Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit dem Tagesordnungspunkt 26, Dringliche Anfragen. Anschließend erledigen wir die weiteren Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung. Die heutige Sitzung soll gegen 18.30 Uhr enden.
Ich darf Sie bitten, Ihre Reden bis Donnerstag, den 25. März 2010, an den Stenografischen Dienst zurückzugeben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung Herr Justizminister Busemann von 9.15 Uhr bis ca. 15.45 Uhr,
der Minister für Inneres, Sport und Integration, Herr Schünemann, ab ca. 15.30 Uhr nach Beendigung der Mündlichen Anfragen. Von der Fraktion der FDP hat sich Herr Rickert entschuldigt.
Vielen Dank. - Ich nehme die Bemerkung auf. Ich gehe davon aus, dass im Hinblick auf die Abwesenheit von Minister Busemann noch eine Absprache der Parlamentarischen Geschäftsführer stattgefunden hat und dass da Einverständnis erzielt worden ist.
Es liegen drei Dringliche Anfragen vor. Die Fraktionen sind übereingekommen, die Anfragen unter a und c gemeinsam zu behandeln. Ich halte das Haus damit einverstanden, dass nach der Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Anfrage der Fraktion der SPD zunächst die Antworten der Landesregierung vorgetragen werden, ehe anschließend die Zusatzfragen zu beiden Anfragen, insgesamt dann also bis zu zehn Fragen je Fraktion, gestellt werden können. Die für die Behandlung Dringlicher Anfragen geltenden Geschäftsordnungsbestimmungen setze ich als allgemein bekannt voraus. Ich weise, wie üblich, besonders darauf hin, dass einleitende Bemerkungen zu den Zusatzfragen nicht zulässig sind.
Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich Sie, dass Sie sich schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.
Verstoßen neue Arbeiten in Gorleben gegen Atomrecht? - Bereiten Röttgen und Wulff einen Rechtsbruch vor? - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/2328
„Röttgen lässt die Maske fallen“ - Unterstützt die Landesregierung die Entscheidung für Gorleben? - Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 16/2327
Zur Einbringung der Dringlichen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Herrn Kollegen Wenzel das Wort. Bitte!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Neue Arbeiten in Gorleben verstoßen gegen Atomrecht. Bereiten Wulff und Röttgen einen Rechtsbruch vor?
Die offenbar geplanten weiteren Ausbauarbeiten in Gorleben sind nach Ansicht von Juristen rechtlich als Beginn der Errichtung eines Endlagers nach dem Atomgesetz zu bewerten. Wenn Bundesmi
nister Röttgen und Ministerpräsident Wulff in Gorleben nach Bergrecht weitermachen wollen, verstoßen sie nach Ansicht von Juristen gegen das Gesetz. Offenbar haben sich der Antragsteller Bund und das Land als Genehmigungsbehörde verabredet, die rechtlichen Normen für die Errichtung von Atommülllagern in Deutschland zu umgehen.
Der ursprüngliche Antrag auf Erlass eines Rahmenbetriebsplanes für Gorleben stammt aus dem Jahr 1983. Damals wurde behauptet, dass die Erkundung bis 1992 abgeschlossen werde. In der Zwischenzeit haben sich fast alle Rahmenbedingungen grundlegend geändert.
1. Welche Verabredungen wurden bei der Kabinettssitzung vom 2. März 2010 in Anwesenheit von Bundesminister Röttgen zwischen Bundes- und Landesregierung zu Gorleben getroffen?
2. Auf welche Rechtsgutachten von welchen Juristen stützen sich die Landes- und die Bundesregierung, wenn sie die Auffassung vertreten, dass weitere Ausbauarbeiten in Gorleben ohne Anwendung von Atomrecht möglich seien?
3. Welche Funktion hat Gorleben in den Entsorgungsvorsorgenachweisen der 17 Atomkraftwerke in Deutschland laut den Meldungen der Inhaber von Genehmigungen zum Betrieb von laufenden Atomkraftwerken?
Zur Einbringung der Dringlichen Anfrage der Fraktion der SPD erteile ich der Kollegin SchröderEhlers das Wort. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Röttgen lässt die Maske fallen“ - Unterstützt die Landesregierung die Entscheidung für Gorleben?
Die Hannoversche Allgemeine Zeitung berichtete am Samstag, dem 13. März 2010, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung eine Entscheidung getroffen habe: Der Salzstock Gorleben in Niedersachsen wird weiter auf seine Eignung als Endlager für hochradioaktiven Atommüll untersucht. Am Montag, dem 15. März 2010, schreibt die HAZ: „Röttgen lässt die Maske fallen“ - Röttgen
wolle dem Vernehmen nach erklären, dass die Bundesregierung keine alternativen Endlagerstandorte zu Gorleben suchen werde.
