Protocol of the Session on August 19, 2010

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Guten Morgen, Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 79. Sitzung im 26. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 16. Wahlperiode.

Tagesordnungspunkt 22: Mitteilungen des Präsidenten

Die Beschlussfähigkeit stelle ich zu einem späteren Zeitpunkt fest.

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 23, den Dringlichen Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort.

Die heutige Sitzung soll gegen 18.45 Uhr enden.

Ich darf Sie herzlich bitten, Ihre Reden rechtzeitig an den Stenografischen Dienst zurückzugeben.

(Unruhe)

- Vielleicht besteht die Möglichkeit, auch innerhalb der CDU-Fraktion die Gespräche einzustellen.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr die Schriftführerin mit. Bitte!

Guten Morgen, Kolleginnen und Kollegen! Es haben sich entschuldigt von der Fraktion der CDU Herr Koch ab 12 Uhr, von der Fraktion der SPD Herr Klein und das fraktionslose Mitglied des Hauses, Frau Wegner.

Danke.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 23 auf:

Dringliche Anfragen

Es liegen vier Dringliche Anfragen vor. Die Fraktionen sind, wie mir mitgeteilt worden ist, übereingekommen, die Anfragen zu a und c gemeinsam aufzurufen. Ich halte das Haus damit einverstanden, dass nach der Anfrage der Fraktion der CDU und der Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zunächst die Antworten der Landesregierung vorgetragen werden, ehe anschließend die Zusatz

fragen zu beiden Anfragen, insgesamt dann also bis zu zehn je Fraktion, gestellt werden können.

Die für die Behandlung von Dringlichen Anfragen geltenden Geschäftsordnungsbestimmungen setze ich als allgemein bekannt voraus, weise allerdings noch einmal besonders darauf hin, dass einleitende Bemerkungen zu den Zusatzfragen nicht zulässig sind.

Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich Sie, dass Sie sich nach wie vor schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.

Ich rufe nun die Dringlichen Anfragen zu a und c auf:

Polizeieinsatz in Bad Nenndorf - Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 16/2725

Hat die Landesregierung Einfluss auf das Verbot einer Demonstration von DGB, Jüdischer Gemeinde, Kirchen, Sportvereinen und demokratischen Parteien gegen einen Neonaziaufmarsch in Bad Nenndorf genommen? - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/2728

Zu der Anfrage zu a erteile ich jetzt dem Kollegen Coenen von der CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Polizeieinsatz in Bad Nenndorf. - Nach Polizeiangaben sind bei dem Aufmarsch von Neonazis in Bad Nenndorf und einer Gegendemonstration am Sonnabend, 14. August 2010, insgesamt 17 Menschen festgenommen worden. Ihnen würden Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, Landfriedensbruch, Körperverletzung oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen.

Der Zug der etwa 1 000 Rechtsextremisten hatte sich, so die Hannoversche Allgemeine Zeitung, wegen zahlreicher Störungen und Polizeikontrollen erst mit mehrstündiger Verspätung in Bewegung gesetzt. Gegen den Versammlungsleiter und die Teilnehmer der rechtsextremen Abschlusskundgebung wurden später Strafverfahren eingeleitet, weil sie ein strafrechtlich relevantes Lied gesungen hatten. Etwa 300 Linksextremisten hätten immer wieder in kleinen Gruppen versucht, die Absperrungen der Polizei zu durchbrechen und auf die

Zugstrecke der Neonazis zu gelangen, so die Polizei.

Eine Protestkundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes - DGB - und weiterer Organisationen mit etwa 900 Teilnehmern gegen den Neonaziaufmarsch verlief nach Polizeiangaben am Vormittag ohne Zwischenfälle. Sie bildeten u. a. Sitzblockaden, die sie nach der Aufforderung durch die Polizei aber wieder auflösten.

Das Oberverwaltungsgericht - OVG - Lüneburg hatte die Protestveranstaltung eines „Bündnisses gegen Rechts“ erst am Freitagabend, 13. August 2010, genehmigt und damit eine Verbotsentscheidung des Landkreises Schaumburg aufgehoben. Genehmigt wurde allerdings nur eine stationäre Kundgebung. Der Landkreis hatte ursprünglich beide Kundgebungen verbieten wollen und dies mit einem polizeilichen Notstand und der räumlichen Enge in dem Kurort bei Hannover begründet.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung den Polizeieinsatz im Zusammenhang mit den Demonstrationen am 14. August 2010 in Bad Nenndorf?

2. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass sich der DGB nicht von linksextremistischen Gruppen abgrenzt und autonome Gruppierungen in seinen Versammlungsreihen duldet?

3. Wie bewertet die Landesregierung die Aussage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Erklärung des polizeilichen Notstandes sei ein „Offenbarungseid“ für den Niedersächsischen Minister für Inneres und Sport, Herrn Uwe Schünemann, MdL?

Zu Punkt 23 c erteile ich jetzt dem Kollegen Limburg das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hat die Landesregierung Einfluss auf das Verbot einer Demonstration von DGB, Jüdischer Gemeinde, Kirchen, Sportvereinen und demokratischen Parteien gegen einen Neonaziaufmarsch in Bad Nenndorf genommen?

