Bernd Busemann

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Last Statements

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bachmann, offensichtlich sind Sie enttäuscht, dass jetzt ich hier versuche, den ganzen Komplex rechtlich einzuordnen. Bevor Sie nun aber irgendwelche Bemerkungen in den Raum werfen, sollten Sie einmal überlegen, wie Sie die Frage der Integrationsbeauftragten mit Ihrem Angebot für den 20. Januar geregelt haben. Wie auch immer. Ja, ja.
- Viel besser. Ja.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal darf ich daran erinnern, dass bereits mein Kollege Uwe Schünemann als zuständiger Ressortminister hier vor einigen Wochen dargelegt hat, warum der Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verfehlt ist. Er hat sich aus guten Gründen gegen eine Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes ausgesprochen. Das Gesetz muss nicht abgeschafft werden, sondern es muss intelligent fortentwickelt werden, meine Damen und Herren.
Mit dem vorliegenden Entschließungsantrag - das ist interessant - wird gefordert, dass das Land Niedersachsen die Bundesratsinitiative von fünf Ländern zur Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes unterstützen soll. Herr Kollege Bachmann, entweder ist Ihre Rede etwas verstaubt, oder Sie haben den politischen Werdegang nicht so ganz verfolgt. Dieses Anliegen ist mittlerweile nämlich obsolet, da der Bundesrat schon abschließend beschlossen hat, jene Entschließung nicht zu fassen.
Da war doch etwas mit der Mehrheit im Bundesrat. Ich laufe dort doch nicht schon seit ein paar Jahren hin, ohne zu wissen, wer da die Mehrheiten hat.
Ich gebe Ihnen jetzt den vorsichtigen Hinweis: Gucken Sie sich einmal die Beschlusslage und die Protokolle des Bundesrates vom 12. Oktober 2012 und vom 23. November 2012 an. Dann müssen Sie mir sagen: Der Fall ist schon gegessen. - Oder: Wir müssen noch einmal eine neue Initiative ergreifen. - Das wäre dann Ihr Vorschlag. Ich habe Sie aber so interpretiert, dass Sie offenbar den Fortgang der Dinge nicht richtig mitbekommen haben.
Meine Damen und Herren, der Bundesgesetzgeber ist gefordert und hat nun nach der Entscheidung in Karlsruhe die Aufgabe, innerhalb des vom Gericht vorgegebenen Rahmens eine tragfähige Neuregelung zu erarbeiten. Die konkreten Bedürfnisse der Menschen sind zu ermitteln. Diesen ist mit entsprechenden Regelungen Rechnung zu tragen. Man kann nicht alles über einen Leisten ziehen, sondern man muss dort auch differenziert hingucken dürfen.
Mir ist wichtig, an dieser Stelle kurz darauf hinzuweisen, dass neben den Asylsuchenden, die sich im Namen des Gesetzes wiederfinden, beispielsweise auch die Personengruppe der vollziehbar Ausreisepflichtigen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhält.
Auch gilt es festzulegen, welche Bedürfnisse diese Menschen vor dem Hintergrund des besonderen Umstandes haben, dass sie gesetzlich, rechtlich verpflichtet sind, unser Land zu verlassen.
Die Gewährung von Asyl ist ein zentrales und unveräußerliches Mittel zur Sicherung von Leib, Leben, Freiheit und Menschenwürde verfolgter Menschen. Das deutsche Ausländer- und Asylrecht stellt dies sicher und ermöglicht es, gegenüber Flüchtlingen aus Krisenstaaten - zurzeit sind dies vor allem Afghanistan, Syrien, Iran und Irak - eine effektive humanitäre Hilfe zu leisten. Private Nebenbemerkung von mir: Seit der Entscheidung aus Karlsruhe fällt auf, dass zunehmend Anträge von Menschen aus Mazedonien und Serbien gestellt werden; vor welchem Hintergrund auch immer. Einiges davon kommt ja auch schon bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit an.
Ein Aspekt darf bei der Hilfeleistung jedoch nicht unbeachtet bleiben: Die Bereitschaft in der Gesellschaft und die Möglichkeit, politisch Verfolgten Asyl
zu gewähren und diese finanziell zu unterstützen, hängen auch davon ab - da gucken die Bürgerinnen und Bürger, die Steuerzahler ja auch genau hin -, ob wir in der Lage sind, es richtig einzuordnen und auch Missbrauch zu verhindern.
Ebenso gilt es zu berücksichtigen, dass eine völlige Gleichstellung von Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und von Sozialleistungsempfängern den tatsächlichen Bedarf nicht widerspiegeln würde. Bis zum Abschluss eines Asylverfahrens besteht ein temporäres Aufenthaltsrecht. Es geht hier um Schutz und nicht um vollständige Integration in die Gesellschaft; jedenfalls in der betreffenden Phase.
Insofern ist es angezeigt, hinsichtlich der finanziellen Unterstützung eine verfassungskonforme Unterscheidung vorzunehmen. Vorschnelle Rundumschläge und eine Lösung der Probleme aus dem Bauch heraus helfen nicht weiter. Vielmehr muss genau nachgedacht und auch eine gesamtgesellschaftlich gute und vernünftige Regelung gefunden werden.
Nun bin ich etwas unsicher, wie ich die Position der SPD einordnen soll. Aus dem Bundestag haben wir eher das Signal und die Botschaft bekommen, dass man das dort eher ähnlich einschätzt. Dort ist ja der Bundesgesetzgeber wie wir hier. Bei Ihnen, Herr Bachmann, bin ich mir aber nicht so ganz sicher. Ich würde aber einmal sagen: Auch aus dieser Sache sollten Emotionen und Bauchgefühle herausgenommen werden. Stattdessen sollte das Problem im Interesse der Betroffenen ganz, ganz sachlich gelöst werden. Das wären mein Rat und meine Empfehlung. Dieser Antrag geht aber so nicht.
Herr Präsident! Herr Kollege Adler, nur, damit Sie dem Justizminister nicht unterstellen können, er hätte das rechtliche Spektrum nicht im Visier: Es gibt natürlich den Personenkreis der Geduldeten. Gleichwohl ist dieser Personenkreis dem Kreis derjenigen, die gesetzlich zur Ausreise verpflichtet sind, zuzuordnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will einmal verzichten, sozusagen die prominenten, hier auch angesprochenen Verfahren großartig zu kommentieren. Man lernt bei diesem ganzen Bereich im Kleinen wie im Großen: Das Thema ist ausgesprochen bumeranggeneigt.
Manche - vielleicht der Kollege Bartling, weil er dem Parlament sehr lange angehört - werden wissen, dass ich schon verschiedene Reden auch zu dem ganzen Thema Transparenz - was darf ein Amtsträger, was darf er nicht? - gehalten habe, die eigentlich mit einer einzigen Formel enden: Meide den bösen Schein! - Da müssen wir keine wissenschaftlichen Gutachten machen, sondern man muss sich einfach nur an diese Grundregel halten. Das gilt für alle. Es gilt insbesondere für die, die da oder da in Verantwortung sind: Meide den bösen Schein!
Ein Weiteres. Man hat hier vielleicht mitbekommen, dass ich schon seit mehreren Jahren dafür eintrete, den Tatbestand der Abgeordnetenbestechung - nicht nur, weil das UN-Recht es einfordert - zu regeln. Wir sind auch nicht aus dem Schneider, wenn wir sagen, das muss der Bundestag gefälligst regeln. Nun hoffe ich, dass es bald so kommt; denn das dient letztlich uns allen.
Gleichwohl: Man stelle sich vor, der Bundesgesetzgeber hat mit dem Strafgesetzbuch auch den Tatbestand der Abgeordnetenbestechung geregelt, und dann wäre jemand unterwegs, der durch Vortragstätigkeit parallel zum Abgeordnetenmandat auf sehr hohe Beträge - 1 Millionen Euro über zwei Jahre, wie auch immer - kommt. Meinen Sie eigentlich, dass das dann als Tagesgeschäft einfach zur Seite gelegt würde? Da würden sich aber viele - und wahrscheinlich zu Recht - aufregen: Halt, was sind das eigentlich für Zusammenhänge? - Darüber bitte ich einfach nur einmal nachzudenken.
Ich verstehe meine Abgeordnetentätigkeit so - wie Sie alle, die ich Sie von da bis da sehe, auch -, dass das, was - ich kriege ja keine Diäten, weil ich zurzeit Minister bin - normalerweise der Abgeordnete bekommt, auch das abdeckt, was man abends z. B. an Öffentlichkeitsarbeit macht, sei es, dass man vom Parteiverband, von einem Genos
senschaftsverband oder von einem Verein geladen ist. Das ist dadurch doch irgendwo abgedeckt. Dass da etwas oben drauf kommen soll? - Na ja.
