Protokoll der Sitzung vom 26.03.2009

Die Beschlussfähigkeit stelle ich zu einem späteren Zeitpunkt fest.

Geburtstag hat heute der Abgeordnete Matthias Möhle.

(Beifall)

Ich übermittle Ihnen im Namen des ganzen Hauses herzliche Glückwünsche: Gesundheit und Wohlergehen für das vor Ihnen liegende neue Lebensjahr!

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 15, den Dringlichen Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen mit zwei Ausnahmen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort: Zum einen haben sich die Fraktionen darauf verständigt, die Beratungszeitpunkte der Tagesordnungspunkte 20 und 24 zu tauschen, sodass heute Vormittag zunächst Tagesordnungspunkt 24 und heute Nachmittag dann Tagesordnungspunkt 20 behandelt werden soll. Zum anderen soll, wie gestern vereinbart, nach Tagesordnungspunkt 27 zusätzlich der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/506 in zweiter Beratung behandelt werden.

Die heutige Sitzung soll somit gegen 19.05 Uhr enden.

Ich darf Sie herzlich bitten, Ihre Reden bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr, an den Stenografischen Dienst zurückzugeben.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr die Schriftführerin mit.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung Herr Ministerpräsident Wulff, der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Herr Dr. Rösler von 15.30 Uhr bis 17.30 Uhr, Herr Finanzminister Möllring nach der Mittagspause und der Minister für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung Herr Ehlen ebenfalls nach der Mittagspause. Von der Fraktion der SPD haben sich entschuldigt Frau Emmerich-Kopatsch, Frau Hartmann, Herr Schwarz und Herr Brunotte nach

der Mittagspause. Von der FDP-Fraktion hat sich Herr Rickert bis zur Mittagspause entschuldigt.

Soweit die Entschuldigungen. Vielen Dank.

Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 15:

Dringliche Anfragen

Es liegen drei Dringliche Anfragen vor. Die für die Behandlung Dringlicher Anfragen geltenden Geschäftsordnungsbestimmungen setze ich als allgemein bekannt voraus. Ich weise aber gesondert darauf hin, dass einleitende Bemerkungen zu den Zusatzfragen nicht mehr zulässig sind. Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich Sie, sich schriftlich zu Wort zu melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.

Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 15 a:

Der Teufel steckt im Detail - Weiß die Landesregierung, was sie mit der Veränderung der Schulstruktur „vor Ort“ konkret bewirkt? - Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 16/1003

Dazu erteile ich jetzt dem Kollegen Borngräber von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat: Der Teufel steckt im Detail. Weiß die Landesregierung, was sie mit der Veränderung der Schulstruktur „vor Ort“ konkret bewirkt? - Nach der Kabinettsvorlage „Bildungsland Niedersachsen - Erfolge und Herausforderungen“ plant die Landesregierung Maßnahmen, die die Schullandschaft in Niedersachsen nachhaltig verändern und aus Sicht der Betroffenen Nachteile für Eltern, Schülerinnen und Schüler, Schulen und Schulträger mit sich bringen werden. So will die Landesregierung, dass die Hauptschule zukünftig mit Elementen der Berufsausbildung belastet wird.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Was meint er mit „belastet“?)

Die Hauptschulen sollen dafür einen „institutionellen Verbund“ mit einer berufsbildenden Schule bilden. Schülerinnen und Schüler des 9. und 10. Schuljahrgangs sollen dann an zwei Tagen pro

Woche Fachpraxis- und Fachtheorieunterricht im Umfang von 14 Stunden an der berufsbildenden Schule erhalten. Damit verlieren die Hauptschulen nach Auffassung sachkundiger Beobachter den Status einer allgemeinbildenden Schule. Das steht im Widerspruch zu den die Hauptschule betreffenden Vorschriften des Schulgesetzes. Die Realisierung der geplanten Maßnahme führt danach außerdem dazu, dass es den Hauptschülerinnen und -schülern erschwert wird, an ihrer Schule den Realschulabschluss am Ende des 10. Schuljahrgangs zu erwerben. Nicht mehr eingelöst werden kann schließlich der Gesetzesauftrag,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten - Minister Dr. Rösler und David McAl- lister [CDU] besprechen sich an der Regierungsbank.)

- Sie können sich noch länger besprechen - die Schülerinnen und Schüler, Herr McAllister, zu befähigen, ihren Bildungsweg „auch studienbezogen“ fortzusetzen.

Auch in der Realschule geht die geplante „Berufsvorbereitung“ über die Aufgabe der „Berufsorientierung“ hinaus und dürfte ohne Schulgesetzänderung nicht zu realisieren sein. Die Maßnahme zwingt die Schülerinnen und Schüler frühzeitig durch die Wahl eines Profils zu einer Berufsentscheidung und erschwert ihnen den Übergang in die gymnasiale Oberstufe eines Gymnasiums oder einer Integrierten Gesamtschule. Die für die Hauptschulen und Realschulen vorgesehenen Maßnahmen stehen in eklatantem Widerspruch zu § 59 Abs. 1 Satz 3 des Niedersächsischen Schulgesetzes, wonach die verschiedenen Schulformen so aufeinander abzustimmen sind, dass für Schülerinnen und Schüler das „Prinzip der Durchlässigkeit“ realisiert wird.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche Auswirkungen haben die Maßnahmen auf die Stundentafel, auf die Klassenbildung und auf die Vergabe der Schulabschlüsse an der Hauptschule und an der Realschule sowie auf die Übergänge zwischen den einzelnen allgemeinbildenden Schulformen und auf die Übergänge auf Schulen des berufsbildenden Schulwesens?

