Frau von der Leyen will nun kräftig umschulen von Schlecker zu Erzieherinnen und Altenpflegerinnen. Bei der Altenpflege zahlt Niedersachsen das dritte Jahr; das ist gut. Der Bund aber verweigert die Hilfe zum laufenden Lebensunterhalt. Die grundsätzliche Einführung eines Mindestlohns in der Pflegebranche wird von CDU und FDP nach wie vor blockiert, und der Mindestlohn für Pflegehilfskräfte läuft 2012 aus. Die Einführung von Mindest
löhnen in Bremen kritisiert der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Herr Dürr, mit den Worten: „Für Niedersachsen kommt das nicht infrage.“ Meine Damen und Herren, wer aus ideologischen Gründen so mit sozialen Themen umgeht, der spielt mit den Nöten von Betroffenen und provoziert darüber hinaus Altersarmut und Pflegenotstände.
Deshalb sage ich Ihnen nicht nur bei dem gesamten Themenkomplex „Pflege“, aber insbesondere bei diesem: Es wird Zeit, dass sich die CDU nach dem 20. Januar 2013 in der Opposition regenerieren kann. Bei Herrn Dürr wird das wahrscheinlich außerparlamentarisch geschehen. Das kann ihm aber auch guttun, meine Damen und Herren.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schwarz, Sie haben gesagt: Wenn man das Kirchenprivileg des Dritten Weges, das ja im Grundgesetz steht, angreifen würde, dann würde man sich an der falschen Stelle verkämpfen. Das sagen Sie vor dem Hintergrund - das muss man sich einmal vorstellen -, dass dadurch Grundrechte wie etwa das Recht auf Koalitionsfreiheit, das Streikrecht und die Möglichkeit nach dem Betriebsverfassungsgesetz, sich vernünftig vertreten zu lassen, genommen werden. Das ist also kontraproduktiv. Ich frage mich, wo Ihre gewerkschaftlichen Wurzeln sind und auf wessen Seite Sie tatsächlich stehen.
Stattdessen verbreiten Sie die Hoffnung, dass die Probleme mithilfe der Einrichtung von Pflegekammern gelöst werden könnten. Verbesserte Arbeitsbedingungen, eine besser Bezahlung etc. pp. werden aber nicht durch Pflegekammern herbeigeführt. Deshalb sind sie abzulehnen und muss man sich auch in Zeiten wie diesen an die Seite der Beschäftigten in der Pflege stellen, die in ihrer Masse, wenn sie überhaupt organisiert sind, in den Gewerkschaften und nicht in irgendwelchen berufsständischen Organisationen, die Sie hier immer wieder anführen, organisiert sind.
Es ist wichtig, am Schluss noch einmal darauf hinzuweisen, dass unser Antrag notwendig ist, weil die Synode der evangelischen Kirche Anfang No
vember 2011 beschlossen hat, nicht am Dritten Weg zu rütteln. Damit hat sie ein gemeinsames einheitliches Tarifsystem nahezu ausgeschlossen. Deshalb sind unsere Kritik und unser Antrag aktuell. Es ist sehr bedauerlich - das werden wir auch so widerspiegeln -, dass Sie ihn nicht unterstützen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Humke, genau das ist das, was ich gerade gesagt habe und was ich meine. Sie verkämpfen sich mit der Kirche. Ich sage Ihnen auch als Katholik: Die evangelische Kirche hat auf ihrer Synode z. B. deutlich beschlossen, dass sie keine prekären Beschäftigungsverhältnisse zulassen wolle. Das ändert nichts daran, dass es dort wie bei allen anderen Leistungsanbietern auch nach wie vor solche Beschäftigungsverhältnisse gibt. Das ist völlig klar.
Sie wissen selbst - ich habe Ihnen das auch im Ausschuss schon gesagt -, dass ich selbst der von Ihnen hier ständig zitierten Gewerkschaft bereits seit mehr als 40 Jahren angehöre. Ich weiß, was Streikrecht ist, und ich bin dafür. Die Probleme der Pflege lösen Sie mit dieser Auseinandersetzung aber nicht. Die Probleme der Pflege sind darauf zurückzuführen, dass wir es mit einer Landesregierung und einer Bundesregierung zu tun haben, die die Substanz der Pflegeversicherung im Land und im Bund so aushöhlen, dass prekäre Beschäftigungsverhältnisse die notwendige Folge sind, meine Damen und Herren.
Deshalb ärgert es mich, wenn Sie hier solche Nebenkriegsschauplätze aufmachen, anstatt sich hinter die Beschäftigten zu stellen, die beispielsweise für eine Pflegekammer kämpfen oder eine tarifgerechte Bezahlung in allen Einrichtungen fordern.
Das sind absolute Schaukämpfe. Die Verursacher der Probleme, die Verursacher von zwischenzeitlich 30 000 fehlenden Pflegefachkräften im Land,
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über kaum ein sozialpolitisches Thema wird so intensiv und emotional debattiert und gestritten wie über die Pflege.
