Protocol of the Session on November 9, 2012

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Guten Morgen, Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 150. Sitzung im 48. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 16. Wahlperiode.

Tagesordnungspunkt 46: Mitteilungen des Präsidenten

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Nun erbitte ich für einen kurzen Augenblick Ihre besondere Aufmerksamkeit. - Der heutige Sitzungstag fällt auf den 9. November. Dies gibt Anlass, das politische Tagesgeschäft auszublenden und einen kurzen Moment innezuhalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Geschehnisse der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 gehören zu den dunkelsten Kapiteln unserer Geschichte. Der Terror der Nationalsozialisten gegen die jüdischen Bürgerinnen und Bürger hatte überall in Deutschland eine ganz neue Dimension der Systematik und Gewalt unter der verlogenen Rechtfertigung eines angeblichen Volkszorns angenommen. Tausende Menschen wurden misshandelt, sogar ermordet oder verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Synagogen und jüdische Geschäfte wurden zerstört. Spätestens - ich betone: spätestens - in diesen Stunden des pöbelnden Beifalls, des Mittuns oder des Wegsehens gab sich Deutschland auf. Die Bindung an humane, christliche und rechtsstaatliche Werte war endgültig verloren, mit all den schrecklichen Folgen, über die wir hier in diesem Hause oft gesprochen haben.

Vor einigen Wochen verstarb Antoni Dobrowolski. Er war der älteste Überlebende des Vernichtungslagers Auschwitz. Professor Henry Friedlander ist ebenfalls vor Kurzem von uns gegangen. Sein Bericht als Überlebender des Konzentrationslagers Birkenau am 26. Januar 2009 hier im Plenarsaal hat uns alle zutiefst bewegt. Selten war es im Plenarsaal so still wie damals.

Das Leid der unzähligen Opfer verpflichtet uns alle dazu, die Erinnerung an die schrecklichen Geschehnisse von damals wachzuhalten und achtsam zu sein, damit Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit nicht wieder Fuß fassen können.

Wenn wir uns jetzt wieder dem Tagesgeschäft mit seinen notwendigen politischen Auseinandersetzungen zuwenden, so tun wir das in dem Bewusstsein grundlegender Werte der Demokratie und des Rechtsstaats, für die wir gemeinsam einstehen.

Vielen Dank.

(Starker Beifall)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 47, den Mündliche Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort. Die heutige Sitzung soll gegen 18.05 Uhr enden.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr die Schriftführerin mit.

Guten Morgen! Es haben sich entschuldigt: von der Landesregierung die Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Frau Professorin Dr. Wanka, von der Fraktion der CDU Frau Bertholdes-Sandrock, Frau Prüssner, Herr Toepffer von 10.30 Uhr bis 12.00 Uhr, Frau Hartmann von 11.30 Uhr bis 13.00 Uhr, von der Fraktion der SPD Herr Klein, Frau Leuschner bis 12.00 Uhr, Herr Jüttner ab 13.30 Uhr, von der Fraktion DIE LINKE Herr Perli.

Vielen Dank. - Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 47 auf:

Mündliche Anfragen - Drs. 16/5315

Die für die Fragestunde geltenden Regelungen unserer Geschäftsordnung setze ich als bekannt voraus. Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich Sie, dass Sie sich nach wie vor schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.

Ich stelle fest: Es ist 9.05 Uhr.

Wir beginnen mit Frage 1:

Studentische Wohnungssituation in Niedersachsen und die Verantwortung der Landesregierung

Dazu erteile ich Herrn Kollegen Adler das Wort.

Herr Präsident, zunächst bedanke ich mich für Ihre eindrucksvollen Worte, die Sie heute zu Beginn des Plenums gefunden haben.

Noch eine kleine Vorbemerkung: Ich finde es bedauerlich, dass zu diesem Tagesordnungspunkt die zuständige Ministerin nicht anwesend sein kann. Das hätte man vielleicht anders organisieren können.

