Protokoll der Sitzung vom 27.05.2011

Guten Morgen, Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 107. Sitzung im 35. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 16. Wahlperiode.

Die Beschlussfähigkeit stelle ich zu einem späteren Zeitpunkt fest.

Tagesordnungspunkt 25: Mitteilungen des Präsidenten

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 26: Mündliche Anfragen. Danach behandeln wir den gestern zurückgestellten Tagesordnungspunkt 23. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort. Die heutige Sitzung wird wahrscheinlich gegen 15.15 Uhr enden.

Bitte geben Sie Ihre Reden rechtzeitig an den Stenografischen Dienst zurück.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr der Schriftführer mit.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung Ministerpräsident Herr McAllister, der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Herr Bode, der Minister für Inneres und Sport, Herr Schünemann, ab ca. 12.30 Uhr, und der Minister für Umwelt und Klimaschutz, Herr Sander, von der Fraktion der CDU Herr Ahlers und Herr Nerlich, von der Fraktion der SPD Herr Krogmann, von der Fraktion der FDP Frau von Below-Neufeldt ab 11 Uhr und von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Staudte.

Vielen Dank. - Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 26 auf:

Mündliche Anfragen - Drs. 16/3635

Die Frage 31 wurde vom Fragesteller zurückgezogen.

Die für die Fragestunde geltenden Regelungen unserer Geschäftsordnung setze ich als allgemein bekannt voraus.

Ich bitte Sie, sich nach wie vor schriftlich zu Wort zu melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.

Ich stelle fest: Es ist jetzt 9.03 Uhr. Wir kommen zum Aufruf der Fragen.

Als Erstes rufe ich die Frage 1 auf, die von den Abgeordneten Borngräber, Bachmann, Lies, Möhrmann und Frau Schröder-Ehlers gestellt worden ist:

Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Meldewesens - Welche finanziellen Einbußen kommen auf die niedersächsischen Kommunen, die Bundeswehrstandorte haben, noch zu?

Ich erteile Herrn Kollegen Borngräber von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Einen schönen guten Morgen! Im zukünftigen § 23 des Bundesmeldegesetzes (BMG) werden Ausnahmen von der Meldepflicht aufgeführt. Diese Ausnahmen entsprechen weitgehend dem bisherigen § 15 Abs. 1 des Melderechtsrahmengesetzes (MRRG). Bisher waren nur kasernierte Wehrpflichtige von der Meldepflicht ausgenommen. Unter dem neuen Buchstaben d) sollen nun auch kasernierte Berufs- und Zeitsoldaten von der Meldepflicht befreit werden. Diese Änderungen der bisherigen Rechtslage nach dem Melderechtsrahmengesetz und den Meldegesetzen - - -

(Unruhe)

Herr Kollege, ich unterbreche einmal kurz! Die stärkste Unruhe war eben in Ihrer eigenen Fraktion. - Bitte!

Diese Änderungen der bisherigen Rechtslage nach dem Melderechtsrahmengesetz und den Meldegesetzen der Bundesländer kann für die im Umfeld von Bundeswehrstandorten befindlichen Kommunen negative Auswirkungen für die kommunale Finanzausstattung haben.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Teilt die Landesregierung die Einschätzung, dass diese Veränderungen zu insgesamt enormen Einnahmeeinbußen bei sämtlichen Kommunen mit Bundeswehrstandorten in der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des Finanzausgleichs durch die sich permanent verändernden Planungen zu einer Bundeswehrreform führen, und wie positioniert sie sich dazu?

2. Teilt die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass staatliche Regelungen - z. B. zur Meldepflicht im Hoheitsbereich - meistens als hinderlich empfunden werden, die Einschätzung, dass die geplante Änderung des Bundesmeldegesetzes dem § 9 des Bürgerlichen Gesetzbuches widerspricht?

3. Teilt die Landesregierung die Einschätzung, dass der Wegfall der Meldepflicht für Berufs- und Zeitsoldaten einerseits die Zusammenarbeit mit z. B. Krankenkassen, Bußgeldbehörden oder ortsansässigen Polizeistationen - beispielsweise Zeugenbefragungen etc. - erschwert, andererseits Vorteile für Soldaten entfielen, weil diese z. B. einen Tag Urlaub nehmen müssten, um an ihrem Heimatort einen Ausweis zu beantragen?

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Ich erteile Herrn Minister Schünemann das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Melderecht kommt in Deutschland eine hohe Bedeutung zu. Über die ursprünglich rein polizeiliche Funktion hinaus dient dieses heutzutage unterstützend für die Aufgabenerfüllung anderer Behörden und sonstiger öffentlicher Stellen durch die Übermittlung personenbezogener Daten. Das Melderecht wurde im Zuge der Föderalismusreform I in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes überführt.