Auch wenn es Fachbegriffe wie „Landesrahmenempfehlung“, „Pflegesätze“, „Beitragsstabilität“ oder „Beitragsbemessungsgrenze“ nicht vermuten lassen, geht es letztendlich immer nur um das eine: um den einzelnen Menschen, der einen Anspruch auf qualitativ hochwertige individuelle und humane Pflege hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei aller Reformbedürftigkeit und bei allen wirtschaftlichen Fragen muss das immer im Zentrum unserer Überlegungen stehen. Das heißt, wir betrachten auf der einen Seite die Pflegebedürftigen und auf der anderen Seite diejenigen, die pflegen.
Hierzu hat die Landesregierung in den vergangenen Jahren vieles auf den Weg gebracht und geregelt. Ich erinnere nur an den Pflegepakt, der ein guter Beleg dafür ist, und nenne in Stichworten „Schulgeldförderung“, „Altenpflegestiftungsgesetz“ und auch die Gesichtspunkte zu den Pflegesatzverhandlungen. Auch wenn das in die Zuständigkeit der Tarifpartner fällt, hat sich die Landesregierung trotzdem aktiv dafür eingesetzt, dass gemeinsam mit den Partnern, die den Pflegepakt mit beschlossen haben, Tarifgehälter bei Pflegesatzverhandlungen zu berücksichtigen sind. Wir stellen mittlerweile fest, dass es überall dort, wo man auch
in Pflegesatzverhandlungen einsteigt, eine Steigerung von durchschnittlich 5 % gibt. Da könnte man vonseiten der SPD auch einmal dazu übergehen, dies aufzugreifen und in die jeweiligen Kreistage einzubringen und auch auf Verhandlungen hinzuwirken.
Die Forderung der Linken, wonach die Landesregierung in einen Dialog mit der Diakonie Niedersachsen eintreten soll, um diese vom Dritten Weg abzubringen, ignoriert aber die besondere verfassungsrechtliche Position der Kirchen, die in Artikel 140 GG in Verbindung mit Artikel 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung verankert ist. Der Dritte Weg der Kirchen ist in Deutschland historisch gewachsen. Die Kirchen haben eine Sonderstellung, die sie aber auch seit Langem verantwortungsbewusst wahrnehmen. Dass die Linken das kirchliche Arbeitsrecht abschaffen wollen, zeigt eindeutig und unmissverständlich ihre kirchenfeindliche Grundhaltung.
Wir als CDU stehen zu unseren Kirchen und auch zu den Mitarbeitern, die nicht nur in der Pflege tätig sind. Zugegeben, die Kirchen sind nicht immer bequem. Aber sie waren und sind für viele soziale Dinge und Werte vorbildlich und visionär. Dafür kann man an dieser Stelle auch einmal ausdrücklich Danke sagen.
Was die Tarifverhandlungen anbetrifft, kommt es darauf an, alle beteiligten Akteure an einen Tisch zu bekommen; denn nur der gemeinsame konstruktive Dialog wird hier zum Erfolg führen. Die Diakonie ist offen dafür. Die Diakonie ist auf einem guten Weg, offen für Gespräche und bereit, an einer Lösung mitzuwirken. Das unterstützen wir ausdrücklich.
Ver.di müsste erkennen, dass allgemeinverbindliche Entgeltregelungen angesichts der weitgehend tarifungebundenen privaten Wettbewerber nur möglich werden, wenn die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen auch Berücksichtigung finden. Wie ernsthaft ist denn jemand an einer tragfähigen Lösung interessiert, wenn die verfassungsrechtlichen Rechte der Kirchen ignoriert werden?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Pflege ist ein dynamischer Prozess, der stetigen Veränderungen unterliegt und kontinuierlich weiterentwickelt werden muss. Viele glauben eben nicht, dass die Ein
richtung einer Pflegekammer den Herausforderungen in der Pflege gerecht werden kann. Denn was könnte eine Kammer mehr? Durchführung von Disziplinarmaßnahmen? Schutz vor unsachgemäßer Pflege? Schaffung einer einheitlichen Ausbildungsordnung? - Da muss man doch zugeben: Davor steht Bundesrecht. Das können wir doch nicht einfach negieren!
Trotzdem stehen wir der Einrichtung einer Pflegekammer in Niedersachsen grundsätzlich offen gegenüber. Nur, es sind eben noch viele Fragen zu klären, was auch Veröffentlichungen belegen, so z. B. ein Artikel im bpa.Magazin im Februar 2012 mit dem Titel „Pflegekammer - eher ein Placebo als eine Wunderpille“. Damit wird deutlich, dass die erforderliche breite Zustimmung eben nicht gegeben ist,
und es wird deutlich, dass die an eine Pflegekammer gestellten Erwartungen infrage gestellt werden. Ich zitiere aus dem Artikel:
„ist daher nur dann zulässig, wenn sie eine legitime öffentliche Aufgabe erfüllt … Hier liegt die rechtliche Nagelprobe für die Zulässigkeit einer Pflegekammer.“
Das heißt, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Es gibt verfassungsrechtliche und praktische Umsetzungswiderstände. Deshalb lässt ja auch die Landesregierung zurzeit in einem Rechtsgutachten die eben angeführten relevanten Punkte untersuchen. Die Ergebnisse des Gutachtens wollen wir abwarten, auswerten und in Handeln umsetzen.
Lassen Sie mich auch noch einen Satz zu dem wiederholten Hinweis auf andere Bundesländer sagen, die angeblich so viel weiter sind als wir. Herr Humke, schauen Sie genau hin! RheinlandPfalz ist längst nicht so weit wie wir.