Ich will das Ganze einmal ein bisschen herunterholen und einiges zu dem eigentlichen Antrag sagen, insbesondere aus der Sicht des zuständigen Innenministers, den ich heute vertrete.
Meine Damen und Herren, seit 2001 sind Sponsoringleistungen über 1 000 Euro zu veröffentlichen. Einmal jährlich veröffentlicht die Landesregierung im Internetportal des Landes die sogenannte Sponsoringliste. Damit trägt sie den strengen Vorgaben der Antikorruptionsrichtlinie dieser Landesregierung Rechnung.
Ich darf bei dieser Gelegenheit daran erinnern, dass Niedersachsen mit dieser Richtlinie - ob es Ihnen gefällt oder nicht - bundesweit sogar eine Vorreiterrolle eingenommen hat. Die aktuelle Liste für das Jahr 2011 enthält ca. 1 200 Leistungen. Ganze sechs Sponsoren - das sind 5 Promille sozusagen der Gesamtleistung - wollten namentlich in der Öffentlichkeit nicht genannt werden. Allerdings werden solche Sponsoren dem Landesrechnungshof mitgeteilt, der dadurch dann seinerseits die Möglichkeit der Überprüfung hat. Ich denke, das Verfahren, so wie ich es beschrieben habe, hat sich bewährt.
Eine tägliche Information, wie von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gefordert, auch über Bagatellfälle, ist weder sachgerecht noch - seien wir einmal ehrlich - praktikabel. Das würde vielmehr zu einer erheblichen Unübersichtlichkeit und einem erhöhten Verwaltungsaufwand führen, wo jeder am Ende sagt: Das kann doch nicht richtig und nicht gerechtfertigt sein.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert außerdem, dass künftig sämtliche Sponsoringleistungen vorab im Haushaltsausschuss - meine Damen und Herren, vor allem des Haushaltsausschusses: Achtung! - genehmigt werden sollen. Es trifft zu, dass Sponsoringleistungen im kommunalen Bereich grundsätzlich vorab von der jeweiligen Vertretung, also dem Rat oder Kreistag, genehmigt werden müssen. Unabhängig davon, dass diese Zuständigkeit übertragen werden kann, sind Rat und Kreistag aber Organe der Selbstverwaltung, also Teile der Exekutive und eben kein Parlament.
Aber ganz abgesehen davon: Wie sollen wir uns das Verfahren denn praktisch vorstellen? Da hat ja jeder vielleicht auch so ein Beispiel, bei dem er
sich sagt: Das kann doch eigentlich irgendwo nicht richtig sein.
Ein Beispiel: Im Grenzdurchgangslager Friedland findet jedes Jahr - wahrscheinlich auch in diesem Jahr - eine Weihnachtsfeier für die Bewohner statt. Würde ein örtlicher Bäcker zehn Stollen spenden wollen, hätte das Grenzdurchgangslager die Annahme dieser Spende auf dem Dienstweg dem Haushaltsausschuss dieses Landtages zur Genehmigung vorzulegen. Bis der - nicht nur, weil eine Neuwahl ansteht - zusammengetreten ist, glaube ich, ist die Weihnachtsfeier gelaufen und der Stollen nicht mehr genießbar. - Da merkt man dann, welcher Anachronismus da im Grunde genommen angedacht wird und dass solche Dinge einfach nicht funktionieren und auch nicht funktionieren dürfen.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen möchte darüber hinaus eine Änderung des Parteiengesetzes bewirken. Wir alle wissen - ernstes Thema -, das Grundgesetz garantiert den Parteien die Freiheit, sich selbst zu finanzieren. Eine ausschließlich staatlich finanzierte Parteienlandschaft würde nicht unserem Demokratieverständnis entsprechen. Hierzu gehört auch die Befugnis der Parteien, Sponsoringleistungen und Spenden anzunehmen. Im Gegensatz zur Spende werden Sponsoringleistungen gerade deshalb erbracht, weil ihnen eine nachvollziehbare und angemessene Gegenleistung zugrunde liegt. Sponsoring ist also seiner Natur nach transparent, da es dem Leistenden gerade darauf ankommt, seinen Beitrag öffentlich zu erbringen. Wir kennen ja Tausende solcher Beispiele. Wer hier noch striktere Regelungen verlangt - das ist die Kehrseite der Betrachtung -, riskiert, dass das bewährte System der verfassungsrechtlich garantierten Parteienfinanzierung irgendwo auch Schaden nimmt.
Die vom Bundestagspräsidenten selbst angestoßene Diskussion um die Zuständigkeit seiner Behörde für die Einhaltung des Parteiengesetzes ist ein Thema, das einer ruhigen und sorgfältigen Betrachtung bedarf. Inwieweit es Sinn macht, dem Bundesrechnungshof neben bereits bestehenden Rechten bei der Überprüfung der Rechenschaftsberichte weitere Kompetenzen einzuräumen, ist fraglich, muss sorgfältig überlegt und in Ruhe bedacht werden und am Ende so oder so beschlossen werden. Sie merken, dass ich da durchaus eine gewisse Offenheit in Richtung Parteiengesetz signalisiere. Aber alles muss mit Vernunft und
Augenmaß geschehen und darf nicht kontraproduktiv sein.
Meine Damen und Herren, ich bedanke mich. Das war meine letzte Rede - für heute.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vorhin klang die Aussage an: Mit Sicherungsverwahrung kann man keine Wahlen gewinnen, aber möglicherweise kann man mit Sicherungsverwahrung Wahlen verlieren, wenn denn alles falsch liefe.
Wenn Sie mir die lakonische Zwischenbemerkung gestatten, Herr Kollege Tonne: Ich verdanke ja nun offenbar Ihrer Optimierungsoffensive, dass ich im Amt bleiben darf.
Da haben wir ja noch einmal Glück gehabt.
Wie auch immer: Ich will darauf verzichten, meine Damen und Herren, die ganze Geschichte der Sicherungsverwahrung mit all ihren Schwierigkeiten hier aufzublättern. Aber nehmen Sie es mir ab - und ich spreche hier auch ausdrücklich für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums -: Es gab in den letzten fünf Jahren kaum ein Thema, was rechtlich wie politisch so schwierig, auch so belastend war wie das Thema der Neuregelung der Sicherungsverwahrung.
Ich blende zurück in das Jahr 2004. Damals hat es eine verfassungsgerichtliche Entscheidung gegeben, die schon deutlich mahnte, dass in den Ländern - die sind ja zuständig - die Verhältnisse bei der Sicherungsverwahrung und der Unterbringung nicht so sind, dass dem Abstandsgebot Genüge getan war. Das haben wohl alle 16 Länder ein bisschen vernachlässigt. Es kam dann über den
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte 2009 eine weitere Entscheidung, die nicht nur die nachträgliche Sicherungsverwahrung, sondern das Thema grundsätzlich infrage stellte. Dann kam 2011 die weitere Entscheidung aus Karlsruhe, die ausdrücklich nur noch Übergangsregelungen zuließ und eine neue rechtliche Fundamentierung durch den Bundesgesetzgeber sowie im Übrigen die Neuregelung der Unterbringung und des Vollzuges durch die Länder unter Wahrung des Abstandsgebotes einforderte.
Sie können zwar sagen, dass das Watschen in Richtung Bundes- und Landesgesetzgeber waren. Das war aber auch ein riesiger Auftrag für uns alle, dem man gerecht werden musste und gerecht werden wollte.
Im Vorgriff auf die 2011er-Entscheidung wurde unter der Federführung Niedersachsens eine Arbeitsgruppe der Länder eingesetzt, um zu überlegen: Wie könnte es aussehen, wenn denn Karlsruhe so entscheidet - Stichwort „Kriterienkatalog“ -, wie muss insbesondere die Unterbringung aussehen?
Es gab nach der Entscheidung eine weitere Arbeitsgruppe der Justizminister der Länder, die genau dieses Thema in den Fokus genommen hat.
Zwischendurch - beinahe lief uns die Zeit davon - war der Bundesgesetzgeber aufgefordert, die Sicherungsverwahrung neu zu regeln. Das ist erst vor wenigen Tagen letztlich durch Bundestag und Bundesrat abgesegnet worden. Sie wissen, dass die Länder - gerade die sozialdemokratisch geführten Länder, aber auch ich für Niedersachsen - angemahnt haben: Vorsicht, muss nicht bei aller Neuregelung und bei aller Verfassungskonformität das Kriterium der nachträglichen Sicherungsverwahrung irgendwo gewahrt bleiben? Denn es gibt Fälle, bei denen sich Leute in der Strafhaft so ungünstig entwickeln, dass anders als am Tage der Verurteilung gesagt werden muss: Da ist wohl Sicherungsverwahrung geboten.
Ich habe ausdrücklich mitgeholfen, das Gesetz auf Bundesebene rechtskräftig werden zu lassen, damit die Grundlage gelegt ist.
