Protokoll der Sitzung vom 25.11.2009

Die Beschlussfähigkeit stelle ich zu einem späteren Zeitpunkt fest.

Mitteilungen des Präsidenten

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 12 - Dringliche Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratung in der Reihenfolge der Tagesordnung fort mit Ausnahme des Tagesordnungspunktes 24, den wir bereits gestern behandelt haben.

Die heutige Sitzung soll gegen 18.05 Uhr enden.

Ich darf Sie herzlich bitten, Ihre Reden bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr, an den Stenografischen Dienst zurückzugeben.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr die Schriftführerin mit.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung die Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit, Frau Ross-Luttmann, von der Fraktion der CDU Frau Klopp, Frau Lorberg und Herr Höttcher, von der Fraktion der SPD Frau Seeler, Frau Rübke und Herr Brunotte, von der Fraktion DIE LINKE Frau Reichwaldt bis zur Mittagspause und Herr Humke-Focks nach der Mittagspause.

Vielen Dank. - Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Tagesordnungspunkt 12: Dringliche Anfragen

Es liegen vier Dringliche Anfragen vor. Die für die Behandlung Dringlicher Anfragen geltenden Geschäftsordnungsbestimmungen setze ich als allgemein bekannt voraus. Ich weise nur noch einmal ausdrücklich gesondert darauf hin, dass einleiten

de Bemerkungen bei den Zusatzfragen nicht zulässig sind. Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich Sie, sich nach wie vor schriftlich zu Wort zu melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 a auf:

PPP-Projekt gescheitert - Von Bayern lernen … - Anfrage der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/1875

Dazu erteile ich dem Kollegen Adler von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

(Zustimmung bei der LINKEN - Unruhe)

Herr Kollege, Sie sollten sich noch etwas Zeit nehmen, bis sich die Unruhe gelegt hat. - Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Haushaltsausschuss des Bayerischen Landtages hat jetzt das PPP-Projekt für die Justizvollzugsanstalt Gablingen beendet, weil nach den dort gewonnenen Erkenntnissen der Neubau eines Gefängnisses in dieser Finanzierungsform den Staat letztlich teurer kommt als ein Bau in herkömmlicher Weise in staatlicher Regie. Ein Sprecher des bayerischen Justizministeriums hat hierzu gegenüber dem Neuen Deutschland erklärt: „Ein maßgeblicher Grund sind die teurer gewordenen Kredite für die Privatwirtschaft.“ Der Staat komme jetzt günstiger an das Geld, was auch ein Ergebnis der niedrigen Kreditzinsen in der Wirtschaftskrise ist.

Die neue Justizvollzugsanstalt in Gablingen ist für 604 Gefangene geplant, der Baubeginn war für Februar 2010 vorgesehen. Ein privater Investor sollte die Haftanstalt bauen, finanzieren und 20 Jahre lang auch teilweise unterhalten. Dafür hätte der Freistaat jährlich etwa 10 Millionen Euro überweisen müssen.

Bei der Entscheidung des bayerischen Haushaltsausschusses wird wohl auch eine Rolle gespielt haben, dass das in Bayern bereits errichtete PPPModell des Frauengefängnisses von MünchenStadelheim größere Probleme hervorgebracht hat. Nach Auskunft des bayerischen Justizministeriums gebe es sicherheitsrelevante Mängel und intensiven Nachbesserungsbedarf. Der Vorsitzende des zuständigen Ausschusses in Bayern, Herr Winter, sprach von 40 000 Beanstandungen für die mit

150 Haftplätzen geplante JVA. Wegen dieser Mängel können in dem Frauengefängnis gegenwärtig nur 80 Plätze belegt werden.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Hat die Landesregierung die in Bayern gemachten Erfahrungen mit den Baumängeln in der JVA Stadelheim bei seinen Planungen für das ÖPPProjekt Bremervörde ausgewertet, und, wenn ja, welche Schlussfolgerungen werden daraus gezogen?

2. Lässt sich die in Bayern gewonnene Erkenntnis, dass Kredite für die Privatwirtschaft im Verhältnis zu den Krediten, die der Staat bekommen kann, zu ungünstig sind und sich deshalb ein PPP-Projekt im Verhältnis zu einem staatlichen Bau als unwirtschaftlich darstellt, auf Niedersachsen übertragen?

