Protocol of the Session on January 16, 2009

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Guten Morgen, Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 29. Sitzung im 10. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 16. Wahlperiode.

Die Beschlussfähigkeit werde ich zu einem späteren Zeitpunkt feststellen.

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit der Fragestunde. Das ist Tagesordnungspunkt 23. Dann folgt Tagesordnungspunkt 2, die Fortsetzung der Eingabenberatung, die wir mit den unstrittigen Eingaben bereits begonnen haben. Anschließend erledigen wir die weiteren Tagesordnungspunkte mit Ausnahme von Tagesordnungspunkt 26, den wir bereits am Mittwoch behandelt haben, in der Reihenfolge der Tagesordnung, wobei es allerdings noch eine Änderung gibt, da, wie mir eben übermittelt worden ist, Tagesordnungspunkt 25 direkt überwiesen werden soll.

Die heutige Sitzung wird damit nicht gegen 13.05 Uhr enden, sondern wir werden ca. 12.30 Uhr zum Ende der Beratungen kommen.

Ich darf Sie herzlich bitten, Ihre Reden rechtzeitig an den Stenografischen Dienst zurückzugeben.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr die Schriftführerin mit.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Entschuldigt haben sich von der Landesregierung Finanzminister Herr Möllring, von der Fraktion der CDU Frau Jahns und Herr Deppmeyer, von der Fraktion der SPD Frau Emmerich-Kopatsch, Frau Hartmann und Frau Krause-Behrens, von der Fraktion der FDP Herr Rickert, von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Klein und von der Fraktion DIE LINKE Frau Zimmermann.

Vielen Dank. Im Ergebnis stelle ich fest, es sind noch genug Abgeordnete da, sodass wir die Beratungen nicht einstellen müssen.

Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 23:

Mündliche Anfragen - Drs. 16/790

Die Frage 4 wurde von den Fragestellern zurückgezogen. Deshalb rückt auf Position 4 die Frage 9 und auf Position 9 die Frage 11.

Die für die Fragestunde geltenden Regelungen unserer Geschäftsordnung setze ich als bekannt voraus.

Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich Sie, dass Sie sich nach wie vor schriftlich zu Wort melden, auch wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.

Ich stelle fest, es ist 9.03 Uhr, und rufe Frage 1 auf:

Verhindert Niedersachsen eine nachhaltige Lösung bei der Weserversalzung?

Die Frage stammt von den Kollegen Limburg, Meyer, Wenzel und Frau Helmhold. Dazu erteile ich dem Kollegen Meyer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren, ich lese jetzt die Frage vor.

Als eine mögliche Lösung zur langfristigen Vermeidung der weiteren Versalzung von Werra und Weser durch das Unternehmen K+S AG wird zurzeit die Errichtung einer Salzpipeline zur Nordsee diskutiert.

Neben Umweltverbänden, Wasserexperten und Bündnis 90/Die Grünen wird dies auch von vielen Kommunal- und Landespolitikern gefordert.

„Nur Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) sperrt sich“,

heißt es in der Nordsee-Zeitung vom 18. November 2008 in einem Bericht über die dritte WerraWeser-Anrainerkonferenz.

Laut Deister- und Weserzeitung (DEWEZET) vom 24. Oktober 2008 ist die Nordseepipeline eine von insgesamt fünf Maßnahmen des runden Tisches, die jetzt schnell untersucht werden sollen. Vom runden Tisch wurde dazu eine Expertise beschlossen, die neben der technischen Umsetzbarkeit auch die rechtlichen Fragen einer Genehmigung ernsthaft prüft.

Der Bremer Senat und die Bremer Bürgerschaft favorisieren ebenfalls zur Entlastung des Salzein

trags in die Weser eine ernsthafte Prüfung einer Nordseepipeline:

„Fest steht bereits heute, dass die Abraumhalden zusätzlich zu den diffusen Einträgen somit ein Langzeitproblem für die Werra und Weser in den kommenden Jahrtausenden darstellen werden, während die Abwässer aus der Produktion selbst nach Beendigung des Abbaus in einigen Jahrzehnten wegfallen werden. Der Bau einer Salzpipeline in die Nordsee würde jedoch relativ kurzfristig Abhilfe schaffen können. In Bezug auf die Verhältnismäßigkeit ist zu bedenken, dass die Pipeline langfristig zur Entsorgung der Kali-Abwässer dienen würde.“ (Drs. 17/418 der Bremer Bür- gerschaft)

(Unruhe)

Herr Kollege, ich darf Sie unterbrechen. - Ich möchte darum bitten, den Erfahrungsaustausch über den gestrigen Abend etwas dezenter vorzunehmen, damit der Herr Kollege ausreichend Gehör findet.