- Das war eine kluge Entscheidung, Herr Kollege, und das war schon richtig so.
Ich darf mit etwas Genugtuung darauf hinweisen, dass wir dank unserer fleißigen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter im Ministerium das erste Land sind, das ein Vollzugsgesetz bekommen wird.
Nun können Sie die Dinge so oder so sehen. Wir haben aber einen guten, verfassungskonformen Gesetzentwurf vorgelegt, den wir gemeinsam mit Ihnen allen, mit dem GBD und den Mitarbeitern aus dem Ministerium dann noch optimiert haben. Die Einzelkonditionen sind hier zum Teil angesprochen worden. Da ist auch Neuland betreten worden, sodass ich denke: Wenn wir es beschließen, ist es eine gute Rechtsgrundlage für das weitere Miteinander, gerade auch in der Sicherungsverwahrung. Aber ich würde auch keine Wetten darauf abschließen, dass nicht durch neuere Entscheidungen weitere Entwicklungen und Maßnahmen seitens der Landesgesetzgeber erforderlich werden. Das gehen wir ganz entspannt und ganz offen miteinander an.
Wir werden heute als erstes Bundesland in diesem Rechtsgebiet ein eigenes Landesgesetz beschließen. Andere werden uns folgen, und zwar auf der Basis der von uns geleisteten Arbeit. Ich finde, das ist eine gute Sache. Auch die Öffentlichkeit darf wissen, dass dieses Parlament einen Konsens findet und ein Gesetz beschließt, mit dem man arbeiten kann.
Ich darf mich - wie gesagt - bei allen, die mitgewirkt haben, also beim gesamten Parlament, bei den Ausschüssen, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des GBD, aber auch meines Ministeriums, dafür bedanken, dass wir so weit sind. Wir haben ein gutes Gesetz, wenn wir es denn heute beschließen.
Danke schön.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, den Innenminister zu vertreten, wobei die Rede nach den zutreffenden und richtigen Bemerkungen und Hinweisen des Kollegen Bartling kurz ausfallen kann. Aber vielleicht kann ich ja am Ende die Sache mit dem „komischen“ Doktor hier aufklären.
Gleich im ersten Satz der Begründung zu dem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen heißt es:
„Das Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung... bedarf vor dem Hintergrund der Angriffe auf die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger einer Reform.“
Na ja, wer seinen Gesetzentwurf unter ein solches Motto stellt, der offenbart nicht nur fehlende Sachkenntnis von der Materie und ein grundlegendes Misstrauen gegenüber dem Staat; das wurde schon gesagt. Die Grünen zeigen damit auch einmal mehr, dass sie nicht bereit oder nicht in der Lage sind,
Anerkennung zu zollen für die hervorragenden Leistungen, die unsere niedersächsischen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten Tag für Tag erbringen.
Herr Kollege Wenzel, der Innenausschuss hat sich trotz eines sehr engen Zeitrahmens - wie ich es sehe - intensiv mit dem Gesetzentwurf auseinandergesetzt. Ich möchte auf einige Punkte, die in der Anhörung intensiv erörtert wurden, eingehen.
Der Gesetzentwurf holt die alte Diskussion um das Schutzgut der öffentlichen Ordnung wieder aus der Mottenkiste, freilich ohne die Debatte um neue Argumente zu bereichern. Der Begriff wurde 1994 gestrichen und mit der Novelle 2003 wieder als Schutzgut in das Nds. SOG aufgenommen.
Wir haben damit auf die Bedürfnisse der örtlichen Behörden, insbesondere auf die Forderungen der Gemeinden, reagiert. Dieser Schritt war absolut richtig. Die schriftliche Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände zum vorliegenden Entwurf hat das ja auch klar bestätigt.
Für die Kommunen schafft der Ordnungsbegriff die rechtliche Handhabe, um erforderlichenfalls auch auf neue Entwicklungen angemessen reagieren zu können.
Auch die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte haben wir im Landtag schon mehrfach ausgiebig beraten. Die Haltung der Landesregierung zu dieser Frage ist unverändert. Gerade in konfliktträchtigen Einsatzlagen muss es den Beamtinnen und Beamten freigestellt sein, ob sie namentlich erkennbar sein wollen oder nicht. Das gebietet die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gerade vor dem Hintergrund der immer stärker zunehmenden Gewalt gegen unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten.
Im Übrigen ist durch die Kennzeichnung der jeweiligen Einheiten im Einsatz sowie durch entsprechende Dokumentationen - Herr Bartling hat es auch gesagt - gewährleistet, dass möglichen Vorwürfen in angemessener Weise nachgegangen werden kann.
Zu der Forderung von der Seite, eine Beschwerdestelle einzurichten, will ich nur eines sagen: Sie können sicher sein, auch ohne Beschwerdestelle werden Vorwürfe gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte gründlich und unvoreingenommen überprüft. Das ist bereits jetzt gute und bewährte Praxis.
Die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Regelung hingegen stellt alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei unter Generalverdacht. Das ist mit uns ganz eindeutig nicht zu machen; das darf nicht so sein.
Meine Damen und Herren, das Nds. SOG hat sich in der Praxis bewährt. Der vorliegende Gesetzentwurf greift in überflüssiger und nicht durchdachter Weise in diese Regelungsstruktur ein. Dementsprechend vernichtend war auch die Kritik sämtlicher Polizeigewerkschaften, der kommunalen Spitzenverbände und der Hochschullehrer in der Anhörung.
Nun war ja ein Herr Doktor Ihnen offenbar nicht so ganz genehm, verehrte Frau Kollegin JanssenKucz. Es handelt sich um Herrn Privatdozent Dr. Vosgerau von der Ludwig-Maximilians-Universität zu München. Das muss Ihnen ja noch schwer im Magen sitzen.
Ich darf ihn abschließend zitieren. Er sagt zu dem ganzen Gesetzentwurf:
„Der seitens der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorgelegte Gesetzentwurf ist teils und insofern in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig, teils verfassungsrechtlich erlaubt, jedoch wenig sachdienlich, teils verfassungskonform, jedoch überflüssig.“
Dem ist doch nichts hinzuzufügen.
Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns sicherlich darüber einig, dass das Thema Sicherungsverwahrung in den letzten Jahren das vielleicht schwierigste und sensibelste Thema der Politik - und nicht nur der Rechtspolitik - gewesen ist. Ich bin den Antragstellern für die heutige Debatte dankbar. Es geht um eine Standortbestimmung. Wir und auch die Öffentlichkeit müssen wissen, wer in der Frage der Sicherungsverwahrung verlässlich ist und wer vielleicht nicht ganz so sicher aufgestellt ist.
- Frau Kollegin, wir haben ja kürzlich lesen können, dass jemand aus Ihren Reihen die Meinung vertreten hat, Sicherungsverwahrung sei überflüssig - wie auch immer das zu deuten ist.
Deswegen bin ich der SPD dankbar, dass sie gesagt hat, wir diskutieren hier nicht über das Ob, sondern nur über das Wie.
- Frau Kollegin, damit sind wir schon dicht beieinander. Aber offenbar ist nicht jeder in der Sozialdemokratie so verortet. Gleichwohl war auch die Rechtslage in den letzten Jahren durchaus schwierig.
Und noch ein kleiner Seitenhieb zwischendurch: Ich glaube, für die Aussage „Wegsperren für immer“ hält der Genosse Gerhard Schröder das Urheberrecht.
- Frau Kollegin, lassen wir es einmal offen.
Die Rechtsstreitigkeiten der letzten Jahre haben sich sicherlich auch um das Ob der Sicherungsverwahrung gedreht, jedenfalls wenn man in Richtung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte schaute. Entzündet aber haben sie sich an der Frage, was ist, wenn die zehn Jahre abgelaufen sind, und daran, ob die Sicherungsverwahrung auch nachträglich verhängt werden darf. Die Diskussionen darüber waren durchaus schwierig. Deswegen war ich auch dankbar, als Karlsruhe im Mai 2011 sein Urteil gesprochen und damit Klarheit geschaffen hat. Ich denke, das hat uns allen ein ganzes Stück geholfen.
Nach der Rechtsprechung sowohl aus Straßburg als auch aus Karlsruhe ist nun klar: Es darf Sicherungsverwahrung geben, und zwar sowohl in der Variante geben, dass sie mit dem Urteil verhängt wird - das regelt jetzt der Bundesgesetzgeber -, als auch in der Variante, dass im Urteil ein entsprechender Vorbehalt ausgesprochen wird, um den Werdegang des Inhaftierten und später vielleicht Sicherungszuverwahrenden zu beobachten.
Es ist ganz interessant - ich persönlich habe mich insofern in der letzten Zeit durchaus zurückgenommen -, dass die Justizminister aus NordrheinWestfalen (SPD), aus Sachsen-Anhalt und aus Bayern nun vom Bundesgesetzgeber einfordern, die nachträgliche Sicherungsverwahrung wieder mit zu verankern, damit ihnen da keine Panne unterläuft. - Ich will das einmal offenlassen und mich nicht darauf kaprizieren.
