Protokoll der Sitzung vom 21.01.2010

Mitteilungen des Präsidenten

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 19 - Dringliche Anfragen. Anschließend behandeln wir die verbleibenden Tagesordnungspunkte mit Ausnahme des bereits gestern erledigten Tagesordnungspunktes 22 in der Reihenfolge der Tagesordnung.

Die heutige Sitzung soll gegen 18 Uhr enden. Sollten sich die Fraktionen allerdings darauf verständigen, noch einen der für den Nachmittag vorgesehenen Tagesordnungspunkte auf den Vormittag vorzuziehen, würde die Sitzung bereits gegen 17 Uhr enden. Ich darf die Fraktionen bitten, mir entsprechende Verabredungen gegebenenfalls rechtzeitig mitzuteilen, damit sich alle Kolleginnen und Kollegen darauf einstellen können.

Ich darf Sie herzlich bitten, Ihre Reden rechtzeitig an den Stenografischen Dienst zurückzugeben.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr die Schriftführerin mit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Entschuldigt haben sich von der Fraktion der SPD Frau Somfleth, Herr Schminke, von der Fraktion der FDP Frau König ab 14.30 Uhr und von der Fraktion DIE LINKE Frau Flauger.

Vielen Dank. - Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 19 auf:

Dringliche Anfragen

Es liegen drei Dringliche Anfragen vor. Die für die Behandlung Dringlicher Anfragen geltende Geschäftsordnungsbestimmung setze ich als allgemein bekannt voraus.

Wie bereits im Zusammenhang mit der Behandlung der Anträge zur Aktuellen Stunde möchte ich auch hier darauf hinweisen, dass wir, nachdem wir die Geschäftsordnung im vergangenen Tagungsabschnitt geändert haben, die Anfragen heute erstmals in der Reihenfolge der Fraktionsstärken behandeln, wobei, wie Sie wissen, auch hier der Anspruch, die erste Anfrage stellen zu dürfen, zwischen den Fraktionen von Tagungsabschnitt zu Tagungsabschnitt wechselt.

Zur Anwendung kam im letzten Tagungsabschnitt bereits, dass jede Fraktion bis zu fünf Zusatzfragen stellen kann. Ich weise im Übrigen darauf hin, dass einleitende Bemerkungen zu den Zusatzfragen wie immer nicht zulässig sind.

Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich Sie, dass Sie sich nach wie vor schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 19 a auf:

Wurde Christian Wulff zu einer rechtswidrigen Vorteilsnahme „gezwungen“? - Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 16/2092

Zur Einbringung erteile ich dem Kollegen Bartling von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel flog Ministerpräsident Wulff mit drei Familienangehörigen am 20. Dezember 2009 für zwei Wochen in einen privaten Weihnachtsurlaub nach Miami in Florida. Gebucht hat er diesen Flug nach eigenen Angaben bei Air Berlin für die günstige Economy-Klasse bereits im Mai 2009. Geflogen sind er und die gesamte Familie dann aber in der um viele tausend Euro teureren Business-Klasse. Zurückgekehrt ist er offenbar am 3. Januar 2010.

Der Ministerpräsident erklärt nun, dass dieses kostenfreie Upgrade seinem Büro erst drei Tage vor dem Abflug und ihm selbst erst am Tag des Abflugs bekannt geworden sei und er an der bevorzugten Behandlung nichts mehr habe ändern können.

Es kommt zwar vor, dass von den Fluggesellschaften am Flughafenschalter direkt vor dem Abflug ein solches Upgrade wegen Überbuchungen vorgenommen wird. Der Fall des Ministerpräsidenten

liegt jedoch anders: Hier wurde laut Nachrichtenmagazin Der Spiegel „der günstige Luxustransport“ persönlich vom Air-Berlin-Konzernchef Joachim Hunold veranlasst. Auf Nachfrage des Nachrichtenmagazins Der Spiegel - offenbar in der vergangenen Woche - erklärte der Sprecher des Ministerpräsidenten, dass der Differenzbetrag zwischen Economy-Klasse und Business-Klasse bereits abgebucht sei. Wörtlich laut dpa: „Die Sache ist erledigt.“

Für die endgültige Klärung der Hintergründe dieses Vorganges stehen allerdings noch einige Fragen zum Ablauf offen. Ich frage deshalb die Landesregierung:

1. Das Büro des Ministerpräsidenten will drei Tage vor Abflug von dem Upgrade erfahren haben, wann genau - Datum -, von wem und wie ist das Büro informiert worden, und wann - Datum -, von wem und wie hat der Ministerpräsident selbst davon Kenntnis erhalten?