Somit wird die am 22. Februar 1977 vom damaligen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU) politisch getroffene Entscheidung pro Gorleben von Röttgen (CDU) bestätigt. Trotz des unmittelbar bevorstehenden Parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Bundestag zum Standort Gorleben, trotz des gescheiterten Versuchs, im Bergwerk Asse II Atommüll einzulagern, trotz massiver Kritik der betroffenen Menschen in diesem Land lässt die CDU/FDP nach Einschätzung von Beobachtern nichts unversucht, um Niedersachsen zum „Atomklo der Nation“ zu machen. Weiterhin wird die Anwendung des Atomrechts verweigert. So falle die Bundesregierung auch nach den Problemen bei Asse II bei der Standortsuche wieder in unbewährtes Bergrecht zurück.
1. Welche Position - politisch und rechtlich - vertritt die Landesregierung zur Verlängerung der Nutzung der Atomenergie und in Bezug auf die ungeklärte Endlagerfrage im Zusammenhang mit Gorleben?
2. Inwiefern wird sich die Landesregierung vor dem Hintergrund internationaler Sicherheitsanforderungen dafür einsetzen, dass auch andere Standorte in Deutschland untersucht werden, wie z. B. Granit in Süddeutschland, bzw. wie vertritt sie die niedersächsischen Belange nach einer gerechten Lastenverteilung?
3. Inwiefern positioniert sich Minister Sander - „der beste Umweltminister, den wir in Deutschland haben, auf den wir stolz sind“;
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Björn Thümler [CDU]: Sehr richtig! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Weltweit!)
nis 90/Die Grünen mit dem Titel „Verstoßen neue Arbeiten in Gorleben gegen Atomrecht?“ folgende Vorbemerkung: Nach dem Rahmenbetriebsplan von 1982 - beantragt 1982; das ist ein ganz wichtiges Datum, weil es zeigt, wer das beantragt hat - umfasst die untertägige Erkundung des Salzstockes Gorleben alle rein bergmännischen und geowissenschaftlichen Arbeiten, um detaillierte Kenntnisse über das Salzstockinnere zu gewinnen. Diese Kenntnisse sind Voraussetzung für die Beantwortung der Frage, ob die Sicherheit im Falle der Einlagerung radioaktiver Abfälle gewährleistet ist und welche Mengen von Abfällen in den einzelnen Bereichen des Salzstockes gelagert werden können.
Das Erkundungsprojekt umfasst das Abteufen zweier Schächte, das Auffahren horizontaler Strecken bis zu je 4 000 m parallel nach Nordosten und Südwesten sowie das Stoßen von Erkundungsbohrungen. Der Erkundungsbereich liegt in 800 bis 850 m Tiefe und umfasst einen Raum von ca. 2 000 mal 9 000 mal 300 m. Das bei der Erkundung anfallende Salz wird östlich von Schacht 2 aufgehaldet.
Der Rahmenbetriebsplan wurde erstmalig am 9. September 1983 zugelassen und wegen Nichteinhaltung der ursprünglichen Zeitplanung zwischenzeitlich mehrmals verlängert. 1998 hat der Bund entschieden, anstelle der zuvor geplanten parallelen Erkundung nach Nordosten und Südwesten nunmehr zunächst nur den Nordosten zu erkunden. Ziel ist nach Aussage des Bundes jedoch weiterhin die Erkundung des gesamten Salzstockes. Diese wurde dementsprechend von der Bergbehörde unverändert zugelassen.
Die jüngste Verlängerung umfasst den Offenhaltungsbetrieb. In dem zugehörigen Antrag vom 28. Juli 2000 führte der Bund unter Hinweis auf die sogenannte Konsensvereinbarung vom 14. Juni 2000 aus, dass die Erkundung bis zur Klärung konzeptioneller, sicherheitstechnischer Fragen für mindestens drei, längstens jedoch zehn Jahre unterbrochen werde. Das Moratorium bedeute jedoch keine Aufgabe von Gorleben als Standort für ein Endlager. Diese Aussage haben übrigens der damalige Bundeskanzler, Gerhard Schröder, und sein damaliger Bundesumweltminister, Jürgen Trittin, unterschrieben. Nach dem Rahmenbetriebsplan wird das Vorhaben als Ganzes weder durch die Änderung der Reihenfolge der Erkundung noch durch das Moratorium berührt.
Die aktuelle Zulassung wurde antragsgemäß bis zum 30. September 2010 befristet. Spätestens bis zum 30. März 2010 ist der Bergbehörde ein Folgebetriebsplan vorzulegen. Ein förmlicher Antrag liegt der Bergbehörde bislang nicht vor. Dementsprechend kann die Landesregierung derzeit keine Angaben zu den konkreten Erkundungsplanungen des Bundes ab dem 1. Oktober 2010 und zu eventuellen wesentlichen, bergrechtlich relevanten Änderungen machen.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfolgt die Erkundung in Gorleben ergebnisoffen nach dem Bergrecht. Erst nach Vorliegen einer positiven Eignungsaussage wäre ein atomrechtliches Planfeststellungsverfahren einzuleiten, in dem zu gegebener Zeit alle konzeptionellen und sicherheitsrelevanten Fragestellungen in Bezug auf die potenzielle Errichtung eines Endlagers zu klären sind.