Protocol of the Session on September 16, 2008

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Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 14. Sitzung im 6. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 16. Wahlperiode.

Ich darf Sie bitten, sich zu erheben. Zwei ehemalige Kollegen von uns sind verstorben. Ich möchte Ihnen zu ihrem Gedenken vortragen.

Am 16. August 2008 verstarb der ehemalige Abgeordnete des Niedersächsischen Landtages Herr Jürgen Dorka im Alter von 74 Jahren. Herr Dorka gehörte dem Niedersächsischen Landtag von 1986 bis 1998 als Mitglied der CDU-Fraktion an. Während dieser Zeit war er im Ausschuss für Städtebau und Wohnungswesen, im Ausschuss für Vertriebene, Flüchtlinge und Aussiedler sowie Fragen des Zonenrandgebietes und später im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, im Unterausschuss „Fremdenverkehr“ und im Ausschuss für Freizeit, Tourismus und Heilbäderwesen tätig. Herr Dorka wurde mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik ausgezeichnet.

Am 22. August 2008 verstarb der ehemalige Abgeordnete des Niedersächsischen Landtages Herr Willi Heineking im Alter von 75 Jahren. Herr Heineking gehörte dem Niedersächsischen Landtag von 1986 bis 2003 als Mitglied der CDU-Fraktion an. Während dieser Zeit wirkte er vor allem im Ausschuss für Jugend und Sport und im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr, aber auch im Ältestenrat, im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen sowie im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten mit. Viele von uns erinnern sich daran, dass Herr Heineking als Alterspräsident des Landtages der 14. Wahlperiode einen Teil seiner Ansprache von dieser Stelle aus in plattdeutscher Sprache hielt, um diesen Teil unserer Kultur zu würdigen und seiner Verbundenheit mit dem ländlichen Raum Ausdruck zu geben. Herr Heineking wurde mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.

Wir werden die beiden Kollegen in guter Erinnerung behalten und wollen ihnen jetzt ein ehrendes Andenken widmen. - Ich danke Ihnen.

Ich meine, dass ich bereits jetzt die Beschlussfähigkeit des Parlaments feststellen kann.

Ich komme zur Tagesordnung. Die Einladung und die Tagesordnung für diesen Tagungsabschnitt

liegen Ihnen gedruckt vor. Für die Aktuelle Stunde sind fünf Beratungsgegenstände benannt worden. Es gibt im Übrigen drei Dringliche Anfragen, die Mittwoch früh ab 9 Uhr beantwortet werden. Auf der Basis der im Ältestenrat für die Beratung einzelner Punkte gemäß § 71 unserer Geschäftsordnung vereinbarten Redezeiten und des gleichfalls im Ältestenrat vereinbarten Verteilerschlüssels haben die Fraktionen die ihnen jeweils zustehenden Zeitkontingente so verteilt, wie Sie das aus der Ihnen vorgelegten Übersicht ersehen können. - Ich stelle das Einverständnis des Hauses mit diesen Redezeiten fest.

Die heutige Sitzung soll gegen 19.30 Uhr enden.

Ich möchte Sie noch auf eine Ausstellung hinweisen: In der Wandelhalle ist die von EUROPARC Deutschland sowie den Biosphärenreservatsverwaltungen Niedersachsens Niedersächsische Elbtalaue und Niedersächsisches Wattenmeer konzipierte Ausstellung „UNESCO-Biosphärenreservate - Modellregion mit Zukunft“ zu sehen. Ich empfehle diese Ausstellung Ihrer Aufmerksamkeit.

Im Rahmen der Initiative „Schulen in Niedersachsen online“ werden in den kommenden drei Tagen Schülerinnen und Schüler des Lise-MeitnerGymnasiums aus Neuenhaus wiederum mit einer Onlineredaktion live aus dem Landtag berichten. Als Pate wird der Abgeordnete Reinhold Hilbers erster Ansprechpartner der Nachwuchsjournalisten sein.