2. Die Zurückweisung der Begünstigung macht eine Kontaktaufnahme mit Air Berlin und mit Herrn Hunold nötig. Ab welchem Zeitpunkt - auch hier bitte genaues Datum -, wie und wem gegenüber hat sich der Ministerpräsident um die Klärung des Vorganges bemüht?

3. Ist die Überweisung des Differenzbetrages nach oder vor der Nachfrage des Nachrichtenmagazins Der Spiegel - unter genauer Datumsangabe der beiden Vorgänge - veranlasst worden?

Für die Landesregierung antwortet der Herr Ministerpräsident. Bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin am 21. Dezember 2009 mit meiner Frau und unseren 20 Monate und sechs Jahre alten Kindern mit Air Berlin von Düsseldorf in den Weihnachtsurlaub nach Miami/Florida in den USA geflogen. Ursprünglich sollte der Hinflug am 20. Dezember 2009 stattfinden. Aufgrund der widrigen Witterungsverhältnisse am Düsseldorfer Flughafen ging der Flug erst verspätet ab. Am 3. Januar sind wir mit Air Berlin von Miami nach Düsseldorf zurückgeflogen und am 4. Januar dort eingetroffen.

In den USA haben wir im Privathaus eines Freundes in Coral Springs in Florida unseren Weihnachtsurlaub verbracht. Mit diesem Freund, der

jetzt im Ausland lebt, bin ich seit frühen Jugendzeiten in Osnabrück eng verbunden.

Meine Frau hat die Flüge für uns und zunächst drei Kinder am 29. Mai 2009 per Mail bei der Geschäftsleitung von Air Berlin gebucht. Aufgrund meines Sicherheitsstatus als Ministerpräsident werden in der Regel Dienst- und Privatflüge mit Air Berlin auf diesem Wege über das Büro der Geschäftsleitung gebucht. Mein Konto wurde am 24. August 2009 in Höhe von 3 626 Euro durch die Fluggesellschaft belastet.

Später hat sich meine Tochter dazu entschlossen, die Reise nicht mit anzutreten und Weihnachten in Osnabrück zu verbringen, weil sie im Frühjahr dieses Jahres ohnehin einen USA-Aufenthalt vor sich hat. Deshalb haben wir ihren Flug stornieren lassen. Dafür sind mir 808 Euro erstattet worden. Am 4. Januar 2010 wurden mir weitere 59 Euro gutgeschrieben. Dem Internet entnehme ich, dass das allen gutgeschrieben wurde. Es ist noch nicht ganz geklärt, ob diese 59 Euro wegen veränderter Kerosinzuschläge erstattet wurden oder wegen der Verspätung. Das wird noch geklärt.

Insgesamt habe ich demnach für die Flüge von zwei Erwachsenen und zwei Kindern 2 759 Euro bezahlt. Obwohl wir für die Economyclass gebucht haben, sind wir hin und zurück in der Businessclass geflogen.

Wegen meines Sicherheitsstatus werden sowohl alle Dienst- als auch Privatflüge mit Air Berlin bei der Geschäftsleitung gebucht. Außerdem werden Flughäfen und Fluggesellschaften obligatorisch seitens der Bundes- bzw. der Landespolizei über Passagiere mit Sicherheitsstatus informiert. Insofern war die Geschäftsleitung von Beginn an über unseren Flug informiert.

