Zur Tagesordnung folgende Anmerkungen: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 14, den Dringlichen Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort.
In der Portikushalle wird Ihnen zu Beginn der Mittagspause der Artländer Shantychor „Die Hasejungs“ eine kurze musikalische Darbietung vortragen. Ich würde mich freuen, wenn Sie ungeachtet der Fülle der von uns zu behandelnden Themen ein wenig Zeit finden könnten, bei der Veranstaltung dabei zu sein.
Ich darf Sie herzlich bitten, Ihre Reden bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr, an den Stenografischen Dienst zurückzugeben.
Es liegen vier Dringliche Anfragen vor. Die für die Behandlung Dringlicher Anfragen geltenden Geschäftsordnungsbestimmungen setze ich als allgemein bekannt voraus. Zum wiederholten Male weise ich noch einmal darauf hin, dass einleitende Bemerkungen zu den Zusatzfragen nicht mehr zulässig sind.
Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich Sie, dass Sie sich schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.
Was unternimmt die Landesregierung gegen die „beispiellose“ kommunale Finanzkrise? - Anfrage der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/1629
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schönen guten Morgen! Der Deutsche Städtetag warnt vor einer „beispiellosen Finanzkrise“ der Städte und Gemeinden. Berechnungen des Verbandes hätten ergeben, dass die Kommunen in der Bundesrepublik im Jahr 2010 ein Defizit von mehr als 10 Milliarden Euro befürchten müssen, wie Städtetagspräsidentin Petra Roth (CDU) am 29. August 2009 der Leipziger Volkszeitung erklärte. Schon jetzt seien die Kassenkredite der Gemeinden in Deutschland mit 31,6 Milliarden Euro mehr als fünfmal so hoch wie im Jahr 1999. Vor allem Städte mit hoher Arbeitslosigkeit drohten nach Einschätzung von Frau Roth unter dieser immer mehr steigenden Last finanziell zusammenzubrechen. „Hier ist tatsächlich Land unter, erst recht, wenn die Krise demnächst voll auf die Langzeitarbeitslosigkeit durchschlägt“, so die Präsidentin des Deutschen Städtetages. Die kommunalen Spitzenverbände fordern vom Bund und von den Ländern Soforthilfen sowie langfristig wirkende Schritte für die Sicherung der kommunalen Finanzausstattung. Vor allem sinkende Gewerbesteuereinnahmen und deutlich nach unten korrigierte Steuervorauszahlungen von Unternehmen bei gleichzeitig steigenden Sozialausgaben seien nach Auffassung des Deutschen Städtetages zusehends problematischer für die Erfüllung der kommunalen Aufgaben.
Immer mehr Städte, Gemeinden und Landkreise auch in Niedersachsen vermelden bei den Kommunalfinanzen „Land unter“. In der Landeshauptstadt Hannover wird mit bis zu 1 Milliarde Euro Schulden bis 2013 gerechnet, so die Neue Presse vom 11. September 2009, Seite 1. Auch in Braunschweig, Osnabrück, Salzgitter und vielen anderen Kommunen gibt es bei den Kommunalfinanzen angesichts der Krisenauswirkungen eine dramatische Situation.
Die Zuweisungen des Landes im kommunalen Finanzausgleich Niedersachsens sollen im Jahr 2010 gegenüber dem Ansatz für das Jahr 2009 in
Höhe von 3,024 Milliarden Euro um rund 540 Millionen Euro niedriger bei dann 2,474 Milliarden Euro liegen, wie in der Mittelfristigen Planung 2009 bis 2013 der Niedersächsischen Landesregierung festgestellt wird. Damit hätten die niedersächsischen Kommunen neben den laufenden Ausfällen bei der Gewerbesteuer infolge der Krise zusätzlich weitere drastische Einnahmeverluste wegen der jetzigen Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs zu verkraften, die ihre Handlungsfähigkeit rigoros einschränken würde.
Herr Kollege, bevor Sie fragen, möchte ich eindringlich darum bitten, den morgendlichen Gedankenaustausch hier im Plenarsaal einzuschränken. - Jetzt, Herr Kollege, bitte Ihre Fragen!