Danke, Herr Präsident! - Viele Kommunen und die Werra-Weser-Anrainerkonferenz fordern daher neben drastischen Reduzierungen des Salzabfalls an den Standorten eine Nordseepipeline, die weitgehend über niedersächsisches Gebiet gelegt werden müsste, um das Abkippen von täglich bis zu 200 Lkw-Ladungen Salzlauge in die Werra und damit in die Weser zu vermeiden. Im Süßwasserfluss Weser führt dieses zu erheblichen ökologischen und ökonomischen Belastungen und ist mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie unvereinbar.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Nachdem die Landesregierung noch in der Drs. 16/115 vom 28. April 2008 auf eine Mündliche Anfrage zum Vorschlag einer Nordseepipeline geantwortet hat, dass

„im Rahmen der Alternativprüfung zur Erarbeitung eines langfristigen, nachhaltigen, technisch und wirtschaftlich umsetzbaren Konzeptes u. a. auch die Verbringung anfallender Salzlau

gen an andere Standorte abzuwägen sein wird“,

heißt es in den Schaumburger Nachrichten vom 16. September 2008: „Sander: Pipeline nicht die Lösung“. Weiter heißt es, das Natriumchlorid aus dem Bergbau habe eine andere Zusammensetzung als die Nordsee und schade dem Naturpark Wattenmeer - „Naturpark“ stand so in der Zeitung.

Gleichzeitig soll an der Ems laut Pressemitteilung der Wingas GmbH vom 17. Dezember 2008 die Einleitstelle für die bei der Errichtung des Erdgaskavernenspeichers Jemgum entstehenden Millionen Kubikmeter an Salzlauge von Ditzum an der Ems über eine Pipeline in die Außenems, also in die Nordsee, erfolgen, nachdem die Landesregierung Einwände gegen die direkte Einleitung in die Ems erhoben hatte.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Warum teilt die Landesregierung - anders als an der Ems - nicht die Auffassung des runden Tisches, der Umweltverbände und vieler Kommunen und Landespolitiker, dass eine Nordseepipeline einen Beitrag für eine nachhaltige Lösung der Weserversalzung darstellen könnte und eine ernsthafte Prüfung verdiene?

2. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung - vor dem Hintergrund der Äußerungen des niedersächsischen Umweltministers - über die Zusammensetzung der infrage stehenden Salzlauge und der Abwässer der Abraumhalden von K+S (Schwermetalle, Salzgehalt, Konditionierungsmit- tel, Härtegrad, Giftstoffe etc.) ?

3. Wie schätzt die Landesregierung die Genehmigungsfähigkeit und Kosten für die diskutierte Salzpipeline zur Nordsee ein und wieso sind die ökologischen und ökonomischen Folgen der Einleitung in einem Salzmeer (etwa bei Einleitung außerhalb des Wattenmeers oder in der Wesermündung) höher als bei der intensiven Versalzung des Süßwasserökosystems Werra und Weser?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Landesregierung nimmt Herr Minister Sander Stellung.

(Unruhe)

- Ich bitte noch einmal, den Geräuschpegel deutlich abzusenken. Das müsste eigentlich möglich

sein. - Das scheint auch möglich zu sein. Bitte, Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur Mündlichen Anfrage „Klagt das Land endlich gegen die zunehmende Versalzung der Weser?“ des Abgeordneten Wenzel hatte die Landesregierung im Mai 2008 u. a. angemerkt, dass beim Abwägen von nachhaltigen Strategien und Lösungen zur Verringerung der Salzbelastung vorrangig alle nur denkbaren Alternativen, die bereits zur Vermeidung des Salzabwasseranfalls im Rahmen der Produktion beitragen, zu berücksichtigen seien.