Darüber hinaus haben sich meine Frau und Herr Hunold am Rande seines Geburtstages über unsere jeweiligen Weihnachtsurlaube und auch den für uns bei Air Berlin gebuchten Flug unterhalten. Herr Hunold hat dabei angeregt, aus Sicherheitsgründen für die ganze Familie ein Upgrade vorzunehmen, sofern freie Plätze in der Businessclass zur Verfügung ständen. Ein kurzfristiges Upgrade sei bei freien Plätzen in der Businessclass üblich. Dies liege im Interesse der Fluggesellschaft; denn die so gewonnenen Plätze in der Economyclass ließen sich für die Gesellschaft bei Urlaubsflügen leichter verkaufen als Business-Plätze. Darüber hat mich meine Frau informiert, und ich habe mein Büro davon unterrichtet.

Mein Büro hat anlässlich einer üblichen und routinemäßig erfolgenden Kontaktaufnahme etwa eineinhalb Wochen vor dem Abflugtermin mit dem Büro der Geschäftsleitung über Einzelheiten des Fluges gesprochen. Meinem Büro wurde u. a. seitens Air Berlin mitgeteilt, dass über ein Upgrade kurzfristig entschieden werde.

Am 11. Dezember 2009 haben meine Frau und ich Herrn Hunold beim Nord-Süd-Dialog in Hannover getroffen. Bei dieser Gelegenheit habe ich Herrn Hunold verdeutlicht, dass ein Upgrade für mich nur infrage käme, wenn tatsächlich unbesetzte Plätze vorhanden seien und so der Fluggesellschaft kein Nachteil entstünde.

Am 18. Dezember hat sich mein Büro bei der Geschäftsleitung von Air Berlin nach dem Sachstand erkundigt. Meinem Büro wurde mitgeteilt, dass die Tickets bereits am Vortag elektronisch übersandt worden seien. Dabei ist mein Büro auch über das vorgenommene Upgrade für den Hinflug unterrichtet worden.

An diesem Tag, also am 18. Dezember, sind mir mehrere Aktenkoffer mit nach Hause geschickt worden. Darunter befanden sich eilige Vorlagen, die von mir noch vor Abflug zu erledigen waren, Vorbereitungen für die wichtigsten Termine nach meinem Urlaub sowie Akten, die ich während des Urlaubs lesen und bearbeiten wollte, und darüber hinaus auch die Terminmappe für den 20. Dezember mit allen Reiseunterlagen. Diesen habe ich am 20. Dezember entnommen, dass die Tickets für den Hinflug von der Economyclass auf die Businessclass hochgestuft worden waren. Am 3. Januar, dem Tag der Rückreise, wurde mir mitgeteilt, dass unsere Tickets auch für den Rückflug hochgestuft worden sind.

Am 12. Januar 2010 hat sich das Nachrichtenmagazin Der Spiegel in der Pressestelle der Staatskanzlei gemeldet, Fragen zu meiner Urlaubsreise gestellt und um Antwort bis zum 14. Januar gebeten. Am 14. Januar habe ich mit meinem Regierungssprecher die Anfrage besprochen. Hier ist mir bewusst geworden, dass in meinem Fall durch das im Flugverkehr übliche Upgrade von Passagieren der Anschein einer zu beanstandenden Besserstellung entstehen könnte. Um dies zu vermeiden, habe ich unverzüglich den Auftrag erteilt, dass der Differenzbetrag zwischen Economy- und Businessclass von meinem Konto eingezogen wird. Der Betrag in Höhe von 3 056 Euro ist noch am 14. Januar von Air Berlin zur Einziehung veranlasst worden, und wurde am 18. Januar meinem Konto

belastet. Am 15. Januar habe ich eine neue Rechnung in Höhe von 5 815 Euro erhalten.