Des Weiteren werden im Rahmen des von der Multi-Media Berufsbildende Schule initiierten Modellprojektes Landtagsfernsehen wieder Nachwuchsjournalistinnen und Nachwuchsjournalisten der Humboldt-Schule Seelze Sendungen erstellen. Die einzelnen Sendungen stehen unmittelbar nach ihrer Produktion im Internet auf der Homepage der Multi-Media Berufsbildende Schule (www.mmbbs.de) zum Abruf bereit. Sie sollen auch über den Regionalsender h1 gesendet werden.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr, wird erinnert.

Es folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es haben sich entschuldigt von der Fraktion der CDU Herr Höttcher und Herr Oesterhelweg, von der

Fraktion der SPD Herr Klein, von der Fraktion der FDP Herr Dr. Rösler und von der Fraktion DIE LINKE Frau Flauger ab 17.30 Uhr.

Vielen Dank.

Wir treten jetzt in die Tagesordnung ein. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Wie bereits mitgeteilt, liegen für die Aktuelle Stunde fünf Beratungsgegenstände vor: a) Gesundheitsfonds 2009: Alles wird teurer, nichts wird besser! - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 16/443 -, b) Krankenhausfinanzierung - Wird das Land seiner Verantwortung gerecht? - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/449 -, c) Finger weg vom VWGesetz - Volkswagen soll Volkswagen bleiben - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 16/450 -, d) Giftskandal an der Ems - Versagen der Landesregierung beim Umwelt- und Verbraucherschutz - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/452 -, e) Museumspläne von Kulturminister Stratmann gehören in den Papierkorb! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/454.

Die in unserer Geschäftsordnung für den Ablauf der Aktuellen Stunde geregelten Bestimmungen setze ich als bekannt voraus. Es stehen insgesamt 125 Minuten zur Verfügung, die gleichmäßig auf die fünf Fraktionen aufzuteilen sind. Das heißt, dass jede Fraktion über höchstens 25 Minuten verfügen kann. Wenn wie heute mehrere Themen zur Aktuellen Stunde vorliegen, bleibt es jeder Fraktion überlassen, wie sie ihre 25 Minuten für die einzelnen Themen verwendet. Die Redezeit der einzelnen Redebeiträge darf gemäß § 49 Abs. 4 Satz 2 unserer Geschäftsordnung grundsätzlich höchstens fünf Minuten betragen.

Für die Mitglieder der Landesregierung möchte ich folgenden Hinweis geben: Nach Artikel 23 Abs. 2 Satz 2 der Niedersächsischen Verfassung müssen die Mitglieder der Landesregierung in den Sitzungen des Landtages zwar jederzeit gehört werden. Die Mitglieder der Landesregierung haben sich jedoch stets verpflichtet gefühlt, sich ebenfalls an diesen zeitlichen Rahmen zu halten.

Ansonsten weise ich in diesem Zusammenhang auf die mögliche Anwendung von § 71 Abs. 3 der Geschäftsordnung und damit auf die Möglichkeit

hin, zusätzliche Redezeit für die Fraktionen für eine Erwiderung zu gewähren.

Nach vier Minuten Redezeit werde ich durch ein Klingelzeichen darauf hinweisen, dass die letzte Minute der Redezeit läuft.

Ich mache im Übrigen darauf aufmerksam, dass die Erklärungen und Reden nach § 49 Abs. 4 Satz 3 der Geschäftsordnung nicht verlesen werden dürfen.