Aber nun zur Frage.

Die Studierendenzahlen in Niedersachsen steigen aufgrund des doppelten Abiturjahrgangs in Niedersachsen und in anderen Bundesländern weiterhin an. Aus der Beantwortung einer Kleinen Anfrage des Linken-Abgeordneten Victor Perli wurde bereits im April 2011, also vor anderthalb Jahren, ersichtlich, dass allein aufgrund des doppelten Abiturjahrgangs in Niedersachsen 1 500 Wohnheimplätze fehlen. Dabei betrugen die Wartezeiten zum Semesterbeginn bereits ohne den doppelten Abiturjahrgang zum Teil über zwölf Monate. Zum Start des Wintersemesters 2012/2013 ist die damals prognostizierte Situation eingetreten: Landauf, landab, von Lingen bis Braunschweig und Lüneburg bis Göttingen, finden die Studierenden keinen angemessenen Wohnraum und müssen sich mit provisorischen Unterkünften oder weiten Anreisewegen zurechtfinden. Nach Einschätzung von Experten kann man bereits von einer studentischen Wohnungsnot sprechen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie groß war das Angebot an freien Wohnheimplätzen, und wie groß war die Nachfrage nach Wohnheimplätzen der niedersächsischen Studentenwerke zum Start des Wintersemesters 2012/2013?

2. Wie lang sind die durchschnittlichen Wartezeiten und die Wartelisten für die fünf niedersächsischen Studentenwerke?

3. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, um die studentische Wohnungssituation zu verbessern und den Studentenwerken die Möglichkeit zu geben, sowohl kurz- als auch langfristig mehr adäquaten Wohnraum zur Verfügung zu stellen?

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Dr. Althusmann das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die seit Jahren in Niedersachsen steigenden Studierendenzahlen unterstreichen die Attraktivität der niedersächsischen Hochschulen und der von ihnen angebotenen Studiengänge.

Zugleich stellt der Studierendenzuwachs neben den Hochschulen auch die Studentenwerke vor erhebliche Herausforderungen. Die Studentenwerke fördern und beraten die Studierenden wirtschaftlich, gesundheitlich, sozial und kulturell. Als Teil der sozialen Infrastruktur für die Studierenden betreiben sie insbesondere Wohnheime, Mensen, Cafeterien und Betreuungseinrichtungen für Kinder von Studierenden.

Unsere Studentenwerke sind, wie sich bereits im letzten Wintersemester gezeigt hat, beispielsweise durch die Ausweitung ihrer Serviceangebote und durch die Verlängerung von Öffnungszeiten gut gerüstet, um für alle Studierenden auch aktuell die Unterstützung zu leisten, die letztlich sicherstellt, dass Niedersachsen Studierenden gleichbleibend gute Bedingungen bietet.

Mit den Wohnheimen der Studentenwerke stehen in Niedersachsen studiengerechte, häufig hochschulnahe und vor allem preiswerte Unterkünfte zur Verfügung. Nach der neuesten statistischen Übersicht „Wohnraum für Studierende“, die vom Deutschen Studentenwerk 2012 herausgegeben worden ist, ist in Niedersachsen mit den hier zur Verfügung stehenden 18 485 Wohnheimplätzen eine Unterbringungsquote der Studierenden in Wohnheimen erreicht, die mit 11,51 % deutlich sowohl über der in den alten Bundesländern - inklusive Berlins - von 10,27 % als auch über der bundesweiten Unterbringungsquote von 10,63 % liegt. Im Vergleich der Flächenländer mit mehr als 150 000 Studierenden hält Niedersachsen damit prozentual mehr Wohnraumplätze für seine Studierenden vor als Bayern - dort sind es 10,96 % -, als Hessen - dort sind es 7,34 % - und als NordrheinWestfalen - dort sind es 10,65 %. Lediglich BadenWürttemberg mit 13,62 % ist unter diesen Ländern hier noch erfolgreicher als Niedersachsen.

