Protokoll der Sitzung vom 16.01.2009

Die in diesem Zusammenhang viel zitierten sehr groben überschlägigen Abschätzungen der Kosten einer Nordseepipeline stammen aus Überlegungen im Rahmen des hessischen Pilotprojektes aus dem Jahr 2007 zur Wasserrahmenrichtlinie. Diese basieren wiederum auf Angaben von Vorstudien zum Rahmenentwurf zum Bau einer Salzabwasserleitung zwischen 1977 und 1979, die angesichts der damals aus der DDR anfallenden Abwässer, die völlig ungeklärt in die Werra gelangt sind, als er

forderlich angesehen worden war. An die heutigen Preise angepasst wurden in dem Projekt überschlägig die Investitionskosten mit etwa 400 bis 500 Millionen Euro für Planung und Bau der Leitung und die jährlichen Betriebskosten mit etwa 13 Millionen Euro beziffert.

Ergebnis des hessischen Projekts war, dass diese Maßnahme nicht in die Liste der durchführbaren Wasserrahmenrichtlinien-Maßnahmen aufgenommen wurde. Grund dafür war vor allem die unterschiedliche Sichtweise der am Projekt Beteiligten, was finanziell zumutbar ist. Als Übergangslösung und Alternative zur Nordseepipeline wurde dort wie auch jetzt am runden Tisch eine Leitung direkt an die Weser diskutiert und aktuell mehrheitlich gegen die Stimme Niedersachsens favorisiert.

Die Investitionskosten wurden im Rahmen des Projekts überschlägig mit etwa 60 Millionen Euro angesetzt. Dies - die deutlich kürzere Leitungslänge und der derzeitige Diskussionsstand am runden Tisch - lassen befürchten, dass diese sogenannte Übergangslösung letztendlich zu einer Dauerlösung werden wird. Die Niedersächsische Landesregierung wird sich, auch unterstützt durch den Landtagsbeschluss vom 18. Oktober 2007 - Drs. 15/4146 - weiterhin dafür einsetzen, eine Verbesserung der Salzbelastung von Werra und Weser zu erreichen. Hierbei darf eine Verringerung der Salzbelastung der Werra aber nicht einseitig zulasten der Unterlieger und der marinen Umwelt stattfinden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die Genehmigungen für eine Soleeinleitung in die Ems bei Ditzum bzw. beim Rysumer Nacken zur Errichtung von Erdgaskavernenspeichern in Jemgum sind noch nicht erteilt. Beide Verfahren sind in vielerlei Hinsicht nicht mit der über 100 Jahre geschaffenen komplexen Situation an Werra und Weser zu vergleichen. Die Expertisen zu Rechts - und Verfahrensfragen für die Einleitung von Abwasser aus der Kaliproduktion in die Nordsee bzw. zur regionalwirtschaftlichen Bedeutung der Kaliproduktion und Monetarisierung der Umweltschäden im Auftrag des runden Tisches sind auf dem Weg der Vergabe. Damit findet eine ernsthafte Prüfung der Realisierung einer Nordseepipeline statt.

Die Niedersächsische Landesregierung spricht sich allerdings weiterhin gegen eine isolierte Betrachtung einer Pipeline zur Nordsee, insbesondere aber zur Weser aus, wenn nicht gleichzeitig

auch alle Salzabwasser vermeidenden Maßnahmen vor Ort geprüft werden.

Zu 2: Nach den Unterlagen der K+S Kali GmbH am runden Tisch setzen sich die Inhaltsstoffe in den festen/flüssigen Produktionsrückständen im hessisch-thüringischen Kalirevier aus den dort gewonnen unterschiedlichen Salzen wie Natrium, Kalium, Magnesium, Calcium, Chlorid, Sulfat, Bromid, aus Resten der Aufbereitungshilfsstoffe und deren Reaktionsprodukte wie z. B. Carbonsäuren, Fettsäuren und Alkoholen sowie rohsalz-, anlagen- und umgebungsbedingt aus Schwermetallen wie Blei, Eisen, Kupfer, Mangan, Nickel und Zink zusammen.

Die Zusammensetzung der Abwässer war Thema der letzten Sitzungen des runden Tisches und ist nach Ansicht der Niedersächsischen Landesregierung unbedingt im Rahmen einer Machbarkeitsstudie mit zu betrachten. Nach den bisherigen Darstellungen im Rahmen des runden Tisches geht von den Abwässern keine Wassergefährdung aus.