Wir kommen damit zu Tagesordnungspunkt 1 a:

Gesundheitsfonds 2009: Alles wird teurer, nichts wird besser! - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 16/443

Hierzu liegt mir die Wortmeldung der Frau Kollegin Meißner vor. Ich erteile ihr das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 1. Januar 2009 soll der Gesundheitsfonds starten. Schon heute ist klar, dass dadurch alles teurer wird. Die Krankenkassenbeiträge werden für fast alle Menschen steigen, wenn der einheitliche Beitragssatz von der Bundesregierung auf deutlich mehr als 15 % festgesetzt wird. Experten rechnen sogar mit mindestens 15,5 %. Es wird teurer, weil mit der Einführung des Fonds politische Wünsche wie die Verbesserung der ärztlichen Vergütung und eine Entlastung der Krankenhäuser erfüllt werden sollen. Es wird auch deshalb teurer, weil der Fonds beim Staat die Ausgaben der Krankenkassen vollständig abdecken soll. Dies erfordert eine entsprechende Schwankungsreserve und wird zu einer Überfinanzierung von gut wirtschaftenden Kassen führen. Dann sollen auch noch gravierende Einnahmeverluste gerade im Bereich der süddeutschen Bundesländer durch zusätzliche Mittel über die Konvergenzklausel ausgeglichen werden.

Die Große Koalition hatte Beitragssenkungen versprochen. Das Gegenteil wird nun eintreten. Höhere Beiträge führen zu höheren Lohnzusatzkosten und gefährden damit Arbeitsplätze. Zukünftig wird über den Beitragssatz politisch entschieden, nicht nach wirtschaftlichen und gesundheitspolitischen Erfordernissen, sondern nach Kassenlage und Wahltaktik. Ist der Satz zu knapp bemessen, verstärkt er den Trend zu Leistungskürzungen. Ein zu

hoher Satz fördert Unwirtschaftlichkeit und belastet Arbeitnehmer wie Arbeitgeber.

Mit dem Verlust der Beitragsautonomie der Kassen wird das Preis-Leistungs-Verhältnis entkoppelt. Statt Wettbewerb um die besten Angebote gibt es staatliche Preisregulierung. Einige denken jetzt vielleicht, dass durch den Fonds dann wenigstens die Gesundheitsversorgung der Menschen besser wird. Aber auch das tritt nicht ein. Das GKV-WSG hat zwar mehr Leistungen im Bereich der Palliativversorgung und auch zusätzliche Mittel für Ärzte und Krankenhäuser gebracht, aber für die große Mehrheit der Versicherten wird es keine spürbaren Verbesserungen geben. Der Einspardruck und Leistungskürzungen über verdeckte Rationierungen bleiben erhalten. Zu welchen Problemen bundes- oder gar europaweite Ausschreibungen führen können, erleben wir gerade bei der unwürdigen Diskussion über den Hilfsmittelbereich bei den Inkontinenzartikeln, wo Vorlagen für die Menschen falsch zusortiert und auch gezählt werden. Der Gesundheitsfonds löst also nicht die anstehenden Probleme des Gesundheitssystems, sondern er schafft neue.

(Beifall bei der FDP)

Er ebnet den Einstieg in ein zentralistisches Gesundheitswesen, das wir nicht wollen.

Der Beitragssatz wird bundeseinheitlich festgesetzt. Zuteilungen werden allumfassend über den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich, den sogenannten Morbi-RSA, vorgenommen. Es gibt nur einen Spitzenverband der Kassen auf Bundesebene. All dies sind Schritte zu einer bundesweiten Einheitskasse. Zusatzbeiträge und Prämien sind dabei angesichts der massiven gesetzlichen Einschränkungen nicht mehr als Kosmetik in einem Pseudowettbewerb. Die Kassen werden diese Instrumente nur sehr zurückhaltend einsetzen, um keine Versicherten zu verlieren. Dabei bietet der Gesundheitsmarkt viele Chancen. Er ist mit 4,2 Millionen Beschäftigten der größte Arbeitsmarkt in Deutschland und gleichzeitig auch noch ein Wachstumsmarkt, der aber nur genutzt werden kann, wenn wir wirklich zu einem Systemwechsel kommen.

