehr Frauen für diese Studiengänge gewonnen werden? Was geschieht an niedersächsischen Hochschulen bereits?
Nun zum Thema Studienerfolg und Studienabbruch: Mit der Einführung der neuen Bachelor- und Masterstudiengänge sollte eigentlich die hohe Studienabbrecherquote an den Universitäten und
Fachhochschulen gesenkt werden. Dennoch deutet eine neue Statistik des HIS an, dass die Quote der Studienabbrecher in diesen Studiengängen noch höher ist als in den alten Diplom- und Magisterausbildungsstrukturen.
Wie hoch sind die Abbrecherquoten, und wie können sie in den MINT-Fächern reduziert werden? Welche Möglichkeiten zur Verbesserung des Studienerfolgs bieten eine individuelle Studierendenauswahl, -betreuung und -beratung? Wie kann die Motivation der Studierenden durch die Zusammenarbeit mit Unternehmen verbessert werden? Der Einsatz welcher Lehr- und Lernformen und welche Prüfungs- und Studienkonzepte helfen, den Studienerfolg zu erhöhen? - Auch das Handlungsfeld Internationalität provoziert einige Fragen. Sogenannte Bildungsinländer, aber auch ausländische Studierende bevorzugen Fachhochschulen mit ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen. Gelingt es den Universitäten und Hochschulen, diese Studierenden angemessen zu unterstützen und zum Studienabschluss zu führen, dann leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Deckung des Fachkräftebedarfs der Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund interessieren uns erfolgreiche Strategien für die Anwerbung, Ausbildung und Bindung von Studierenden mit ausländischer Herkunft sehr.
Wir haben hierzu eine Reihe weiterer Fragen, die wir im Ausschuss mit Ihnen gern erörtern wollen. Wir wissen, dass vieles von dem, was wir hier beraten und fragen, auch schon passiert. Wir brauchen genaue Informationen darüber. Uns interessiert vor allem, wie erfolgreich und wirksam diese Maßnahmen sind. Wir würden hierüber im Ausschuss in Form einer Anhörung gern Näheres erfahren.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Nach wie vor sind die Lebensbedingungen vor allem im Kosovo für Angehörige der Roma unerträglich. Diskriminierung durch die Mehrheitsbevölkerung, extrem hohe Arbeitslosigkeit, Armut, keine medizinische Versorgung - es gibt dort für Roma keine Möglichkeit, in Sicherheit und Würde zu leben.
Dennoch will die Bundesregierung in den nächsten Jahren über 10 000 Flüchtlinge in die Staaten des ehemaligen Jugoslawien - insbesondere in den Kosovo, aber auch nach Serbien und Mazedonien - abschieben.
Viele dieser Menschen sind bereits in den 90erJahren vor Krieg und Verfolgung geflohen oder waren Opfer der Vertreibungen aus dem Kosovo nach dem Kosovokrieg im Jahre 1999. Andere sind erst in den vergangenen Jahren aus Serbien und Mazedonien geflüchtet, wo Roma massiv von gesellschaftlicher Ausgrenzung und Diskriminierung betroffen sind.
Viele derjenigen, die von Abschiebung betroffen sind, sind in Deutschland geboren oder haben ihre Kindheit und Jugend hier in Niedersachsen verbracht. Ihre Heimat ist hier und nicht in einem
Land, das sie nur vom Hörensagen kennen und das zutiefst mit Erzählungen von Gewalt, Vertreibung und Krieg verbunden ist. Meine Damen und Herren, deshalb müssen sie auch hierbleiben können.
Seit 2010 sollen jährlich ungefähr 2 500 Menschen aus Deutschland in den Kosovo gebracht werden. Grundlage dafür ist ein gegenseitig beschlossenes Rücknahmeabkommen. Die Abgeschobenen werden ins Ungewisse geschickt. Sie landen im Desaster. Frau Polat hat bereits einige Beispiele gebracht, wie das dann aussieht. Gerade die Roma unter den Abgeschobenen haben im Kosovo vor allem Diskriminierung und Armut zu erwarten. Die Rückkehr ist für viele eine Katastrophe.
Wir haben uns hier bereits mehrfach für einen Abschiebestopp von Roma ausgesprochen. Auch jetzt fehlen Hinweise darauf, dass sich die Lebensbedingungen für diese Gruppe im vergangenen Jahr maßgeblich verbessert haben. Delegationen von Nichtregierungsorganisationen und auch Betroffene berichten immer wieder, dass die Lage der ausgewiesenen und abgeschobenen Minderheitsangehörigen in den Balkanstaaten von antiziganistischem Rassismus und Bedrohung der jeweiligen Mehrheitsgesellschaft, von extrem hoher Arbeitslosigkeit, sozialer Ausgrenzung, einem unzureichenden Zugang zu medizinischer Versorgung sowie menschenwürdigem Wohnraum und Bildung geprägt ist. Vor allem Kinder und Jugendliche, die einen großen Teil ihres Lebens hier in Deutschland verbracht haben, leiden unter dieser Situation.
Für den Kosovo bestätigt ein Bericht der UNICEF vom August 2011 keine Verbesserung der Lebensumstände. Für viele Familien haben sich die Lebensumstände sogar verschlechtert. Ein Bericht der EU-Kommission vom Oktober 2011 stellt weiterhin Probleme bei der Bereitstellung von Wohnraum für Minderheitsangehörige fest bei gleichzeitig fehlenden Erwerbsmöglichkeiten und erschütternden Lebensbedingungen.