Dieses landesweite Angebot an Wohnraumplätzen ist - ungeachtet der unterschiedlichen Gegebenheiten an den einzelnen Hochschulstandorten - bedarfsgerecht und entspricht nach der letzten, im März 2010 veröffentlichten Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes sowie der ergänzenden Grundauszählung für Niedersachsen der Ent

wicklung der studentischen Wohnformen in Deutschland seit 1991.

Danach war 2009 die Wohngemeinschaft die am häufigsten gewählte Wohnform - bundesweit 26 %, in Niedersachsen 30,4 % -, gefolgt vom Wohnen bei den Eltern - bundesweit 23 %, in Niedersachsen 17,7 %. Der Anteil der Studierenden, die allein in einer eigenen Wohnung leben, betrug bundesweit 17 %, in Niedersachsen 17,2 %. Eine eigene Wohnung mit einem Partner oder einer Partnerin teilten sich bundesweit 20 %, in Niedersachsen 20,5 %.

Bundesweit knapp 12 % der Studierenden - in Niedersachsen 13 % - hatten einen Platz in einem Wohnheim. Gefragt nach ihren Präferenzen, gaben sogar nur 9 % der Studierenden an, während des Studiums im Wohnheim leben zu wollen. Daraus wird ersichtlich, dass für die Realisierung der studentischen Wohnungswünsche der private Wohnungsmarkt einschließlich der Angebote kommunaler Wohnungsbaugesellschaften von besonderer Bedeutung ist. Die Studentenwerke tragen daneben vornehmlich zur Unterbringung finanzschwächerer und ausländischer Studierender bei, denen der Zugang zum privaten Wohnungsmarkt erfahrungsgemäß erschwert ist.

Vor diesem Hintergrund begrüßt die Landesregierung Initiativen privater Investoren zur Errichtung von Wohnanlagen für Studierende. So will nach Presseberichten die Firma „Quartier Am Kläperberg“ aus Peine noch 2012 mit den Arbeiten für einen Wohnheimneubau mit 300 Plätzen für Studierende in der hannoverschen Nordstadt beginnen; die ca. 20 m² großen Einzelappartements sollen zu Beginn des nächsten Wintersemester fertiggestellt sein. Ein weiteres aktuelles Beispiel für private Investitionen in studentischen Wohnraum ist der von der Gemeinnützigen Baugesellschaft zu Hildesheim errichtete Erweiterungsbau seines Studentenwohnheims in Hildesheim-Itzum, mit dem zu Beginn des Semesters die Studierenden 24 neue Appartements beziehen konnten, um die die Wohnanlage auf jetzt 143 Appartements erweitert wurde.

Infolge der Umstellung der Studienangebote auf die Bachelor- und Masterstruktur mit dem Studienbeginn üblicherweise im Herbst eines Jahres sind regelmäßig zu Beginn eines Wintersemesters alle Wohnangebote der Studentenwerke vermietet, und es entstehen Wartelisten mit abgelehnten Bewerberinnen und Bewerbern um einen Wohnheimplatz. Bis zum Sommersemester ist jedoch vieler

orts eine Entspannung zu beobachten, da durch hohe Fluktuationen in den Wohnheimen und Aufnahme von Studierenden durch den privaten Wohnungsmarkt freie Kapazitäten in Wohnheimen entstehen. Von studentischer Wohnungsnot in Niedersachsen kann daher nicht gesprochen werden.

So ist es beispielsweise dem Studentenwerk Ostniedersachsen 2011 trotz doppelten Abiturjahrgangs gelungen, alle Zimmer suchenden Studierenden unterzubringen, obwohl die Situation insbesondere in Braunschweig durch Auslastung des privaten Wohnungsmarktes zu Beginn des Wintersemesters schwierig ist. Wartezeiten gab es 2011 folglich nur zu Semesterbeginn im Herbst und bei besonders beliebten Wohnheimen.