(Beifall bei der FDP)

Wir brauchen also eine grundlegende Gesundheitsreform - weg von der Umlagefinanzierung, hin zur Kapitaldeckung. Das haben wir schon häufiger gesagt. Nur das hat einen Nachhaltigkeitseffekt. Wir brauchen auch einen wirklichen Wettbewerb.

Stattdessen starten wir mit Beginn des kommenden Jahres jetzt einen Blindflug. Niemand kann derzeit voraussehen, wie sich die Verteilung der Mittel auf die Kassen auswirken wird. Der einheitliche Beitragssatz, der Morbi-RSA, die Konvergenzklausel, die Neuregelung der ärztlichen Vergütung: Es gibt zu viele neue Stellschrauben. Sie lassen eine realistische Einnahmen- und Ausgabenrechnung zur reinen Spekulation werden. Der Erfinder des Gesundheitsfonds, Professor Richter, rechnet bereits im Laufe des nächsten Jahres mit ersten Insolvenzen von Krankenkassen. Man merkt also: Am Ende wird der Morbi-RSA unter Umständen dazu führen, dass die Kassen um die Versicherten mit den kostenintensivsten Krankheitsbildern konkurrieren und dann Streichungen bei Zusatzangeboten, die gerade für die Versicherten sehr wichtig sind, vornehmen. Das hat mit Ankündigungen schon begonnen.

Ein Gesundheitsfonds, bei dem die Gesundheitsversorgung teurer, aber nicht besser wird, ist der falsche Weg. Es ist gleichzeitig auch noch ein Bürokratiemonstrum, das da auf uns zukommt. Wir sollten den Fonds stoppen, bevor es zu spät ist. Das Interessante ist auch, dass so ziemlich alle Experten gegen den Fonds sind. Die Grünen haben in Schleswig-Holstein zusammen mit der FDP gegen den Fonds gestimmt. Das fand ich sehr gut.

(Beifall bei der FDP)

Bei der SPD und der CDU gibt es viele, die hinter vorgehaltener Hand sagen: Der Fonds ist der falsche Weg. - Sie wollen in diesem Fall nur auf Frau Merkel und auf Ulla Schmidt Rücksicht nehmen. Ich denke aber, wenn man genau weiß, dass etwas falsch ist, ist Rücksichtnahme ebenfalls falsch.

(Beifall bei der FDP)

Wir sollten also alles tun, um den Fonds zu verhindern.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, fassen Sie sich ein Herz, treten Sie für Ihre Überzeugung ein, und stemmen Sie sich mit uns gegen den Gesundheitsfonds!

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Humke-Focks von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich sind wir von der Fraktion DIE LINKE der FDP besonders dankbar dafür, dass sie dieses Thema heute auf die Tagesordnung gebracht hat. Allerdings - das müssen wir zugeben - führt der Titel „Alles wird teurer, nichts wird besser!“ aus unserer Sicht ein wenig in den Nebel. Für die Linke wäre beim Gesundheitsfonds die Überschrift „Alles wird bürokratischer, nichts wird gerechter!“ wesentlich zielführender; denn damit werden die gesundheitspolitischen Ziele der Großen Koalition klarer herausgestellt.

(Beifall bei der LINKEN)

Der andauernde Trend, dass die Lasten der Gesundheitsfinanzierung einseitig den Versicherten aufgebürdet werden, setzt sich auch mit dem Gesundheitsfonds 2009 unvermindert fort. Die paritätische Lastenverteilung ist Geschichte. Das haben letztlich die SPD und die Grünen in Eintracht mit der CDU und der FDP umgesetzt. Ich erinnere an dieser Stelle nur an die Praxisgebühren, die Arzneimittelkostenzuzahlungen, das Krankenhausgeld, die Kosten für den Zahnersatz etc. Das hat immerhin dazu geführt, dass die Last mittlerweile bis zu 65 % von den Versicherten der GKV allein getragen wird. Das war und ist ein Skandal.