Ich eröffne die Beratung. Zu Wort gemeldet hat sich der Kollege Adler von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Lande Bremen und im Lande Brandenburg kann man schon wählen, wenn man 16 Jahre alt ist. In Niedersachsen geht das auch, nämlich bei den Kommunalwahlen.
Wir haben in der Beratung festgestellt, dass sich eine feste Grenze, ab der eindeutig ist, dass man wählen kann, nicht finden lässt. Diese Grenze wird immer durch eine politische Entscheidung des Gesetzgebers definiert. Wissenschaftliche Studien zu diesem Thema - nehmen Sie z. B. die ShellJugendstudie - gehen sogar dahin, dass man die Grenze für das Wahlalter noch weiter absenken könnte.
Früher betrug das Wahlalter 21 Jahre. Seither hat es aber gesellschaftliche Veränderungen gegeben. Diese gesellschaftlichen Veränderungen haben sich auch auf die Jugendlichen ausgewirkt. Die Jugendlichen sind in ihrer Urteilsfähigkeit früher eigenständig, sie sind verantwortungsbewusster, und wenn man den Umgang der Jugendlichen, speziell der 16- bis 18-Jährigen, mit den Medien betrachtet, dann sind sie, so behaupte ich, den Erwachsenen sogar überlegen.
In Bremen war die Gruppe der Jungwählerinnen und Jungwähler zwischen 16 und 21 Jahren die einzige Alterskohorte, deren Wahlbeteiligung gegen den Trend gestiegen ist. Der Landeswahlleiter in Bremen hat seine Auswertung daher mit den Worten begleitet: „Die Absenkung des aktiven Wahlalters auf 16 ist als Erfolg zu werten.“
Und noch ein Argument: Im Asylrecht gehen wir davon aus, dass Jugendliche ab 16 Jahren eigene politische Entscheidungen fällen. Deshalb werden im Asylrecht auch Jugendliche ab 16 Jahren zu den Gründen, aus denen sie politisch verfolgt werden, angehört.
Ich glaube, man sollte die Entscheidung, die wir hier zu treffen haben, nicht aus dem Blickwinkel „Wem gewähren wir das Wahlrecht?“, sondern aus dem Blickwinkel „Wem verwehren wir das Wahlrecht?“ fällen. Da nämlich im Grunde jeder Mensch ein Wahlrecht hat, bedarf es einer besonderen Begründung, 16- oder 17-Jährigen zu sagen, sie seien noch nicht reif genug bzw. würden noch
nicht über die politische Urteilsfähigkeit verfügen, an Wahlen teilzunehmen. Wenn man also andersherum an die Frage herangeht, dürfte es viel schwieriger werden, Jugendlichen das Wahlrecht zu versagen. Man könnte also sagen: Im Zweifel für das Wahlrecht.
Im Ausschuss ist eine Anhörung dazu abgelehnt worden. Das finde ich sehr bedauerlich. Es zeigt aber, wie voreingenommen CDU und FDP bei dieser Frage sind.
Ich will noch auf eine weitere Besonderheit hinweisen. Im Volksabstimmungsgesetz wird auf das Wahlrecht Bezug genommen. Wenn unser Antrag erfolgreich wäre und beschlossen würde, dann hätte das zur Folge, dass 16- und 17-Jährige auch bei Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden mit abstimmen dürften - und das wäre gut.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits zum vierten Mal in dieser Wahlperiode beschäftigt sich der Landtag mit einem Gesetzentwurf, welcher eine Absenkung des Wahlalters zum Ziel hat, wenngleich die einzelnen Vorschläge unterschiedlich sind. Allerdings zeigen die Regierungsfraktionen auch zum vierten Mal in Folge, dass sie nicht bereit sind, sich mit diesem Thema ernsthaft auseinanderzusetzen. Ich empfinde das als ein Armutszeugnis für die Fraktionen von CDU und FDP.
Der grundsätzliche Gedanke einer verstärkten Partizipation und Teilhabe junger Menschen an demokratischen Prozessen ist für unsere Gesellschaft essenziell und wird von uns daher auch in seiner Umsetzung unterstützt. Das war auch schon immer unsere Leitlinie der politischen Entscheidungen. Von daher ist es für uns auch selbstverständlich, diesen Antrag mit dem notwendigen Ernst zu behandeln.
Wahlrecht mit 16 bei Kommunalwahlen eingeführt hat. Das ist heute in anderen Bundesländern übrigens eine Selbstverständlichkeit.
Ich habe bereits im Rahmen der Einbringung des Gesetzentwurfs gesagt, dass es keine rechtlich zwingenden Gründe gibt, eine Absenkung des Wahlalters auch für Landtagswahlen abzulehnen. Gleichwohl ist es nach meiner Arbeitsauffassung die Aufgabe der Rechtspolitiker, sehr genau hinzuschauen, wie eine widerspruchsfreie Einbettung in die Systematik von Rechten und Pflichten geschehen kann.
Wir haben im Ausschuss vereinbart, dass wir zuerst schriftliche Unterlagen anfordern und danach entscheiden, ob eine mündliche Anhörung stattfinden soll. Die angeforderten Unterlagen waren inhaltlich nicht ausreichend, sodass aus unserer Sicht eine mündliche Anhörung geboten gewesen wäre. Dies wurde dann insbesondere durch die Regierungsfraktionen abgelehnt. Dabei war die Art und Weise der Argumentation im Ausschuss, wie ich finde, besonders alarmierend.
Meine Damen und Herren, die CDU hat offensichtlich bis heute nicht bemerkt, dass in den beiden debattierten Gesetzen unterschiedliche Altersgrenzen vorgeschlagen worden sind. So genau beschäftigt man sich dort mit den Inhalten von Gesetzentwürfen zu Grundlagen unserer Demokratie! Das ist nahe an der Arbeitsverweigerung.
Gestern kündigte Kollege Adasch auf Facebook an, er werde heute zu diesem Tagesordnungspunkt reden. Ich bin sehr neugierig darauf, ob er jetzt tatsächlich eine neue Rede, bezogen auf das neue Gesetz, halten wird oder ob er zum vierten Mal die Rede zu dem vorherigen Gesetz halten wird. Für uns macht es nämlich im Rahmen einer Abwägung einen ganz entscheidenden Unterschied, ob wir über eine Altersgrenze von 14 oder von 16 Jahren reden.
Die FDP hat im Ausschuss dazu überhaupt nichts gesagt. Dafür hat der Kollege Zielke in allen Reden hier im Plenum immer etwas von Kinderkreuzzügen erzählt. Sehr geehrter Herr Professor Zielke, ich habe Ihnen ein bekanntes deutsches Monatsmagazin für Geschichte mitgebracht. Darin ist ein Aufsatz zu den angeblichen Kinderkreuzzügen enthalten. Ich lasse Ihnen das Magazin gerne zur Ansicht und vor allem zur Durchsicht da.
Vielleicht helfen Ihnen die Unterlagen beim Aufräumen mit offenbar beliebten, deshalb aber noch lange nicht richtigen Vorstellungen und beim Erlangen eines etwas unverstellteren Blickes auf die Problematik.
Wir könnten dann nämlich gleich weitermachen mit der grundsätzlich falschen Einstellung zu diesem Gesetzentwurf.
Meine Damen und Herren, die Absenkung des Wahlalters ist ein möglicher Schritt von mehreren, um Jugendliche stärker für Politik und damit letztlich auch für Demokratie zu interessieren. Dieser Aufgabe sollten und müssen wir uns eigentlich alle stellen. Ich empfinde es als problematisch und gefährlich, wenn sich Teile der Bevölkerung von politischen Prozessen abwenden. Wer Politikverdrossenheit bekämpfen will, muss dafür sorgen, dass sich Jugendliche verstärkt in die Gesellschaft einbringen und mitbestimmen dürfen. Dazu kann die Absenkung des Wahlalters einen Beitrag leisten. Das ist sicherlich kein Allheilmittel, aber ein erster Schritt.
Ich hätte mich gerne im Rahmen einer Anhörung mit den Punkten auseinandergesetzt, wie eigentlich die Rahmenbedingungen gestaltet werden müssen, damit Jugendliche z. B. durch Schule besser auf die Wahlmöglichkeit vorbereitet werden, wie man über die Wahl hinaus die Beteiligung von Jugendlichen an Politik verbessern kann und etliches mehr. Diesen Fragen wollen sich CDU und FDP offensichtlich nicht stellen. Sie halten eine Unterstützung dieser Ziele für nicht notwendig. Durch den heutigen Beschluss wird das überdeutlich. Es wird für Sie dadurch sogar noch schlimmer, aber das müssen Sie mit sich selber ausmachen.
Wir werden den Beschlussvorschlag des Ausschusses heute ablehnen, am 20. Januar die Landtagswahl gewinnen und dann endlich eine vernünftige und gute Politik für Niedersachsen machen, ohne die lähmende Ignoranz von CDU und FDP.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Tonne, außer Polemik und Plattitüden habe ich von Ihnen heute nicht viel Neues gehört. Und was die Landtagswahl angeht, so kommt Hochmut bekanntlich vor dem Fall. Warten Sie die Landtagswahl erst einmal ganz gelassen ab.
Im Zuge der Beratungen im zuständigen Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen erhielten wir Auskünfte vom Bundesministerium für Inneres der Republik Österreich und vom Landeswahlleiter der Freien Hansestadt Bremen. Sie haben es angesprochen, Herr Kollege Tonne: Bahnbrechende neue Erkenntnisse konnten jedoch nicht gewonnen werden. Die Durchführung einer Anhörung lehnten die Regierungsfraktionen daher ab, zumal wir das Thema Absenkung des Wahlalters in dieser Legislaturperiode bereits behandelt haben. Ein ähnlicher Antrag wurde im Juni 2008 durch die Fraktion der Grünen gestellt.
Es wundert mich nicht, dass das Thema Absenkung des Wahlalters nunmehr kurz vor der anstehenden Landtagswahl erneut auf die Tagesordnung kommt. Die Linke rechnet sich mit diesen parteitaktischen Überlegungen offenbar höhere Wahlchancen aus. Was Sie mit Ihren Experimenten jedoch in Kauf nehmen, ist die Entkoppelung des Wahlalters von der Volljährigkeit, einer Grenze, die als einzig objektives Kriterium der Festlegung gilt.
Mit Argumenten, die der vorliegenden Begründung gleichen, haben die Grünen im Jahr 2008 eine Absenkung des Wahlalters auf 14 Jahre gefordert. Den Jugendlichen wird aufgrund einer allgemein konstatierten schnelleren Persönlichkeitsentwick
lung eine höhere Urteilskraft als noch vor einigen Jahren zugesprochen. Da dies aber schlecht messbar ist, da solche Prozesse immer individuell verlaufen, kann kein Wahlalter objektiv festgelegt werden, das diesem Umstand Rechnung trägt. Die differierenden Vorstellungen von 14 oder 16 Jahren verdeutlichen dies sehr gut.
Warum das Wahlalter nicht auf 15 oder gar 12 Jahre festlegen? - Die Rechte und Pflichten der Bürger stehen in einem Zusammenhang. Die eigenen Lebensverhältnisse werden erst ab dem Zeitpunkt der Volljährigkeit vollständig in eigener Verantwortung geregelt. Daher ist es unverständlich, warum die Rechte - in diesem Fall das Recht zur Wahl des Niedersächsischen Landtages - bereits früher wahrgenommen werden sollten. Mit der Teilnahme an Landtagswahlen ist eine hohe Verantwortung verbunden, die den Jugendlichen nicht einmal im privaten Bereich eigenständig zukommt.