Nach dem Urteil aus Karlsruhe ist also klar: In Deutschland darf und muss es Sicherungsverwahrung geben. Es sollte zumindest Konsens darüber bestehen, dass wir dieses Urteil nun entsprechend umsetzen müssen.
Das Zweite, was Karlsruhe gesagt hat - mit Blick darauf, wie alle Länder in der Vergangenheit verfahren sind -, war: Wenn Sicherungsverwahrung verhängt wird, dann gilt das Abstandsgebot. - Einverstanden! Der Sicherungsverwahrte darf nicht mit einem Straftäter in Haft gleichbehandelt werden, sondern seine Unterbringungsbedingungen müssen andere sein.
Handlungsbedarf bestand also auf zwei Ebenen. Ich denke, dass wir eine ganze Menge getan haben, um das entsprechend umzusetzen.
Sie halten mir nun vor, dass ich vor zwei Jahren gesagt habe: „Ich lasse keinen raus.“ Das ist sicherlich verkürzt zitiert, aber diese Worte sind gefallen. Dazu will ich Ihnen sagen: Auch nach dem Urteil aus Karlsruhe musste keiner der hoch gefährlichen Straftäter herausgelassen werden. Selbst jene, bei denen sich das Problem mit den zehn Jahren stellt, waren danach noch im Gewahrsam zu behalten. Karlsruhe hat gesagt: Wenn sie hochgradig gefährlich sind, dann darf das bis Anfang 2013 noch so sein, und danach müssen wir schauen, wie die Rechtslage dann aussieht. - Damit es da kein Vertun gibt: Insoweit wird der Bundesgesetzgeber auch in unserem Sinne tätig.
Ich will Ihnen noch etwas anderes in aller Deutlichkeit sagen. Egal wie toll wir den Strafvollzug und die Sicherungsverwahrung ausgestalten - freiheitsorientiert, therapieorientiert usw. -: Am Ende wird es dabei bleiben, dass ein kleiner Anteil der anzusprechenden Personen in Sicherungsverwahrung zu nehmen und darin zu behalten ist. Nach Lage der Dinge ist das in Niedersachsen zur Stunde ein Personenkreis von 38 Leuten. Das sind keine Hühnerdiebe und keine Heiratsschwindler, sondern das sind Schwerstverbrecher, Vergewaltiger und vieles andere mehr. Damit das klar ist: Die Bevölkerung hat einen Anspruch darauf, dass wir ihre Sicherheitsbedürfnisse sehen und gefälligst auch entsprechend gesetzgeberisch handeln.
Deshalb lasse ich auch keine Diskussion darüber zu, ob die Sicherungsverwahrung überflüssig ist.
Der Fraktion - überparteilich gesprochen -, die der Meinung ist, man könne ohne Sicherungsverwahrung auskommen, sage ich: Sicherlich gibt es einige wenige aus dem akademischen Bereich, aus dem Bereich der Therapeuten, die meinen, Sicherungsverwahrung muss nicht sein, man bekommt das auch mit Therapien hin. Es gibt auch unter den Sicherungsverwahrten welche, die ein um das andere Mal auf dem Rechtswege dafür kämpfen, von der Sicherungsverwahrung wegzukommen. Aber gleichwohl besteht in der Politik ein breiter Konsens darüber, dass wir für einen bestimmten Personenkreis die Sicherungsverwahrung gesetzlich regeln und de facto im Vollzug dann auch entsprechend vorhalten.
Wie gesagt: Die Diskussion, dass die Sicherungsverwahrung überflüssig sein könnte, will ich gar nicht erst aufkommen lassen.
Die Landesregierung jedenfalls sieht die Sicherungsverwahrung nicht als überflüssig an. Wir haben das Urteil umgesetzt. Das kostet viel Geld. Entsprechend dem Abstandsgebot wird bei Göttingen ein neues Unterkunftshaus gebaut. Das wird 12 Millionen Euro kosten. Wir werden zu dem vom Gericht gesetzten Termin im Mai nächsten Jahres fertig sein. Ein Teil von Ihnen hat die Einladung bekommen: Kommende Woche Montag ist da Richtfest.
Ich bin dankbar, dass Sie sagen: Jawohl, zu dem Ob stehen wir in jedem Falle. - Über die Details des Vollzugsgesetzes, das wir im Ausschuss und nächsten Monat im Parlament beraten, kann man in Gottes Namen streiten. Ich glaube, Sie sollten der Regierungsseite attestieren, dass wir mit Verbesserungsvorschlägen durchaus offensiv umgehen und da nicht die Kostenschiene bemühen, sondern alles ermöglichen, was eben geht und in unserem gemeinsamen Interesse an Rechtsicherheit für alle liegt.
Meine Damen und Herren, weil es hier um das Ob und das Wie geht, will ich Ihnen vermitteln, dass offenbar fast alle 16 Bundesländer in der Frage der Sicherungsverwahrung und der neu zu bauenden Unterkunftshäuser einer Meinung sind.
Baden-Württemberg hat einen Neubau mit 67 Unterbringungsplätzen erstellt.
In Bayern wird ein Neubau mit 84 Unterbringungsplätzen im Mai 2013 fertiggestellt.
Brandenburg tut sich etwas schwer mit dieser Thematik. Die dortigen Kollegen denken über eine Übergangskonzeption nach. Ob sie bis Mai fertig werden, weiß ich nicht.
Hamburg hat - das dürfte sich vielleicht auch in der dortigen Schulbehörde herumgesprochen haben - gemeinsam mit Schleswig-Holstein 31 Plätze hergestellt und die Maßnahme bereits abgeschlossen. Warum sollten die Hamburger das machen, wenn sie das für überflüssig hielten?
Mecklenburg-Vorpommern schafft gemeinsam mit Nachbarn oder auch alleine 20 Plätze. Richtfest war vor 14 Tagen.
Nordrhein-Westfalen braucht 148 Plätze. Es gibt eine Übergangskonzeption. Wahrscheinlich wird es eine Baumaßnahme geben.
Rheinland-Pfalz und das Saarland schaffen 60 Plätze. Richtfest ist kurz vor Weihnachten.
Sachsen schafft 20, vielleicht auch 40 Plätze. Fertigstellung ist im Mai.
Sachsen-Anhalt schafft 18, vielleicht auch 24 Plätze. Fertigstellung ist im Mai.
Alle Länder machen das, egal wie sie regiert werden, egal welcher Couleur der jeweilige Justizminister ist. Sie sehen die Notwendigkeit, entsprechend zu handeln. Da kann es keine Diskussionen geben, die die Bevölkerung irritieren. Man kann nicht sagen, das sei alles überflüssig, das müsse nicht sein, das gehe auch anders. Ich wäre dankbar, wenn gerade die Sozialdemokraten da Klarheit herstellen könnten.
Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es darum ginge, in der Tagespolitik über die The
men NSU, Verfassungsschutz, NPD-Verbot usw. zu diskutieren und sich dabei Luft zu verschaffen, dann würde ich ja den einen oder anderen Wortbeitrag noch verstehen. Aber - und das ist schon kompliziert genug - mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll eine Staatszielbestimmung in die Niedersächsische Verfassung aufgenommen werden, durch die die Bekämpfung des Phänomens der Wiederbelebung nationalsozialistischen Gedankenguts und der Verherrlichung der NS-Herrschaft zu einer bürgerschaftlichen und staatlichen Aufgabe mit Verfassungsrang erhoben werden soll.
Die Beobachtung und die Bekämpfung des Rechtsextremismus stellen einen besonderen Schwerpunkt der Arbeit der Niedersächsischen Landesregierung dar. Ich könnte dazu auf frühere Drucksachen verweisen, aber aus Zeitgründen erspare ich mir weitere Hinweise. Es ist der Landesregierung bewusst, dass die politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem gefährlichen Gedankengut der extremen Rechten notwendig ist, um die Demokratie und die Verfassung des Landes vor ihren rechtsextremen Feinden zu schützen. Daher führt die Landesregierung diese Auseinandersetzung und setzt dabei zugleich auf Aufklärung und Präventionsmaßnahmen gegen rechtsextremistische Bestrebungen. Hinzu kommt die strafgerichtliche Verfolgung rechtsextremistisch motivierter Taten.
Das geltende Strafrecht, meine Damen und Herren, ist aber ausreichend, um der Verherrlichung des Nationalsozialismus und der Verhöhnung der Opfer entschlossen entgegenzutreten. Es schützt bereits jetzt umfassend vor neonazistischen, antisemitischen und rassistischen Bestrebungen. Hier ist zuvörderst die Vorschrift des § 130 StGB - Volksverhetzung - zu nennen, die sich ausdrücklich gegen jegliche Ansinnen stellt, Teile der Bevölkerung zu diskriminieren oder die übrige Bevölkerung dagegen aufzubringen. Die Vorschrift erfasst auch das Billigen, Leugnen, Verherrlichen, Verharmlosen oder Rechtfertigen der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft.