Aller Voraussicht nach wird im Jahr 2012 das Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens das derzeitige Rahmengesetz sowie die Landesgesetze ablösen. Das Bundesinnenministerium hat kürzlich einen entsprechenden Referentenentwurf in die Länder- und Verbandsbeteiligung gegeben. Darin ist vorgesehen, die bereits heute bestehende Ausnahme von der Anmeldepflicht für Berufs- und Zeitsoldaten auszuweiten.

Bisher gilt die Ausnahme von der Anmeldepflicht für Berufs- und Zeitsoldaten, die neben ihrer Wohnung für nicht länger als sechs Monate in einer dienstlich bereitgestellten Unterkunft oder Gemeinschaftsunterkunft wohnen. Auch über den Zeitraum von sechs Monaten hinaus sollen diese - soweit sie in dienstlich bereitgestellten Unterkünften oder Gemeinschaftsunterkünften wohnen - von der Pflicht entbunden werden, sich in der Standortgemeinde anzumelden, um entsprechend als Einwohnerin oder Einwohner registriert zu werden. Die Registrierung an ihrem Hauptwohnsitz bleibt davon unberührt.

In der Stellungnahme zum Referentenentwurf hat Niedersachsen auf die Probleme hingewiesen, die mit der Einführung dieser Ausnahme entstehen können. Sofern die Bundesregierung an der vorgesehenen Regelung festhält, wird sich Niedersachsen im Rahmen des anstehenden Bundesratsverfahrens für eine Streichung dieser Regelung in § 23 Abs. 1 des Bundesmeldegesetzentwurfs einsetzen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Durch die im Referentenentwurf des Bundes vorgesehenen Änderungen im zukünftigen § 23 Abs. 1 d des Bundesmeldegesetzes werden sich Auswirkungen auf die Einwohnerzahl der Kommunen mit Bundeswehrstandorten ergeben.

Vorweg: Derartige Veränderungen haben naturgemäß Auswirkungen auf die Verteilung der Mittel aus dem kommunalen Finanzausgleich unter den kommunalen Körperschaften. Eine Reduzierung der Zuweisungen an die Kommunen aus dem kommunalen Finanzausgleich ist damit nicht verbunden. Eine Gesamthöhe der Umschichtung und positive wie negative Auswirkungen auf die einzelnen Kommunen lassen sich mit den uns vorliegenden Daten derzeit natürlich noch nicht prognostizieren. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Ausnahme von der Meldepflicht gilt nur für Berufs- und Zeitsoldaten, die in Gemeinschaftsunterkünften und anderen dienstlich bereitgestellten Unterkünften untergebracht sind. Bei Berufs- und Zeitsoldaten, die länger als sechs Monate an einem Standort verweilen, dürfte es nicht unüblich sein, dass sie ihren Wohnsitz bei absehbar längerer Dienstzeit an einem Standort dann auch in der Standortgemeinde oder zumindest in der näheren Umgebung nehmen und nicht in Gemeinschaftsunterkünften oder dienstlich bereitgestellten Wohnungen verbleiben. Diese nicht in Kasernen wohnen

den Personen unterliegen weiterhin der Meldepflicht und finden Berücksichtigung bei der Einwohnerermittlung im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs.

Darüber hinaus werden aufgrund der Regelungsstruktur im kommunalen Finanzausgleich die Folgen einer Absenkung der Einwohnerzahl für die betroffenen Kommunen zeitlich hinausgeschoben. Der kommunale Finanzausgleich verfügt über einen sogenannten Demografiefaktor. Die in § 17 Satz 2 des Niedersächsischen Gesetzes über den Finanzausgleich enthaltene Regelung lautet:

„Ist die durchschnittliche Einwohnerzahl der fünf vorangegangenen Jahre höher als die nach Satz 1 ermittelte Einwohnerzahl, so tritt diese höhere Einwohnerzahl an deren Stelle.“

Diese Regelung sorgt also bei Kommunen mit zurückgehender Einwohnerzahl dafür, dass der Rückgang in abgeschwächter Form abläuft, sodass die Kommunen mehr Zeit haben, sich auf diese Situation einzustellen.

Ursprünglich war die Regelung für natürliche demografische Entwicklungen geschaffen worden. Sie greift aber auch im Fall eines außerplanmäßig entstandenen Bevölkerungsrückgangs. Der Rückgang der Einwohnerzahl durch die geplante Änderung im Bundesmeldegesetz wird im kommunalen Finanzausgleich im Verlauf von fünf Jahren, also in abgeschwächter Form, vollzogen. Die Einwohnerzahl wird sich langsamer reduzieren, und die Kommunen bekommen damit die Möglichkeit, auf die mit dem Einwohnerrückgang verbundene Einnahmeminderung zu reagieren.