1. Was unternimmt sie, um die kommunalen Kassenkredite in Niedersachsen und deren Wachstum deutlich abzubauen?
2. Welche Schlussfolgerungen zieht sie aus den massiven Einbrüchen der kommunalen Gewerbesteuereinnahmen sowie den rückläufigen Steuereinnahmen des Landes für die Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs in Niedersachsen?
3. Welche Schritte beabsichtigt sie gegenüber der Bundesregierung direkt bzw. mit Initiativen im Bundesrat zu unternehmen, um Hilfen seitens des Bundes für die Kommunen, so durch stärkere Kostenbeteiligung an den Unterkunftskosten der Kommunen für Langzeitarbeitslose bzw. für Gesetzesänderungen zur Verringerung der Konjunkturabhängigkeit der Gewerbesteuer, auf den Weg zu bringen?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Auswirkungen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise werden im Jahr 2010 auch für die niedersächsischen Gemeinden, Städte und Landkreise deutlich spürbar werden. Bei den Gewerbesteuereinnahmen haben die niedersächsischen Kommunen insbesondere im Jahr 2009, aber auch noch 2010 mit Einbrüchen zu rechnen. Ab dem Jahr 2011 wird jedoch wieder ein deutlicher Aufwärtstrend erwartet, wie sich aus den Ergebnissen des Arbeitskreises Steuerschätzung vom Mai dieses Jahres ablesen lässt. Gerade die Gewerbesteuereinnahmen hängen jedoch besonders von lokalen Gegebenheiten ab, sodass es kaum möglich ist, mit Durchschnittsbetrachtungen die Situation aller niedersächsischen Kommunen zu erfassen. Aufgrund der konsequenten Politik dieser Landesregierung sind Niedersachsen und seine kommunalen Körperschaften aber für die Krise besser gerüstet als die meisten anderen Bundesländer.
Zum einen hat sich die Finanzsituation in den niedersächsischen Gemeinden, Städten und Landkreisen in den vergangenen Jahren insgesamt deutlich positiv entwickelt. Hierzu beigetragen hat ein starker Anstieg der Zahlungen aus dem kommunalen Finanzausgleich, der in den Jahren 2007, 2008 sowie 2009 mit knapp über bzw. knapp unter 3 Milliarden Euro jeweils rund 30 % über den Einnahmen des Jahres 2006 lag. Sogar im Jahr 2009 liegen die Zuweisungen um 3,8 % höher als 2008. Die Steuerverbundabrechnung für das Jahr 2008 erhöht diesen Betrag noch einmal um 45,3 Millionen Euro auf knapp 3,1 Milliarden Euro. Auch haben die bisherigen Gewerbe- und Einkommensteuereinnahmen in den Jahren 2007 und 2008 vielerorts die Erwartungen deutlich übertroffen. Dadurch hatten viele Kommunen endlich die Gelegenheit, ihre Haushalte wieder auszugleichen und unterbliebene Investitionen nachzuholen.
Zum anderen hat das Land sehr schnell und pragmatisch das Konjunkturpaket II des Bundes umgesetzt und durch eigene Anteile aufgestockt. Soweit es die Finanzhilfen für zusätzliche Investitionen betrifft, sind nicht nur die vom Bund getroffenen und geforderten 70 %, sondern sogar 78 % der Bundesmittel an die kommunale Ebene weitergegeben worden. Wir sorgen zudem dafür, dass die Gemeinden und Landkreise im Rahmen der Vorgaben des Bundes weitestgehend selbststän
Die mit diesen Mitteln vorgenommenen Investitionen fließen zum großen Teil in energetische Sanierungen. Dies sorgt mittelfristig für eine zusätzliche dauerhafte Entlastung der Kommunen bei den laufenden Betriebsausgaben.
Die von Ihnen beschriebene Entwicklung im Finanzausgleich 2010 ist nicht so überraschend, wie Sie hier darstellen wollen. Sie entspricht vielmehr der gesetzlichen Systematik und spiegelt letztlich zeitversetzt den Anteil der kommunalen Ebene an den gesamtstaatlichen Einnahmerückgängen durch die Wirtschafts- und Finanzkrise wider.
Dies gilt aber auch für den umgekehrten Fall. Trotz des Wirtschaftseinbruchs 2009 liegen die Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich für dieses Jahr auf Rekordniveau.