In die gleiche Richtung zielt das Verbot der Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen in § 86 StGB sowie des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in § 86 a StGB, die sich beide maßgeblich dagegen stellen, Bestrebungen ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen fortzuführen.
Dieselbe Zielrichtung haben die sogenannten Ehrschutzdelikte. So entfällt bei Straftaten wie Beleidigung - § 185 StGB - und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener - § 189 StGB - das Strafantragserfordernis, wenn Verletzte als Angehörige einer Gruppe unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft verfolgt wurden und die Tat damit im Zusammenhang steht.
Neben diesen speziellen Vorschriften werden aber auch die allgemeinen Strafvorschriften auf Personen angewendet, die neonazistische, antisemitische und rassistische Bestrebungen verfolgen. Typischerweise werden zur Durchsetzung der menschenverachtenden Ziele Delikte wie Körperverletzung - §§ 223 ff. StGB -, Nötigung - § 240 StGB - und Bedrohung - § 241 StGB - von Widersachern oder Sachbeschädigung z. B. durch Beschmieren fremden Eigentums mit Hakenkreuzen - § 303 StGB - begangen. Diesen Straftaten kann mit dem herkömmlichen Strafrecht hinreichend begegnet werden.
Gleiches gilt beispielsweise für die Verbreitung gewaltverherrlichender Inhalte durch Schriften und Medien - § 131 StGB - oder die Bildung bewaffneter Gruppen oder krimineller oder terroristischer Vereinigungen - §§ 127, 129, 129 a StGB.
Zudem kommt der Verfolgung - das ist eine Neuerung der letzten Jahre gewesen - neonazistischer, antisemitischer und rassistischer Bestrebungen mit allgemeinem Deliktscharakter bei der Würdigung der Beweggründe und Ziele des Täters besondere Bedeutung zu. Die Motivation kann deshalb im Rahmen der Strafzumessung strafschärfend berücksichtigt werden. Ich verweise auf § 46 StGB. Dort sind die Strafzumessungsregeln, wenn eine Straftat stattgefunden hat, genau festgehalten, und das Kriterium, das Sie sich nun zum Anliegen gemacht haben, ist dort ausdrücklich enthalten, mit der Möglichkeit, dass es bei der Strafzumessung gewürdigt werden kann.
Meine Damen und Herren, neben den Mitteln des Strafrechts sieht auch die Niedersächsische Verfassung einen hinreichenden Schutz vor Rechtsextremismus vor. Der Schutz der Demokratie und der Niedersächsischen Verfassung vor dem Rechtsextremismus ist aber nicht davon abhängig, dass eine entsprechende Staatszielbestimmung in die Verfassung aufgenommen wird. Eine solche Staatszielbestimmung begegnet im Gegenteil gewichtigen Bedenken, weil sie nur die Bekämpfung des Rechtsextremismus zum Staatsziel erhebt, nicht aber die Bekämpfung des Linksextremismus
oder des religiösen Extremismus. Sie erweist sich als einseitig. Eine Verfassung - auch eine Staatszielbestimmung - muss ausgewogen sein. Sie können nicht rechts bekämpfen und auf dem linken Auge blind bleiben, meine Damen und Herren.
Zudem bleibt die Frage nach dem Verhältnis der im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Staatszielbestimmung zu dem im Grundgesetz und auch in der Niedersächsischen Verfassung enthaltenen Prinzip der wehrhaften oder auch streitbaren Demokratie unbeantwortet.
Das Grundgesetz hat die Bundesrepublik Deutschland aus der bitteren Erfahrung mit dem Schicksal der Weimarer Demokratie und den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus als wehrhafte Demokratie konstituiert. Es will nationalsozialistische Bestrebungen abwehren und schafft zugleich rechtsstaatliche Sicherungen, deren Fehlen das menschenverachtende Regime des Nationalsozialismus geprägt hat. Dementsprechend enthält das Grundgesetz einen Auftrag zur Abwehr von Beeinträchtigungen der Grundlagen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung mit den Mitteln des Rechtsstaats. Dem trägt die Rechtsordnung insbesondere in den schon erwähnten Strafgesetzen Rechnung.
Darüber hinaus enthält das Grundgesetz in Artikel 9 Abs. 2 - Vereinigungsverbot -, Artikel 18 - Verwirkung von Grundrechten -, Artikel 21 Abs. 2 - Parteiverbot - sowie weiteren grundgesetzlichen Bestimmungen Regelungen, die die Entscheidung für die wehrhafte Demokratie manifestieren. Herr Adler und alle anderen, vergegenwärtigen Sie sich einfach die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im 111. Band Seiten 147 ff. Hierbei vertraut die plurale Demokratie des Grundgesetzes auf die Fähigkeit der Gesamtheit der Bürger, sich mit Kritik an der Verfassung auseinanderzusetzen und sie dadurch abzuwehren.
Meine Damen und Herren, die Entscheidung des Grundgesetzes für die wehrhafte Demokratie hat auch Eingang in unsere Verfassung gefunden. In Artikel 2 Abs. 2 unserer Landesverfassung ist vorgesehen, dass die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung in Bund und Land, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden sind. Dies bedeutet nichts anderes, als dass auch in unserem Land kraft unserer Verfassung das Prinzip der wehrhaften Demokratie gilt, und zwar grundsätzlich und nicht nur einseitig auf den Rechtsextremismus
beschränkt. Angesichts dieser grundlegenden Entscheidung unserer Landesverfassung bedarf es keiner gesonderten Staatszielbestimmung.
Hinzu kommt, dass sich die Verfasser des Gesetzentwurf die Frage gefallen lassen müssen - ich bringe es noch einmal an -, warum gerade der Rechtsextremismus Gegenstand einer Staatszielbestimmung sein soll, wo sich doch die Verfassung für eine wehrhafte Demokratie gegen jede Art von Extremismus entschieden hat, der die Bekämpfung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zum Ziel hat. Eine Beantwortung dieser Frage bleiben die Verfasser schuldig.
Ich merke schon: Sie beantragen hier eine Verfassungsänderung mit dem ganz schwierigen Thema der Staatszielbestimmung. Aber wenn man es dann einmal juristisch sorgfältig ausführt, lässt das Interesse am Zuhören schnell nach. Entsprechend wissen wir also, wie wir den Gesetzentwurf - auch vom Zeitpunkt her - einzuordnen haben. Unter dem Strich würde ich Ihnen sagen: Das geht alles nicht.
Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Anliegen, der Hintergrund ist im Grunde genommen von allen richtig beschrieben worden. Vielleicht kann ich SPD und Linke mit dem einen oder anderen Argument doch davon überzeugen, dass eine Enthaltung keinen Sinn macht, dass man bei einer guten Sache gemeinsam dabei sein kann.
Meine Damen und Herren, ich habe schon bei der ersten Beratung des Entschließungsantrages am 18. Juli dieses Jahres erklärt, dass die Landesregierung den Antrag nachdrücklich unterstützt. Ziel des Antrages ist es ja, die Bedingungen für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, soweit sie ehrenamtlich engagiert sind, zu verbessern. Diejenigen - das ist doch wohl klar -, die sich ehrenamtlich für unsere Kinder und Jugendlichen einsetzen, dürfen und sollen nicht mit Kosten belastet werden. Hier wollen wir einfach Rechtssicherheit schaffen, indem wir die Gebührenfreiheit für Führungszeugnisse im Bundesrecht festschreiben. Das dient, nebenbei bemerkt, auch dem Abbau der Bürokratie.
Wer ein Führungszeugnis benötigt, soll nicht mehr einen Kostenerlassantrag stellen müssen. Herr Kollege Adler, vielleicht können Sie das Stichwort „Kostenerlassantrag“ einmal vermerken. Ein Kostenerlassantrag wird bei der Meldebehörde gestellt und geht dann hoch zum Bundesjustizamt. Wenn er wieder herunterkommt, heißt es, dem Kostenerlassantrag wird entsprochen. Also, Geld kriegt ihr ohnehin nicht dafür. Muss das so sein, oder kann man da andere Wege finden?
Ich weiß, es wird auch darüber diskutiert, ob die Kommunen tatsächlich eine Kosteneinbuße nennenswerter Art haben. Solch ein Antrag kostet in der Regel 13 Euro. Zwei Fünftel - gleich 5,20 Eu
ro - soll die Kommune erhalten. Der Rest - 7,80 Euro - geht an die Bundeskasse. Nun ist wegen des beschriebenen Verwaltungsweges, der Arbeit macht, das Ergebnis schon jetzt sehr oft so, dass es dann, wenn es vom Bundesjustizamt zurückkommt, heißt: Es ist ohnehin nichts zu bezahlen. - Es war also alles für die Katz. Die Kommune verzichtet in Zukunft auf etwas, was sie auch in der Vergangenheit schon nicht bekommen hat. - Das nur einmal als parallele Überlegung.
