Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 92. Sitzung im 30. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 16. Wahlperiode.
Geburtstag hat heute Frau Ministerin Grotelüschen. Ich übermittle herzliche Glückwünsche des gesamten Hauses. Alles Gute für das nächste Lebensjahr!
Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit den Dringlichen Anfragen. Danach behandeln wir im Rahmen der Haushaltsberatung den Einzelplan Wissenschaft und Kultur. Nach der Mittagspause behandeln wir zunächst die Mündlichen Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratung mit der Haushaltsberatung zu den Einzelplänen Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Umwelt und Klimaschutz, Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung sowie Justiz fort. Die heutige Sitzung soll gegen 21.25 Uhr enden.
Bitte geben Sie Ihre Reden bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr, an den Stenografischen Dienst zurück.
Guten Morgen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung Ministerpräsident Herr McAllister, vormittags bis ca. 12 Uhr, von der Fraktion der SPD Herr Schwarz, Herr Schneck und Herr Poppe nach der Mittagspause, von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Klein und Herr Briese, das fraktionslose Mitglied des Hauses, Frau Wegner.
Es liegen drei Dringliche Anfragen vor. Die für die Behandlung der Dringlichen Anfragen geltenden Geschäftsordnungsbestimmungen setze ich als allgemein bekannt voraus. Ich weise wie üblich besonders darauf hin, dass einleitende Bemerkungen zu den Zusatzfragen nicht zulässig sind. Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich Sie, dass Sie sich schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.
Wie steht die Landesregierung zu Vorschlägen der Gemeindefinanzkommission für die Neuordnung der Gemeindefinanzierung? - Anfrage der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/3121
Guten Morgen! - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie steht die Landesregierung zu Vorschlägen der Gemeindefinanzkommission für die Neuordnung der Gemeindefinanzierung?
„Trotz steigender Steuereinnahmen und guter Konjunktur bleibt die kommunale Finanzlage 2010 dramatisch und verschlechtert sich gegenüber dem Vorjahr. Erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik müssen die Kommunen in diesem Jahr mit einem zweistelligen Milliardendefizit rechnen.“
Angesichts dieser Situation erwarten die Städte, Gemeinden und Landkreise von der am 24. Februar 2010 von der Bundesregierung eingesetzten Kommission zur Erarbeitung von Vorschlägen für die Neuordnung der Gemeindefinanzierung nachhaltige Verbesserungen der kommunalen Finanzausstattung. Zugleich steigt ihre Erwartung, dass im Ergebnis der Tätigkeit der Gemeindefinanzkommission auch die derzeit ungenügenden Beteiligungsrechte an Gesetzesvorhaben auf Bundes- und Landesebene deutlich erweitert werden.
Mitte November dieses Jahres hat der Deutsche Städtetag die bisherige Tätigkeit der Gemeindefinanzkommission bilanziert. Es wird u. a. auf Folgendes hingewiesen:
a) Die Gewerbesteuer ist und bleibt wichtigste eigene Steuerquelle der Städte und Gemeinden. Akzeptable Alternativen für die Gewerbesteuer, die den Anforderungen der Städte und Gemeinden an eine eigene wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle genügen, sind nach wie vor nicht zu erkennen. Daher wird eine Abschaffung der Gewerbesteuer oder deren Schwächung, wie sie vor allem von der FDP und Teilen der CDU betrieben wurden, abgelehnt.
Notwendig ist stattdessen eine Stärkung der Gewerbesteuer vor allem durch Erweiterung des Kreises der Steuerpflichtigen um die bundesweit etwa 800 000 Freiberufler wie Rechtsanwälte und Notare, Ärzte, Apotheker, Wirtschaftsprüfer, deren Steuerzahlungen mit ihrer jeweiligen Einkommensteuerschuld verrechnet wird. Ausdrücklich diesem Anliegen verpflichtet, hat der Landtag von Nordrhein-Westfalen den Antrag der Links-Fraktion für eine Bundesratsinitiative unter dem Titel „Die Gewerbesteuer zur Gemeindewirtschaftssteuer umgestalten“ im November 2010 angenommen.
b) Eine Reform der Grundsteuer als eigene Steuer der Städte und Gemeinden steht seit Jahren an und soll von Bund und Land im Einvernehmen mit den Kommunen endlich angegangen und umgesetzt werden.
c) Notwendig ist weiterhin ein verfassungsrechtlich garantiertes Beteiligungsrecht der kommunalen Spitzenverbände an Gesetzesvorhaben sowohl des Bundes als auch des Landes, die sich wesentlich auf die Kommunen auswirken oder sie gar als Aufgabenträger voraussetzen.
d) Die Kommunen müssen im Rahmen der dringend gebotenen Wiederherstellung ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit umgehend von bestimmten Aufwendungen für Leistungen durch deren Übernahme seitens des Bundes entlastet werden, z. B. bei den Kosten der Unterkunft, bei der Grundsicherung im Alter und für dauerhaft Erwerbsgeminderte.