Zu Frage 1: Zum 30. Juni 2009 betrug die Summe der kommunalen Kassenkredite in Niedersachsen 4,4 Milliarden Euro. Den wirksamsten Abbau dieser Kassenkredite erreicht man durch eine allgemeine Verbesserung der kommunalen Finanzlage. Dies ist natürlich das Ziel der Landesregierung. Dazu haben wir das Prinzip der strikten Konnexität eingeführt und uns auf der Bundesebene erfolgreich für eine Senkung der Gewerbesteuerumlage mit einer kommunalen Entlastung von rund 300 Millionen Euro eingesetzt, die unseren Kommunen seit 2004 Jahr für Jahr erneut zugute kommt.
Mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2009 hat das Land Niedersachsen als erstes Bundesland bei den Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich die den Kommunen aufgegebene Investitionsbindung der Verbundmasse aufgehoben. In Niedersachsen waren dies immerhin 12,3 % der Schlüsselzuweisungsmasse. Auch dieser Schritt wird neben der höheren kommunalen Flexibilität dazu beitragen, das hohe Niveau der Kassenkreditverschuldung bei den kommunalen Körperschaften abzusenken. Außerdem haben wir neue und zukunftsweisende Elemente in den kommunalen Finanzausgleich eingeführt, die sich bei der Bewältigung der aktuellen Schwierigkeiten auszahlen werden.
Seit dem Finanzausgleich 2007 stärken wir die ländlichen Strukturen in unserem Land durch den notwendig gewordenen Flächenfaktor. Seit diesem
Zeitpunkt werden auch demografische Entwicklungen endlich angemessen berücksichtigt. Darüber hinaus überprüft die Landesregierung jährlich die Finanzsituation von Land und Kommunen und ergreift die notwendigen Maßnahmen, um eine ausgewogene Lastenverteilung zwischen beiden Ebenen zu gewährleisten. Im Rahmen dieser Überprüfung ist 2007 die Verbundquote im kommunalen Finanzausgleich um 0,46 Prozentpunkte angehoben worden. Dies war die erste tatsächliche Erhöhung der Steuerverbundquote seit 1997, nachdem die Vorgängerregierung sie seit 1998 um über 2 Prozentpunkte abgesenkt hatte.
Des Weiteren stärken wir durch die Maßnahmen der Verwaltungsreform und andere Rechtsänderungen, wie z. B. das Modellkommunengesetz, die kommunalen Handlungsspielräume, indem wir Standards verringern und Genehmigungsvorbehalte abbauen.
Die Landesregierung beabsichtigt zudem, mit den kommunalen Spitzenverbänden noch in diesem Jahr einen Zukunftsvertrag für starke Kommunen abzuschließen. Ein auf Arbeitsebene im Grundsatz abgestimmter Vertragsentwurf wird in Kürze den Beschlussgremien der Verbände und dem Kabinett vorgelegt werden. Neben einer weiteren Förderung der interkommunalen Zusammenarbeit, der Erweiterung gesetzlicher Handlungsspielräume für unsere Kommunen und der Prüfung weiterer Aufgabenverlagerungen auf die Gemeinden und Landkreise - natürlich im Rahmen der strikten Konnexität - stehen auch Hilfen für Kommunen mit besonderen strukturellen Problemen und in der Regel dadurch bedingter extremer Kassenkreditverschuldung im Mittelpunkt. Dabei sollen bis zum 1. November 2011 insbesondere diejenigen Kommunen unterstützt werden, die zum Zwecke der Haushaltskonsolidierung freiwillige Gemeinde- und Kreiszusammenschlüsse oder die Umwandlung von einer Samt- in eine Einheitsgemeinde anstreben.
Nach Abschluss des Zukunftsvertrages sollen ab 2012 sowohl vom Land als auch von der kommunalen Seite jährlich jeweils bis zu 35 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, um im Einzelfall bis zu 75 % für Zins und Tilgung aufgelaufener Kassenkredite zu übernehmen.
Zu Frage 2: Die Landesregierung trifft ihre Entscheidung über Weichenstellungen im Hinblick auf die zukünftige Finanzausstattung der Kommunen auf der Grundlage des jährlichen Berichts zur Entwicklung der Finanz- und Haushaltslage des Landes Niedersachsen und der niedersächsischen
Kommunen. Sie berücksichtigt dabei selbstverständlich die Vorgaben des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs, insbesondere den Grundsatz der Verteilungssymmetrie. Die Niedersächsische Verfassung gewährt den Kommunen keinen individuellen Anspruch auf eine finanzielle Mindestausstattung durch das Land, die unabhängig von dessen finanzieller Leistungsfähigkeit wäre.