Die Landesregierung geht davon aus, dass sich die Wohnheimsituation landesweit im Laufe des Wintersemesters 2012/2013 ebenfalls überwiegend entsprechend entwickeln wird.

Die Landesregierung unterstützt die Studentenwerke in ihren Bemühungen um die soziale Infrastruktur für die Studierenden vor dem Hintergrund steigender Studierendenzahlen auch in unserem Bundesland nachhaltig. Die den Studentenwerken in Niedersachsen zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Maßgabe des Haushaltes gewährte jährliche Finanzhilfe beträgt nach der Erhöhung um 0,5 Millionen Euro seit 2009 stetig 14,5 Millionen Euro. Auch für 2013 sieht der Doppelhaushalt 2012/2013 Finanzhilfeleistungen des Landes an die Studentenwerke in Höhe von 14,5 Millionen Euro vor. Dadurch haben die niedersächsischen Studentenwerke Planungssicherheit.

Die Landeszuschüsse zum laufenden Betrieb der Studentenwerke liegen damit nach den Daten des aktuellen, vom Deutschen Studentenwerk im September 2012 herausgegebenen Zahlenspiegels 2011/2012 in Niedersachsen mit 12,85 % erheblich über dem Durchschnitt aller Länder in Höhe von 10,2 %. Manche Länder sehen gar Reduzierungen ihrer Landeszuschüsse an die Studentenwerke vor. So sieht der Entwurf des Doppelhaushalts 2013/2014 in Brandenburg eine Verringerung um 0,25 Millionen Euro für 2013 und um weitere 0,5 Millionen Euro für 2014 vor. Der in Hamburg ursprünglich 2,5 Millionen Euro betragende Zuschuss sollte 2012 ganz gekürzt werden und wird nach teilweiser Rücknahme von Kürzungen des vorherigen Senats ab 2013 nur noch 1,2 Millionen Euro betragen.

Über die Finanzhilfeleistungen hinaus hat die Landesregierung ein Sonderprogramm zum Ausbau

der studentischen Infrastruktur zur Bewältigung der infolge des doppelten Abiturjahrgangs und des Aussetzens der Wehrpflicht gestiegenen Studienanfängerzahlen aufgelegt. Dadurch werden den niedersächsischen Studentenwerken weitere Finanzmittel in Höhe von 6 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, die hälftig auf die Jahre 2012 und 2013 aufgeteilt und bedarfsorientiert entsprechend den zusätzlich eingeschriebenen Erstsemestern zugewiesen werden.

Ferner ist den Studentenwerken aufgrund eines Beschlusses der Landesregierung aus dem Jahr 2008 das Eigentum an von ihnen genutzten Grundstücken im Gegenwert von rund 20 Millionen Euro unentgeltlich übertragen worden. Daraus resultiert eine Ersparnis der zuvor an das Land zu zahlenden Erbpachtzinsen in Höhe von ca. 300 000 Euro pro Jahr, die die Studentenwerke zur Erfüllung ihrer Aufgaben zusätzlich einsetzen können. Dadurch sind die Studentenwerke - zusätzlich zu den derzeit niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt - in die Lage versetzt worden, Kredite zu günstigen Konditionen aufzunehmen.

Schließlich hat die Landesregierung den Studentenwerken 2009 insgesamt 4,2 Millionen Euro für Sanierungsmaßnahmen aus den Mitteln des Konjunkturpakets II bewilligt, davon 3,55 Millionen Euro für die Sanierung von Wohnheimen in Braunschweig, Göttingen und Hannover.

Diese Rahmenbedingungen stärken die Studentenwerke zugunsten aller Studierenden bei der erfolgreichen Bewältigung der Herausforderungen für den Ausbau der sozialen Infrastruktur durch die vorübergehend anwachsenden Zahlen der Studienanfängerinnen und -anfänger vor dem Hintergrund insbesondere des doppelten Abiturjahrgangs 2011 in Niedersachsen und natürlich der Aussetzung der Wehrpflicht.