Im Rahmen der Alternativenprüfung zur Erarbeitung eines langfristigen, nachhaltigen, technisch und wirtschaftlich umsetzbaren Konzeptes werde u. a. auch die Verbringung anfallender Salzlaugen an andere Aufnahmeorte abzuwägen sein. Das Unternehmen K+S sei allerdings in der unternehmerischen Verpflichtung, im Sinne einer umweltgerechten Produktion vorrangig Vermeidungsstrategien zu entwickeln und einzusetzen.

Diesem Grundsatz folgend, spricht sich die Landesregierung gegen ein vorschnelles und vor allem ausschließliches Fokussieren auf die Nordseepipeline als einzige Lösung und damit gegen eine verkürzte Maßnahmenbetrachtung aus.

Dies vor allem auch, weil diese Maßnahme allein zu keiner Reduktion der Salzabwassermenge vor Ort führt und sie damit nicht dem vorgenannten und eingeforderten Grundsatz, bereits an der Quelle Abfälle/Abwasser zu vermeiden, entspricht. Die K+S Kali GmbH hat im Sinne einer umweltgerechten Produktion nach wie vor die unternehmerische Verpflichtung, alle ihr möglichen Alternativen des Vermeidens vor Ort auszuschöpfen. Insbesondere, weil sich für K+S der drohende Entsorgungsnotstand an den Standorten in Hessen und Thüringen bereits länger abzeichnen musste, ist das Unternehmen in der Pflicht, kurzfristig ein in sich schlüssiges und belastbares Vermeidungs- wie Entsorgungskonzept vorzulegen. Das Ende Oktober vorgestellte Maßnahmenpaket ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. In der Pressemitteilung dazu ist aber auch zu lesen, dass es damit an die Grenzen des aus heutiger Sicht bis zum Jahr 2015 technisch Machbaren und des wirtschaftlich Vertretbaren gegangen sei.

Die Vorstellungen zu einer Nordseepipeline liegen erst im Ansatz vor. Die Überlegungen hierzu sind noch wenig konkret und daher bisher auch noch nicht fachlich wie ökonomisch näher konkretisiert. Fest steht, dass für den Bau der Pipeline eine Vielzahl von Zulassungen u. a. nach dem Raumordnungsrecht, dem Bergrecht, dem Wasserrecht, dem Naturschutzrecht und dem Baurecht erforderlich sind. Die Genehmigungsfähigkeit der Salzpipeline hängt von der Feststellung und Bewertung der vom Vorhaben ausgehenden Umweltbelastungen ab. Hierzu wird der runde Tisch aktuell eine Expertise in Auftrag geben.

Die Niedersächsische Landesregierung hat am runden Tisch darauf hingewiesen, dass im Rahmen einer Maßnahmenprüfung die derzeitigen und noch zu besorgenden Verhältnisse einschließlich der Konsequenzen durch das Einstellen der Produktion in Hessen und Thüringen mit einer Beeinträchtigung von Schutzgütern, insbesondere dem Schutz des Meeres, abzuwägen sind. Gleichzeitig hat sie deutlich gemacht, dass bei einer Maßnahmenprüfung mindestens folgende Aspekte berücksichtigt werden müssen: Querung von Schutzgebieten im Binnenland, bestehende Versalzung im Bereich der Unterweser, Zusammensetzung der Salzabwässer im Verhältnis zur Zusammensetzung des Nordseewassers, Beachtung der Schutzgüter Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, Beachtung des Küstenschutzes und eine Bündelung mit bzw. erforderliche Abstände zu Leitungstrassen anderer Nutzungen.

Auch weil bereits am runden Tisch die Frage aufgeworfen wird, ob sich nicht auch noch die Halden oder die im Untergrund befindlichen Salzabwässer, die das Grundwasser insbesondere in Hessen bedrohen, auf lange Sicht ebenfalls via Pipeline entsorgen lassen, sieht sich Niedersachsen als Hauptbetroffener einer Nordseepipeline und als Küstenland in der Verantwortung, nicht nur auf den Schutz der Weser, sondern auch auf den Schutz des Wattenmeeres und auf die Anforderungen der Meeresstrategierahmenrichtlinie hinzuweisen.