2. Warum plant die Landesregierung Maßnahmen, die gegen § 59 Abs. 1 des Niedersächsischen Schulgesetzes verstoßen, und warum nimmt sie in Kauf, dass dadurch der letzte Rest an Durchlässigkeit zwischen den Schulformen zerstört wird?

3. Welche Auswirkungen werden die Maßnahmen auf die Unterrichtsversorgung, den Schulalltag und die Schulorganisation der berufsbildenden Schulen haben?

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin Heister-Neumann. Ich erteile Ihnen das Wort.

(Unruhe)

- Einen Augenblick, Frau Ministerin! - Ich möchte herzlich darum bitten, dass im Plenarsaal etwas mehr Ruhe einkehrt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Schulsystem in Niedersachsen bietet unterschiedliche Wege zum Abitur: Den eher akademisch ausgerichteten Schulweg mit dem Abitur nach 12 Jahren und auch eine eher berufsorientierte Schullaufbahn in Haupt- und Realschule mit der Möglichkeit, alle Abschlüsse zu erhalten - auch das Abitur, und zwar nach 13 Jahren.

Diese Landesregierung legt einen besonderen bildungspolitischen Schwerpunkt auf eine stärkere Profilierung der Hauptschule,

(Zustimmung bei der CDU - Wolfgang Jüttner [SPD]: Etwas mehr Beifall! Das sind ja Verzweiflungstaten!)

um erstens die Abschlussquote ihrer Schülerinnen und Schüler kontinuierlich zu erhöhen und um zweitens ihre Ausbildungsfähigkeit und ihre Berufswahlreife nachhaltig zu verbessern. Dazu haben wir die Zahl der Pflichtstunden erhöht, wir haben die Schülerzahl je Klasse auf 26 abgesenkt, die Hauptschulen überwiegend als Ganztagsschulen genehmigt,

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Es fehlen nur noch die Schüler!)

die Hauptschulen mit sozialpädagogischen Fachkräften ausgestattet und bis zu 80 Betriebs- und Praxistage ermöglicht, die von den Schulen umfassend zur beruflichen Orientierung der Schülerinnen und Schüler genutzt werden.

Seit 2003 wird in Schulversuchen und -projekten die enge Verzahnung von Hauptschule und be

rufsbildender Schule erprobt. Die Ergebnisse sind außerordentlich erfolgreich. So ist beispielsweise seit Beginn eines Schulversuchs im Jahre 2004 die Quote der Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss von 19 % auf 0 % abgesenkt worden, und mehr als zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler erhielten einen Ausbildungsplatz, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Als Fazit aus diesen Modellprojekten und Schulversuchen ist festzustellen: Die zielorientierte systematische Berufsorientierung bis hin zur Vermittlung einer beruflichen Grundbildung verbessert die Grundhaltung der Schülerinnen und Schüler zur Schule. Sie verbessert ihre Leistungen, und sie verbessert damit ihre Berufschancen. Deshalb werden wir die Zusammenarbeit der Hauptschule und der berufsbildenden Schule intensivieren. Lehrkräfte der berufsbildenden Schulen werden verstärkt in der Hauptschule unterrichten, Hauptschülerinnen und Hauptschüler in der berufsbildenden Schule Unterricht erhalten. Übrigens kann man den Satz des Pythagoras genauso gut beim Bau einer Treppe lernen wie in der Hauptschule beim Studieren des Mathematikbuchs.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Inhalte der Hauptschule lassen sich durch Berufsbezogenheit des Unterrichts in der berufsbildenden Schule miteinander verknüpfen.

Nicht nur die eine Schule, sondern viele Hauptschulen haben sich mittlerweile bereits auf den Weg gemacht, und deren positive Erfahrungen greifen wir auf. Wir werden flexible Lösungen für Hauptschulen und berufsbildende Schulen nach den regionalen Besonderheiten ermöglichen. Damit erhalten die Schülerinnen und Schüler künftig sowohl eine grundlegende Allgemeinbildung als auch eine systematische berufliche Orientierung bis hin zu einer beruflichen Grundbildung. Damit berücksichtigen wir die Anforderungen der Berufsausbildung und auch der Berufsausübung. Wir verbessern die Chancen der Schülerinnen und Schüler sowohl zum Eintritt in den Arbeitsmarkt als auch zur Fachhochschul- oder auch der Hochschulreife.

Die erfolgreichen Realschulen sollen weiter profiliert werden. Die Schülerinnen und Schüler sollen neben der erweiterten Allgemeinbildung eine solide Grundbildung mit berufsvorbereitenden Elementen erhalten. Damit wird ihnen ermöglicht, nach Abschluss des 10. Schuljahrgangs ein Gym

nasium oder Fachgymnasium zu besuchen. Durch die Bildung von Profilen wie Wirtschaft, Technik sowie Gesundheit und Soziales erleichtern wir den Schülerinnen und Schülern den Weg z. B. in das Fachgymnasium.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Schülerinnen und Schüler können sich rechtzeitig orientieren. Sie können eventuelle Warteschleifen vermeiden, und auch Fehlentscheidungen werden weniger häufig getroffen werden. Die Möglichkeit, das Abitur auf diesem Weg zu erreichen, ist gerade für die sogenannten Spätstarter durchaus attraktiv. So eröffnet die Realschule den Schülerinnen und Schülern eine hervorragende Möglichkeit, sich auf eine spätere Berufsausbildung oder aber auch auf ein künftiges Studium vorzubereiten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)