3. Steht die Landesregierung in Kontakt mit den bayerischen Stellen, um die dort gewonnenen Erkenntnisse für Niedersachsen nutzbar zu machen?

(Beifall bei der LINKEN - David McAl- lister [CDU]: Die Linken sind gegen Bremervörde! Das erklären Sie mal in Bremervörde!)

Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Busemann. Ich erteile ihm das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung überprüft zurzeit im Rahmen mehrerer Vorhaben, ob die Beschaffungsvariante öffentlich-private Partnerschaft eine gegenüber der Eigenrealisierung wirtschaftlichere Variante darstellt.

Im Geschäftsbereich des Niedersächsischen Justizministeriums ist beabsichtigt, eine Justizvollzugsanstalt in Bremervörde und ein Gerichtszentrum in Hannover im Wege eines ÖPP-Projektes zu errichten und zu betreiben. Dem Projekt Bremervörde kommt dabei der Status eines Pilotprojektes zu.

Nachdem der Ausschuss für Haushalt und Finanzen des Niedersächsischen Landtages die vom Justizministerium vorgelegte Wirtschaftlichkeitsprognose für die ÖPP-Variante im Februar 2009 zustimmend zur Kenntnis genommen hat, befindet sich das Projekt aktuell im Ausschreibungs- bzw. Vergabeverfahren. Zurzeit wird in einem abgestuf

ten Bieterwettbewerb mit Verhandlungsverfahren der sogenannte bevorzugte Bieter ermittelt. Dessen Angebot wird dann unter Einbeziehung der Variante der Eigenrealisierung einer abschließenden Wirtschaftlichkeitsprüfung unterzogen. Voraussichtlich in der ersten Hälfte des nächsten Jahres wird das Ergebnis dem Ausschuss für Haushalt und Finanzen zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt werden können.

Aus dem Netzwerkgedanken und der Projektstruktur solcher Vorhaben ergibt sich, dass auf den unterschiedlichen Ebenen Informationen und Erfahrungen ausgetauscht werden. Hierbei gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass die einzelnen ÖPP-Vorhaben nicht immer vergleichbar sind. So werden sich beispielsweise die für das Pilotprojekt JVA Bremervörde erwarteten Vorteile einer öffentlich-privaten Partnerschaft erst in der Betrachtung des sogenannten Lebenszyklus entfalten können. Danach sind neben der Finanzierung die Planung, der Bau, der Betrieb und gegebenenfalls die Verwertung der Liegenschaft in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung einzubeziehen. Die Finanzierung ist zwar ein wesentlicher, aber nicht der alleinige in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung eingehende Faktor.

Welche Folgen die derzeitigen finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Angebote potenzieller privater Partner und die endgültige Feststellung der Gesamtwirtschaftlichkeit des Vorhabens über den Lebenszyklus haben, wird das Ergebnis des Ausschreibungsverfahrens mit der durchgeführten Wirtschaftlichkeitsprüfung ergeben. Die Problematik von Bauausführungsqualitäten ist kein ÖPP-Spezifikum und hat in der Regel auch keine Auswirkung auf die Wirtschaftlichkeit. Anders als bei der Eigenrealisierung von Hochbaumaßnahmen hat das Land in einer öffentlich-privaten Partnerschaft nur einen Ansprechpartner für sämtliche Gewerke bzw. Dienstleistungen, woraus sich Vorteile für das Qualitätsmanagement ergeben.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Die Problematik der Beseitigung von Baumängeln ist kein ÖPP-Spezifikum, sondern vielmehr Teil der Begleitung aller öffentlichen Hochbaumaßnahmen durch das Land. Erkenntnisse und Erfahrungen aus Projekten anderer Bundesländer werden dabei in jeder Realisierungsform berücksichtigt, soweit es sich um vergleichbare Problemstellungen handelt.

Zu Frage 2: Die Frage der Wirtschaftlichkeit einer ÖPP-Maßnahme ergibt sich aus der Gesamtschau aller Daten, nicht aus der alleinigen Betrachtung eines Aspekts des ÖPP-Lebenszyklus.

