Protocol of the Session on September 26, 2012

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Tagesordnungspunkt 1: Mitteilungen des Präsidenten

Zunächst möchte ich an etwas erinnern.

50 Jahre Landtag im Leineschloss

Am 11. September 1962 wurde das Leineschloss als neues Landtagsgebäude in Anwesenheit des Herrn Bundespräsidenten Lübke feierlich eingeweiht. Heute, 50 Jahre später, möchte ich an dieses für unser Landesparlament so herausragende Ereignis erinnern.

Aufgrund des Ergebnisses eines Wettbewerbs im Jahre 1954 beschloss der Niedersächsische Landtag am 11. April 1956 mit knapper Mehrheit den Neubau eines Parlamentsgebäudes durch Professor Oesterlen. Er hatte keine einfache Aufgabe zu bewältigen, nämlich die Ruine des durch den Krieg bis auf die Grundmauern niedergebrannten Leineschlosses zu einem repräsentativen und zweckmäßigen Parlamentsgebäude zu formen. Er hat mit der Verbindung von Altem und Neuem eine insgesamt gute Lösung gefunden, die insbesondere die Außenmauern der Leineschlossruine mit dem Portikus einbezog.

Heute sind wir - trotz aller Unzulänglichkeiten dieses Plenarsaales, die wir nach 50 Jahren beklagen und die keineswegs alle auf den Architekten Oesterlen zurückzuführen sind - dankbar, dass sich dieser Entwurf durchgesetzt hat und dass das Leineschloss nicht vollständig abgerissen worden ist. Dadurch konnte der schöpferische Geist, den der große Baumeister Georg Ludwig Friedrich Laves dem Leineschloss mit seinem klassizistischen Umbau verliehen hatte, weiterleben.

In der Festsitzung anlässlich der Einweihung des Landtagsgebäudes erinnerte Landtagspräsident Olfers an die großen Schwierigkeiten, die in der Bauzeit immer wieder überwunden werden mussten. Er verkündete mit Freude: „Nun sind wir in unserem neuen Heim!“ Bis dahin hatte der Landtag nämlich 16 Jahre lang provisorisch im Neuen Rathaus oder in der Stadthalle getagt.

Es hat sich für die Baugeschichte des Leineschlosses glücklich gefügt, dass ebenfalls im Monat September, nämlich am 30. September 1817, der Grundstein zum Umbau des Schlosses nach den Plänen von Laves feierlich gelegt wurde. Ebenfalls am 30. September, und zwar im Jahre 1958, wurde der Grundstein für unseren heutigen Bau gelegt.

All dies habe ich zum Anlass für die Präsentation einer kleinen Ausstellung aus Beständen unseres Archivs und unserer Bibliothek genommen, die in deren Räumen zu sehen ist und deren Besuch ich Ihnen allen empfehle.

So weit die Vormerkung und die Erinnerung an diesen Vorgang.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Die Einladung, die Tagesordnung und der Nachtrag zur Tagesordnung für diesen Tagungsabschnitt liegen Ihnen vor.

Wie Sie der Unterrichtung in der Drs. 16/5218 entnehmen konnten, hat die Fraktion der SPD ihren Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Berufe in der Altenpflege in der Drs. 16/5179 zurückgezogen. Damit entfällt der als Tagesordnungspunkt 9 vorgesehene Beratungsgegenstand.

Der Herr Innenminister hat mitgeteilt, eine Regierungserklärung zum Thema „Verbot der rechtsextremistischen Vereinigung ‚Besseres Hannover’“ abgeben zu wollen. Er hat angekündigt, dass diese Erklärung maximal zehn Minuten dauern werde. Ich beabsichtige, dem Herrn Minister dazu im Anschluss an diese Mitteilungen das Wort zu erteilen.

Außerdem haben Sie eine Übersicht erhalten, aus der Sie ersehen können, wie die Fraktionen die ihnen zustehenden Zeitkontingente verteilt haben. - Ich stelle das Einverständnis des Hauses mit diesen Redezeiten fest. Die heutige Sitzung soll demnach gegen 19.15 Uhr enden.

Ergänzend weise ich auf folgende Ausstellungen hin:

In der Wandelhalle ist die Ausstellung „Den Seuchen auf der Spur - 200 Jahre Infektionskrankheiten im Kartenbild“ zu sehen, die vom Niedersächsischen Landesgesundheitsamt, der Deutschen Gesellschaft für Kartographie e. V. und der Staatsbibliothek Berlin - Preußischer Kulturbesitz - in Verbindung mit dem 60. Deutschen Kartographentag und der INTERGEO in Hannover konzipiert wurde.

In der Portikushalle ist die Ausstellung „Ordnung und Vernichtung - Die Polizei im NS-Staat“ zu sehen, die die Polizeiakademie und der Verein „Gegen Vergessen - Für Demokratie e. V.“ konzipiert haben.

Die Veranstalter freuen sich in beiden Fällen über Ihr Interesse.

Für die Initiative „Schulen in Niedersachsen online“ werden in den kommenden Tagen Schülerinnen und Schüler der Johannesrealschule aus Meppen wieder mit einer Onlineredaktion live aus dem Landtag berichten. Die Patenschaft dafür hat der Abgeordnete Bernd-Carsten Hiebing übernommen.

(Beifall)

Sendungen, die das „Modellprojekt Landtagsfernsehen“ der Multimedia-Berufsbildenden Schule erstellt, stehen wie immer im Internet auf der Homepage der Schule zum Abruf bereit und sollen auch über den Regionalsender LeineHertz 106einhalb gesendet werden.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr die Schriftführerin mit.

Guten Morgen, Kolleginnen und Kollegen! Es haben sich entschuldig: von der Landesregierung Herr Finanzminister Möllring nach der Behandlung der Tagesordnungspunkte 4 bis 8, von der Fraktion der CDU Herr Thiele ab 13 Uhr, von der Fraktion der SPD Frau Stief-Kreihe, Herr Möhle und Herr Brinkmann bis 13 Uhr, von der Fraktion DIE LINKE Frau Flauger, Herr Perli sowie Herr Adler von 10.20 Uhr bis 12.20 Uhr, und das fraktionslose Mitglied des Hauses, Frau Wegner.

Vielen Dank.

Vielen Dank. - Ich komme jetzt, wie angekündigt, zur

Erklärung zum Verbot der rechtsextremistischen Vereinigung „Besseres Hannover“

Hierzu liegt Ihnen die Drs. 16/5225 vor.

Zunächst gibt der Herr Innenminister die angekündigte Regierungserklärung ab. Ich erteile ihm dazu das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte es für angebracht, dass der Innenminister über das Verbot des Vereins „Besseres Hannover“ hier im Landtag eine Erklärung abgibt und Sie insofern unterrichtet.

Meine Damen und Herren, wir wollen dem Rechtsextremismus in Niedersachsen das Handwerk legen. Ich habe deshalb gestern den Verein „Besseres Hannover“ verboten.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Diese Gruppierung steht für eine rechtsextreme Hassideologie. Sie hat in den letzten Jahren immer wieder mit Aktionen und Publikationen aufgestachelt und vor allen Dingen auch Unfrieden geschürt. Flüchtlinge, Zuwanderer und politisch Andersdenkende wurden verhöhnt, bedroht oder gar angegriffen. Davon waren auch unsere Kolleginnen Frau Abgeordnete Sigrid Leuschner und Frau Ministerin Aygül Özkan wiederholt betroffen. Verehrte Kolleginnen, Sie haben sich dadurch in keiner Weise beeindrucken lassen und damit allen gezeigt, wo das eigentlich bessere Hannover steht.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dafür möchte ich Ihnen, aber auch allen Bürgerinnen und Bürgern danken, die die gleiche Haltung gezeigt haben, wenn sie von dem Verein attackiert worden sind. Es ist sehr wichtig, dass wir uns davon nicht einschüchtern lassen. Der Applaus hat gezeigt, dass wir diesen Dank in demokratischer Solidarität für das gesamte Haus aussprechen können. Herzlichen Dank dafür!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Mit dem Verbot von „Besseres Hannover“ haben wir eine gefährliche und aktive Gruppierung des Rechtsextremismus untersagt. Dieser Spuk hat jetzt ein Ende. Der sogenannte Abschiebär darf nicht mehr in der Öffentlichkeit verwendet werden. Auch die in Schulen verteilte Zeitschrift Bock darf nicht mehr erscheinen. Verstöße gegen diese Verbotsmaßnahmen sind Straftaten und können mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geahndet werden.