Es liegt hier - da das Stichwort gelegentlich genannt wird, will ich einen Satz dazu sagen - auch kein Fall der Konnexität vor. Wir sind hier im Bereich des Bundeszentralregistergesetzes. Es handelt sich also nicht um eine landesgesetzliche Regelung, sodass die Konnexitätsbetrachtungen hier auch nicht ziehen.
Meine Damen und Herren, was ist Sachstand? - Die Bundesregierung hat Ende August dieses Jahres den Entwurf eines Zweiten Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes beschlossen, der in den nächsten Wochen beim Deutschen Bundestag eingebracht werden wird. Zurzeit liegt dieser Gesetzentwurf dem Bundesrat vor, der in seiner Sitzung am 12. Oktober 2012 - also in 14 Tagen - dazu Stellung nehmen wird.
Im Rechtsausschuss des Bundesrates, verehrte Kollegen von der SPD - das darf ich Ihnen jetzt einfach einmal mit auf den Weg geben -, hat Niedersachsen, wie es der Zufall so will, gestern beantragt, die Gebührenfreiheit für Führungszeugnisse im Justizverwaltungskostengesetz zu verankern. Dem ist - Sie ahnen es - mit 16 : 0 Stimmen entsprochen worden. Das ist doch ein schönes Ergebnis!
- Das ist die Parallelität der guten Ereignisse.
Sie sehen also schon, der Bundesrat und dann der Bundestag machen sich Niedersachsens Überlegungen zu eigen. Wir sollten hier einfach eine Einheitsfront bilden. Deswegen können Sie dem Antrag auch zustimmen.
Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dann, Herr Kollege Adler, bin ich eben zu später Stunde der Ausputzer. Ich verstehe auch den einen oder anderen schon fast ätzenden Unterton nicht so ganz bei einem an sich sehr bürgernahen und wichtigen Thema, mit dem man eigentlich etwas Gutes miteinander befördern will.
Ich darf für die Landesregierung sagen, dass wir den gemeinsamen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP ausdrücklich unterstützen, weil es hier um die Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements geht.
Sie mögen gerne noch einmal in der Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP aus dem Jahr 2008 nachschauen. Darin ist nachzulesen, dass die Koalitionspartner dem ehrenamtlichen Engagement eine besondere Bedeutung beimessen. Genau auf der Linie liegt das.
Nun könnte ich Ihnen hier dreieinhalb Stunden lang erzählen, was wir in den letzten fünf bzw. fast zehn Jahren für das Ehrenamt getan haben, für Polizei, Feuerwehr und Vereine. Da Sie das wissen, schenken ich mir das jetzt. Aber wir dürfen doch davon ausgehen, dass Ehrenamtliche ihre Arbeit gerne machen, aber deswegen nicht unbedingt mit Kosten belastet werden wollen. Das will keiner!
Zweites Thema: Zentralregister und Führungszeugnis. Darüber können wir gern an anderer Stelle eine Grundsatzdebatte führen. Hintergrund ist, dass wir immer, wenn es um die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Leuten geht, sicherstellen wollen, dass Leute, die bestimmte Neigungen haben - vielleicht auch Neigungen zu Sexualstraftaten -, dort erst gar nicht tätig werden.
Frau Staudte, wir haben vor einigen Jahren böse Fälle auch in der Stadt Hannover gehabt, zugegebenermaßen im hauptberuflichen Bereich einer Kita; ich könnte auch den Namen nennen. Damals hieß es: Wenn man da ein Führungszeugnis gefordert hätte, hätte man bemerkt, um wen es sich handelt.
Wir haben übrigens den Kanon der Delikte, der im Bundeszentralregister erfasst wird, erweitert - das war, glaube ich, im Bundesrat einstimmig, und im Bundestag wahrscheinlich auch -, um den Dingen entsprechend Rechnung zu tragen.
Wie lösen wir nun das Problem? - Für die Erteilung von Führungszeugnissen erhebt das Bundesamt für Justiz, wo das Zentralregister geführt wird, Gebühren nach den Bestimmungen des Justizverwaltungskostenrechts des Bundes; das wurde schon erwähnt. Die Gebühr beträgt 13 Euro. Ich kann mir vorstellen, dass manch einer einwendet: Ich will hier ehrenamtlich etwas machen, und das mit den 13 Euro geht nicht. - Allerdings enthält das Bundesrecht schon jetzt eine generalklauselartige Ausnahmevorschrift, in der es bestimmt:
„Die Behörde kann ausnahmsweise, wenn dies mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zahlungspflichtigen oder sonst aus Billigkeitsgründen geboten erscheint, die Gebühren … ermäßigen oder von der Erhebung der Kosten absehen.“
- Richtig. - Dazu gibt es auch ein tolles Merkblatt - einige Kolleginnen und Kollegen haben es schon erwähnt -, in dem steht, unter welchen Voraussetzungen diese Regelung zum Zuge kommen soll usw. Ich sage Ihnen aber ganz offen: Ein Merkblatt ist das eine. Das andere ist eine vernünftige gesetzliche Regelung, auf die sich Leute verlassen können, sodass man gar nicht erst in Auslegungsschwierigkeiten kommt.
Ich darf hier für die Landesregierung sagen: Wir wollen uns für das Anliegen des Entschließungsantrages einsetzen. Frau Kollegin WeddigeDegenhard, es ist nicht nur eine Bundesangelegenheit. Immer, wenn es um die Justiz und Kosten geht, ist der Bundesrat - und damit die Länder - über seine Zustimmungspflicht mit im Boot. Also ist es nicht verboten, dass auch wir uns hier vernünftige Gedanken machen und Gesetze berichtigen, korrigieren, ergänzen - jedenfalls in die richtige Richtung bringen.
Gelegenheit, das zu tun, besteht im Rahmen der im Herbst dieses Jahres anstehenden Beratungen über ein von der Bundesregierung demnächst - wir
rechnen wöchentlich damit - einzubringendes Gesetz zur Modernisierung des Justizkostenrechts. Hierbei wird die Landesregierung im Rahmen der Beteiligung im Bundesrat darauf hinwirken, dass sich der Bundesrat und hoffentlich auch der Bundesgesetzgeber einsichtig zeigen, sodass wir die Gebührenfreiheit von Führungszeugnissen für ehrenamtliche Tätigkeiten erreichen.
In dieser Ecke hat der Bundesgesetzgeber wahrscheinlich manches nicht zu Ende gedacht. Das bringen wir jetzt in Ordnung. Deshalb gehe ich hier eigentlich von Einstimmigkeit aus.
Danke.
Das ist locker einzuhalten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir ehrlich sind, haben wir es hier möglicherweise mit dem auch rechtlich schwierigsten Komplex dieser Legislaturperiode zu tun, bei dem wir alles daransetzen müssen, dass das am Ende verfassungskonform und rechtsstaatlich geregelt ist.
Ich darf mich - wobei ich die eine oder andere Spitze jetzt einmal überhöre - zunächst grundsätzlich dafür bedanken, dass dieses Thema im letzten Jahr hier sehr verantwortlich und fachkundig beraten worden ist und in den nächsten Monaten sicherlich auch genauso verantwortlich und fachkundig beraten werden wird.
Herr Tonne, das ist kein Feld für parteipolitische Angriffe. Ich darf nur darauf hinweisen, dass die Zuständigkeit für den Vollzug erst im Rahmen der Föderalismusreform 2005 den Ländern zugewiesen wurde. So gesehen hätte man, selbst wenn man es gewollt hätte, gar nicht früher gekonnt.
Außerdem möchte ich Sie einmal bitten, mir ein deutsches Bundesland - und insbesondere ein sozialdemokratisch geführtes Bundesland - zu benennen, das das Abstandsgebot in seinen einschlägigen Gesetzen so umgesetzt hatte, wie Karlsruhe es gewollt hat. Ich würde mit Ihnen fast um ein Fass Bier wetten, dass Ihnen das nicht gelingt.
Nennen Sie mir ein Land! Nehmen wir NordrheinWestfalen, Hamburg, Berlin oder Rheinland-Pfalz mit Kurt Beck: Da haben wir alle miteinander gesündigt und die Anforderungen von Karlsruhe nicht gesehen, jedenfalls nicht erfüllt.
Meine Damen und Herren, zur Historie der Sicherungsverwahrung ist das eine oder andere schon gesagt worden. Es geht um Personen, die nach verbüßter Strafhaft als hochgradig rückfallgefährdet eingestuft werden und von denen man sagt, dass sie in irgendeiner Form von Gewahrsam bleiben müssen; ich formuliere das einmal so allgemein.