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen noch einen weiteren Aspekt nennen, der die Abschiebung von Romaflüchtlingen aus Deutschland in einem kritischen Licht stehen lässt. Es ist der ursächliche Zusammenhang zwischen Antiziganismus und gesellschaftlicher Ausgrenzung in den Herkunftsstaaten. Es ist aber auch die historische
Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland für die Verbrechen an den Sinti und Roma im Nationalsozialismus.
Die Verfolgung und Ermordung über einer halben Million Sinti und Roma wurde mit eben jenen antiziganistischen Vorurteilen gerechtfertigt, die auch noch heute zur Diskriminierung und Ausgrenzung der Roma überall in Europa führen. Deshalb, meine Damen und Herren, stehen wir in einer besonderen historischen Verpflichtung, diese Gruppe zu schützen.
Ich möchte an dieser Stelle noch ein paar Worte über unseren Ministerpräsidenten verlieren. Anlässlich des Neujahrsempfangs der evangelischen Landeskirche kündigte Ministerpräsident McAllister einen neuen, und zwar humanen Umgang mit Flüchtlingen an. Die Worte hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube - das ist ein Sprichwort, das angesichts der weiterhin geplanten und vollzogenen Abschiebungen auf das Handeln dieser Regierung leider zutrifft. Herr McAllister - er ist gerade nicht hier -, wir vernehmen Ihre Ankündigung mit großem Interesse und warten auf die Umsetzung.
Niedersachsen könnte sich für ein humanitäres Handeln Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zum Vorbild nehmen. Niedersachsen könnte, wie die genannten Bundesländer, zumindest davon absehen, in den kalten Wintermonaten Menschen, darunter Familien, Kinder, alte und kranke Menschen, den elenden Lebensbedingungen von Minderheitsangehörigen im Kosovo auszuliefern. Angesichts der Tatsache, dass viele Abgeschobene keine Unterkunft mehr haben bzw. dass sich die Betroffenen oft nicht trauen, in ihre Herkunftsorte zurückzugehen, halten wir es insbesondere im Winter für vollkommen unverantwortlich, Menschen abzuschieben.
Herr Ministerpräsident, sicherlich ist Ihnen die Familie Meta aus Otterndorf ein Begriff. Schließlich liegt Otterndorf in Ihrem Wahlkreis und im Landkreis Cuxhaven, den Sie als Kommunalpolitiker sicherlich gut kennen.
- Genau. - Anfang Dezember 2011 wurde die Familie Meta aus Otterndorf in den Kosovo abgeschoben. Sechs Kinder im Alter von bis zu 19 Jahren gehören dazu. Die Familie lebte hier seit 2002. Ein Kind wurde hier geboren und kennt als Lebensmittelpunkt nur Otterndorf und seine Umgebung. Diese Familie wurde nachts um 2 Uhr in zwei vergitterten Wagen abgeholt, aus ihrem vertrauten Umfeld herausgerissen und in den Kosovo gebracht. Wir finden diese Vorgehensweise einfach nur unmenschlich.
Für die in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Kinder bedeutet die Abschiebung den Verlust der einzigen Heimat, die sie kennen. In Otterndorf hat dieses unsensible Vorgehen zu Unmut und Empörung geführt.
Viele dort fragen sich, ob nicht mildere Verfahrensschritte hätten geprüft werden können, und kritisieren vor allen Dingen den gewählten Abschiebezeitpunkt scharf. Zum Zeitpunkt des Abtransports wurde ausgerechnet die Adventszeit gewählt, meine Damen und Herren, eine Zeit, in der Werte wie Mitmenschlichkeit und Barmherzigkeit eine immense Bedeutung haben. Im Otterndorfer Fall spielen Mitmenschlichkeit und Barmherzigkeit offensichtlich keine Rolle.
Wir meinen, dass Humanität Vorrang haben muss. Deshalb fordern wir diesen Erlass. Unzumutbare Härten müssen vor allem für die betroffenen Kinder in den nächsten Monaten vermieden werden. Das hilft nicht nur kurzfristig den zahlreichen Romafamilien, sondern schafft auch Zeit, um humanitäre Lösungen zu finden.
Vielen Dank.
Herr Präsident, künftig soll auch bei fahrlässig begangenen Straftaten ein Härtefallersuchen zugelassen werden.
Um welche fahrlässig begangenen Straftaten kann es sich dabei handeln? Kann es sich dabei auch um solche handeln, die nur ein Ausländer begehen kann, beispielsweise aufenthaltsrechtliche und ausländerrechtliche Straftaten?
Herr Präsident! Vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse möchte ich eine Frage stellen, die sicherlich viele in Niedersachsen bewegt. Welche Rolle spielt die Kategorie der Humanität für die Landesregierung bei der Behandlung von Flüchtlingsfragen?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema Bleiberecht ist topaktuell, wie die Ereignisse der letzten Tage zeigen. Hätten wir eine stichtagsunabhängige Regelung, hätten wir eine Bleiberechtsregelung, die umfassend und humanitär orientiert wäre, dann hätte die Familie aus Hoya vermutlich nicht nach Vietnam abgeschoben werden müssen.
Seit 2006 haben Bund und Länder mit verschiedenen Bleiberechtsregelungen rund 60 000 Menschen zu befristeten Aufenthaltserlaubnissen verholfen. Eine grundlegende Lösung jedoch fehlt weiterhin.
Alle bisherigen Versuche von Bund und Ländern, langjährig in Deutschland geduldeten Menschen durch sogenannte Altfallregelungen ein legales Aufenthaltsrecht zu gewähren, die an ihrer Situation kein eigenes Verschulden tragen und sich erfolgreich in unsere Gesellschaft integriert haben, sind unzureichend geblieben. Nach dem bevorstehenden Auslaufen der letzten Bleiberechtsregelung zum Ende dieses Jahres ist wieder damit zu