1. Welche Position vertritt sie zu der Bundesratsinitiative des Landes Nordrhein-Westfalen unter dem Titel „Die Gewerbesteuer zur Gemeindewirtschaftssteuer umgestalten“?
2. Wie will sie die Beteiligungsrechte der kommunalen Spitzenverbände an Gesetzesvorhaben des Landes, die sich wesentlich auf die Städte, Gemeinden und Landkreise auswirken, stärken und verfassungsrechtlich garantieren?
3. Welche Vorschläge unterbreitet sie, dass, sachlich begründet, Ausgaben der Städte, Gemeinden und Landkreise von diesen dauerhaft auf den Bund übertragen und von ihm auch finanziert werden?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Niedersächsische Landesregierung sieht in der kommunalen Selbstverwaltung einen Eckpfeiler des demokratischen Gemeinwesens. Voraussetzung dafür sind leistungsfähige Städte, Gemeinden und Landkreise.
Herr Minister, ich darf unterbrechen. - Ich finde, das ist ein wichtiges Thema. Das hat auch entsprechende Aufmerksamkeit verdient. Ich bitte, dass die Gespräche in den Fraktionen reduziert, wenn nicht eingestellt werden. - Herr Minister!
Vielen Dank. - Ministerpräsident McAllister hat sich in seiner Regierungserklärung am 1. Juli 2010 ausdrücklich dazu bekannt, dass die Kommunen im Hinblick auf ihre Finanzsituation die Unterstützung des Landes benötigen und auch erhalten
werden. Besonders hat er hervorgehoben, dass die Landesregierung gemeinsam mit dem Bund und den Kommunen eine Verstetigung der kommunalen Einnahmen für die Zukunft erreichen will. Daher hat er für die Mitgliedschaft Niedersachsens in der Gemeindefinanzkommission die Position der Landesregierung klar vorgegeben: Die Landesregierung will die kommunale Selbstverwaltung sichern, verstetigen und nachhaltig stärken.
In der Gemeindefinanzkommission setzt sich die Landesregierung daher massiv und nachdrücklich für die Interessen der Kommunen ein. Sie hat sich insbesondere dafür stark gemacht, dass der Bund bei Standarderhöhungen einen Kostenausgleich schafft, der den Kommunen zugute kommt. Darüber hinaus hat die Landesregierung eine wirkungsvolle und frühzeitige Beteiligung der kommunalen Ebene an der Bundesgesetzgebung eingefordert. Von zentraler Bedeutung ist für die Landesregierung in diesem Zusammenhang auch die Eindämmung der Sozialkosten für Länder und Kommunen.
Fast 50 % der seit der deutschen Einheit entstandenen Mehrausgaben bei den Kommunen sind auf Sozialausgaben zurückzuführen. In konkreten Zahlen: Seit 1999 sind die Ausgaben für soziale Leistungen von rund 26 Milliarden Euro auf knapp 40 Milliarden Euro in 2009 gestiegen. Die Landesregierung unterstützt deshalb nachdrücklich die Forderung der Kommunen nach einer stärkeren Beteiligung des Bundes an den Sozialkosten und begrüßt das Angebot des Bundesfinanzministers, die Kommunen bei den Kosten für die Grundsicherung im Alter um rund 3,7 Milliarden Euro im Jahr zu entlasten.
Lassen Sie mich kurz den Inhalt des Prüfauftrags der Gemeindefinanzkommission in Erinnerung rufen. Diese Kommission wurde vom Bundesfinanzminister eingesetzt, um Lösungsvorschläge für die Neuordnung der Gemeindefinanzierung zu erarbeiten. Es sollen mehrere Vorschläge erarbeitet werden, um eine nachhaltige Verbesserung der kommunalen Finanzsituation zu erreichen und damit die zukünftige Leistungsfähigkeit unserer Gemeinden und Landkreise zu gewährleisten.
Der Auftrag ist ergebnisoffen formuliert. Er umfasst zum einen die Berechnung des im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP auf Bundesebene vereinbarten Modells, die Gewerbesteuer durch einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer und um einen kommunalen Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer mit eigenem
Hebesatzrecht zu ersetzen. Zum anderen soll die Gemeindefinanzkommission noch zwei weitere Finanzierungsmodelle prüfen und berechnen. Eines dieser Finanzierungsmodelle ist das sogenannte Kommunalmodell, das die kommunalen Spitzenverbände bevorzugen und welches im Grundsatz die Gewerbesteuer auf eine breitere Bemessungsgrundlage stellen will.
Eine weitere Alternative ist das Modell der Stiftung Marktwirtschaft, das die Einnahmesituation der Gemeinden durch die Einführung einer Unternehmens- bzw. Wirtschaftssteuer und die Beteiligung der Gemeinden am Lohnsteueraufkommen verbessern soll. Optional sieht dieses Modell noch die Möglichkeit einer sogenannten Bürgersteuer vor.