Zu 3: Die Einschätzungen zur Genehmigungsfähigkeit, zu den Kosten und zu den ökologischen und ökonomischen Folgen einer Pipeline sollen als Ergebnis der in Auftrag gegebenen Expertisen dem runden Tisch vorgelegt werden. Im Übrigen verweise ich auf die Vorbemerkungen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die erste Zusatzfrage stellt der Kollege Herzog für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Herr Minister, welche - auch quantitativen - wirtschaftlichen Auswirkungen haben die Einleitungen der Salzwässer auf die niedersächsische Landwirtschaft, Fischerei und Trinkwasserversorgung?

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister Sander, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Herzog, ich habe ja eben die Zusammensetzung der Einleitungsstoffe genannt und habe gleichzeitig gesagt, dass von den unterschiedlichen Zusammensetzungen - sowohl Salze

als auch Schwermetalle, die alle unter den Grenzwerten liegen - nach derzeitigem Stand keine Gefährdungen ausgehen.

Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Korter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Sander, Sie haben gerade erläutert, nach Ihren Erkenntnissen hätten die Abwässer, die in die Weser gelangen, keine schädlichen Auswirkungen. Nun ist aber aus der Presse bekannt, dass Sie den Bau einer Pipeline zur Nordsee auch aus umweltpolitischen Gründen ablehnen würden, weil er einen Eingriff in den Nationalpark Wattenmeer bedeute. Ich frage Sie in diesem Zusammenhang deshalb: Hat die Landesregierung eigentlich andere Eingriffe in den Nationalpark Wattenmeer, z. B. Probebohrungen in der vorhergehenden Zeit, bereits einmal abgelehnt?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Sander!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei allen Vorhaben, die Sie in einem Schutzgebiet planen, müssen Sie immer einen Abwägungsprozess vornehmen. Diesen Abwägungsprozess würden wir in dieser Frage, wenn sie sich stellen würde, auch einleiten. Sie kennen die Wasserrahmenrichtlinie. Die Wasserrahmenrichtlinie geht von einem Verschlechterungsverbot aus. Nehmen wir nun einmal das, was im Augenblick am runden Tisch angedacht wird. Der Bau einer Pipeline - darüber sind wir uns vielleicht alle einig - ist ein Projekt, das, wenn es gut geht, einen Zeitraum von zehn Jahren, wenn es schlecht geht, einen Zeitraum von 30 Jahren in Anspruch nehmen würde. Das heißt, dass eine zweite Frage zum Tragen kommt: Weil man eine Pipeline dann nicht mehr dementsprechend ins Thüringische legen würde, wie bisher geplant, sondern sofort in die Weser einleiten würde, würde es zu einer Verschlechterung der Wasserqualität der Weser kommen.

Ich kann einfach nicht nachvollziehen, weshalb gerade Sie mit den großen Ansprüchen, mit denen

Sie immer wieder auftreten, nämlich das Verschlechterungsverbot auf jeden Fall einzuhalten, uns jetzt noch dieses Ei ins Nest legen wollen, statt mit uns gemeinsam dafür zu streiten, dass an der Quelle die notwendigen Reduzierungen erreicht werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Helmhold von der Fraktion der Grünen.

Herr Präsident! Herr Minister, Sie wissen doch auch, dass im Moment täglich die Ladung von 200 Lkws mit Salz eingeleitet wird. Angesichts dessen und vor dem Hintergrund, dass Sie in der Drucksache 115 aus dieser Wahlperiode selber eingeräumt haben, dass dies durch die wasserrechtliche Erlaubnis nicht abgedeckt und rechtlich nicht abgesichert ist, frage ich die Landesregierung, ob sie in der Vergangenheit überhaupt einmal irgendetwas gegenüber der Hessischen Landesregierung unternommen hat, um diesen rechtswidrigen Zustand zu beenden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Sander!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Niedersächsische Landesregierung haben wir bei den Gesprächen, die wir mit dem hessischen Kabinett nach meiner Einschätzung zweimal in der vergangenen Wahlperiode geführt haben, das Thema der Versalzung von Werra und Weser immer wieder angesprochen. Wir haben dabei auch die niedersächsischen Interessen deutlich gemacht, die ich eben in der Beantwortung der Frage zum Ausdruck gebracht habe und die ich eben auch nochmals mit Bezug auf die EU-Wasserrahmenrichtlinie zu begründen versucht habe.