Das muss rechtsstaatlich organisiert werden. Auch Karlsruhe sagt, Sicherungsverwahrung ist und bleibt weiterhin möglich. Das, Herr Adler, können Sie nicht mit altem Nazirecht in Verbindung bringen und sagen, deshalb befassen wir uns damit nicht. Nein, das hat Karlsruhe fein auseinandergehalten.
Nun zur Linken. Wir haben die Töne aus dem Bundestag durchaus vernommen. Ich darf auch auf meinen Justizministerkollegen in Brandenburg verweisen. Auch da verfolgt man die Politik: Sicherungsverwahrung kennen wir nicht, wir wollen sie nicht haben, also tun wir so, als müssten wir es nicht regeln.
Meine Damen und Herren, über die Sicherungsverwahrung - auch über die nachträgliche Sicherungsverwahrung - gab es lange Streit. Dann hat es ein Bundesgesetz gegeben, über das wir auch innerhalb des bürgerlichen Lagers kontrovers gestritten haben. Dann gab es die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Und ganz am Ende der Entwicklung, am 4. Mai 2011, bekamen wir das Urteil aus Karlsruhe, das besagt: Alles, was ihr bislang geregelt habt, ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar; es ist zwar übergangsweise noch bis zum Mai 2013 anwendbar, aber dann müsst ihr etwas Neues machen; ihr müsst vom Grunde her etwas tun, aber auch in Bezug auf die Unterbringungsbedingungen und das Abstandsgebot. - Genau auf diesem Wege sind wir nun ganz gut unterwegs.
Dem Bund hat Karlsruhe eine Art Leitlinienkompetenz zugewiesen. Der Bundesgesetzgeber muss also nach wie vor festlegen, welcher Personenkreis unter welchen Bedingungen in die Sicherungsverwahrung geschickt werden kann. Darüber kann man, Kollege Zielke, sicherlich streiten. Ich denke aber, dass wir dem Bundesgesetzgeber helfen, wenn wir das hinsichtlich des Kanons der Anlasstaten gerade nicht tun. Ich denke, wir sollte das so lassen, wie es ist.
Ich bin auch damit einverstanden, dass der Bundesgesetzgeber sagt, bei entsprechender Erkenntnislage kann in das Urteil der Vermerk geschrieben werden, dass gleich nach Strafverbüßung Sicherungsverwahrung erfolgen soll, bzw. dass es im Falle einer Beobachtungssituation auch eine Sicherungsverwahrung unter Vorbehalt geben kann. Einen Dissens haben wir allerdings insofern, als dass der Bundesgesetzgeber meint, mit diesen beiden Merkmalen seien alle, um die es geht, erfasst, während wir es für denkbar halten, dass sich im Verlauf einer langen Strafhaft noch ergeben kann, dass eine nachträgliche Sicherungsverwahrung bzw., nach dem neuen Gesetz, eine nachträgliche Therapieunterbringung hätte verfügt werden müssen. Das möchte ich - das sage ich hier so offen - in den nächsten Monaten aber nicht ausdiskutieren.
Der Bundesgesetzgeber hat den Entwurf für einen neuen § 66 c Strafgesetzbuch vorlegt, in dem das so geregelt wird, dass wir damit arbeiten können. Das wäre soweit in Ordnung. Die Anlasstaten bleiben die gleichen. Es geht nicht um Ladendiebe und Heiratsschwindler, sondern um Schwerkriminelle bzw. Sexualstraftäter, bei denen die Gefahr der Wiederholung besteht, wenn sie denn in Frei
heit kämen. Auch da sollten wir den Personenkreis richtig eingrenzen.
Für die Unterbringung sind nun die Länder zuständig. Wir müssen vollziehen, wenn die Gerichte gesprochen und die Zeiten sich entsprechend entwickelt haben. Dazu haben wir in der Vergangenheit mit einem, wie ich denke, großen Kraftaufwand schon einiges vorbereitet. 2010 wurde dazu eine bundesweite Arbeitsgruppe unter Federführung Niedersachsens eingesetzt. Darin haben wir einen ganzen Katalog von Kriterien entwickelt, wie sich das Ganze gestalten müsste, nachdem Karlsruhe gesprochen hat. Auf der Basis dieses Kriterienkatalogs haben wir unseren Gesetzentwurf formuliert. Damit haben wir - das dürfte auch jeder neutrale und unbefangene Beobachter so sehen - ein sehr wertvolles Gesetzgebungsverfahren angestoßen. Der Gesetzentwurf wird jetzt von den Fraktionen von CDU und FDP vorgelegt, sodass wir ihn miteinander beraten können.
Angesichts meiner knappen Redezeit will ich jetzt nur noch kurz auf einige Schwerpunkte eingehen. Der Leitgedanke der Sicherungsverwahrung ist das freiheitsorientierte und therapiegerichtete Gesamtkonzept. Darin liegt die oberste Aufgabe, die in der Sicherungsverwahrung erfüllt werden muss, und alles andere hat sich danach auszurichten. Therapie bzw. individuelle Behandlung sind sogar als Rechtsanspruch formuliert. Selbst die Leute, die therapieunwillig oder -unfähig sind, müssen und werden wir immer wieder anhalten und motivieren, sich einer entsprechenden Therapie zuzuwenden und sich einzubringen. Das kann man auch mit Vergünstigungen erreichen; ich nenne in diesem Zusammenhang beispielhaft die Themen Taschengeld und Ausgang.
Wie gesagt, Betreuung und Therapie sind dauerhaft angesagt. Diesen Anspruch werden wir anerkennen und den Auftrag entsprechend erfüllen. Es gilt auch das Prinzip der Freizügigkeit in der Gesamteinrichtung, also über den eigenen Unterkunftsbereich hinaus. Wir tun das Menschenmögliche, dass das machbar ist.
Ein wichtiger Bereich - das will ich hier noch einmal ganz deutlich ansprechen - ist die individuelle Unterkunft.
In der ersten Planungsphase haben wir zugegebenermaßen mit 54 Unterbringungsplätzen operiert. Wir waren der Meinung, dass eine Grundfläche von 20 m2 inklusive Nasszelle und vielleicht Küche ausreichend sei. Liebe Kollegen, dann gab es eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg,
der zufolge es mindestens 20 m2 plus Nasszelle und Küche sein sollten. Das ergibt insgesamt mindestens 23 oder 24 m2. Wir haben dann die Planung umgestellt. Wir werden jetzt 45 Plätze mit jeweils 20 plus 3 oder 4 m2 bauen, um auf der sicheren Seite zu sein. Allerdings sagen die Gerichte - auch die in Straßburg und Karlsruhe - nie, wie die Unterbringung genau aussehen muss. Sie kontrollieren nur hinterher, ob die Unterbringung in Ordnung war.
Wir stellen uns der Herausforderung. Ich hoffe und denke, wir machen da alles richtig. Wir senken die Zahl der Unterbringungsplätze auf 45. Das reicht für Niedersachsen und zwei Fälle aus Bremen. Damit sind wir auf der sicheren Seite. Kooperationen mit Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern verfolgen wir aber nicht mehr. Diese Länder sind zum Teil eigene Wege gegangen. Damit haben sich die Kooperationsüberlegungen erledigt.
Meine Damen und Herren, grundsätzlich sollen sich die Sicherungsverwahrten selbst verpflegen. Das bedingt eine Erhöhung des täglichen Verpflegungszuschusses um 7 Euro. Grundsätzlich soll auch die Mindestbesuchszeit von einer Stunde pro Monat auf zehn Stunden pro Monat angehoben werden.
Ein ernstes Thema ist die Arbeitspflicht. Wenn die Verhältnisse in der Sicherungsverwahrung an die im normalen Leben angenähert werden sollen, dann sollte man vermuten, dass die Sicherungsverwahrten auch arbeiten sollen, können und müssen. Hier sagt aber das Gesetz auf der Basis der Karlsruher Rechtsprechung: Nein, es besteht keine Arbeitspflicht für die Sicherungsverwahrten. So sie aber Ideen entwickeln und arbeiten möchten, müssen wir Arbeitsangebote unterbreiten. Wenn sie arbeiten, geschieht das bei besseren Verdienstmöglichkeiten. Der Tagessatz wird von 11 Euro auf 20 Euro angehoben.
Ich spare mir jetzt einen Ausflug in den Bereich des Jugendvollzuges. Da kann man sich analoge Regelungen vorstellen.
Die Kollegen haben es gesagt: Wir hatten vor einigen Wochen in Rosdorf den ersten Spatenstich. Die Baumaßnahme läuft. Sie kostet 12,4 Millionen Euro. Ich danke dem Finanzministerium, dem Baumanagement und allen anderen Beteiligten, auch vor Ort in der Anstalt. Wir werden im Herbst das Richtfest feiern. Die Anlage wird im Mai rechtzeitig fertig werden und betriebsbereit sein.