Das Zahlenwerk des letzten Berichts vom Juni dieses Jahres, das sich wie immer auf die jeweils aktuell vorliegenden Istzahlen der vom Niedersächsischen Staatsgerichtshof als entscheidungsrelevant eingestuften Parameter stützt, zeigt sowohl für das Land als auch für die kommunale Ebene eine äußert positive Entwicklung der Finanzausstattung. Eine mögliche Störung der Verteilungssymmetrie lässt sich daraus nicht ableiten. Es ist zu erwarten, dass sich die Finanzierungssalden beider Ebenen stark verschlechtern und in Zukunft erhebliche Konsolidierungsanstrengungen erforderlich machen werden. Die Entwicklung der zukünftigen Anteilsverhältnisse vor dem Hintergrund der prognostizierten deutlichen Einnahmeverluste lässt aber keine Verzerrung zulasten der Kommunen erwarten. Auf der Einnahmeseite dürften beide Ebenen vergleichbar hart getroffen werden. Auf der Ausgabenseite stellen die Investitionen im Rahmen des Konjunkturpakets II bzw. auf der Grundlage des Zukunftsinvestitionsgesetzes, perspektivisch betrachtet, eine große Chance für eine umfassende Modernisierung der Infrastruktur der Kommunen dar.
Nach alledem sieht die Landesregierung derzeit keine Veranlassung, grundsätzliche Veränderungen in der Zusammensetzung der Steuerverbundmasse oder in der Höhe der Steuerverbundquote vorzunehmen. Eine Erhöhung der Verbundquote im kommunalen Finanzausgleich würde lediglich zu einer einseitigen Verbesserung der Einnahmesituation auf kommunaler Ebene, aber zulasten des Landes führen. Es ist jedoch erklärter Wille der Landesregierung, die kommunale Ebene fair an Ausgleichsleistungen für Steuermindereinnahmen aufgrund gesetzlicher Änderungen zu beteiligen. So soll der Wechsel der Ertragshoheit bei der Kraftfahrzeugsteuer von den Ländern zum Bund keine negativen Auswirkungen auf die Einnahmesituation der niedersächsischen Kommunen haben. Außerdem sollen die Kommunen an den Kompensationszahlungen des Bundes wegen der Erhöhung des Kindergeldes ab dem Jahr 2009 und der Zahlung des einmaligen Kinderbonus im Jahre 2009 im Rahmen des Konjunkturpakets II durch
eine einmalige Erhöhung der Zuweisungsmasse im Jahre 2010 um 18,2 Millionen Euro teilhaben. Die Landesregierung hat daher entsprechende Änderungen des Niedersächsischen Finanzausgleichgesetzes auf den Weg gebracht, die Bestandteil des noch vom Landtag zu beschließenden Haushaltsbegleitgesetzes 2010 sind.
Zu Frage 3: Zahlreiche für die Kommunen vorteilhafte steuerrechtliche Regelungen wurden sowohl in den letzten Jahren als auch in diesem Jahr vom Bund in Zusammenarbeit mit den Ländern getroffen. Für die Vergangenheit sei hier noch einmal auf die Senkung der Gewerbesteuerumlage hingewiesen. Nennen möchte ich an dieser Stelle aber auch die Unternehmensteuerreform 2008, die zwar an der Struktur der Gewerbesteuer im engeren Sinne nichts verändert hat, aber mit einer weiteren Absenkung der Gewerbesteuerumlage dafür sorgen wird, dass die Gemeinden in Zukunft dauerhaft mit einer Stärkung des Gewerbesteueraufkommens rechnen können.
Auch die aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise beschlossenen Maßnahmen zur Korrektur der Unternehmensteuerreform durch das Bürgerentlastungsgesetz werden an den positiven Auswirkungen dieser Reform auf die Gemeinden nichts ändern. Denn zum einen sind die steuerlichen Entlastungen für die Wirtschaft aus dem Bürgerentlastungsgesetz nur zeitlich begrenzt. Zum anderen werden die finanziellen Belastungen zum größten Teil vom Bund und von den Ländern getragen.