Ich weiß allerdings auch, dass es zwischen den Ländern Thüringen und Hessen als direkt Betroffenen Gespräche gibt. Immerhin geht es dort um die Sicherung einer nicht unwesentlichen Zahl von Arbeitsplätzen. Auch dieser Verantwortung stellen wir uns. Wir verfahren also nicht nach dem SanktFlorians-Prinzip, sondern sehen durchaus eine Gesamtverantwortung für die Beschäftigung in der

Bundesrepublik Deutschland und auch für die Versorgung mit Rohstoffen. Trotzdem müssen wir unsere niedersächsischen Interessen gewahrt sehen. In diesem Zusammenhang sind nicht nur die EU-Wasserrahmenrichtlinie und die Meeresstrategierahmenrichtlinie zu erwähnen. Wenn Sie sich § 9 ansehen, werden Sie sehen, dass daraus ein Grund hergeleitet werden kann, das erwähnte Projekt aus niedersächsischer Sicht zu verwerfen. Wir sind doch alle gemeinsam davon überzeugt, dass wir gerade für unsere Meere und damit auch für unsere Nordsee, die zu den am meisten belasteten Gewässern auf der Erde gehört, etwas tun müssen. Wir verfahren eben nicht nach dem Motto: Das interessiert uns gar nicht. Wir prüfen andere Lösungen gar nicht erst. Wir planen jetzt eine Pipeline. Dann sind Niedersachsen und der Nationalpark Wattenmeer die Hauptbetroffenen. Eine solche Argumentation ist eben nicht richtig.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Staudte von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrter Herr Minister, vor dem Hintergrund, dass Umweltpädagogik auch für Erwachsene Wirkungen zeigen kann, frage ich Sie, wie Sie sich verhalten würden, wenn Sie vor der Entscheidung stehen würden, einen Becher Salzwasser in ein Süßwasseraquarium oder in ein Salzwasseraquarium, das 2 m weiter entfernt ist, zu kippen. Würden Sie dann auch erst einmal eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben und sagen: Den Weg zum Salzwasseraquarium können wir nicht isoliert betrachten?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Sander!

Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Kollegin Staudte, erstens könnte ich es mir ganz einfach machen und sagen: Ich würde es gar nicht tun.

Zweitens möchte ich sagen, dass ich genau wie beim Problem der Versalzung der Weser eine Abwägung vornehmen und andere Lösungen ebenfalls entsprechend prüfen würde. Sie wollen aber eben nicht prüfen; sie wollen nur beseitigen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Twesten von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Sander, Sie haben die Voraussetzungen für die Maßnahme einer Nordseepipeline bereits angesprochen. Welche eigenen Initiativen rechtlicher, raumordnerischer, ökologischer und ökonomischer Art hat das Land zur Prüfung dieser Nordseepipeline bereits ergriffen bzw. welchen eigenen Beitrag wollen Sie am runden Tisch eigentlich leisten?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Sander!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Twesten, zunächst ist zu sagen, dass wir am runden Tisch sehr konstruktive Beiträge leisten. Das heißt, dass wir uns nicht einseitig auf den Bau der Pipeline festlegen. Vielmehr weisen wir auch in Gesprächen mit der Kali + Salz GmbH immer wieder darauf hin, dass sie die unternehmerische Verpflichtung hat, einen umweltgerechten Umgang mit diesen Stoffen zu pflegen und nicht nach dem Motto zu verfahren: Ein Teil dieser Stoffe sind Abwässer, und diese gehen einfach in die Pipeline, werden in die Werra oder in die Nordsee eingeleitet. Wir sehen mit einer gewissen Genugtuung - unseres Erachtens sind die Anstrengungen aber noch nicht ausreichend -, dass die Kali + Salz auch mit technischen Möglichkeiten versucht, die Salzmenge bzw. die Abwassermenge zu reduzieren. Einer Pressemitteilung und auch einem Vortrag der verantwortlichen Herren haben wir entnehmen können, dass man bis zum Jahre 2015 eine Summe von 360 Millionen Euro bereitstellen will, um zu einer Reduzierung zu kommen. Da fängt es immer an. Was Sie hier machen, indem Sie die Pipeline als alleinige Lösung darstellen, ist für Kali und Salz fast ein Freifahrtsbrief.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: So ein Blödsinn!)

Dann können die sich sagen: Das Zeug wird schon irgendwie wegkommen. Was sollen wir noch groß machen? Ab durch die Pipeline, und schon ist es in der Nordsee.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Jetzt ist es in der Weser!)

Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Limburg von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Sander, vor dem Hintergrund Ihrer Ausführungen frage ich Sie, welche konkreten Maßnahmen und Initiativen Sie unabhängig von Ihrer Teilnahme am runden Tisch zum Schutz der Weser vor der Salzeinleitung bislang ergriffen haben und noch ergreifen werden.