30 zusätzliche Personalstellen sind etatisiert. Es ist nicht leicht - das gilt für ganz Deutschland -, genügend Therapeuten zu finden, die den hohen Ansprüchen genügen. Aber am Ende werden wir das hinbekommen.
Dass wir für Arbeitsvergütungen und für Verpflegung mehr Geld ausgeben, versteht sich von allein.
Ich bitte um konstruktive Beratung in den nächsten Wochen im Ausschuss. Wir sind auf einem guten Wege und werden der Karlsruher Rechtsprechung bis Mai gerecht werden.
Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Irgendjemand sagte gerade, das sei doch ein reines Fachthema. Deshalb will ich versuchen, allgemein verständlich zu erläutern, worum es geht - wobei Juristen es ja immer schaffen, Missverständnisse
zu nähren und einen auf Nebenkriegsschauplätze zu führen.
Während die Überschrift des Antrags der Linken noch richtig ist, ist der Rest falsch, wenn nicht gar überflüssig. Allerdings sollten Sie besser formulieren: „Reform der Gerichtsverfahrenskosten“ und nicht „Reform der Gerichtskosten“.
Um gleich mit einem Missverständnis aufzuräumen: Es geht mitnichten darum, dem kleinen Mann, dem wirtschaftlich Bedürftigen den Zugang zum Recht zu verweigern. Auf diese Grundlinie komme ich gleich noch zurück.
Worum geht es stattdessen? - Der Justizetat des Landes liegt bei gut 1 Milliarde Euro. Wenn ich den Strafvollzug herausrechne, komme ich auf 865 Millionen Euro. Ein Erfahrungssatz, der von allen Bundesländern geteilt wird, besagt, dass etwa 50 % unserer Ausgaben durch Gerichtskosten, Verfahrensgebühren, Umschreibungskosten beim Grundbuchamt usw. wieder hereinkommen sollten. 2005 haben wir das noch geschafft, aber in den vergangenen sieben Jahren sind wir auf einen Kostendeckungsgrad von 43 % abgesackt. Das entspricht einer Lücke von 50 Millionen Euro.
Und hierin liegt nun das Problem. Die Schuldenbremse steht ins Haus. Da der Finanzminister mir diese Lücke nicht ausgleichen wird, muss ich zusehen, dass wir unsere eigenen Kostenstrukturen wieder instand setzen. Das ist die Aufgabe, der wir uns gemeinsam unterziehen.
In diesem Ziel sind sich die 16 Bundesländer einig. Niedersachsen hat sogar den Vorsitz in der entsprechenden Kommission gehabt. Die Justizministerkonferenz, die Finanzministerkonferenz und auch die Ministerpräsidentenkonferenz haben einstimmig gesagt: Da ist etwas in Ordnung zu bringen! - Gleiches hat der Bundesrat erst vor Kurzem in einer Entschließung getan. Ich darf das Abstimmungsergebnis nicht nennen, aber ich darf sagen: Keiner war dagegen.
Es besteht also Einmütigkeit darüber, dass hier etwas in Ordnung zu bringen ist. Geschieht dies nicht, geraten wir unter Kostendruck. Wir sind gut aufgestellt. Aber wollen wir am Ende die Rechtszugänglichkeit und die Möglichkeiten der Justiz gefährden, weil wir auf der Kostenseite nicht aufgepasst haben? - Das wollte ich hier einmal generaliter angesprochen haben.
Es gibt auch noch eine zweite Bedarfslinie, nämlich bei den Rechtsanwälten und Notaren. Die weisen mit Recht darauf hin, dass ihre Gebühren
seit fast 20 Jahren nicht angepasst worden sind, obwohl ihre Kosten gestiegen und ihr Personal und ihre Kanzleien teurer geworden sind. Diese Auffassung teile ich im Grundsatz auch und appelliere an die Bundesregierung, dort etwas zu tun.
Ein ganz kleiner Baustein in diesem Kontext, den wir über den Bundesrat ebenfalls zu einem Beschluss geführt haben, ist nun der Bereich der Prozesskosten- und Beratungshilfe. Dort sind in den letzten Jahren, mit Ausnahme der vergangenen ein, zwei Jahre, die Kosten explodiert. Auch hier geht es darum, ob nicht eine vorsichtige Korrektur erfolgen kann. Dabei ist klar, dass ich damit niemals die genannte Lücke von 50 Millionen Euro füllen kann. Das darf man also nicht miteinander vermischen.
Ich werde gleich aufzeigen, um welche Dinge es dabei geht. Möglicherweise werden Sie ja sagen, dass wir mit dem, was wir uns überlegt haben, ganz so falsch nicht liegen. Die Überlegungen der anderen Länder gehen übrigens in dieselbe Richtung; wir haben auf allen Ebenen einstimmige Beschlüsse.
Nun trug es sich kurz vor Weihnachten zu, dass das Bundesjustizministerium in Kenntnis der drei von mir genannten Handlungsbereiche ein Kostenrechtsmodernisierungsgesetz auf den Tisch gelegt hat. Darin wird den Wünschen der Rechtsanwälte und Notare in ganz ordentlicher Weise entsprochen, indem eine 19- bis 20-prozentige Gebührenerhöhungen vorgesehen wird. Gegen die wehre ich mich auch nicht. Ich hätte dazu zwar manche Idee - ich würde an der einen oder anderen Stelle nicht ganz so viel geben und dafür bei Großverfahren, in zweiter Instanz oder bei den Rahmengebühren vielleicht noch etwas draufpacken -, aber darüber kann man reden; das geht in die richtige Richtung.
Wenn ich dann aber in den Komplex Prozesskosten- und Beratungshilfe schaue, dann steht da gar nichts! Zumindest bis jetzt nicht. Jetzt soll in Berlin etwas dazu kursieren. Das müssen wir dann mit beraten.
Der dritte Komplex betraf die Kasse der Länder: Wie viel sollen wir an Gerichtskosten mehr bekommen, wo auch wir seit 20 Jahren nichts draufpacken durften? - 3,8 %! Davon kann ich vielleicht die nächste Gehaltserhöhung bezahlen, aber mein 50-Millionen-Euro-Loch im Jahr 2013 oder 2014 habe ich dann immer noch. Mein Handlungsdruck vermindert sich also nicht, sondern stattdessen werden mir alle sagen: Sieh zu, dass du genug
Richter hast und dass der Vollzug stimmt! Warum hast du nicht aufgepasst, als das Geld verteilt wurde?
Es ist übrigens nicht so, dass der Staat bei den Verfahrenskosten ein Kostentreiber ist. Bei einem normalen Prozess, der vielleicht zu Kosten in Höhe von 1 000 Euro führt, betragen die Anwaltskosten 87 % und die Gerichtskosten 13 %. Eine Anhebung der Gerichtskosten würde sich also nicht so stark auswirken wie eine Anhebung der Anwaltsgebühren. Das muss man in dem gesamten Kontext verstehen.
Der gesamte Bundesrat, alle 16 Länder sind daran interessiert, dass im Zuge der Beratungen eine Korrektur im Sinne einer Anhebung der Gerichtskosten vorgenommen wird. Inzident gibt es vielleicht auch die eine oder andere Korrektur bei der Prozesskostenhilfe, Herr Kollege Adler. Sie haben in Ihrem Antrag ja aufgeführt, was der Bundesrat beschlossen hat.
Der Bundesrat hat in der Entschließung, die er vor acht Wochen mit 16 : 0 gefasst hat - also einschließlich des Landes Brandenburg, an dessen Regierung Ihre Partei beteiligt ist -, unter Nr. 6 ausdrücklich gesagt:
„Der Bundesrat hält es außerdem für unabdingbar notwendig, das Gesetzgebungsverfahren zur Kostenbegrenzung im Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferecht im zeitlichen Gleichlauf mit dem Gesetzgebungsverfahren für das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts durchzuführen.“
Man geht also davon aus, dass dort etwas passieren muss.
Woran ist hier nun gedacht? - Zum Beispiel daran, dass ein Richter - Herr Limburg hat das ja durchaus bestätigt - auch einmal Nein sagen darf, wenn es um einen Bagatellgegenstand geht und die Erfolgsaussichten nur sehr vage sind. Dann wäre es vielleicht auch einmal nicht gerechtfertigt, einen solchen Prozess über die Staatskasse zu finanzieren.
Ein weiteres Beispiel: Wenn im Rahmen der Prozesskostenhilfe eine Ratenzahlung vereinbart worden ist - womit ja auch Verwaltungsaufwand verbunden ist -, sollte geprüft werden, ob man dafür nicht eine kleine Gebühr nehmen darf. Dazu darf ich, lieber Kollege Limburg, an den leider verstor
benen, geschätzten Kollegen Briese erinnern, der am 10. November 2006 Folgendes ausgeführt hat: