Sie hätten sich zu Wort melden können, und dann hätte ich Ihnen das Wort erteilt. Aber jetzt sind wir bei den Tagesordnungspunkten 41 und 42.
Wenn dann wieder Aufmerksamkeit da ist, kann ich auch die erste Rednerin aufrufen. Meine Damen und Herren, zu Wort gemeldet hat sich für die SPD-Fraktion die Kollegin Groskurt. Ich erteile ihr das Wort.
Frau Kollegin Groskurt, vielleicht warten Sie noch einen Moment. Es scheint immer noch Aufregung zu geben.
- Ich kann das nachvollziehen. Vielleicht können Sie die Aufregung draußen austragen, dann könnten wir im Programm fortfahren. - Frau Groskurt, Sie haben das Wort.
Gleichzeitig waren wir im Alter noch nie so gesund und gebildet wie heute. Verkalkte Bilder über die Zeit nach dem Renteneintritt müssen einen Mentalitätswechsel erfahren. Statt den Ruhestand als letzte Lebensphase zu verstehen, muss das Alter heute als aktive Lebensphase verstanden und muss Neues gewagt werden.
Damit sind die Menschen bei der SPD richtig. Die SPD wagt Neues. Denn auch der demografische Wandel, der über vielen Bevölkerungsprognosen als Schreckgespenst schwebt, verliert durch das Umdenken bezüglich der Vorstellungen vom Alter sein abschreckendes Gesicht. Die gewonnene Zeit nach dem Beruf und die Tatsache, dass es in Zukunft viel mehr Menschen mit dieser wertvollen Zeit gibt, bedeuten ein enormes Potenzial für die Gesellschaft. Die Gesellschaft kann und will es sich nicht leisten, auf dieses unerschöpfliche Potenzial zu verzichten.
Unsere Gesellschaft wird älter. Hinter diesem Prozess stehen sinkende Geburtenraten und eine immer höhere Lebenserwartung. Statistiken und Prognosen zeigen diesen Prozess des demografischen Wandels und münden meist in pessimistische Zukunftsszenarien, die angesichts des davon ausgelösten enorm großen Reformbedarfs zur Lethargie verleiten und zu Blockaden führen. Dafür gibt es jedoch keinen Grund.
Die SPD, eine innovative, lebendige, lebhafte Partei, lässt keine Trägheit zu, rüttelt wach und lässt Blockaden erst gar nicht entstehen.
(Beifall bei der SPD - Roland Riese [FDP]: Das gilt vielleicht für die AG 60 plus, aber nicht für die SPD! - Weitere Zurufe)
- Das gilt für die SPD insgesamt, Herr Riese. Sie sollten uns noch besser kennenlernen. Dann wären Sie auch beruhigter.
Um die positiven Seiten der Entwicklung zu begreifen und aufzugreifen, müssen wir uns alle von überholten Vorstellungen vom Altern lösen.
(Ministerin Aygul Özkan führt ein Ge- spräch - Zuruf von der SPD: Fragen Sie die Ministerin, ob sie das auch in- teressiert! Das ist unglaublich!)
Alter wird verbunden mit sinkender Leistungsfähigkeit und gesundheitlichen Problemen. Als Folge davon kreisen die Gedanken oft ausschließlich um karitative Aspekte, um Seniorenwohnheime, um steigenden Pflegebedarf, um die Kosten des Gesundheitssystems, bestenfalls noch um altersgerechte öffentliche Einrichtungen. Ältere Menschen werden oft auf die Themen wie Pflege, Gesundheit, Heime oder Altenhilfe begrenzt - meist gegen ihren Willen.
Damit jetzt aber keine Missverständnisse entstehen, möchte ich ausdrücklich betonen, dass gerade die SPD die Bereiche der Pflege, der Gesundheit, der Heime und der Altenhilfe intensiv bearbeitet.
Das ist nach den vielen intensiven Diskussionen in diesem Haus und den Aktionen für die Zukunft der Pflege außerhalb dieses Hauses nicht bestreitbar.
Die SPD hat aber auch klare Antworten auf die Frage, welche politische Forderung wir für eine Gesellschaft haben, in der die politische Teilhabe Älterer fester Bestandteil ist.
Wir definieren in unserem Antrag „Mitwirkung älterer Menschen stärken - Niedersächsisches Forum Seniorinnen- und Seniorenpolitik ins Leben rufen“ in acht Punkten die Ziele und Instrumente. Der vorliegende SPD-Antrag gibt einen zukunftsorientierten Anstoß für das Umdenken in der Diskussion über Möglichkeiten. Die Begründung unseres Antrages zeigt zusätzlich deutlich die Notwendigkeit auf, dass der Niedersächsische Landtag ein Forum Seniorinnen- und Seniorenpolitik einrichten muss.
Sehr geehrte Damen und Herren, weil Ältere Expertinnen und Experten sind, ob nun auf gesellschaftlicher oder politischer Ebene, bedarf es demokratisch legitimierter und abgesicherter Gremien. Diese Gremien werden mit dem Antrag der SPD-Fraktion geschaffen.
Viele heute Ältere haben bereits in der Jugend mehr Demokratie gewagt, sind durch Bildung aufgestiegen und haben bei der Arbeit für mehr Rechte und Mitbestimmung gefochten. Sie haben autoritäre Strukturen verändert, politisch interessiert gelebt, was sich auch an der Wahlbeteiligung deutlich zeigte. Sie haben sich an Frauen-, Friedens- oder Umweltbewegungen beteiligt. Wie viel Demokratie hätten wir heute weniger ohne die Streiterinnen und Streiter der 68er-Jahre?
Hier will ich, liebe Kolleginnen, ganz besonders die Streiterinnen zur Gleichberechtigung nennen. Nur zwei Beispiele: Im Jahr 1961 ist das Familienrechtsänderungsgesetz in Kraft getreten. Es verbesserte die Rechtsstellung der Ehefrau. Bis dahin, bis 1961, galt § 1354 des Bürgerlichen Gesetzbuches, der als Gehorsamsparagraf bezeichnet wurde. Er sprach dem Mann in einer Ehe das Recht zur Entscheidung aller das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu. Endlich konnten Ehefrauen ein eigenes Konto eröffnen, über das Guthaben eigenständig verfügen und über ihre Berufstätigkeit selbst entscheiden.
Wenn es nicht geschrieben stünde, es würde niemand glauben: Bis zum Jahr 1970 war Frauenfußball in Deutschland offiziell verboten.
Sehr geehrte Kolleginnen, auf die Erfahrungen dieser Streiterinnen - das wissen wir alle - können wir nicht verzichten.
Sehr geehrte Damen und Herren, es kann auch Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern nicht schaden, die langjährigen und vielfältigen Erfahrungen Älterer für ihre komplexen Entscheidungsfindungen zu nutzen.
Die Älteren müssen ihre Interessen selbst vorbringen können. Denn nicht jede Politikerin und jeder Politiker, selbst wenn sie oder er alt ist, kennt diese Interessen genau genug. Dieses Wissen kann auch nicht erwartet werden, weil Politikerinnen und Politiker mit sehr vielen Themen zu tun haben.
Fazit: Die Kompetenzen der Älteren sind unverzichtbar. Ältere müssen an politischen Entscheidungen auf Augenhöhe teilnehmen können. Das fordern ältere Menschen aktuell ein und weisen in Protesten darauf hin, dass gesellschaftliches Engagement aktiviert werden kann und politische Ignoranz nicht von allen hingenommen wird.
Ein niedersächsisches Forum Seniorinnen- und Seniorenpolitik soll die Interessen der Älteren in die Landespolitik einbringen und darauf achten, dass entsprechende Beschlüsse umgesetzt werden. Ältere dürfen nicht als Gefahr für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft hingestellt werden,
sondern müssen und können für diese in die Pflicht genommen werden. Sofern bei Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU und FDP, wie gerade durch den Einwurf klar wurde, aufgrund meiner Ausführungen leichte Sorgenfalten entstanden sind,
da Sie befürchten, dass die Machtübernahme der rüstigen Politikerinnen und Politiker bevorsteht, die nicht abtreten wollen, falls Sie befürchten, dass in unseren Parlamenten demnächst nur noch ältere Menschen den Ton angeben und junge, engagierte Menschen vor der Tür bleiben müssen, bis sie alt und grau sind, kann ich Ihnen diese Sorgenfalten glätten.