Offenbar auf Druck des Innenministeriums hat die Versammlungsbehörde beim Landkreis Schaumburg in der vergangenen Woche eine vom Deutschen Gewerkschaftsbund angemeldete Demonstration gegen den Naziaufmarsch zum Winklerbad

in Bad Nenndorf verboten. Dem folgte auch das Verwaltungsgericht Hannover. Diese beiden Entscheidungen erwiesen sich als rechtswidrig. Das Oberverwaltungsgericht ließ die DGBDemonstration zu, allerdings nur als stationäre Kundgebung. Grundlage der Entscheidung der Versammlungsbehörde und der Verwaltungsgerichte war eine Gefahrenprognose des Innenministeriums. Zudem hatte das Innenministerium offenbar den „polizeilichen Notstand“ erklärt, weil angeblich nicht genug Polizeikräfte verfügbar waren.

Am 14. August 2010 marschierten, wie bereits in den Jahren zuvor, etwa 800 Nazis in einem Naziaufmarsch durch das niedersächsische Bad Nenndorf, um ihre geschichtsverdrehenden, volksverhetzenden und rassistischen Parolen zu verbreiten. Wie bereits in den Vorjahren formierte sich im Vorfeld breiter zivilgesellschaftlicher Protest. Unter dem Dach des DGB sollte eine friedliche Gegendemonstration unter dem Motto „Bad Nenndorf ist bunt“ gegen den Naziaufmarsch durchgeführt werden. Der DGB ist seit seiner Gründung einer der zentralen Akteure bei der Ausgestaltung und Weiterentwicklung der demokratischen Gesellschaft. In der Tradition der während des NS-Regimes verbotenen Gewerkschaften engagiert sich der Deutsche Gewerkschaftsbund seit jeher friedlich gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus.

(Beifall bei der SPD)

Auch in Bad Nenndorf gab es in den vergangenen Jahren nie Gewalttätigkeiten im Zusammenhang mit den Demonstrationen des DGB. Im Gegenteil gelang es den Ordnerinnen und Ordnern immer wieder, mögliche Eskalationen durch beherztes Eingreifen im Ansatz zu unterbinden.

Offensichtlich kam der niedersächsische Verfassungsschutz in diesem Jahr zu einer gegenteiligen Einschätzung. So veröffentlichte der niedersächsische Verfassungsschutz eine Warnung vor angeblich bis zu 500 gewaltbereiten sogenannten Linksextremisten. Gleichzeitig teilte das niedersächsische Innenministerium mit, es stünden angeblich nicht in ausreichender Zahl Polizeikräfte zur Verfügung, um beide Demonstrationen zu sichern. Dies verwunderte Beobachterinnen und Beobachter vor allem deshalb, weil beide Demonstrationen bereits seit Monaten angemeldet waren und am selben Wochenende in Niedersachsen keine weitere Großveranstaltung stattfand.

Mit Verweis auf diese Warnungen und die nicht ausreichenden Polizeikräfte untersagte der Land

kreis sowohl den Aufmarsch der Nazis als auch die Gegendemonstration des DGB. Am 9. Juli 2010 hatte die Polizeidirektion offenbar 1 650 Polizisten angefordert. Nach einer neuen Gefahrenprognose des Verfassungsschutzes wurden am 5. August 2010 weitere 500 Polizisten angefordert. Nach Angaben der Versammlungsbehörde konnte das Innenministerium auch nach Anforderung in anderen Bundesländern nur weitere 300 Polizisten bereitstellen. Anlass genug für die Feststellung des polizeilichen Notstandes?

Das Verwaltungsgericht Hannover bestätigte in einer Entscheidung das Verbot der DGB-Demonstration, genehmigte aber den Naziaufmarsch. Bundestagsvizepräsident Thierse sprach nach dieser Entscheidung von einem Urteil, das „auf beunruhigende Weise parteiisch“ sei. Erst das Oberverwaltungsgericht Lüneburg ermöglichte in einer am Freitagabend ergangenen Entscheidung eine stationäre Kundgebung des DGB. Am 14. August 2010 demonstrierten schließlich über 1 200 Menschen friedlich und vielfältig gegen den Naziaufmarsch in Bad Nenndorf.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Hat das Innenministerium der Versammlungsbehörde empfohlen oder in anderer Weise Einfluss darauf genommen, die vom DGB angemeldete Demonstration zu verbieten?

2. Welche Gründe führten dazu, dass nach Ansicht des Innenministeriums „nicht ausreichend“ Polizeikräfte zum Schutz beider Demonstrationen zur Verfügung standen, obwohl Niedersachsen z. B. bei den Castortransporten viel größere Versammlungen bewältigen muss und beide Versammlungen in Bad Nenndorf bereits seit Monaten bekannt waren?

3. Wie bewertet die Landesregierung die Auswirkungen des Verbots der DGB-Demonstration bei gleichzeitiger Erlaubnis des Naziaufmarsches auf den zivilgesellschaftlichen friedlichen Protest in Bad Nenndorf und auf das Rechtsempfinden der Bevölkerung?

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich stelle zunächst die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Ich erteile Herrn Minister Schünemann jetzt das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem Jahr 2006 führt die rechtsextremistische Szene jährlich wiederkehrend einen als Trauermarsch bezeichneten Aufmarsch in Bad Nenndorf zum dortigen Winklerbad durch. Das Winklerbad wurde in der Nachkriegszeit von den britischen Besatzungskräften als Gefangenenlager und Verhörzentrum genutzt. Der diesjährige sogenannte Trauermarsch war zunächst für den 1. August angemeldet und wurde dann auf den 14. August dieses Jahres verlegt.