Meine Damen und Herren, bei dem Verbot von rechtsextremistischen Gruppierungen gilt Sorgfalt vor Schnelligkeit. Die Aktivitäten von „Besseres Hannover“ standen immer im Fokus der Sicherheitsbehörden. Bisher konnten wir die Gruppierung nicht verbieten, weil die Fakten nicht ausreichten. Jetzt aber liegen erweiterte polizeiliche Erkenntnisse vor: sowohl in Bezug auf das Strafrecht, § 129 StGB - Bildung einer kriminellen Vereinigung - als auch nach dem Vereinsgesetz. Die Vereinsstruktur, die Führungsebene, die Autorenebene und die Aktivisten können beweissicher nachgewiesen werden. Die neue Faktenlage rechtfertigt ein Verbot von „Besseres Hannover“.

Mit dem Vereinsverbot ist uns ein erfolgreicher Schlag gegen die neonazistische Szene in Niedersachsen gelungen. Dies war nur durch eine enge und effektive Zusammenarbeit von Polizei, Verfassungsschutz und Staatsschutz möglich. Dafür möchte ich mich bei allen genannten Behörden ganz herzlich bedanken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ihre erfolgreiche sicherheitspolitische Arbeit zeigt: Die Bürgerinnen und Bürger können ihnen vertrauen.

Meine Damen und Herren, gestern wurden Objekte und Fahrzeuge an insgesamt 27 Orten in Niedersachsen durchsucht. Beschlagnahmt wurden neben Computern, Handys und Speichermedien auch zwei scharfe Handfeuerwaffen, eine Machete, eine Hakenkreuzfahne und jede Menge Propagandamaterial, darunter auch zahlreiche NPDPlakate.

Zurzeit laufen 24 Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder des Vereins, dem wir 40 Personen zurechnen. „Besseres Hannover“ handelte nicht nur den Strafgesetzen zuwider, der Verein richtete sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung.

„Besseres Hannover“ bekennt sich klar zum Nationalsozialismus, versucht, die Fundamente unseres demokratischen Rechtsstaats zu unterhöhlen, und vertritt eine mit dem Grundgesetz unvereinbare Rassenlehre.

Zudem verfügen etliche Mitglieder, insbesondere die Führungsebene, über vielfältige Beziehungen in die Neonaziszene. Sie haben an rechtsextremen Versammlungen und Aktionen im gesamten Bundesgebiet teilgenommen.

Unmittelbar nach Bekanntwerden der Taten des NSU und der Verbindungen dieser Gruppe zu dem niedersächsischen Rechtsextremisten Holger G. haben die Verfassungsschutzbehörde sowie das Landeskriminalamt auf meine Veranlassung hin eine umfangreiche Aktenrecherche zu dieser Person und weiteren Personen im Zusammenhang mit dem NSU durchgeführt.

Danach ist bekannt, dass der Beschuldigte Holger G. seit seinem Umzug im Jahr 1997 nach Niedersachsen Kontakte zur rechtsextremen Szene in und um Hannover hatte. Dazu gehörten auch Kontakte zu Marc-Oliver M. und Denny S., beide Protagonisten der nunmehr verbotenen Vereinigung „Besseres Hannover“. Im Zusammenhang mit den Aktivitäten von „Besseres Hannover“ ist Holger G. jedoch nicht in Erscheinung getreten. Wir müssen jetzt abwarten, was die Durchsuchungsmaßnahmen an neuen Erkenntnissen bringen werden.

Meine Damen und Herren, von „Besseres Hannover“ ging ein erhebliches Radikalisierungspotenzial aus. Die Gruppierung hat immer wieder gezielt versucht, mit raffinierten und neuartigen Rattenfängermethoden junge Menschen an sich zu ziehen. Ob es sich um spektakuläre Auftritte wie nächtliche Fackelmärsche, das Angebot einer Schülerhilfe, die Zeitschrift Bock oder um Internetauftritte handelte - alle diese Aktionen und Plattformen sollten junge Menschen gegen die Demokratie aufstacheln, zum Mitmachen verleiten und sie mit einem gefährlichen Gedankengut indoktrinieren.

Darüber hinaus wollte „Besseres Hannover“ die anstehende Landtagswahl durch eine genau geplante Boykottkampagne erheblich stören.

Meine Damen und Herren, aus all diesen Gründen war ein konsequentes Durchgreifen gegen diese Gruppierung unerlässlich. Wir werden den Verfolgungsdruck auf die rechtsextreme Szene in Niedersachsen mit Nachdruck aufrechterhalten.