Gleichwohl sehe ich die vom Bundesinnenministerium mit dem Gesetzentwurf vorgebrachte Begründung nicht als ausreichend an, um die Einnahmeminderung bei den Kommunen zu rechtfertigen. Aufgrund des Zusammenhangs von Meldewesen und kommunaler Finanzausstattung muss jede Ausnahme von der Meldepflicht im entsprechenden Gesamtzusammenhang bewertet werden. Es greift zu kurz, die vorgesehenen Ausnahmen von der Meldepflicht damit zu begründen, die Meldepflicht würde von den betroffenen Personen zunehmend als hinderlich empfunden.

Zu Frage 2: Rechtlich besteht kein direkter Widerspruch zu § 9 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, da dieser einen gesetzlichen Wohnsitz definiert und das Melderecht die ordnungsrechtliche Meldepflicht an die Wohnung knüpft. Der Wohnsitz ist

kein Begriff des Melderechts. Der gesetzliche Wohnsitz gemäß § 9 BGB besteht unabhängig davon, ob die Soldatin oder der Soldat auch mit der Wohnung/Standortunterbringung meldepflichtig ist.

Zu Frage 3: Gemäß § 2 Abs. 1 des Bundesmeldegesetzentwurfes haben die Meldebehörden die in ihrem Zuständigkeitsbereich wohnhaften Personen zu registrieren, um deren Identität und Wohnungen feststellen und nachweisen zu können. Wenn Personen mit gesetzlichem Wohnsitz nicht mehr registriert werden, werden das Melderegister unvollständig und die Aufgabe nicht vollständig erfüllt. Praktisch wäre eine zutreffende und vollständige Ermittlung der Einwohner aufgrund der Melderegister - z. B. für die Zwecke öffentlicher Stellen - in diesen Fällen nicht mehr möglich. Gerade aus polizeilicher Sicht kann jede Regelung, die im Hinblick auf tatsächliche Melde- und Aufenthaltsverhältnisse Ausnahmetatbestände zulässt, im Einzelfall ein Ermittlungs- und Aufklärungshindernis und/oder sogar -erschwernis darstellen.

Welche konkreten Auswirkungen sich z. B. bei der Beantragung eines Ausweises am Heimatort ergeben, hängt von den jeweiligen Umständen ab und kann insoweit nicht abstrakt beurteilt werden. Bei der Bundeswehr ist es aber wie folgt geregelt: Wenn man sich ummelden will - auch innerhalb der Gemeinde -, kann man Dienstbefreiung für einen halben Tag bekommen, sodass man nicht Urlaub nehmen muss. Es gibt also für einen halben Tag Dienstbefreiung. Insofern hat dies nicht direkte negative Auswirkungen für die Soldaten.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Kollege Borngräber stellt die erste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, vor dem Hintergrund, dass Sie die Kreise und kreisfreien Städte Anfang April über das neue Melderechtsrahmengesetz und die Umsetzungsnotwendigkeit informiert haben, frage ich Sie: Was haben Sie im Sinne der Streichung des § 23 Abs. 1 konkret unternommen? Lehnen Sie das ab oder nicht?

Herr Minister, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie ich in meiner Antwort bereits ausgeführt habe, haben wir den Bund aufgefordert, zunächst eine umfassende Erklärung abzugeben, um Klarheit darüber zu bekommen, aus welchem Grund ein solcher Eingriff auch in den kommunalen Finanzausgleich gerechtfertigt werden kann. Bislang ist immer nur gesagt worden, dass es von den Soldatinnen und Soldaten zunehmend als Belastung empfunden wird. Das halten wir nun wirklich nicht für eine vernünftige Begründung. Deshalb wollen wir, bevor wir unsere endgültige Stellungnahme abgeben, zunächst einmal genauere Informationen haben.

In der Tendenz - das habe ich hier ja ganz klar gesagt - hätte das Auswirkungen auf den kommunalen Finanzausgleich. Insofern ist klar: Wenn sich die Soldatinnen und Soldaten, die in Gemeinschaftsunterkünften wohnen, am kommunalen Leben beteiligen und z. B. das kulturelle Programm und anderes mehr in Anspruch nehmen, dann sollten die Kommunen dafür einen Ausgleich bekommen. Insofern ist die Tendenz ganz eindeutig. Meines Erachtens muss aber zunächst einmal der Bund aufgefordert werden, uns dann, wenn er eine solche weitreichende Änderung vornimmt, eine klare Begründung dafür zu geben. Das, was er bisher gemacht hat, reicht bei Weitem nicht aus. Wenn das die Begründung wäre, würden wir es ablehnen.

Herr Kollege Bachmann stellt eine weitere Zusatzfrage.