Zu Frage 3: Die Landesregierung tauscht mit allen Ländern Erfahrungen aus vergleichbaren ÖPPProjekten aus. Bezogen auf die JVA Stadelheim und die JVA Gablingen ist anzumerken, dass im Vergleich zum Modellprojekt JVA Bremervörde dort Betriebsleistungen in nur sehr geringem Umfang beauftragt wurden bzw. beauftragt werden sollten. In beiden Anstalten wurden nur der Betrieb und die Wartung technischer Anlagen, z. B. der Videoanlage zur Detektierung der Außensicherung, sowie die Gewährleistung der Versorgung der Anstalt mit Strom, Wasser und Heizung ausgeschrieben. Das dafür eingesetzte Wartungspersonal muss nicht ständig vor Ort sein.

In Bremervörde werden darüber hinaus nicht hoheitliche Aufgaben durch ständiges Personal eines privaten Dienstleisters z. B. in der Gefangenenbeschäftigung, der Verpflegung und Versorgung der Gefangenen, der Gesundheitsfürsorge und dem Sport sowie bei Sicherheits- und Verwaltungshilfstätigkeiten erbracht. Insofern ist eine Vergleichbarkeit vom Umfang und von der Art der durch das Land gewünschten Dienstleistungen nicht gegeben.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Zu einer ersten Zusatzfrage erteile ich der Kollegin Konrath von der CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich frage die Landesregierung: Welche Folgen hat der Bau der Justizvollzugsanstalt in Bremervörde auf den gesamten niedersächsischen Justizvollzug?

Zur Beantwortung erteile ich Herrn Minister Busemann das Wort.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Jetzt wird er gleich eine Regierungserklärung ab- geben!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Jüttner, für eine Regierungserklärung sähe ich mich aus dem Stand in der Lage, weil es in Fragen des Strafvollzuges, die Sie besonders interessieren, sehr viel mitzuteilen gibt. Sie werden bemerkt haben, dass wir in den letzten zwei Jahren und auch schon in der Zeit davor außerordentlich aktiv und ambitioniert gewesen sind, was die Frage angeht, wie wir den Strafvollzug zukunftsfähig machen und das jeweils Gebotene an der richtigen Stelle tun.

Um es aber zu verkürzen, weil Sie hier noch andere Dringliche Anfragen bewältigen wollen, sage ich Ihnen Folgendes:

Natürlich haben wir gewisse, auch durch unser Justizvollzugsgesetz bedingte gesteigerte Anforderungen an den Strafvollzug. Beispielsweise wollen wir weg von der Mehrfachunterbringung und in der Regel hin zu einer Einzelunterbringung. Auf diesem Weg haben wir schon ein gutes Stück zurückgelegt; an einem oder zwei Standorten müssen wir noch nachlegen.

Wir wollen insgesamt zu verbesserten Wirtschaftlichkeitsbedingungen und baulichen Verhältnissen kommen. Dies führt dazu, auch etwas begünstigt durch die nicht ganz so hohen Belegungszahlen unserer JVAs, dass wir ein neues System installieren können, das Prinzip der Generalität. Dass aus einer Strafanstalt das ganze Spektrum von geschlossenem und offenem Vollzug, U-Haft, aber auch Sozialtherapie bedient werden kann, führt dazu, dass wir uns in der Lage sehen - in Schritten ist dies schon erfolgt -, neun kleine Standorte zu schließen. Es weiß jeder, dass dann, wenn an einem JVA-Standort mehr Bedienstete als Gefangene sind, etwas mit der Wirtschaftlichkeit und der Sinnhaftigkeit nicht stimmt. Lange Rede kurzer Sinn: Eine neue Anstalt in Bremervörde hilft uns mit 300 zusätzlichen Haftplätzen dabei, all diese Vorstellungen zu verwirklichen.

Ein letztes Kriterium, das in den letzten Wochen hier thematisiert wurde: Man will ja auch beim Strafvollzug generell - gerade beim offenen und geschlossenen Vollzug - eine gewisse Wohnortnähe haben. Wenn Sie sich die Landkarte der JVAs in Niedersachsen angucken, werden Sie bemerken, dass die Anstalten relativ breit im Lande gestreut sind. Nur in der großen Fläche zwischen Cuxhaven, Bremen und Stade ist noch ein „vollzugstechnisches Niemandsland“. So gesehen ist

es vernünftig, dass wir hier, Herr Kollege McAllister, nahe Ihrer Heimat eine JVA installieren.

(Heiterkeit bei der CDU und bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: Kann nie schaden!)

- Ich sage das nur, weil vorhin schon ein kleines Zwischenargument kam.