Sehr geehrte Damen und Herren, das Upgrade hätte nicht in Anspruch genommen werden dürfen. Es war ein Fehler. Das räume ich ohne Wenn und Aber ein. Ich hätte mir von vornherein, spätestens bei Antritt der Reise, bewusst machen müssen, dass trotz meines Sicherheitsstatus und der im Alltag üblichen Upgrades ein solches Verfahren bei Privatflügen eines Ministerpräsidenten Fragen aufwirft. Ein Politiker muss jeden Anschein einer Besserstellung vermeiden. Deshalb habe ich, als mir dies bewusst wurde, den Differenzbetrag zwischen der Economy- und der Businessclass von meinem Konto einziehen lassen, noch bevor eine Veröffentlichung feststand. Es ist richtig: Mir ist dies erst bewusst geworden, als die Presseanfrage gestellt wurde.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich beantworte die von Ihnen gestellten drei Fragen wie folgt:

Zu 1: Am 18. Dezember 2009 hat sich mein Büro bei der Geschäftsleitung von Air Berlin nach dem Sachstand erkundigt. Meinem Büro wurde mitgeteilt, dass die Tickets bereits am Vortag, also am 17. Dezember, elektronisch übersandt worden seien. Dabei ist mein Büro auch über das vorweggenommene Upgrade für den Hinflug unterrichtet worden. An diesem Tag ist mir neben anderen Unterlagen auch die Terminmappe für den 20. Dezember übermittelt worden. Aus dieser habe ich am 20. Dezember entnommen, dass die Tickets für den Hinflug von der Economyclass auf die Businessclass hochgestuft worden waren.

Zu 2: Es hat keine Zurückweisung, sondern eine Inanspruchnahme des Upgrades gegeben; denn ich habe das Upgrade auch wegen der Sicherheitsargumente bis zum 14. Januar nicht als einen zu beanstandenden Vorteil erkannt, den ich hätte zurückweisen müssen. Am 12. Januar hat sich das Nachrichtenmagazin Der Spiegel in der Pressestelle gemeldet, Fragen zu meiner Urlaubsreise gestellt und um Antwort bis zum 14. Januar gebeten. Am 14. Januar habe ich mit meinem Regierungssprecher die Anfrage besprochen. Hier ist mir bewusst geworden, dass in meinem Fall durch das sonst übliche Upgrade der Anschein einer zu beanstandenden Besserstellung entstehen könnte. Um das zu vermeiden, habe ich unverzüglich den Auftrag erteilt, den Differenzbetrag einzuziehen. Er ist dann eingezogen worden; mein Konto ist belastet worden. Am 15. Januar ist eine neue Rechnung über 5 815 Euro ausgestellt worden.

Zu 3: Die Nachfrage des Spiegel in der Pressestelle der Staatskanzlei war am 12. Januar. Der Differenzbetrag in Höhe von 3 056 Euro ist am 14. Januar von Air Berlin zur Einziehung veranlasst worden und wurde am 18. Januar meinem Konto belastet. Am 15. Januar habe ich die neue Rechnung über 5 815 Euro erhalten. Am 16. Januar erfolgte das erste Mal eine Berichterstattung in Spiegel Online.

Ich beantworte gerne alle Ihre weitergehenden Fragen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine erste Zusatzfrage stellt der Kollege Bartling von der SPD-Fraktion.

Herr Ministerpräsident, Sie haben eben dargestellt, dass die Ursprungsreise einen Betrag von 2 759 Euro ausmachte. Ich frage Sie, ob der von Ihnen zusätzlich bezahlte Erstattungsbetrag den tatsächlichen Kosten für eine Reise in der Businessclass mit Air Berlin für alle Mitglieder der Reisegesellschaft entspricht oder ob der übliche Preis ein anderer ist.

(Unruhe bei der CDU - Glocke des Präsidenten)

Herr Ministerpräsident!

Ich kann die Frage ohne Wenn und Aber mit einem klaren Ja beantworten; denn ich habe Wert darauf gelegt, dass keine Diskussion darüber entsteht, ob man bei kurzfristigen Upgrades eventuell pro Platz 500 Euro oder dieses oder jenes bezahlt. Ich habe gesagt, dass ich das bezahlen will, was ich hätte bezahlen müssen, wenn ich im Mai 2009 Plätze in der Businessclass geordert hätte. Der Preis ergibt sich aus zwei Erwachsenen, einem Kind von sechs Jahren und einem Kind von unter zwei Jahren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)